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Vera Bleibtreu – Die letzten Tage der Wespen

Vera Bleibtreu – Die letzten Tage der Wespen

Kommissarin Tanja Schmidt von der Mainzer Polizei radelt am Rhein entlang. Dabei kommt sie an einem Apfelbaum vorbei, in welchen ein Unbekannter diverse Kleidungsstücke für Frauen gehängt hat. Sie stellt fest, dass die Kleidungsstücke dort schon länger hängen.

Tanja fotografiert Baum, Kleidung und Umgebung und denkt darüber nach, dass von dieser Inszenierung etwas Böses ausgeht, ja, dass etwas Böses geschehen wird oder schon geschehen ist.

Während Tanjas beste Freundin, Pfarrerin Susanne Hertz, darüber nachgrübelt, dass sie zu dick geworden ist – das muss an dem guten Essen liegen, das sie so oft mit Arne Dietrich genießt, ihrem Freund und dem Kollegen von Tanja bei der Mordkommission – ruft Tanja sie an.

Sie fragt, ob Susanne Lust habe, mit ihr eine Runde zu joggen, ein Angebot, das diese nur zu gern annimmt. Aber Tanja hat einen kleinen Hintergedanken. Sie möchte Susanne die Kleider in dem Apfelbaum am Rheinufer zeigen und sie fragen, was ihr dazu einfällt.

Als Susanne die Kleidung sieht, eröffnet ihr Tanja, dass ihre Kollegen aus Ingelheim bereits öfter Kleider in diesem Baum gefunden haben. Susanne sagt spontan, dass sie die Kleider an Kriegszeiten erinnern, in denen man Leute an Bäumen aufgehängt hat. Endlich sieht sich Tanja veranlasst, der Sache nachzugehen und die Spurensicherung anzurufen.

Als sich Tanja und Susanne Tage später in der Mainzer Neustadt auf einen schnellen Café verabredet haben, erzählt die Kommissarin ihrer Freundin davon, dass es bei der Polizei sogenannte cold cases gibt, also ungelöste Fälle, die zunächst zu den Akten gelegt wurden und später neu aufgerollt werden.

Es scheint, als ob die Polizei durch die Kleidung in dem Apfelbaum einen weiteren cold case wieder öffnen müsse, nämlich den Fall der Physikerin und Privatdozentin Dr. Eleonore Weinfurt, die seit zehn Jahren spurlos verschwunden ist.

Die Spurensicherung hat nämlich an den Kleidern im Apfelbaum Spuren von ihrer DNA sowie von der des vor zehn Jahren Hauptverdächtigen gefunden, des Physikprofessors Martin Freund.

Susanne hat nun die Idee, dass Tanja zunächst mit dem emeritierten Physikprofessor Winkler reden soll, einem Mitglied des Vorstandes ihrer Kirche, bevor sie Martin Freund in die Mangel nimmt. Tanja hält das für eine gute Idee.

Als Arne Dietrich und Tanja sich mit dem ehemaligen Physikprofessor treffen, hat dieser ihnen einiges zu erzählen.

Vera Bleibtreu beschreibt in ihrem Roman sehr genau die Psyche ihrer Charaktere, allen voran die von Tanja Schmidt, Susanne Hertz und Arne Dietrich. Ihre Dialoge und Handlungsbeschreibungen zeigen sehr deutlich, dass sie über ein großes Maß an psychologischem Wissen und Menschenkenntnis verfügt und sensibel und detailgetreu zu beobachten versteht.

Aber die Autorin ist auch in anderen Dingen sehr kompetent, was wohl auch einer sorgfältigen Recherchearbeit zu verdanken ist, wenn man zum Beispiel an die Passagen über die historische Vielfalt der St. Johanniskirche in Mainz oder die Ausführungen über die Fakultät für Physik und die dort beschäftigten Physiker denkt.

Andere Passagen ihres Romans dürften ihr als Pfarrerin weniger Arbeit gemacht haben, so zum Beispiel die Beschreibung der Obdachlosenszene und der kirchlichen Bemühungen um solche Menschen oder die Beschäftigung mit dem Kirchenalltag und den Personen, die dort eine Rolle spielen.

Etwas schwieriger dürfte es gewesen sein, den Haupttäter und seine Motivation für seine Taten darzustellen, was die Autorin trotz aller Schwierigkeiten, die die Wiedergabe der Mechanismen einer solchen Psyche verursachen müsste, problemlos bewältigt.

Die Beziehungen der beiden weiblichen Hauptcharaktere, Tanja Schmidt und Susanne Hertz, ihre Liebhaber und ihre Marotten sind zudem sehr liebevoll und menschlich geschildert, und trotz aller Schwierigkeiten die es im menschlichen Leben – also auch bei ihnen – gibt, begegnen sie beide dem Leben doch vorwiegend positiv, eine Haltung, die nicht jeder hat.

Fazit:
Alles in allem ist Vera Bleibtreu mit Die letzten Tage der Wespen ein spannender Kriminalroman gelungen, der sehr von der psychologischen Beobachtungsgabe der Autorin lebt.

Außerdem merkt man der Geschichte deutlich an, dass die Erzählerin nicht nur sehr gut recherchiert hat und deshalb sehr kompetent erzählt, sondern dass sie ferner auch über einen großen Erfahrungsschatz verfügt, den sie offenbar in ihrem langen Berufsleben gesammelt hat.

Ich kann daher das vorliegende Buch jedem Krimiliebhaber empfehlen, der Freude an psychologisch fundierten und sachlich soliden Krimis hat und es zudem mag, wenn am Ende eine positive Sicht auf die Welt und den Menschen formuliert wird.

 

Die Autorin:

Vera Bleibtreu wurde 1961 geboren. Sie ist Mitglied der Autorengruppe Mörderisches Rheinhessen. Seit 1993 lebt sie in Mainz, wo sie auch gerne zu Hause ist. Ihr bürgerlicher Name lautet Dr. Angela Rinn.

Sie arbeitet als Pfarrerin in Mainz Gonsenheim. Zudem ist sie Privatdozentin für Praktische Theologie an der Universität Heidelberg und Kolumnistin in Christ & Welt in DIE ZEIT. Außerdem ist sie als Autorin der Rundfunkarbeit beim SWR und ehrenamtliche Feuerwehrpfarrerin der Stadt Mainz tätig.

Sie veröffentlichte mehrere Kriminalromane und außerdem Kurzkrimis in diversen Anthologien.

Quellen:

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung des Leinpfad Verlags.
  • Foto der Autorin. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung des Leinpfad Verlags.

(ww)