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Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten – Teil 18

Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten, vorzüglich neuester Zeit
Erzählt und erklärt von Gottfried Immanuel Wenzel
Prag und Leipzig 1793

Die gewonnene Wette
Oder Die zehn Küsse.

Mein lieber Freund!

Ich habe die Wette gewonnen, und man hält viel auf mich. Frau v. Z. macht mich beinahe zum Zauberer.

Die Geschichte ist drollig. Vielleicht taugt sie in Ihre Galerie des Wunderbaren. Wollen Sie, dass ich sie erzähle? Es sei drum!

Der alte Herr vom Hause schlief schon im wohlgepolsterten Sessel. Frau v. Z. war schon im Kabinett und sang Die Nacht ist vor der Tür, als wir, die beiden Fräulein, ihr martialischer Herr Bruder und ich, uns entschlossen, eine Promenade beim Mondscheine zu machen.

Sie wissen, wie gern ich so an der Hand einer empfindsamen Schönen im Mondlicht dahinschlendere. Ich führte Julchen, Henriette hing sich an den Arm ihres Bruders. Es war ein vortrefflicher Abend. Wir sahen das Lächeln des Mondes, sahen aber auch, wie er uns, mich und Julchen, beneidete und blass im Gesicht wurde.

Freundliche Sterne grüßten uns und wir dankten ihnen mit Blicken. Henriette sah sich öfter um und bemerkte die Sympathie mit dem Mond und den Sternen.

Wir kamen in eine Laube. Henriette brachte das Gespräch auf Liebe, spottete der Liebe und der Verliebten, sprach Amor und Amorette Hohn, bot selbst der Göttin Trotz, nannte die Mannspersonen schwache Geschöpfe und lachte recht aus Herzensgrund über seufzende Adonis und aus gezehrte Seladons.

Ich nahm die Partei der Liebe und verteidigte mein Geschlecht.

Die beredte Gegnerin wählte mich zum Beweis und wollte mich mit eigenen Waffen schlagen.

Ich gab nach und sagte bloß, dass die Zeit gewiss kommen würde, wo sich die mächtige Göttin der Liebe und die beleidigten Liebesgötter an ihrem Frevel rächen werden. Das leugnete die Spröde geradezu und erklärte es als unmöglich.

»Keine Mannsperson«, – setzte sie hinzu, »soll sich je rühmen können, dass ich sie nur mit einem bedeutenden Blick angesehen habe.«

»Das ist viel gesagt«, erwiderte ich, »meine Schöne. Wie aber, wenn Sie morgen so oft nach mir blicken müssen, wider Ihren Willen blicken müssen, als es mir beliebt? Wie steht es da um Ihre Versicherung, heldenmütiges Kind?«

»Wenn Sie das können«, versetzte sie, »so …«

»So«, fiel ich ihr ins Wort, »bekomme ich einen Kuss …«

»Auf den Fall, mein Herr, zehn für einen«, antwortete das Fräulein. »Es geschieht gewiss nicht, nun und in Ewigkeit nicht!«

»Also morgen die Probe, und dann die Küsse«, sagte ich.

Wir kehrten nach Hause zurück. Julchen sah es für Scherz an und wünschte, dass Ernst aus dem Scherz würde, um nur Ursache zu haben, über ihre Schwester, die immer die Spröde, die Startmütige, die Ansichhaltende, die Unbesiegbare spielen wollte, lachen zu können. Ich versicherte sie, dass ich es wirklich ernstlich gemeint habe.

Der Morgen war da, und wir gingen zur nahen Schäferei; Henriette und ihr Bruder, Julchen und ich. Die Ersteren waren vorangegangen, wir folgten ihnen langsam nach. Im Gebüsch kamen wir zusammen. Noch hatte sich Henriette nicht umgesehen. Doch nun traf sie einer meiner Blicke. Ich rieb mir die Hände und sagte zu Julchen, der Morgen wäre kühl, fixierte noch einmal Henriette und der Zauber war getan. Kaum drei Schritte, und Henriette sah sich nach mir um; wieder einige Schritte, und Henriette sah sich wieder um; noch der Schritte einige, und der Blicke folgten mehrere. Julchen lachte. Und ich werde heute Abend, denken Sie doch, zehnmal geküsst werden.

Aufschluss

Der Verfasser des Briefes träufelte einige Tropfen eines flüchtigen Likörs, den er in einem Fläschchen bei sich führte, in eben dem Augenblick in die Hand, wo er im Gebüsch Gelegenheit hatte, Henrietten zu fixieren, und rieb sich alsbald die Hände. Durch das Reiben stiegen die flüchtigen Ingredienzen des Likörs in die Höhe. Der starre, auf das Fräulein geheftete Blick stieß die sich unmittelbar vor ihr befindenden Luftteilchen zurück und bahnte dem Volatilischen des Likörs den Weg gegen Henriette. Diese fühlte etwas, ohne zu wissen, was sie fühlte, sah sich um, und sah sich so oft um, wie mein Freund bei jedem Umsehen sie fixierte und sich neuerdings die Hände rieb.

Bei Frauenzimmern geht dieser Versuch fast immer glücklich vonstatten, weil dieses Geschlecht im Durchschnitt ein feineres, folglich reizbareres Nervensystem hat, den wir Männer haben. Je zarter eine Frau gebaut ist, desto stärker ist die Wirkung. Am besten ist es, wenn der Versuch, ohne dass die Person weiß, dass sie sich umsehen soll, gemacht wird. Ich versuchte es einmal mit Alkohol1 und Hirschhorngeist und es gelang mir.

Show 1 footnote

  1. Sehr rektifizierter Weingeist