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Deutsche Märchen und Sagen 21

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

21. Der kühne Sergeant

Es waren einmal drei brave Soldaten, ein Tambour, ein Korporal und ein Sergeant, die gingen auf Reisen. Nachdem sie schon lange herumgezogen waren, kamen sie eines Abends in einen großen Wald. Weil sie nun bange waren, des Nachts möchten die wilden Tiere kommen und sie auffressen, während sie schliefen, kletterten sie auf einen hohen Baum, um da zu schlafen.

»Das ist das beste Mittel«, sprach der Tambour, »anders könnte es leicht geschehen, wenn wir morgen Früh aufwachten, dass wir tot wären, und davon bin ich kein Liebhaber.«

Der Korporal und der Tambour blieben auf den ersten Ästen, der Sergeant aber kletterte wie ein Kätzchen bis in die Spitze des Baumes und schaute von da aus nach allen Seiten um sich herum. Da war es von allen Seiten stichschwarz dunkel, aber von einer Seite schien ihm doch ganz fern etwas zu glitzern. Als er die Augen einmal zukniff und genauer hinsah, da sah er, dass das ein Lichtchen war.

Voller Freude schrie er seinen Kameraden zu: »Ein Lichtchen! Ein Lichtchen!« Und husch, husch war er bei ihnen.

Alle drei ließen sich wieder auf den Boden hinab und gingen auf das Lichtchen zu. Als sie endlich ganz nahe dabei waren, fanden sie ein großes Schloss. Da die Tür offenstand, gingen sie herein und durch alle Zimmer, aber da war kein Mensch zu hören, noch zu sehen. Dennoch brannte das Herdfeuer lustig und war der Tisch bedeckt mit vielen und köstlichen Speisen und Getränken. Das kam den drei Helden ganz willkommen. Sie setzten sich um den Tisch herum und hieben ritterlich drein, bis kein Krümchen Brot und kein Tröpflein Wein mehr blieb. Dann gingen sie herauf und legten sich schlafen. Kaum hatte es zwölf Uhr geschlagen, als das ganze Schloss wie von einem Donnerschlag erschüttert wurde und in allen Zimmern ein Höllenspektakel begann. Das dauerte bis ein Uhr, dann war alles still. Da sahen die drei Soldaten, dass sie in einem verwünschten Schloss waren, machten sich aber nicht viel daraus, denn sie dachten: Verwünscht oder nicht, hier können wir gute Tage haben, so lange man uns den Hals nicht bricht.

Am anderen Morgen hielten sie Rat untereinander, wie sie ihre Haushaltung einrichten wollten, und kamen endlich darin überein, dass immer zwei von ihnen auf die Jagd gehen sollten, während der Dritte zu Hause bliebe und für das Essen sorgte. So machten sie es denn auch gleich schon. Der Tambour blieb zu Hause, der Korporal und der Sergeant gingen auf die Jagd.

Als der Tambour nun das Essen schon fertig hatte und es eben Mittag schlug, da kam ein kleines, altes Männchen zur Tür herein und das bat ihn: »Ach, lass mich doch ein wenig wärmen!«

Der Tambour hatte nichts dagegen und sprach: »Setz dich hin und wärme dich, so lange du willst.«

Nachdem das Männchen sich nun ein wenig gewärmt hatte, sprach es: »Dein Essen riecht so gut und ich habe seit drei Tagen nichts über meine Zunge gebracht. Gib mir doch etwas mit davon.«

Dem Tambour wurde das Herz weich. Er bückte sich, um dem Männchen vom Fertigen etwas auszuschöpfen, doch das Männchen packte ihn beim Hals und schlug ihn so schwarz und blau, dass er kein Glied mehr rühren konnte. Als es das getan hatte, verschwand es. Gleich darauf kamen die beiden anderen von der Jagd zurück und wurden blitzböse, als sie sahen, dass der Tambour das Essen nicht ganz fertig hatte.

»Was hast du denn angefangen in all der Zeit?«, fragten sie.

Aber er antwortete anders nichts als: »Ich weiß nicht, aber es tut mir nicht wenig weh.« Weiter sagte er nichts, denn wenn die anderen gewusst hätten, was ihm widerfahren war, dann wäre ihnen mit dem zu Hausebleiben nicht gedient gewesen.

Am zweiten Tag musste der Korporal zu Hause bleiben und der Tambour und der Sergeant gingen auf die Jagd.

Als er das Essen beinahe fertig hatte, kam das kleine alte Männchen wieder und bat: »Ach, lass mich doch ein wenig wärmen.«

Der Korporal war das zufrieden und sprach: »Tu das in Gottes Namen, so lange du willst.«

Nachdem es nun sich einen Augenblick gewärmt hatte, sprach es: »Ach, was riecht deine Suppe gut, gib mir doch ein paar Löffel voll davon.«

Das wollte der Korporal aber nicht und sprach: »Nein, wir müssen warten, bis die anderen kommen.«

Kaum hatte er aber das Wort aus dem Mund, als das Männchen ihn beim Kragen ergriff und ihm den Rock noch besser ausklopfte als dem Tambour.

Aha, dachte da der Korporal, darum tat es dem Tambour nicht wenig weh.

Gleich darauf kamen die beiden anderen von der Jagd. Der Sergeant brummte gewaltig, dass das Essen nicht fertig war, und fragte: »Was hast du denn in all der Zeit gemacht?«

Der Korporal krümmte sich und sprach: »Ei, gekocht, aber ich bekam da plötzlich Weh in den Rücken, sodass ich nicht fortkochen konnte.«

Nun kochten sie ihr Essen in Ruhe fertig und abends gingen sie schlafen.

Am anderen Morgen ging der Korporal mit dem Tambour auf die Jagd und der Sergeant musste das Essen kochen. Das ging auch ganz gut bis ein Viertel vor zwölf.

Da kam das kleine, alte Männchen wieder und bat: »Ach, lass mich doch ein wenig am Feuer sitzen, ich bin so kalt.«

Der Sergeant sprach: »Tu das nur ruhig in Gottes Namen.« Nachdem es sich nun ein wenig gewärmt hatte, fing es auch das alte Liedlein mit dem Essen an und bat: »Deine Suppe riecht so lecker, gib mir doch einen Teller davon.«

Der Sergeant aber rief: »Nichts da, du musst warten, bis meine Kameraden kommen.«

Da wollte das Männchen wieder losschlagen, doch der Sergeant war nicht links, zog und hieb dem Männchen den Bart samt einem Stück Kinn weg. Da schrie es jämmerlich, denn mit dem Bart hatte es all seine Kraft verloren und lief, was es laufen konnte, mit all seinen Beinchen. Der Sergeant lief ihm nach bis an ein Loch. Da sprang es hinein und war verschwunden. Nun ging der Sergeant zurück und kochte das Essen fertig. Als die anderen zwei nun um zwölf Uhr kamen, da stand alles fein ordentlich auf dem Tisch. Darüber wunderten sie sich nicht wenig. Dann fragten sie den Sergeanten aus, ob ihm nichts begegnet wäre und ob er kein Rückenweh habe. Da lachte er und erzählte ihnen alles. Sie gingen dem Blut nach, welches aus dem Kinn des Männchens gelaufen war, und kamen an das Loch. Nun war die Frage, was sie tun sollten. Darauf beschlossen sie einmütig, einer von ihnen müsse in das Loch hinuntersteigen und sehen, was da unten wäre. Sie zogen also ums Los. Das traf den Tambour. Der band sich ein langes Seil um den Leib und nahm eine Schelle in die Hand.

»Wenn ich schelle«, sprach er, »dann müsst ihr mich heraufziehen.«

Da ließen sie ihn herab immer tiefer und tiefer, bis das Seil zu Ende war. Da schellte er und sie zogen ihn wieder hinauf, ohne dass er auf den Grund des Loches gekommen war. Nun war die Reihe am Korporal. Den ließen sie an einem Seil hinunter, welches noch zehnmal länger war als das erste, aber der fuhr auch immer tiefer und tiefer und konnte nicht auf den Boden kommen. Da wurden sie recht ärgerlich und kauften sich ein Seil, das noch hundertmal länger war. Daran ließen sie den Sergeanten hinunter, aber auch der fuhr immer tiefer und fand doch keinen Grund. Als das Seil nun ganz zu Ende war, da bedachte er sich ein Weilchen, fasste dann Mut und rief denen oben zu: »Lasst nur los, lasst mich nur fallen!« Da ließen sie ihn los und er fiel und fiel, bis plumps er ganz, ganz tief in einem Zimmer niederstürzte, in welchem ein altes Weibchen saß. Das sah nicht wenig verwundert auf, als der Sergeant da so plötzlich ankam. Der aber hatte großen Mut, denn er hatte seinen Säbel um den Leib hängen.

Er ging spornstreichs auf das alte Weibchen los und sprach ganz rau und wild: »Wenn Ihr mir jetzt im Augenblick keinen Rat gebt, dann steche ich Euch tot.«

Da erwiderte das Weibchen: »Nun, nun, ich will Euch schon was sagen. Ich sehe, Ihr seid ein braver Soldat. Da könntet Ihr leicht euer Glück machen, wenn Ihr die drei Königstöchter erlöst, die hier gefangen sind.«

»Wo sind sie denn?«, fragte der Sergeant.

Das Weibchen antwortete: »Geht nur durch die Tür da und Ihr werdet die Älteste finden.«

Da ging er hinein und kam zu der ältesten Königstochter. Die war so schön, dass man sich nichts Schöneres in der Welt denken kann.

Als die ihn sah, da fing sie laut an zu weinen und sprach: »Ach, geht doch schnell wieder weg, so Euch Euer Leben lieb ist! Ach geht, lauft doch.«

»Nein«, sprach der Sergeant, »dafür bin ich gekommen und ich will Euch erlösen oder sterben.«

Da sprach die Königstochter: »Wenn es denn nicht anders ist, dann hört. Da auf dem Schrank stehen drei Fläschchen. In dem einen ist ein Trunk, der macht so stark, dass einem nichts widerstehen kann. In den zwei anderen aber ist Schlaftrunk. Trinkt nun das grüne Gläschen aus, dann will ich schon sehen, dem Riesen die anderen Gläslein beizubringen.«

Da trank er schnell das grüne Tränklein aus. Kaum hatte er den letzten Tropfen im Mund, als es draußen tobte wie Kanonenschüsse. Das war der Riese aber, der hatte so einen schweren Tritt.

»Geschwind, geschwind«, rief die Königstochter da, »kriech unter den Schrank!«

Man kann sich leicht denken, wie schnell er das tat.

Es war auch Zeit, denn er saß noch keine zwei Minuten da, als der Riese auch schon hereinpolterte und rief: »Hm, hm, hm, ich rieche Menschenfleisch.«

Die Königstochter ging ihm aber gleich entgegen und sprach: »Ich glaube das, du riechst mich, denn ich habe mich eben gebadet.«

Da ließ sich der Riese genügen und legte sich auf sein Bett, dass der Boden erzitterte. Unterdessen war die Königstochter geschwind zum Schrank gelaufen und hatte den Schlaftrunk in ein großes Glas Wein gegossen. Das hielt wohl eine halbe Ohm. Das trank der Riese in einem Zuge aus und nicht lange danach schnarchte er, dass die Scheiben klirrten. Nun rief sie schnell dem Sergeanten, dass er käme. Der kam, nahm sein Schwert und schlug zu aus allen Kräften. Aber er hatte den Hals des Riesen kaum halb durchgeschlagen und der Riese fing nun an zu tosen und zu toben. Das Blut rann, dass es in zwei Minuten dem Sergeanten bis an die Knöchel stand. Da fasste er noch einmal Mut und hieb noch einmal zu. Dieses Mal ging es besser, denn des Riesen Kopf fiel vom Rumpf und stürzte mit einem Schlag zu Boden, als wäre eine Bombe von 1000 Pfund ins Haus geschlagen.

Da fiel die Königstochter dem Sergeanten um den Hals, küsste ihn und sprach: »Nun bin ich erlöst, aber ach Gott, ich habe noch zwei Schwestern. Die musst du auch erlösen und das kriegst du gewiss nicht fertig.«

Darüber lachte der Sergeant und sprach: »Ei was, warum denn nicht? Sag mir nur, wo sie sind.«

Die Königstochter sprach, das wolle sie tun, und gab ihm zum Andenken ein seidenes Taschentuch. Darin war ein silberner Stern gestickt. Das legte er sorgfältig in seinen Ranzen und machte sich auf den Weg zu der zweiten Königstochter.

Als die ihn sah, schrie sie: »Ach Gott, geht doch wieder, woher ihr gekommen seid, sonst ist es Euer Unglück.«

Darauf sprach der Soldat aber: »Nein, das nicht, ich komme, um Euch zu erlösen, wie ich Eure Schwester erlöst habe.«

Sie sprach: »Ja, das ist aber nicht so leicht, denn der Riese, der mich gefangen hält, ist noch hundertmal stärker als der andere, den Ihr getötet habt.«

Der Sergeant erwiderte: »Das tut nichts; ich will ihm schon den Bart scheren, dass sein großer Kopf daran hängen bleibt. Gebt mir nur ein bisschen von seinem Krafttrünklein.«

Das tat die Königstochter. Er trank das Gläslein aus und verbarg sich hinterm Schrank.

Gleich darauf kam der Riese hereingepoltert und machte noch hundertmal mehr Spektakel als der erste und schrie: »Ich rieche Menschenfleisch.«

Die Königstochter sprach: »Das glaube ich, das tut die Pomade von Menschenfett, die du mir für meine Haare gegeben hast. Ich habe mich eben frisiert.«

Da gab der Riese sich zufrieden, legte sich in sein Bett. Die Königstochter bat ihn, einmal aus seinem kleinen Gläschen zu trinken, da habe sie so guten Wein hineingeschüttet. Das Gläschen hielt aber gewiss mehr als ein Fuder und sie hatte den Schlaftrunk zu dem Wein gegossen. Er trank das in einem Zuge leer. Kaum hatte er es im Leib, als er auch schon anfing zu schnarchen, dass in einer Stunde in der Runde die Blätter auf den Bäumen erbebten. Nun rief die Königstochter den Sergeanten, der tat drei Hiebe mit seinem Schwert, aber des Riesen Kopf war noch lange nicht ab. Der Riese tobte und wütete, dass es nicht zu sagen ist. Sein Blut lief dermaßen aus dem Hals, dass es dem Sergeanten bald bis über die Knie ging. Da ermutigte er sich, tat noch einmal drei Hiebe und da sank des Riesen Kopf. Niemand war froher als die Königstochter. Die fiel dem Sergeanten um den Hals und küsste ihn bald tot. Zum Dank schenkte sie ihm einen goldenen Apfel.

Dann sprach sie: »Nun hast du die zwei Riesen totgemacht, aber damit ist es noch nicht getan. Meine jüngste Schwester wird von einem Drachen mit sieben Köpfen bewacht. Den musst du morgen töten. Ach, ich habe so viel Angst, dass du das nicht fertig bringst.«

Der Sergeant aber lachte und sprach: »Das ist nichts und wenn er noch hundert Köpfe hätte.«

Da wies sie ihm den Weg und er ging zu der jüngsten Königstochter. Die hatte aber einmal Angst, als sie ihn sah! Das hättet ihr sehen sollen.

Der Sergeant ließ sich aber nicht erschrecken, sondern sprach: »Seid nur ruhig, ich will den Drachen schon um sieben Köpfe kürzer machen.«

Da bekam sie auch mehr Mut und sprach: »Ja, wenn du es unternehmen willst, dann werde ich dir schon mit Krafttrank beistehen, aber du musst trachten, ihm all seine Köpfe an einem Tag herunterzusäbeln.«

»Gut«, sprach er, »wir wollen schon sehen.«

Indem rauschte es von fern und das war der Drache. Als der den Sergeanten sah, fing er an, Feuer und Flammen zu speien, aber der Sergeant hielt ihm festen Fuß und schlug ihm gleich zum Willkomm zwei Köpfe ab. Als der Drache das merkte, wurde er noch viel wütender und spie noch viel mehr Feuer auf den Sergeanten. Der wäre auch gewiss erlegen, wenn die Königstochter ihn nicht immer mit Krafttrank gelabt und bespritzt hätte. Doch konnte er nicht viel weiter mehr kommen. Den ganzen Tag bis zum Abend hatte er nur noch einen Kopf wegschlagen können.

Als es nun dunkel wurde, sprach der Drache: »Du bist müde, sehe ich, und ich bin auch müde, lass uns morgen von Neuem anfangen.«

Dessen war der Sergeant zufrieden, aber die Königstochter sprach: »Das ist nicht gut, das hättest du nicht tun sollen, denn morgen hat der Drache mit seinen vier Köpfen noch mehr Macht als heute mit den sieben.«

Das half aber nichts mehr und sie mussten sich schon getrösten. Am anderen Morgen kam der Drache schon früh wieder und der Sergeant hieb ihm zum guten Morgen gleich wieder einen Kopf ab. Darüber wurde der Drache wütend und spie noch viel mehr Feuer als am vorigen Tag, doch die Königstochter stand dem Sergeanten so treulich mit dem Krafttrank bei, dass der Drache ihm nicht zu Leibe konnte. Er bekam aber bis zum Abend nur noch einen Kopf weg, sodass der Drache nun noch zwei hatte. Da bat der Drache wieder um Aufschub und den gab der Sergeant ihm gern, denn er war hundemüde von all dem Fechten und fühlte seinen Arm nicht mehr. Das war der Königstochter wieder nicht lieb, aber was konnte es helfen, der Sergeant hatte einmal sein Wort gegeben. Am dritten Morgen tat er einmal einen tüchtigen Zug aus der Flasche mit Krafttrank und dadurch wurde er so gewaltig stark, dass er gleich dem Drachen einen so tüchtigen Hieb gab, dass der sechste Kopf wackelte, dann führte er einen zweiten Hieb und der war so gut, dass der siebente Kopf hinfiel.

Nun flehte der Drache um Aufschub, aber der Sergeant sprach: »Nein, es ist noch nicht Abend.« Damit fädelte er ihm den verwundeten Kopf vollends ab. Da war die Freude groß! Die Königstochter wusste nicht, wie sie ihm danken sollte, gab ihm gleich auf der Stelle ihr Taschentuch. Darin waren sieben diamantene Sterne gestickt, dabei stand ihr Name und ihres Vaters Namen. Das drehte er fein zusammen und barg es beim goldenen Apfel und dem anderen Taschentuch in seinem Ranzen. Dann ging er mit ihr zu den zwei anderen Königstöchtern und nahm die mit sich bis an das Loch, wo er hinabgestiegen war.

Da rief er den zwei anderen zu: »Nun gebt Acht, jetzt kommen wir.« Denn er meinte, er könne so gemächlich heraufstiegen, wie er heruntergefallen war. Doch darin hatte er sich verrechnet, die drei Königstöchter konnten das wohl. Die wurden von unsichtbaren Händen heraufgetragen, er aber blieb unten sitzen. Da sollte man nun meinen, der Korporal und der Tambour hätten ihm ein Seil heruntergelassen und ihn herausgezogen.

Aber nein, die waren falsch und neidisch und sprachen zu den drei Königstöchtern: »Wenn ihr uns nicht versprecht zu sagen, dass wir euch erlöst haben, dann machen wir euch tot. Wir wollen euch auch heiraten, der Korporal die Älteste und der Tambour die Mittelste. Seid ihr damit nicht zufrieden, dann drehen wir euch den Hals um.«

Da mussten die armen Königstöchter wohl zufrieden sein, doch machten sie aus, dass sie nicht eher heirateten als bis über ein Jahr und sechs Wochen.

Der Sergeant meinte unterdessen da unten, er müsste aus der Haut fahren. In seiner Verzweiflung ging et zu dem alten Weibchen und sprach: »Wenn du mir nicht sagst, wie ich heraufkomme, dann haue ich dir den Hals ab.«

Das Weibchen sprach: »Ich kann dir nicht helfen, aber tief, tief unter uns wohnen Zwerge, die können dir helfen.«

Da ließ sich der Sergeant tief, tief hinunter. Als er auf den Boden kam, stand er im Königreich der Zwerge. Die kamen alle herbeigelaufen und waren ihrer mehr als dreitausend. Einer von ihnen trat zum Sergeanten und sprach: »Wie darfst du dich erkühnen, in unser Königreich zu kommen.«

Der aber lachte und sprach: »Mach mir nur nicht viel Wippchen und Wappchen, sonst ziehe ich vom Leder und haue euch alle zusammen wie Spinat.«

Als die Zwerge sahen, dass er ein so kühner Held war, gaben sie gute Worte und wollten ihn zu ihrem König machen.

Er sprach aber: »Nichts da, ich will aus dem Loch heraus, und wenn ihr mir dazu nicht helft, dann geht es euch nicht gut.« Da meinte der König der Zwerge, hundert Spatzen könnten ihn wohl tragen. Das ging aber nicht, dafür war er zu schwer. Da sprach der König: »Dann wissen wir dir keinen anderen Rat als den: Du musst zu der alten Frau zurückgehen. Die hat einen großen Vogel Greif, auf den musst du dich setzen und der wird dich hinauftragen. Vergiss aber nicht, hundert Pfund Fleisch in deine Tasche zu stecken. So oft der Vogel Greif schreit, musst du ihm ein Stück Fleisch geben. Wenn du das nicht tätest, dann fräße er dich auf.«

Der Sergeant bedankte sich für den Bescheid und ging zu der alten Frau zurück. Ehe er sich aber da auf den Vogel Greif setzte, schnitt er erst dem Drachen die Zungen aus den Köpfen. Die steckte er zu den anderen Sachen in seinen Ranzen. Dann nahm er das Fleisch, stieg auf den Greif und der trug ihn aus dem Loch hinaus.

Als er nun wieder auf Gottes lieber Erde war, da schaute er einmal um sich. Als er von seinen Kameraden und den schönen Königstöchtern keine Spur mehr sah, da wurde er so recht herzlich betrübt und sprach: »Ach, wie viel Falschheit ist doch in der Welt!« Dann wanderte er auf gut Glück in die weite Welt. Nach Jahr und Tag kam er an ein schönes Schloss, wo ein König wohnte. Darin war Jubel und Freude. Er fragte den Erstbesten, den er sah, was das zu bedeuten habe.

Der sprach: »Zwei von des Königs drei Töchtern halten heute Hochzeit mit einem Korporal und einem Tambour.«

Da dachte der Sergeant: »Halt, das sind die zwei falschen Kerle, aber ich will es ihnen lehren.« Er ließ also fragen, ob er den König nicht sprechen könnte. Da hieß es: Ja. Er solle nur hereinkommen. Als er nun in das Zimmer trat, da saß der König da. Der sprach, er solle sich an den Tisch setzen und mitessen. Danach wollten sie schon zusammen sprechen.

Er nahm seinen Ranzen ab, legte den unter seinen Stuhl und setzte sich. Seine beiden Kameraden erkannten ihn nicht, die waren zu sehr verblendet von Stolz, aber die jüngste Königstochter hatte gleich weg, wer er war. Nachdem sie nun alle gegessen und getrunken hatten, sprach die, nun müsse jeder seine Abenteuer erzählen. Da hoben der Korporal und der Tambour an zu lügen, mit wie viel Gefahren sie die Königstöchter erlöst hätten.

Als sie zu Ende waren, fragte die jüngste Königstochter den Sergeanten, ob er denn keine Abenteuer gehabt habe.

»Doch, gewiss und nicht kleine«, sprach er und erzählte alles, wie es zugegangen war. Da wurden die anderen zwei rot bis hinter die Ohren, dass sie so gelogen hatten, sprachen aber, um sich zu rechtfertigen, er hätte gelogen. Das wäre alles nicht wahr und sie hätten die Königstöchter erlöst.

Um dem Streit nun schnell ein Ende zu machen, sprach die jüngste Königstochter zu ihrem Vater: »Sagt mir einmal, welcher der Rechte sein mag, der Zeichen hat von seinen Taten oder der keine Zeichen hat.«

Der König sprach: Wer Zeichen hat, das ist der Rechte.«

Da nahm der Sergeant seinen Ranzen, zog die zwei Taschentücher und den goldenen Apfel heraus und endlich auch die sieben Drachenzungen. Nun war alles Leugnen am Ende und der König gab ihm die jüngste Königstochter und das ganze Reich dazu.

Wie ging es aber mit dem Korporal und dem Tambour? Der Sergeant hatte ein gutes Herz, verzieh ihnen und ließ ihnen die beiden anderen Königstöchter. Sie wurden wieder brav und ehrlich und hatten alle zusammen ein Leben wie Vöglein im Hanfsamen.