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Deutsche Märchen und Sagen 15

Johann Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

15. Die drei Schwestern

Es war einmal eine Mutter und die hatte drei Töchter, die sie nicht leiden konnte.

Die Älteste war dessen endlich müde und sprach: »Mutter, ich ziehe aus und suche mein Glück.«

Da antwortete die Mutter: »Dann wünsche ich, dass es Pflastersteine regnete, wenn du auf dem Weg bist.«

Das Mädchen kehrte sich aber nicht daran und zog aus. Als es einige Zeit gegangen war, da wurde der Himmel schwarz und es fiel zuerst wenig, dann aber mehr und endlich ein ganzer Regen von Pflastersteinen aus der Luft und das Mädchen lief und barg sich unter einem vorstehenden Dach an einem schönen Haus.

Kaum stand es eine Weile da selbst, da hörte es ein Stimmchen, welches rief: »Wer steht da unter meinem Ticketickedächelchen?«

»Ich bin es, Herr!«, antwortete das Mädchen.

Und das Stimmchen sprach: »Komm doch herein, Kind.«

»Ich bin zu bang«, entgegnete das Mädchen.

»O, komm nur ohne Umstände«, sprach das Stimmchen wieder.

Da ging das Mädchen hinein und kam in ein prachtvolles Zimmer.

Darin saß ein Männchen und fragte: »Was willst du, roten oder weißen Wein?« »Roten Wein«, antwortete das Mädchen, denn es wusste nicht, dass der rote Wein Blut und der weiße Wein Eiter bedeute.

Da fragte das Männchen weiter: »Was willst du, dass ich dein Köpfchen auf einem Blöckchen abhaue oder dass ich dich zwischen zwei Türen zerdrücke.«

»Dann will ich lieber mein Köpfchen auf einem Blöckchen abgehauen haben«, entgegnete das Mädchen.

Das Männchen fasste sie und kappte ihr den Kopf mit einem Beil auf einem Block ab.

Als das Mädchen nun nicht zurückkehrte, da sprach das zweite Schwesterchen: »Mutter, ich ziehe heute aus und suche mein Glück.«

Darauf antwortete die Alte: »Dann wünsche ich, dass es Eimer aus der Luft regne, wenn du auf dem Weg bist.«

Das kümmerte das Mädchen nicht und sie zog aus. Als sie einige Schritte gegangen war, da fing es abermals an, Eimer zu regnen, große und kleine, leichte und schwere. Es lief und barg sich auch unter dem Dach.

Das Stimmchen ließ sich wieder hören und rief: »Wer steht da unter meinem Ticketickedächelchen.«

»Das bin ich«, antwortete das Mädchen.

»Ei, dann komm herein, Kind«, sprach das Stimmchen.

»Ich bin zu bang«, entgegnete das Mädchen.

Aber das Stimmchen sagte: »O, komm nur sonder Umstände.«

Da ging das Mädchen hinein und kam in das schöne Zimmer und fand daselbst das Männchen, welches alsbald fragte: »Was willst du nun, roten Wein oder weißen Wein?«

»Roten Wein«, sprach das Mädchen, denn es wusste nicht, dass das Blut bedeute.

Da fuhr das Männchen fort: »Was willst du nun, dass ich dein Köpfchen auf einem Blöckchen abhaue oder dass ich dich zwischen zwei Türen zerpresse?«

»Dann will ich lieber mein Köpfchen auf einem Blöckchen abgehauen haben«, antwortete das Mädchen.

Das Männchen schlug ihr Köpfchen auf dem Blöckchen mit einem Beil ab.

Als nun das zweite Schwesterchen auch nicht zurückkehrte, da sprach das jüngste: »Mutter, ich ziehe heuteaus und suche mein Glück.«

Darauf antwortete die Alte: »Dann wünsche ich, dass es Pflastersteine regne, sobald du auf dem Weg bist.« Da fragte das Mädchen wenig danach. Sie zog aus. Als sie etwas gegangen war, da regnete es Pflastersteine und sie barg sich unter dem Dach des schönen Hauses.

Da fragte das Stimmchen wieder: »Wer steht da unter meinem Ticketickedächelchen?«

» Das bin ich«, antwortete das Mädchen.

Da fuhr das Stimmchen fort: »Ei, dann komm herein, Kind.«

»Ich bin zu bang«, sprach das Mädchen.

»O komm nur sonder Umstände«, sprach das Stimmchen und das Mädchen ging hinein, kam in das Zimmer und fand das Männchen.

»Was willst du«, fragt das Männchen, »roten oder weißen Wein?«

»Ich habe keinen Durst«, sprach das Mädchen.

Das gefiel dem Männchen, welchem außerdem über der wunderbaren Schönheit des Mädchens der Verstand fast stillstand. Da fragte das Männchen weiter: »Was willst du, dir dein Köpfchen auf einem Blöckchen abhauen lassen oder mich heiraten.« »Dann will ich lieber dich heiraten«, antwortete das Mädchen, »als mir mein Köpfchen abhauen lassen.«

Darüber war das Männchen gar zufrieden und heiratete das schöne Mädchen. Dieses wurde reicher als je ein Mensch auf der Welt gewesen ist.