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Atlantis Teil 44

Den dritten Tag schon flog da oben der rätselhafte Unbekannte.

Das Flugzeug zog, automatisch gesteuert, seine Bahn Tag und Nacht. Der Einsame saß darin an seinen Apparaten. Keinen Schlaf, keine Speise, kein Trank. Das Werk musste in einer Tat vollendet sein.

Er ging zum Fernseher, bewegte den Mechanismus. Dessen Strahlen trafen den Meeresgrund, drangen in ihn ein. Unter Schlick und Sand lagen die Ruinen und Reste von Atlantis, der Hauptstadt des Landes, die Ruinen der Paläste und Tempel.

Sein Geist flog rückwärts durch die Jahrtausende.

Die Hauptstadt Atlantia. Das Gewirr der Häuser, von unzähligen Straßen durchzogen. Buntes Leben und Treiben darin. Die geöffneten Basare, Magazine, Lagerhäuser. Alle Waren der Welt boten ihre Auslagen den Käufern; die das Land, die Welt sandte.

Die Menschen aller Rassen, aller Farben. Im Hafen lagen Tausende von Schiffen, die aus Osten und Westen, aus Norden und Süden hier gelandet, um Handel zu treiben.

Vom Osten her nahend eine große Flotte. Die Menge am Hafen sie begrüßend, Tücher schwenkend, jubelnd. Die Königin Kleito erwartend, die vom siegreichen Krieg zurückkehrte. Die phönizische Macht gebrochen, ihre Besitzungen im westlichen Europa und Afrika in der Hand von Atlantis.

Die Tore der siebenfachen Mauer um die Stadt durchbrochen, erweitert für den Einzug der siegreichen Königin.

Bei Marsilia die große Schlacht. Ungeheure Beute brachten die Schiffe mit. Der Triumphzug der Sieger zum Sonnentempel … zum siebentorigen Haus der Welt.

In der Mitte des Zuges die Königin, getragen von den Fürsten der Besiegten. Die Stadt, das ganze Land ein Jubel … ein Siegestaumel. Der letzte, der schlimmste Aufstand bezwungen. Ost und West zu Füßen des siegreichen Atlantis. Von Norden und Süden ankommend die Sendlinge der Mächtigen, die freiwillig Tribut boten.

Atlantis, die Siegerin, die Herrscherin der Welt. Kein Feind, der ihr widerstand. Ein einziges mächtiges Reich von Peru bis Ägypten. Der Sonnentempel, nie sah er so viel Blut zu Ehren der Gottheit fließen wie an diesem Tage.

Im Festglanz der tausend Fackeln der Palast der Königin. Auf dem goldenen Thron die Herrscherin, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Das kühle, stolze Antlitz hoch aufgereckt, die Augen in der Runde, zu den Helden, die vor ihr knieten.

Wer war der Würdigste, von der Königin gekürt zu werden als Gemahl?

Heute die letzte Frist. Die Gottheit … Die Priesterschaft wollte es. Und sie wussten es, die Helden zu ihren Füßen. Der Sieg über den mächtigen, den letzten Feind, ihr Werk! Jeder sah im Kampf das Ziel, der Würdigste zu sein, gekürt zu werden, Herrscher von Atlantis, Herrscher der Welt.

Die Herrscherin stand, starrte. Die Rechte hob leicht den dichten Schleier, der ihr Gesicht bedeckte. Kein Sterblicher, der ihr Antlitz sehen durfte, als der, der würdig war, sie zu besitzen …

Die Helden zu ihren Füßen, sie kannte sie alle, die da knieten, harrten.

»Amrias! Ich sehe dich nicht! Wo bist du?«

Die Häupter vor ihr hatten sich noch tiefer gebeugt. Im Hintergrund wurde der Vorhang zurückgeschlagen. Von Kriegern getragen ein wunder Mann. Das junge, bleiche Gesicht zum Thron gewandt.

»Hier ist Amiras, Königin!«

Die hatte den Schleier heruntergelassen, die Röte zu verbergen.

»Amiras! Mein Gemahl! Die Götter beschützen ihn!«

Und wie wenn Zauberhand die Wunden geschlossen, geheilt … Amiras war aufgesprungen, zu ihr hinaufgeeilt zum Thron, war niedergekniet.

»Königin du! Königin von Atlantis … Königin deines Sklaven!«

Neun Monde waren vergangen, der Erbe geboren. Stadt und Land Atlantis im Jubel. Aufhorchend die Welt … der neue Herrscher geboren.

Im Saal des Palastes König und Königin. Die Abgesandten der Welt zu ihren Füßen. An der Schwelle des Saales drei Männer, fremd an Gesicht, fremd an Gewand. Aus fernem Osten, wo der Sonne Lauf beginnt. Ihre Hand, Gaben bringend, die niemand in Atlantis kannte …

Da … Weltuntergang! Weltwende! Die Meeresfluten, vom Hafen, von allen Seiten herstürzend über Atlantia, die Stadt, über Atlantis, das Land … begrabend alles in wildem Stürmen und Tosen …

… Weltuntergang? … Eine Wiege in goldenem Glanz, schaukelnd im Toben der Elemente …

Ein riesenhafter Vogel, von Osten kommend, sich zu ihr niedersenkend, sie deckend in dunklen Schatten.

Stürzende Wellen … verschwunden die Wiege, der Erbe von Atlantis … Inkarnation …

Über das Toben der Elemente hinaus der schwingende Flug eines Adlers … Erbe der versunkenen Welt … der versunkenen Nacht … aufsteigend in steilem Flug der Sonne zu, der Spenderin neuen Lebens, neuer Macht … weiterlebend in neuer Inkarnation.

Er da oben im Flugzeug die letzte Inkarnation … Nirwana … letztes Paradies … Ruhe … die Schultern befreit von der schweren Last.

Zurück zu denen, die ihm die Kraft gegeben. Zu denen, die einst die drei Ringe trugen. Die Macht zurückgegeben dem Schicksal, dem Allmächtigen, bis dass er sie wieder in die Hände Sterblicher lege … in andere. Er frei! Sein Werk vollendet!

Sein Auge ging in die Tiefe. Da lag es, was Schicksals Macht durch seine Hand schuf. Wo seit Menschengedenken die Fluten des Meeres die Kontinente trennten, lag neues Festland. Ein sechster Kontinent, Atlantis, der uralte, war neugeboren, wiedererstanden, die Brücke zwischen Alter und Neuer Welt.

Die taumelnden Schiffe in taumelnder Flut des Atlantiks sah er nicht. Sah nicht die strudelnden Wogen, die das auftauchende Land nach allen Richtungen im Kreis der Windrose von sich warf, sah nur das vollendete Werk.

Und zwischen dem neuen Atlantis und der Neuen Welt das breite, blaue Wasser des Golfstroms …

Die Welt, wie sie einst war, als älteste Sage begann …

Das Steuer des Flugzeugs riss der Einsame dort oben aus seiner Lage. Nach Osten der Kurs, der Sonne zu der Flug. Das Schiff in wirbelnder Fahrt nach Morgen gerichtet … in blauer Ferne verschwindend auf Pankong Tzo hin, das Ziel der Müden.

 

*

 

Der große Saal fasste kaum die Schar der Gäste, die zusammengekommen waren, das Fest der neuen Vereinigung der Häuser Uhlenkort und Harlessen zu feiern. Glückwunschtelegramme aus allen Teilen der Welt. Das europäische Parlament, die europäische Regierung waren vertreten durch ihre bedeutendsten Führer.

Die Gratulationscour war beendet. Die Neuvermählten schritten an der Spitze des Zuges zur Tafel.

»Kein Glückwunsch, Walter, von deinem Freunde?«

Einen Augenblick wich der freudige Glanz aus Uhlenkorts Augen. Seine Gedanken wanderten dorthin, wo er den Freund wusste.

Und dann, fast gleichzeitig, verhielten sie unwillkürlich den Schritt, blickten sich um, als stünde einer hinter ihnen, der ihnen glückliches Leben, glückliches Gedeihen ihres Geschlechts wünschte, prophezeite. Ein Schauer durchrieselte sie. Die fremde Stimme, gleichzeitig hatte ihr Ohr sie vernommen, dieselben Worte. Die Worte, die einer dort drüben im alten Kloster zu dem hundertjährigen Greis sprach, der an seiner Seite saß, dessen Hände zu schwach, das Bild des Festes vors Auge zauberte. Der sah den Freund, die Geliebte mit ihm vereint, beide im höchsten Glück.

Glück! Er hatte es nie gekannt, menschliches Glück … Diener des Schicksals von Geburt an bis jetzt, da die Seele im Begriff stand, die sterbliche Hülle zu verlassen, dorthin zu wandern, wo ewige Ruhe war.

Die bleichen, schmalen Hände legten sich über der Brust zusammen. Die drei Ringe am Finger … verschwunden, genommen das Symbol der Macht, jetzt, da das Werk getan.

Weiter ging das frohe Hochzeitsfest in Hamburg. Das Fest der beiden alten Handelshäuser, das Fest gleichzeitig des wiedererstehenden Hamburgs. Ein Jahrtausend neuer Geschichte, neuer Blüte.

Die letzte Völkerwanderung, die seine Mauern gesehen, war kaum verebbt. Eine neue angebrochen. Atlantis hieß das Ziel derer, denen der heimische Boden zu eng, zu fremd geworden war.

Atlantis! Der Schrei ging durch die ganze Welt. Neues Land! Neues Leben! Hin zu ihm! Kaum konnten die Schiffe die Massen fassen, die herandrängten zu dem Land, das der Menschheit neu geboren. Neuland für Millionen.

Neue Stätten für die Menschheit!

Wer als erster kam, war ihr Besitzer. Herrenloses Land, das da lag, keiner Weltmacht untertänig. Frei … Beute der Ersten, die da kamen, die Hand darauf legten, die Flagge hissten.

Die Parlamente der Welt … noch schüttelten sie die weisen Köpfe beratend. Der Hamburger Kaufmann fasste die Gelegenheit beim Schopf. Das Haus Uhlenkort. Mit einem Sprung in der Organisation Europas für die flutenden Massen. Die Organisation … in der Hand der Staaten ein schwerfälliges Ding … in seiner Hand ein Werkzeug höchster Leistung.

Noch ehe die Welt sich besonnen, waren sie da, die Wikingerschiffe aus dem Norden, sprang die Mannschaft an den Strand des neuen Landes, ergriff Besitz davon. Kein Boden mehr für andere, wo Warägerfuß getreten. Die Schiffe des Kaisers Augustus Salvator kamen zu spät. Der sechste Erdteil war in weißer Hand, fest in weißer Hand.

Neu-Hamburg nannte man die Stätte, wo das Schiff Klaus Tredrups landete, das alte Atlantia unter seinen Füßen. Er war vom hohen Bord des Schiffes an Land gesprungen, hatte, sich niederneigend, die Hand aufs neue Land gelegt.

Neu-Hamburg sollst du heißen! Eine Stätte für alle, die in der Alten Welt vergeblich neuen Boden suchen.

Aus den Quadern der Paläste, die die wogenden Fluten aus dem Schlick spielten, errichtete er sein Haus. Der alte Hafen des versunkenen Königssitzes war wiedererstanden zu seinen Füßen. Schiffe, von allen Teilen der Welt kommend, legten an. Neues Land, neues Leben!

Wann würde sie kommen, die er erweckt hatte zu neuem Leben, jetzt frei von der Hand des Feindes … Juanita, die Neugeborene? Frei von der Kette, vergessen die dunkle Zeit? Ein freier Mensch an seiner Seite?

Juanita war in Hamburg, stand an der Wiege des jüngsten Uhlenkort. Ihr Blick ging über den schiffberstenden Hafen, ihr Blick ging zu dem neuen Land.

Die Kette war von ihr abgefallen. Ein neuer Mensch, den es drängte zu neuem Leben, zu neuer Liebe … zu ihm. Vom alten Land zum neuen Atlantis!