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Der Welt-Detektiv Band 6

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Schinderhannes – Fünftes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Fünftes Kapitel

Schinderhannes wird Räuberhauptmann.

Mit der fast unglaublichen Entweichung aus dem unterirdischen Gefängnis in Simmern fängt eigentlich ein neuer Abschnitt im Leben des Schinderhannes an.

Bisher hatte er nur Hammel, Pferde, Tuch usw. gestohlen, entweder ganz allein oder in Verbindung mit einem Zweiten. Durch die harte Behandlung in Simmern wurde er so erbittert, dass er sich vornahm, nun größere Unternehmungen zu wagen. Von da an trieb er das Räuberhandwerk in seinem ganzen Umfang, durch gewaltsame Einbrüche, Straßenraub usw.

Jene wunderbare Entweichung aus dem Gefängnis in Simmern hatte gar großes Erstaunen erregt. Der gemeine Mann glaubte steif und fest, so etwas könne einer nur unternehmen und ausführen, wenn er mit dem Bösen in Verbindung stehe und geheime, übermenschliche Kräfte besitze. Daher wagte auch kein Bewohner dieser Gegend, Hand an ihn zu legen. Er konnte deshalb unbesorgt eine lange Zeit bei Tag und bei Nacht in Dörfern und selbst in kleineren Städten herum gehen. Wohin er kam, zeigte man sich sehr gefällig und zuvorkommend gegen ihn, und selbst öffentliche Beamte unterhandelten mit ihm, um für sich und ihre Bezirke vor ihm und seiner Bande sicher zu sein. Schinderhannes galt also für eine sehr wichtige Person.

Den Kaufleuten war er besonders abhold. Seine Unternehmungen waren von nun an hauptsächlich gegen sie gerichtet. Oft zerriss er ihnen Schuldscheine und Wechsel, besonders solche, die von Bauern ausgestellt waren. Diejenigen Kaufleute aber, die ihm von Zeit zu Zeit Geschenke machten, ließ er in Ruhe, ebenso die, welche ihm einen freiwilligen Tribut entrichteten oder ihm schickten, was er von ihnen verlangte.

Die Kameraden, die er sich angeworben hatte, versah er alle mit Waffen, um Größeres ausführen zu können. Der erste große Einbruch wurde beim Bauern Riegel in Ozweiler gemacht. Die beiden berüchtigten Räuber Karl Benzel und Siebert nahmen auf eine von Schinderhannes an sie ergangene Einladung daran teil. Ein Wald in der Nähe des Dorfes war als Sammelplatz bestimmt. Dahin kamen die Räuber alle gut bewaffnet und zechten, bis die rechte Zeit zum Aufbruch kam. Als indessen zwischen einigen ein Streit entstand und ein Schuss fiel, prügelte Schinderhannes den Schuldigen tüchtig durch und stellte so die Ordnung wieder her. Durch dieses kräftige Verfahren setzte er sich bei allen Räubern in so große Achtung, dass sie ihn nun als ihr Oberhaupt betrachteten und ohne ihn nichts Wichtiges unternahmen. Das war nun freilich keine Ehrenstelle, auf welche er stolz zu sein Ursache gehabt hätte. War er ja doch nur der Anführer, wenn Schandtaten und Misshandlungen verübt oder Mordtaten begangen wurden.

Der Angriff auf Riegels Haus wurde gemacht. Schinderhannes drang mit einigen Kameraden in dasselbe ein, während die Übrigen außen Wache hielten. Plötzlich fiel draußen ein Schuss. Der Hauptmann sprang herbei und fand einen alten Mann am Boden liegend. »Wer hat das getan?«, fragte er ganz entrüstet.

»Ich«, gab ein Räuber zur Antwort. »Der Mann ist Peter Riegel, er nannte mich beim Namen, da schoss ich ihn nieder.«

»Mit euch ist doch nichts anzufangen«, sagte Schinderhannes, »nun ist alles verdorben. Fort, ehe wir entdeckt werden!«

Alle brachen auf, ohne den vorgesetzten Zweck erreicht zu haben, nämlich Riegels Geld zu bekommen. Riegel selbst aber wurde das Opfer dieses Überfalls.

Die Gesellschaft trennte sich nun wieder. Nur Benzel blieb eine Zeit lang allein bei Schinderhannes, der mit ihm in kurzer Zeit mehrere Räubereien zum größten Teil an Kaufleuten verübte und sich so in den Besitz beträchtlicher Summen setzte.

Bald vermehrte sich die Gesellschaft des Schinderhannes wieder und es wurden größere Unternehmungen gemacht, welche an barem Gold und Silber öfters über tausend Gulden betrugen. Hinzu kamen dann noch goldene und silberne Ketten, Ringe, Leuchter, Uhren, Kleidungsstücke und Gegenstände aller Art, deren Wert oft ebenso viel ausmachte.