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Der Spion – Kapitel 23

Balduin Möllhausen
Der Spion
Roman aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, Suttgart 1893

Kapitel 23

Daisy

Sechs Tage hatten Maurus, Markolf, Kit Andrieux und deren acht Begleiter, unter diesen die beiden Otoe, sich unterwegs befunden und in starken Märschen bereits über zwei Drittel der Entfernung bis nach Kansas City hinunter zurückgelegt. Eine Verzögerung erfuhr die Reise durch den von wolkenbruchartigem Regen begleiteten Gewittersturm, der sie zwang, früher, als es sonst ihre Gewohnheit war, in einem schutzgewährenden Gehölz das Lager aufzuschlagen. Am folgenden Tag setzten sie die Reise unter strömendem Regen fort, um sie abermals verfrüht abzubrechen. Auf dem Ufer des Missouri, am Saum eines von breit verzweigten Pappelweiden und dichtem Gesträuch gebildeten Hains hatten sie ihr Lager aufgeschlagen. Zugleich befanden sich dort die an Leinen weidenden Pferde in ihrem Blickfeld, sodass im Lauf der Nacht keine Störung zu befürchten war. Als aber auch am folgenden Morgen das Wetter noch keine Änderung verhieß, beschlossen sie, schon allein um der Pferde willen Rasttag zu halten. Alsbald entstanden unter den regsamen Händen Bedachungen, welche sie durch das Verflechten loser Zweige mit stehendem Gesträuch und darüber ausgebreitete Decken herstellten, sodass sie wenigstens von oben die Feuchtigkeit einigermaßen von sich abzuhalten vermochten.

Zwischen diesen Lauben auf der nach dem Strom hin offenen kleinen Wieseneinbuchtung brannte ein mächtiges Feuer und sandte seine Wärme in die geschützten Räumlichkeiten hinein, wo zum Trocknen aufgehängte Kleidungstücke, Decken und Sättel unter dem Einfluss der ihnen zuströmenden Hitze dampften.

Der Tag verstrich eintönig und trübselig. Gegen Abend hatte der Regen etwas nachgelassen, aber noch immer brauste und rauschte es in den Wipfeln bald leiser, bald lauter, je nachdem der Wind die Zweige regte und die Tropfen wie auf Stufen von Blatt zu Blatt ihren Weg abwärts suchten.

Das einfache Mahl war beendet. Die Decken um die Schultern geworfen, saßen die Männer um das üppig genährte Feuer. Die kurzen Tonpfeifen brannten. In lebhafter Weise bewegte die Unterhaltung sich um die kommenden Tage. Maurus und Markolf hatten sich in ein Gespräch über ihre Schwester und die beiden alten Junggesellen vertieft. Zugleich gedachten sie mit herzlicher Wärme der anmutigen jungen Halbindianerin und der Möglichkeit, sie zu seiner Zeit unter das gastliche Dach Martin Findegerns zu führen und sie der Obhut Margarethas anzuvertrauen. Die Scheu vor dem wunderlichen Tischler und Sargfabrikanten hatten beide wohl aufgrund der brieflichen Mitteilungen Margarethas verloren. Ging es doch so weit, dass Markolf in Erinnerung Daisys die ernste Absicht offenbarte, dem wilden Jagdleben zu entsagen und sich der ferneren Leitung des großen Onkels zu unterwerfen. Die Ausführung seines Plans machte er von den nächsten Kriegsereignissen abhängig, an welchem er insoweit beteiligt war, als er sich seinem Freund Kit Andrieux gegenüber verpflichtet hatte, ihm und den anderen Gefährten bei den Kundschafterdiensten gegen die berüchtigten Guerillabanden zur Seite zu bleiben. Wenn er aber, jedem Zwang abhold, das Kämpfen in Reih und Glied, zumal für eine ihm fernliegende Sache verabscheute, so übten andererseits die Schilderungen der Taten des verwegenen Kampbell einen begeisternden Einfluss auf ihn aus. Von heller Lust an Abenteuern beseelt, regte sich in ihm der Wunsch, den rätselhaften Spion persönlich kennenzulernen und es ihm, wenn möglich, gleichzutun.

»Ja, dieser Kampbell!«, rief Kit Andrieux, sobald er den Namen hörte, über das Feuer hin, »ich sah ihn zwar nicht mit meinen lebendigen Augen, aber des Henkers will ich sein, wenn von seiner Sorte mehr als einer aufs Dutzend gehen. Wer unter ihm dient – und das weiß ich aus einem verdammt aufrichtigen Mund – der ist gut geborgen. Nebenbei müssen ihm die Dollars nur so in die Tasche regnen, dass er damit um sich wirft, wie eine alte krummbeinige Squaw mit Nussschalen, nachdem sie den Kern daraus hervorholte. Wen er aber zu seinen Diensten heranzieht, der muss nicht nur ein unverzagter Mann sein, sondern auch ein rechtschaffener …«

Er brach ab und lauschte argwöhnisch über den nächsten Bereich des Lagers hinaus. Die Gefährten folgten seinem Beispiel. Gleich darauf drang der Anschlag eines scharf getriebenen stolpernden Pferdes herüber. Kit Andrieux sprang auf und trat ins Freie hinaus. Scharf spähte er in die Richtung, aus welcher das Geräusch deutlicher wurde, ohne mehr zu unterscheiden, als die unbestimmten Umrisse eines Reiters, der sich im Schatten des Waldessaumes hielt.

»Wer kommt da?«, fragte er, als der Reiter kaum noch dreißig Schritte entfernt war.

Das Pferd wurde angehalten, aber eine Antwort erfolgte nicht. Stattdessen gewahrte er eine flinke, unentwirrbare Bewegung. Flüchtige Schritte wurden vernehmbar. Von der Beleuchtung der Flammen gestreift, zeichnete sich eine rote Decke aus. Eine dicht verhüllte Gestalt schlüpfte vor ihm vorüber, und gleich darauf lag Daisy vor Markolf auf den Knien, ihn mit beiden Armen umschlingend und ihr Antlitz auf seinem Schoß bergend.

Markolf saß wie versteinert. Doch auch die anderen um das Feuer Versammelten blickten bestürzt auf die mit den Spuren eines schrecklichen Rittes bedeckte gebeugte Gestalt, welche durch die indianische Bekleidung allen mehr oder minder entfremdet worden war. Todesschweigen war eingetreten. Man hörte nur das melancholische Brausen in den Bäumen, das Knistern des brennenden feuchten Holzes und das krampfhafte Schluchzen, unter welchem der durch die furchtbaren Anstrengungen der kopflosen Flucht gebrochene Körper sich leise wand. Keiner befand sich unter den Anwesenden, der sich nicht vielfach an dem reizvollen Bild der jungen Halbindianerin erfreut hätte; aber auch keiner, der sich nicht vergegenwärtigte, welchen Aufwand an Mut und Willenskraft, welche unergründliche Anhänglichkeit es erforderte, um eine Aufgabe zu erfüllen, der mancher erfahrene Mann vielleicht unterlegen wäre. Teilnahme, sogar Rührung prägte sich in den harten, verwitterten Gesichtern der rauen Männer aus. Niemand wagte die herrschende Stille zu unterbrechen. Erst nach einer langen beängstigenden Pause ernster Spannung kehrte die ungeteilte Aufmerksamkeit sich Markolf zu, von welchem man die erste Kundgebung erwartete. Auch er schien die Sprache verloren zu haben. In seinen Augen waren Tränen zusammengeronnen. Die seit Jahren in der Wildnis gestählte Natur war dem Eindruck nicht gewachsen, welchen der Anblick der unter Einsetzen ihres Lebens zu ihm geflüchteten Geliebten auf ihn ausübte. Ob eine Anzahl abgehärteter Männer ihn gespannt beobachteten, es kümmerte ihn nicht. Als hätte er sich mit Daisy allein auf der Welt befunden, ließ er beide Hände schmeichelnd über das von Wind und Gezweig zerzauste schwarze feuchte Haar hingleiten. Dann ihr Haupt sanft aufrichtend, sah er erschüttert in das zu ihm erhobene Antlitz. Neuer Schrecken bemächtigte sich seiner. Meinte er doch, nicht das Haupt desselben zutraulichen Wesens zwischen seinen Händen zu halten, welches er vor wenigen Tagen erst als ein Bild holdselig erblühender Jungfräulichkeit hinter sich zurückließ. Abgezehrt, hier und da blutig waren ihre Züge wie nach langem Siechtum. In eine fahle Farbe war das samtweiche Lichtbraun übergegangen. In dem Zustand ihrer Bekleidung aber verriet sich, wie groß die Hindernisse gewesen waren, über welche hinweg sie, einer unbesiegbaren Sehnsucht folgend, sich dem Geliebten zugesellt hatte, wie groß die Gleichgültigkeit gegen das eigene Dasein, wenn es ihr nur gelang, einen letzten Blick auf denjenigen zu werfen, in dem allein sie lebte. In ihren großen dunklen Augen hingegen, da sprühte und glühte es nach alter Weise. Das aus ihnen strahlende Entzücken wurde nur durch einen ergreifenden Ausdruck bangen Flehens und rührender Unterwürfigkeit gedämpft. Als ob die lechzende Zunge am Gaumen festgetrocknet gewesen wäre, öffnete sie die Lippen, jedoch ohne einen Laut hervorzubringen.

»Daisy«, redete Markolf sie endlich so sanft an, wie wohl geschieht, wenn man vor einem Sterbebett steht, »arme Daisy, warum hast du mir das angetan? Deine treue Anhänglichkeit, ich erkenne sie an, und sie soll dir sicher gesegnet sein. Hattest du aber überlegt, dass mit dem furchtbaren Ritt durch die Wildnis du dein Leben aufs Spiel setzt, mich in die Lage bringen konntest, Tag und Nacht, Jahr auf Jahr um dich trauern zu müssen?«

»Wäre ich auf dem Weg zu meinem Herrn gestorben, ich hätte nicht geklagt«, antwortete Daisy, zitternd vor Kälte, Furcht und Innigkeit.

»Und deine treuen Beschützer, ich sehe voraus, sie wussten nicht um deine Flucht?«, fragte Markolf, das liebliche Haupt noch immer mit beiden Händen unterstützend und in den schüchternen großen Augen lesend.

»Sie wussten nichts davon oder sie hätten mich zurückgehalten«, gab Daisy aufrichtig zu. »Des Abends, als alle schliefen, flüchtete ich. Frau Mac Kinney hatte mir gesagt, ich möchte nach meinem Gefühl handeln. Du hörtest es selbst. Mein Gefühl trieb mich zu dir. Ich kann nicht leben, weiß ich dich fern. Ich muss bei dir sein und über dich wachen, oder du stirbst. Im Traum habe ich es gesehen.« Ihn fester umschlingend und sich inniger an ihn schmiegend, fuhr sie wie in Todesangst fort: »Schicke mich nicht fort oder es ist dein Unglück und das meine. Behalte mich bei dir. Ich will dir dienen, für dich arbeiten, wie ich es von den braunen Frauen kennenlernte. Ich will dein Essen bereiten, dir den Trunk reichen, wenn dich dürstet. Deine Pferde will ich füttern, wachen, wenn du schläfst, deine Stirn kühlen, wenn du heiß und matt geworden. Deine Büchse will ich tragen – zu Fuß neben dir einhergehen, wenn du reitest. Nur schicke mich nicht fort.«

Bei der herrschenden Stille ging keinem der um das Feuer Versammelten ein Wort verloren. Es war, als hätte die sanft beschwörende Stimme einen unwiderstehlichen Zauber in sich geborgen, dass selbst Markolf das klagende Mädchen nicht zu unterbrechen wagte. Aber mit Maurus, der tief ergriffen auf das Wehmut erzeugende Bild hinsah, wechselte er einen Blick des Einverständnisses. Freundlich beschwichtigend sprach er zu der immer noch vor ihm auf den Knien Liegenden: »Nein, Daisy, jetzt, da du hier bist, kann ich dich nicht mehr fortschicken. Ich muss dich in den Augen behalten, soll ich nicht unablässig um dein Ergehen mich beunruhigen. Ja, bei mir bleiben sollst du jetzt und immerdar, denn brächte ich dich zur Mission zurück, so bezweifle ich, dass es ein Segen für uns beide wäre.«

Einen beinah scheuen Blick sandte er im Kreis herum. Als er aber bei den harten Männern nur herzliches Wohlwollen entdeckte, sprach er eindringlich weiter, indem er Daisy, die angstvoll seinen Blick suchte, auf die Stirn küsste: »Zunächst beruhige und tröste dich, mein armes süßes Mädchen. Dann wollen wir deinen Zustand prüfen. Du bist zu Tode erschöpft, bedarfst der Rast und der aufmerksamen Pflege. Und nun blicke nicht mehr so verzweifelt. Mir zur Seite bleibst du, wohin auch immer mein Weg mich führen mag. Du aber entsage dafür dem Glauben an Träume, wie solche dir und mir das Leben verbittern. Und jetzt komm.« Daisys Armen sich sanft entwindend, erhob er sich. Als Daisy aber, von ihm unterstützt, seiner Bitte Folge leisten wollte, sank sie kraftlos auf die Knie zurück. Die Anforderungen welche sie, seit langen Jahren dem Sattel entfremdet, an sich gestellt hatte, waren zu groß gewesen. Der Wille, der sie so lange aufrecht hielt, musste sich unter das Joch des zerschlagenen Körpers beugen. Das Bewusstsein, nach so viel Angst und Not bei dem Geliebten zu weilen, forderte gemeinsam mit einem Gefühl des Behagens gänzliche Erschlaffung. Dabei sah sie, aller übrigen Anwesenden nicht achtend, so demütig, so flehend zu ihm auf, dass ihm vor Jammer das Herz hätte brechen mögen. Fürsorglich half er ihr in eine solche Lage hinein, dass die von dem Feuer ausströmende Hitze, ohne sie zu belästigen, ihre Kleider zu trocknen begann und sie zugleich erwärmte. Darauf ging er mit Kit Andrieux ans Werk, unter dem geeignetsten Schutzdach ein bequemes Lager für sie herzustellen. Andere beeilten sich unterdessen, so gut es bei den einfachen Vorräten nur möglich war, ein ihren Zustand entsprechendes Mahl zu bereiten, während wieder andere für ihr Pferd Sorge trugen und mit dem Sattelzeug ihre geringen Reisehabseligkeiten herbeitrugen.

Von den beiden Brüdern sorgsam gepflegt, stärkte sie sich zunächst durch Speise und Trank. Von ihnen unterstützt, begab sie sich endlich auf ihr Lager. Markolf, noch immer unter dem vollen Eindruck des ersten ihn so tief erschütternden Wiedersehens, setzte sich zu ihr. Ihre Hand haltend, lauschte er andächtig den von süßem Trost zeugenden Worten, welche sie hin und wieder an ihn richtete. Der Regen hatte um diese Zeit ganz aufgehört. Durch die Baumwipfel lief fernerhin geheimnisvolles Brausen und Rauschen. Einschläfernd wirkte es, wie die Wärme, welche die hoch emporlodernden Flammen unter die Schutzdächer entsandten. Allmählich wurden Daisys Bemerkungen zusammenhangslos, dann noch ein Weilchen, und ihre tiefen Atemzüge verrieten, dass sie einem kräftigenden Schlummer in die Arme gesunken war. Das schwere Gewölk war bis dahin zerrissen. Zahlreicher und umfangreicher wurden die Öffnungen, durch welche die Sterne, heiteres Wetter verheißend, auf die triefende Landschaft niederfunkelten.

Seitdem Daisy im Lager eintraf, war kein lautes Wort gesprochen worden. Auch jetzt noch, indem die abgehärteten Männer ihr Lager aufsuchten, bewegten sie sich so geräuschlos einher wie im geweihten Vorraum einer Kirche. Seit Jahren kannten sie die anmutig heranwachsende Halbindianerin, die liebliche Wiesenblume der Council-Bluffs. Keiner befand sich unter ihnen, der ihr nicht von Herzen einen ungestörten Schlaf gegönnt hätte.

Markolf blieb die ganze Nacht hindurch an Daisys Seite. Bei der zu ihnen hereindringenden unsteten Beleuchtung das abgehärmte holde Antlitz aufmerksam überwachend und fortgesetzt ihre Atemzüge zählend, beruhigte er sich mehr und mehr. Kein Merkmal entdeckte er, welches von Ärgerem als den Folgen der Überanstrengung gezeugt hätte. Umso schwerer lag es ihm auf der Seele, dass ihm kein anderer Ausweg blieb, als auf den bevorstehenden abenteuerlichen Irrfahrten sie bei sich zu behalten. Wäre doch eine Trennung von ihr, selbst dann, wenn er sie von Kansas City aus unter sicherem Geleit nach den Council-Bluffs oder nach St. Louis zu seiner Schwester geschickt hätte, gleichbedeutend mit ihrem gänzlichen Dahinsinken in wilde Verzweiflung und Tod gewesen. Ob ihr aber andererseits Gefahren drohten, Anstrengungen und Beschwerden in Fülle ihre Schritte begleiteten: Sie erwartete nichts anderes, wenn es ihr nur vergönnt war, nach Art ihrer braunen Verwandten in den Fußstapfen des Geliebten zu folgen. In seinem Entschluss wurde er durch Maurus bestärkt, der genug von der kindlich unschuldigen und von seltenen Reizen umflossenen jungen Halbindianerin gesehen und kennengelernt hatte, um sich in seinem Urteil über sie dem seines Bruders nach allen Richtungen hin anzuschließen.

 

*

 

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als Daisy endlich erwachte. Wohl fühlte sie sich gekräftigt, allein nur schwerfällig vermochte sie sich von ihrem Lager zu erheben. So kam man überein, um ihr Zeit zum Erholen zu gönnen, die Gesellschaft zu teilen. Demgemäß sollte Maurus, welchem der Boden unter den Füßen brannte, mit Schinges und zwei Jägern die Reise nach Kansas City unverweilt fortsetzen, wogegen Markolf und Kit Andrieux mit Daisy und den übrigen Gefährten noch einen oder zwei Tage zu rasten und demnächst in kurzen Märschen zu folgen beabsichtigten. Wenn aber die Widerstandsfähigkeit des jugendlichen Körpers Daisys durch ihren ernsten Willen eine Steigerung erfuhr, so diente die ihr von allen Seiten gesellte freundliche Teilnahme und zärtliche Fürsorge dazu, ihr die ursprüngliche träumerische Heiterkeit des Gemüts zurückzugeben. Es erstickte die peinliche Erinnerung an die jähe Flucht von ihren gütigen Beschützern in dem Bewusstsein, dem Rat der Missionarin gemäß nur ihrem Herzensdrang gefolgt zu sein. Freudige Zuversicht keimte und erstarkte in dem ununterbrochenen Verkehr mit Markolf, der in rührender Weise auf ihre Wohlfahrt bedacht war, und mit der nächsten sich bietenden Gelegenheit die Kunde von ihrer Rettung zu den Council-Bluffs zu entsenden versprach. Ihr kindlicher Frohsinn gelangte erst dann wieder zur vollen Geltung, als sie am dritten Tag nach ihrer Ankunft sich leicht in den Sattel schwang und an Markolfs und Kit Andrieux‘ Seite den Weg am Missouri hinunter weiter verfolgte. Sie war zu glücklich. Sie glich einem Singvögelchen, welches der Gefangenschaft entschlüpft, unbekümmert um den Verlust einiger Zierfedern in die Lüfte steigt und seine Jubellieder weithin ertönen lässt.

Nach vier Tagen gemächlichen Einherreisens trafen sie endlich in der Nachbarschaft von Kansas City mit Schinges zusammen, der ihnen entgegengeritten war. Derselbe führte sie landeinwärts zu einem Farmgehöft zu Leuten, welche durch Nicodemo und Oliva auf ihre Ankunft vorbereitet worden waren. Von ihnen erhielten sie auch Aufschlüsse über die aus Kansas City marschierenden Streitkräfte. Noch selbigen Tages gesellten die beiden Jäger sich ihnen wieder zu, welche Maurus begleiteten. Er selbst hatte sich ohne Zeitverlust auf den Weg zu seinem Regiment begeben. Sie überbrachten Markolf einen von Kampbell unterzeichneten Papierstreifen, auf welchem ihm und den Gefährten die nächsten Bewegungen vorgeschrieben wurden. Nur einen Tag verweilte die Gesellschaft auf dem Farmgehöft, eine Zeit, welche Markolf dazu benutzte, für Daisy eine entsprechende Ausrüstung zu beschaffen. Dann wendeten sie sich unter Kit Andrieux‘ und der beiden Otoe Führung westlich.

Oliva und Nicodemo waren schon vor Wochen in Kansas City eingetroffen, hatten aber nach kurzem Aufenthalt ihre Reise landeinwärts fortgesetzt. Über deren Ziel waltete tiefes Geheimnis. Sie schienen plötzlich von der Erde verschwunden zu sein. Dagegen verlautete nun häufiger Näheres über die Pläne und Marschbewegungen der südstaatlichen Armee, Nachrichten, welche man auf das geheimnisvolle Treiben des Spions Kampbell zurückführte und die bald hier, bald dort auf rätselhafte Weise den die Vorhut der Unionsarmee befehligenden Kommandeuren in die Hände gespielt wurden.