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Der Welt-Detektiv Band 6

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Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten – Teil 15

Geist-, Wunder-, Hexen- und Zaubergeschichten, vorzüglich neuester Zeit
Erzählt und erklärt von Gottfried Immanuel Wenzel
Prag und Leipzig 1793

Der Zauberregen

Mein Herr!

Man sagt mir, dass Sie ein Buch herauszugeben gedenken, worin Sie geradezu Hexerei und Teufelskünste leugnen und Begebenheiten natürlich erklären wollen, die doch alle Welt für Werke der Hölle ansieht.

Wissen Sie wohl, mein Herr, dass Sie dadurch stillschweigend gar viele fromme, verständige und ansehnliche Männer und Frauen Lügen strafen, und mittelbar entweder dem Herzen derselben oder dem Verstand zu nahetreten?

Ich will gerne glauben, dass Sie gute Absichten haben mögen; aber zu gut ist nicht allemal gut, sagt das Sprichwort. Andere Leute haben auch Augen und Ohren wie Sie, mein gelehrter Herr, und sind auch nicht auf die Stirn gefallen.

Ich bin nicht einer der Leichtgläubigen, und doch kann ich mich nicht erwehren, einen Vorfall, dessen Augen- oder vielmehr Ohrenzeuge ich war, für etwas Übernatürliches zu halten. Erklären Sie mir denselben, so will ich zugeben, dass Sie noch mehr können als Hexen und Zauberer.

In meinen jüngeren Jahren lebte ich in der bekannten Handelsstadt L. Zur Messezeit traf dort ein Künstler ein, der verschiedene unbegreifliche und wunderbare Stücke seinen Zuschauern wies. Die ganze Stadt war voll von dem Mann, und die halbe Stadt hielt dafür, dass es nicht richtig um ihn stehen müsse. Er erriet, was ihm fremde Personen insgeheim niederschrieben, tötete Tiere und machte sie wieder lebend, schoss kostbare Ringe zum Fenster hinaus und bestimmte den Ort in der Stadt, wo man sie finden konnte und auch wirklich gefunden hat, nannte die Stunde, auf welche die Zeiger der Taschenuhren der Anwesenden weisen sollten, ohne die Uhren außer eine nur anzurühren usw. Doch dies alles übergehe ich, weil ich es selbst nicht gesehen habe und verlange von Ihnen nur über Folgendes den Aufschluss.

Einige meiner Bekannten und ich besuchten eines Abends den Wundermann.

Es war aber gerade einer der Tage, an denen er gewöhnlich kein Schauspiel gab. Schon wollten wir wieder gehen, als uns der Künstler mit den Worten anredete: »Wohin wollen Sie in diesem starken Regen, meine Herren? Warten Sie, bis es aufhört.«

Wir sahen ihn verwundernd an, denn es war ein schöner, lichter Abend, der Himmel hell und voll Sterne, da wir ins Haus traten, und wir hatten uns noch keine zwei Minuten aufgehalten.

»Sie hören ja doch, dass es regnet, sagte er.«

Wir hörten wirklich einen heftigen Platzregen, hörten, wie die Tropfen an die Fenster schlugen, vor denen dichte Vorhänge hingen, und uns hinderten, auf die Straße zu sehen.

Der Regen hielt ungefähr mit abwechselnder Stärke eine halbe Viertelstunde an. Es regnete nicht mehr, und wir gingen.

Von einem Regen wollte im Haus niemand was wissen, und da wir auf die Straße kamen, war der Himmel so hell und schön wie vorher und kein Steinchen nass. Nun wussten wir, wie viel es geschlagen hatte.

War der Regen natürlich?

Ich bin usw.

Antwort:

Sehr natürlich, denn es war kein Regen. Es war Sand, der in einem langen und schmalen Kästchen, gerade so wie die Wanduhrkästchen geformt sind, von oben in die Tiefe herabfiel, im Fallen an die Seitenwände prallte und sich unten in einem verborgenen Behältnis sammelte.

Ich selbst besaß vor einigen Jahren eine solche Regenmaschine. Jeder, der mich besuchte, hielt den Kasten für das Futteral einer Wanduhr, um o mehr, da ich zuoberst wirklich Zifferblatt und die äußere Hülle einer Wanduhr angebracht hatte. Innen befand sich aber statt des Uhrwerks Sand. Die Seitenwände des Futterals waren dünnes Blech, von außen mit bunten Farben bemalt, und hatten von innen verschiedene Hervorhebungen, welche der Sand im Fallen berührte. Dieses vermehrte das Geräusch. Wollte ich nun, dass es regne, so zog ich nur eine versteckte Schnur. Das obere Sandbehältnis, das nach unten zu die Figur eines Trichters hat, öffnete sich und der Sand fiel nach und nach – bald stärker, bald wieder schwächer herab, prallte an die elastischen Hervorhebungen der blechernen Seitenwände, und es schien, als regnete es wirklich. Der Regen hielt so lange an, bis der Sand alle war.