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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Alte vom Berge – Kapitel 5

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

V.

Hugo von Maltiz war mit dem Haupt hart an einen Stein gesunken und erwachte erst aus seiner Betäubung, als er an Händen und Füßen mit Ketten belegt wurde.

»Nun hast du die Strafe deines Vorwitzes«, sagte ein kleiner Mann, »denn hättest du meine Warnung in Jerusalem befolgt, so harrte deiner nicht der schrecklichste Tod.«

Hugo erinnerte sich, dass dieser Mann ihm wirklich die Worte zugerufen hatte: Geht nicht nach dem Libanon!

»Ich sterbe gern für meine Religion«, entgegnete er fest.

»Aber der Tod im Schlachtgetümmel ist doch weit süßer«, meinte der kleine Mann, »doch da du hier Meuchelmördern in das Handwerk pfuschen wolltest, so geschieht dir auch ganz recht, wenn du den Tod eines Meuchelmörders erleiden musst.«

Hugo schwieg.

»Weißt du nichts zu deiner Verteidigung?«, fragte jener wiederum.

»Ich will sterben und mich nicht verteidigen!«, rief der Gefangene mit fester Stimme.

Der kleine Mann verließ ihn hierauf lächelnd. Die Finsternis des Grabes herrschte nun wieder in seinem engen Gefängnis. Lange starrte er missmutig auf eine Stelle, denn selbst der geringste Hoffnungsstrahl zur Rettung war bei ihm verschwunden. Ein schrecklicher, ein grausamer Tod schien ihm gewiss; denn selbst seine Brüder durften nach dem neuesten Gesetz für die Befreiung eines gefangenen Bruders nicht mehr als ein Messer und Strick zum Lösegeld geben. Folglich durfte er von ihnen keine Rettung erwarten.

»Ein schrecklicher Fluch muss auf meiner Familie ruhen«, klagte er, »sonst würde es mir doch gewiss von der Vorsehung vergönnt sein, mit dem blinkenden Schwert in der Hand zu sterben.«

Der zurückgeschobene Riegel an der Tür seines Gefängnisses störte ihn in seinen Betrachtungen. Ein Mohr mit einem Licht, Brot und Wasser trat zu ihm.

»Mein Herr, der erleuchtete Alte vom Berge«, begann er, »überschickt dir deine tägliche Kost, damit der freche Mut des Templers etwas verschwinde.«

Hugo biss wütend die Zähne zusammen und schwieg.

Das Brot, welches er täglich erhielt, war wirklich so klein, dass es nur dazu diente, das Leben spärlich zu fristen. Er wünschte den Tod selbst herbei, denn ein Leben im Kerker war ihm verhasst. Das Rot seiner Wangen entschwand und der fröhliche Mut des Jünglings verwandelte sich in steten Trübsinn. Warum zögerte der Alte aber mit seinem Tod? Diese einzige Frage wünschte er sich beantworten zu können.

Fast war bereits ein Monat verstrichen, da öffnete sich zur ungewöhnlichen Zeit die Tür seines Kerkers. Mit einer brennenden Kerze in der Hand trat der Alte mit einer fürchterlichen Miene zu ihm.

»Was willst du von mir, Mörder der Jünglinge?«, fragte Hugo heftig.

»Ist dein Blut durch die magere Kost noch nicht abgekühlt«, meinte der Alte, »so bin ich auch hier unnütz!« Er begab sich mit diesen Worten wieder fort.

Hugo ärgerte sich selbst über seine Hitze und beschloss ernsthaft, bei einem zweiten Besuch des Alten ihn gelassen anzuhören.

Seit diesem Tag erhielt er noch weniger Brot. Der Mohr meinte zuweilen: »Bald wollen wir dich Christenhund zerfleischen.« Er blickte den Gefesselten mit teuflischen Blicken an.

Wiederum entschwand ein halber Monat, ehe der Alte wieder erschien. Lange starrte er den Jüngling an und sagte dann halb laut: »Nun wird sich wohl die Hitze gegeben haben.«

Hugo hatte schon große Lust derb zu antworten, doch schwieg er.

Der Alte begann nun mit erhabener Stimme: »Templer! Du wolltest mich auf Befehl des Großmeisters ermorden, aber Allah und Mahomed beschützten mich. Deine Brüder haben einen nahen Verwandten von mir gefangen, deshalb machte ich ihnen den Vorschlag, wir wollten die Gefangenen gegeneinander austauschen, aber sie überschickten mir zur Antwort das blutige Haupt meines Verwandten und boten zugleich für dich als Lösegeld einen Strick und ein Messer an. Sieh! So schändlich handeln deine Brüder!«

»Sie handeln ganz nach den Gesetzen des Ordens«, belehrte Hugo, »und schändlich wäre es, wenn sie für meine Freiheit mehr geben wollten. Alter! Lass mich sterben, sobald wie möglich, das Leben ist mir verhasst.«

»Weißt du auch, dass deiner ein qualvoller Tod harrt?«, fragte grinsend der Alte.

»Ich weiß es, und bin als Christ und Templer darauf gefasst«, entgegnete der Befragte.

»In deinen Jahren«, fuhr der Alte fort, »stirbt man wahrlich nicht gern. Du hast noch gerechte Ansprüche auf die Freuden dieser Erde.«

»Auf die Freuden dieser Erde?«, wiederholte Hugo spöttisch, »ein Templer ist tot für alle Freuden!«

»Nennst du denn nur sinnliche Lüste Freuden dieser Erde?«, fragte strafend der Alte. »Ein echter Templer muss Kampf gegen uns zu den höchsten Genüssen zählen, wofür er nach seiner Religion den Lohn jenseits zu erwarten hat.«

»Du deutest meine Worte falsch«, entgegnete Hugo etwas verwirrt.

Der Alte fuhr fort: »Ein Mittel, Jüngling, gibt es, dass du dem qualvollen Tod entgehst und selbst sinnliche Freuden hienieden in reichlichstem Maße noch genießen kannst, nämlich wenn du deiner kriegerischen Laufbahn entsagst und die Lehre des großen Propheten annimmst.«

»Nimmermehr werde ich dies tun!«, schrie Hugo heftig.

»Wenn du Bekenner der einzigen wahren Religion wirst«, fuhr nach einer kleinen Pause der Alte wieder fort, »so verspreche ich dir, dass du Pascha oder Regent über ein ausgebreitetes Land wirst, wo du dir die schönsten Mädchen als Beischläferinnen wählen kannst. Ich gebe dir drei Tage Bedenkzeit. Überlege alles gut.«

»Vergebens sind deine Bemühungen, mich von der einzigen wahren Religion abzubringen«, schrie der Gefangene dem Alten nach. »Ich will als Christ und Templer sterben!«

So fest wie die Felsen des Libanons stand des Jünglings Entschluss, lieber den qualvollsten Tod zu ertragen, als seiner Religion entsagen. Er wünschte der Zeit Flügel, um nur recht bald von dieser Welt befreit zu werden, denn jenseits harrten seiner alle seine Lieben. Er konnte ohne Zagen vor den Richterstuhl Gottes treten, weil keine wissentlichen Sünden auf seiner Brust lasteten. Er stärkte sich durch die Worte des Heilandes am Kreuz und erwartete gefasst und freudig die Stunde des Todes. Doch – wenn die Gefahr am größten, ist auch Rettung nah.

Es war Nacht. Hugo schlief sanft auf seinem Lager, während sein immer geschäftiger Geist ihn bereits in die Gefilde Elysiums versetzt hatte. Ein sanftes Rütteln weckte ihn. Er wollte sprechen, aber die Zunge versagte ihm den Dienst, denn ein Mädchen, schön wie ein Engel, stand an seinem Lager. Lange schwarze Locken hingen auf den Nacken herab, ungestüm wogte der volle elastische Busen, herrlich blitzten die schwarzen Augen und einzuladen zum Kuss schien der rote Purpurmund.

»Hier, trink diesen Busa«, sagte das Mädchen in türkischer Sprache und reichte freundlich dem Ritter das Gefäß.

Dieser glaubte zu träumen, rieb sich die Stirn und konnte sich nur langsam entschließen, den berauschenden Busa zu trinken.

»Armer Jüngling« sagte das Mädchen, »ich sah dich, als der Boden unter dir sank und bedauerte herzlich dein Schicksal. Meine Bitten an meinen Vater, dich schnell sterben zu lassen, waren fruchtlos. Ach, schaudere über die Anstalten, welche man macht, um dich so lange wie möglich zu quälen. Unmöglich kann ich daher eine Sünde begehen, wenn ich deine Fesseln löse und dich befreie.«

Bei diesen Worten sanken auch schon Hugos Ketten. Der Busa goss nicht wenig Feuer in seine Adern.

»Engel!«, stotterte er, sank nach Rittersitte auf ein Knie und küsste ihr die schöne Hand mit den Grübchen.

»Wirf diese Kleidung über«, sagte sie nach einigen Minuten, »und stecke diesen Dolch zu dir, dann folge mir schleunig, denn jede Minute ist kostbar.«

»Engel in Menschengestalt«, entgegnete Hugo, »sprich, wer bist du und wie ist dein Name?«

»Mein Name ist Mirza und mein Vater der Alte vom Berge«, entgegnete sie.

»Ist es möglich«, rief Hugo, »dieser fanatische Alte hätte eine so brave und aufgeklärte Tochter, die einen Christen von einem qualvollen Tod befreien wollte?«

»Folge mir schleunig«, sagte sie mit sanfter Stimme.

Der Weg führte aufwärts und war so eng und niedrig, dass man sich durch die Felsen teils hierdurch klemmen, teils gebückt gehen musste. Kaum war das Ende des Ganges erreicht, so löschte die schöne Mirza ihr Licht aus und lispelte dem Ritter zu: »Sprich kein Wort, Christ, oder du bist eine Beute des Todes.«

Mit welchen ängstlich-frohen Gefühlen Hugo die frische Luft einatmete, kann man sich leicht denken. Er folgte seiner Führerin leise Schritt vor Schritt und blickte sich nur schüchtern um.

Nachdem beide wohl eine halbe Stunde fortgewandert waren, blieb Mirza plötzlich seufzend stehen. Freundlich blinkten die Sternlein durch die Nacht und tiefe Stille herrschte ringsumher.

»Christ« begann Mirza mit leiser Stimme, »es ist mir nicht möglich, dich weiter zu begleiten. Deine Flucht kannst du leider bis zum Morgen in diesen Felsen nicht weit fortsetzen und dann wirst du sicher von den Assassinen ergriffen. Es gibt also nur ein Mittel, um das du deine Freiheit mit ziemlicher Gewissheit behältst. Diese Felsenwände, wo wir hier stehen, sind einige tausend Fuß hoch, und so egal, von dem großen Baumeister der Natur verfertiget, dass man darüber staunen muss. Vor wenigen Jahren kam ein Assassine auf den Gedanken, einen großen Sack mit Federn und Laub ausstopfen zu lassen, hineinzukriechen und sich von den Felsen herabzustürzen. Er tat dies zweimal der Eile wegen, weil mein Vater schleunige Nachrichten zu besorgen hatte. Hier liegt dieser Sack mit Federn noch besser ausgestopft als früher, wenn du dieses Mittel gebrauchen willst.«

»Ich will«, entgegnete Hugo nach einigem Zögern, »denn wollte ich in dieser dunklen Nacht meine Flucht auf den Felsen fortsetzen, so würde ich auch verloren sein.«

»Zum Andenken von mir«, sagte Mirza, »nimm diesen Ring mit dem Wappen einer Taube. Solltest du wieder in Gefangenschaft der Assassinen geraten, so zeige nur diesen Ring vor und du wirst die Freiheit sogleich erhalten.«

»Wie soll ich dir danken«, erwiderte Hugo, »ich werde gewiss ewig dein Schuldner bleiben.«

»Das wirst du nicht, meinte sie im prophetischen Ton, »wir werden uns recht oft, sehr oft sehen.«

»Und woher weißt du dies?«, fragte er, sein Gelübde vergessend und das reizende Mädchen umfassend.

»Aus den Sternen«, entgegnete sie lebhaft. Sanft entwand sie sich seiner Umarmung, drückte noch einen Kuss auf seine Lippen und lispelte: »Denke mein.«

Hugo betete, kroch dann nicht ohne Grauen in den Sack, welchen Mirza fest zuband und besonders viele Federn an Kopf und Füße stopfte.

»Denke mein«, lispelte sie nochmals und schob furchtsam den Sack von der Stelle. Pfeilschnell stürzte er in die Tiefe.

»Mahomed beschütze diesen Christen«, rief sie flehend. Lange horchte sie, aber sie vernahm vom Fall nichts. »Christ, Christ«, seufzte sie, »du hast die Ruhe meines Herzens gestohlen. Vorsichtig schlenderte sie zur Höhle zurück.

Mehr tot als lebendig kam Hugo mit einer leichten Quetschung unten an. Nur mit Mühe konnte er den Sack wieder öffnen, denn schon fehlte es ihm an Luft. Ohne den Dolch wäre ihm dies unmöglich gewesen. Da, wo er sich befand, war ziemlich der Fuß des Libanons, weshalb er ohne Gefahr schnell weiterwanderte.

Er hatte die Kleidung eines gemeinen Sarazenen, worin er nicht leicht zu erkennen war. Den jungen Tag begrüßte er freudig und jubelte laut über seine Rettung. Hunger und Müdigkeit zwangen ihn aber bald in einem Wald haltzumachen. Hier aß er einige unreife wilde Datteln und sank dann in einen tiefen Schlaf.

Von der reizenden Mirza träumend, erwachte er, als die Sonne schon im Scheiden war. Neu gestärkt setzte er sogleich seine Reise weiter fort bis am späten Abend.

Mehrere Tage waren verstrichen, ohne dass er einen Menschen sah, aber die jugendliche Phantasie beschäftigte sich unaufhörlich mit dem Bild Mirzas. Oft rief er ihren Namen aus und streckte sehnsuchtsvoll die Arme zu der Gegend zurück, wo sie wohnte.

Die Gegend, wo er sich befand, war ihm ganz unbekannt, doch wanderte er mutig vorwärts. Endlich gewahrte sein Blick am Fuß eines Hügels, zerstreut umherliegende sarazenische Hütten. Er ging näher und hörte deutlich in der ersten Hütte das Wehklagen eines Weibes. Wie rasend gebärdete sich das Weib, verfluchte die Christen und lästerte selbst den Propheten Mahomed. Nach und nach erfuhr Hugo soviel, dass die Templer ihren einzigen Sohn geraubt hätten. Schon wollte er in die Hütte gehen und dem Weib ihren Sohn wieder versprechen, wenn sie ihm den rechten Weg nach Jerusalem zeigen wollte. Da hörte er kriegerisches Geschrei und Waffengetöse. Mit pochendem Herzen versuchte er den Berg zu ersteigen, um sich im Notfall durch die Bäume zu verbergen, aber ehe er soweit gelangte, so sah er sarazenische Reiter fliehen, die von Templern verfolgt wurden.

So sehr er auch durch Hunger und Strapazen ermattet war, so eilte er doch den Templern jauchzend entgegen. Einige Ritter erkannten ihn und freuten sich über seine Rettung. Nur ein Ritter, Brömser von Pleißenburg, der neue Unterturkopolier oder Kinderräuber, meinte laut, Hugo hätte den Befehl des Großmeisters nicht ausgeführt und müsste deshalb in Ketten nach Jerusalem gebracht werden. Die übrigen Templer teilten jedoch seine Meinung nicht. Der Feind wurde nicht weiter verfolgt, weil man einen Hinterhalt vermutete. Hugo erhielt auf sein Begehren sogleich einige Lebensmittel und ein Pferd bis zur nächsten Veste der Templer.

Hier ankommend berichtete Brömser sogleich dem Komtur Hugos übereilte Flucht vom Libanon und riet ihm. den Widerspenstigen mit Ketten belegen zu lassen. Der Komtur, ein würdiger und braver Mann, untersuchte jedoch die Sachen genauer und sprach ihn daher von aller Schuld frei.

»Die Befreiung durch ein Mädchen«, begann Brömser wieder, »scheint mir sehr verdächtig. Wer weiß wie gefällig er gegen das Mädchen war und so ganz gegen sein Gelübde gehandelt hat.«

»Ich weiß dies freilich und Ihr müsst es erraten«, entgegnete Hugo spöttisch.

»Wenn Ihr es wagt, mir wieder eine solche Antwort zu geben«, rief heftig Brömser, »so lasse ich Euch in den Kerker werfen! Wisst Ihr nicht, dass ich als Turkopolier Fürstenrang habe?«

»Fürstenrang?«, wiederholte Hugo lächelnd, »wenn Ihr glaubt, den zu haben, so irrt Ihr Euch gewaltig. Nur der Oberturkopolier in Jerusalem hat Fürstenrang. Ihr seid kaum soviel wie ein gewöhnlicher Pannerer. Übrigens könnt Ihr mich auch nicht in den Kerker werfen lassen, denn hier hat der Bruder Komtur zu befehlen und nicht Ihr. Merkt es Euch, der hochwürdige Großmeister pflegt Eigenmächtigkeiten dieser Art hart zu bestrafen.«

»In Jerusalem sprechen wir uns wieder«, sagte Brömser mit den Zähnen knirschend und warf wütend die blechernen Handschuhe zur Erde.

Ein Gefährte Brömsers ergriff jetzt seine Partie und begann: »Sonderbar ist es aber doch, dass die Tochter des fantastischen Alten den Bruder Hugo befreit hat. Nun – eine Gefälligkeit ist der anderen wert.«

»Ich wunderte mich selbst über meine unverhoffte Befreiung«, entgegnete Hugo lachend.

Der Komtur schlichtete mit wenigen Worten den Streit. Hugo begab sich nun zum Unterdrapier, von welchem er wieder die Kleidung des Ordens erhielt. In der Eile, womit er die Kleider wechselte, vergaß er den Ring Mirzas aus der künstlich gelegten Falte zu nehmen.

Eben saß er am schön verzierten Tisch von Zedernholz, als der Unterdrapier mit dem Turkopolier in das Gemach trat. Besonders des Turkopoliers Blicke ruhten triumphierend auf Hugo. Nachdem dieser einigen seiner Brüder seine seltsame Geschichte ausführlich mitgeteilt hatte, setzte sich Brömser vertraut an seine Seite. »Aber hat Euch denn Eure schöne Befreierin kein Andenken gegeben?«, fragte er.

»Andenken?«, erwiderte Hugo und wurde bald blass, bald rot, als er an den Ring dachte.

»Ihr werdet ja ganz verlegen«, fuhr Brömser mit schadenfroher Miene fort, »nicht wahr, sie hat Euch ein Andenken gegeben, welches Ihr dem Orden wohl überlegt verschweigt. Kennt Ihr diesen Ring mit dem Sinnbild der Unschuld?«

Hugo blickte hin, sah das Heiligtum seines Mädchens in solchen Händen, ergrimmte, fasste schnell zu und riss ihn dem Turkopolier aus der Hand.

»Zittre Wurm!«, schrie Brömser, stürzte aus dem Gemach fort zum Komtur und erzählte diesem die Geschichte mit Hugos Ring. Der brave Greis merkte zwar Brömsers feindselige Stimmung, doch wollte er sich den Ring geben lassen.

Begleitet vom Turkopolier trat er mit finsterer Miene in das Gemach, wo sich fast alle Ritter versammelt hatten.

»Der Bruder Turkopolier«, begann der Komtur, »hat mir erzählt, dass in Euren Kleidungsstücken ein Ring gefunden worden wäre, der von Gold und wahrscheinlich von der Tochter des Alten sei. Gebt mir diesen Ring augenblicklich!«

»Keine Macht der Welt ist imstande, mich von diesem Ring zu trennen«, entgegnete Hugo heftig.

»Wisst Ihr auch, welche Strafe den Ungehorsamen trifft?«, fragte der Greis warnend.

»Ich weiß es«, erwiderte Hugo, »aber eher will ich sterben, als mich vom Ring trennen.«

»Gebt mir den Ring«, bat nochmals der Komtur, »und alles sei vergeben und vergessen. Weigert Ihr Euch aber, so werde ich den hochwürdigen Großmeister davon Bericht erstatten.«

»Tut dies, ich kann nicht anders handeln«, meinte Hugo.

»Gebt Euer Schwert ab«, herrschte ihn jetzt wütend der Komtur an.

Ohne ein Wort zu sagen, tat er dies.

»Der Wicht muss eingemauert werden, er hat unter dem Heidenvolk sein Gelübde vergessen!«, schrie Brömser.

Mit verachtender Miene betrachtete ihn dieser vom Kopf bis zu den Füßen und murmelte dann einige Worte von einer verrufenen Straße Jerusalems.

Etwas gelassener begann der Komtur wieder: »Ihr wollt also wirklich in die Stadt des Heils einziehen, ohne Schwert, wegen eines Ringes von einer Heidendirne?«

»Ich will«, entgegnete er.

»Euer Blut komme nicht über mich«, meinte der Alte, faltete andächtig die Hände und ging.

»Soll ich den Ungehorsamen in das Verließ werfen lassen?«, schrie ihm Brömser nach.

»Nein! Hugo war stets ein Biedermann«, erwiderte der Befragte.

Als Hugo seine Lagerstelle suchte, verwahrte er auch sorgfältig den Ring, denn er befürchtete von der Rache des Turkopoliers, dass er diesen ihn im Schlaf zu rauben versuchen würde.

Ehe noch Aurora die Sonnentore geöffnet hatte, schritt Hugo schon wieder im Gemach umher.

In völliger Rüstung trat bald der Turkopolier mit drei Rittern und drei dienenden Brüdern ein.

»Der achtbare Komtur«, begann er verdrüsslich, »überschickt Euch durch mich wieder das Schwert, wenn Ihr Euer Ehrenwort gebt, nicht feindselig damit gegen uns zu handeln.«

»Ich bin dem edlen Greis herzlichen Dank schuldig für seine Nachsicht«, entgegnete Hugo, »und verpfände gern meine Ehre, das Schwert nicht zum Schaden des Ordens zu gebrauchen.«

Die Ritter und Waffenträger bestiegen nun ihre Rosse und jagten der heiligen Stadt zu.