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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Arzt auf Java – Erster Band – Kapitel 6

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Erster Band
Kapitel 6

Der Datou-Noungal

Als Eusebius sich auf dem Kai erblickte, fühlte er seine Brust von einer gewaltigen Last erlöst und atmete frei auf. Es schien ihm, als käme er aus der Welt der Toten, um wieder in das gewöhnliche Leben einzutreten. Er freute sich an der Bewegung, welche in diesem Augenblick die Reede und die Straßen zeigten. Wagen kamen und gingen und kreuzten sich nach allen Richtungen. Die Menschenmenge, die sich in allen möglichen Trachten durcheinanderdrängte, in allen Sprachen schrie und fluchte, schien ihm ein materielles Zeugnis für die Wirklichkeit seiner Existenz zu sein, und bewies ihm endlich, dass er der Welt der Phantome entronnen war, die sich ihm durch so furchtbare Visionen offenbart hatte.

Seine erste Bewegung war, sich selbst zu fragen, was er tun sollte, und einen Entschluss zu fassen. Aber die Erinnerung an das Vorgefallene war noch so gewaltig in ihm, dass er sich vornahm, sie aus seinem Gehirn zu verbannen und sich zu irgendeinem Handeln erst dann zu entschließen, wenn er sich mit Esther beraten haben würde, deren vortreffliches Herz und gesunden Sinn er zu würdigen verstand.

Einstweilen ging er die Kais entlang, um wieder einige Ruhe und Fassung zu erlangen.

Wir erwähnten bereits, dass die Stadt Batavia nicht am Ufer des Meeres erbaut ist, sondern von demselben durch einen Kanal getrennt wird, der ungefähr eine halbe Meile lang ist und zu der Reede führt.

Der Eingang dieses Kanals war ehedem die Mündung eines kleinen Flusses, dessen Anschwemmungen eine mächtige Schranke bildeten. Die Holländer sind die Leute der Seearbeiten. Um die fortwährenden Anschwemmungen zu verhindern, welche die Reede bedrohten und besonders die Verbindungen mit derselben immer schwieriger machten, haben sie den Lauf des Flusses verlegt und dessen Ufer in einen Kanal verwandelt. Zwei Dämme haben den Lauf des Flusses durch die Sümpfe, die das Ufer einfassen, geregelt. Zu einem dieser Dämme richtete Eusebius seinen Spaziergang. Als er das äußerste Ende desselben erreicht hatte, wurde seine Aufmerksamkeit durch das Schauspiel erregt, welches das unter Segel Gehen eines großen malayischen Brahu, der die Flut benutzen wollte, um das offene Meer zu erreichen.

Dieser Brahu war ein Fahrzeug von ungefähr 40 Tonnen, mit schlankem, wohlgeschnittenem Kiel. Das Vorderdeck war mit zwei Sechspfündern bewaffnet, welche so befestigt waren, dass sie für den Fall, wenn das Fahrzeug gejagt wurde, statt zu jagen, zum Heck gerollt werden konnten. Auf beiden Seiten standen drei zweipfündige Karronaden. Das Schiff hatte zwei Maste, ein doppeltes Steuer und geflochtene Segel, dessen horizontale Takelage durch eine große Menge Bambusstangen gehalten wurde.

Die Equipage dieses Fahrzeugs bestand aus einem Dutzend Malayen. Die einen beschäftigten sich damit, die Steuer in Ordnung zu bringen, während die anderen den Augenblick benutzten, in welchem der Brahu am Damm angelegt hatte, um die letzten Vorräte an Bord zu bringen.

Der Kapitän, der sich mit dem Rücken gegen einen der Strebepfeiler des Dammes lehnte, überwachte das alles, indem er nachlässig seinen Betel kaute. Durch ein falsches Manöver der Matrosen an Bord fasste eine Welle das Steuer von der Seite, sodass es eine plötzliche Bewegung machte. Die schwere Maschine, welche noch nicht befestigt war, schlug mit ihrem Stab einen Menschen nieder, und der Unglückliche, der dadurch betäubt wurde, hatte nicht so viel Geistesgegenwart, sich festzuklammern und stürzte ins Meer. Seine Kameraden warfen ihm augenblicklich Taue zu, aber da die Strömung an dieser Stelle sehr heftig war, trug sie ihn mit sich fort, sodass er die rettenden Seile nicht erfassen konnte und das Boot in das Meer gelassen werden musste, um ihm zu Hilfe zu kommen.

Der Kapitän des Brahu, unter dessen Augen sich dieser Auftritt zutrug, war dabei so gleichgültig geblieben, dass Eusebius sich fragte, ob der Mensch wirklich der Patron des kleinen Fahrzeuges sei, und ob der Unglückliche, der dahin schwamm, um aller Wahrscheinlichkeit nach eine Beute der Haifische zu werden, welche die Reede Batavias unsicher machen, einer der Untergebenen dessen sei, der für sein Geschick eine so geringe Anteilnahme zeigte. Indessen konnte er daran nicht zweifeln, denn ehe die Malayen das Boot von den Ballen und Kolli freimachten, wendeten sie sich zu ihm, als erwarteten sie seine Befehle und legten die Hand erst an die Ruder, als der Kapitän ihnen mit einem Zeichen zurief: »Fort!«

Eusebius sah hierauf diesen Menschen aufmerksamer an. Er konnte ungefähr 35 Jahre alt sein, war kräftiger und runder, wie die Männer des gelben Stammes gewöhnlich sind, und auch seine Augen waren größer und weniger geschlitzt, als die seiner Landsleute. Seine Nase endlich, beinahe adlerförmig gebogen, entfernte ihn vollends von dem Neger und näherte ihn dem Europäer.

Das Ganze seiner Physiognomie zeigte übrigens ein Gemisch von Wildheit, Verwegenheit und List.

Der Mensch trug noch überdies ein eigentümliches Gewand. Es bestand aus weiten schwarzseidenen Beinkleidern, über dem Knie befestigt. Eine Art von Wams von indischer Leinwand, mit glänzenden bunten Blumen bedeckt, umschloss seine Brust. Sein Kopf war mit einem goldgestickten Mousselienstücke umwunden, dem er die Gestalt eines Turbans gegeben hatte. Ein Kris mit Elfenbeingriff, reich mit Gold ausgelegt, steckte in seinem Gürtel, von welchem sein Betelbeutel herabhing. Aber was Eusebius am Auffallendsten erschien, war, dass er zwischen den Falten des Seemannshemdes die feinen biegsamen Ringe eines Panzerhemdes erblickte.

Der Kapitän bemerkte die Aufmerksamkeit, deren Gegenstand er war, näherte sich Eusebius mit dem ungezwungensten Wesen von der Welt, und indem er die Araknuss, die er aus seinem Betelbeutel gezogen hatte, mit Kalk bestreute, sagte er in dem reinsten Holländisch und mit einem Ton, bei welchem der junge Mann erbebte: »Das ist ein sehr ungeschickter Schelm, nicht wahr, mein Herr?«

»Aber es scheint mir nicht ganz die Schuld des Unglücklichen zu sein«, entgegnete Eusebius.

»Mag es seine Schuld sein oder nicht, so wird der Sprung mir doch jedenfalls einige Tausend Piaster kosten.«

»Wäre denn der Mensch ein Sklave und haben Sie ihn so teuer bezahlt?«, fragte Eusebius.

»Nein«, erwiderte der Malaye, »aber es ist dennoch nicht minder wahr, dass der Schelm mich zugrunde richtet.«

»Indes, Kapitän«, erwiderte Eusebius lächelnd, »scheint der Sprung, der Sie, wie Sie sagen, zugrunde richtet, Sie nicht eben sehr aufzuregen?«

»Wozu nützte die Aufregung?«, entgegnete der Seemann. »Ich bin Muselmann, mein Herr. Was geschrieben ist, ist geschrieben und meine üble Laune könnte daran nichts ändern. Aber wenn Sie durchaus eine Erklärung meiner Worte wünschen, so sehen Sie dorthin.«

Eusebius Blicke folgten der ihnen gegebenen Richtung und er sah eine Flottille chinesischer Jonken, die auf das offene Meer hinaussegelte.

»Die langzopfigen Schelme dort«, fuhr der Malaye fort, »ahnen den Dienst nicht, welchen ihnen der Narr leistet, den man soeben den Haifischen streitig macht.«

»Ich verstehe Sie nicht«, sagte Eusebius.

»Zum Henker, Herr van der Beek …« Eusebius erbebte, denn woher wusste dieser Seemann, den er nie gesehen hatte, seinen Namen? »Das ist gleichwohl sehr klar. Wir werden eine Stunde darüber verlieren, den Tölpel aufzufischen. Binnen dieser Stunde sind die verdammten Jonken in die Windlinie gekommen, und ich mag dann immerhin meine 30 Laskaren auf ihre Ruder drücken lassen, so bleibt es noch immer sehr zweifelhaft, ob ich diese liebenswürdigen Anbeter des Gottes Foo noch vor der Nacht erreiche.«

»Und weshalb liegt Ihnen denn daran, sie noch vor der Nacht zu erreichen?«

»Weshalb?«, erwiderte der Kapitän lachend, mit einem scharfen abgesetzten Lachen, über welches Eusebius erbebte, so sehr erinnerte es ihn an das des Doktor Basilius. »Weshalb? Nun, ganz einfach, um mich zu überzeugen, ob ihre Waren unter Deck gehörig geordnet sind, und um die armen Barken einer Überlast zu entledigen, die ihren Lauf hemmen könnte.«

»Ei«, sagte Eusebius, indem er den Kapitän noch aufmerksamer betrachtete, »Sie sind Pirat?«

»Zum Henker«, sagte dieser, »sehe ich etwa aus wie ein ehrlicher Mensch? Sie wären der Erste, der sich in meinem Gesicht täuschte.«

»Und Sie scheuen sich nicht, dies zu gestehen, und es dem Erstbesten zu sagen, während Sie sich noch auf der holländischen Reede und unter den Kanonen des Gouvernements befinden?«, fragte Eusebius, ganz erstarrt über solche Verwegenheit.

»Zunächst«, erwiderte der Malaye mit spöttischem Lächeln, »sage ich es allerdings, aber ich sage es Ihnen, und Sie sind für mich nicht der Erstbeste. Erkennen Sie dies hier, mein Herr Erbe?«, fuhr der Malaye fort, indem er ihm die Lotosblume zeigte, welche die Indianerin ihm gegeben hatte, und die er auf seiner Flucht fallen ließ.

»Wahrlich«, sagte Eusebius, »wenn es nicht Wahnsinn wäre, so müsste ich glauben, Sie sind …« Er hielt inne, erschrocken über das, was er sagen wollte.

Der Kapitän brach in ein lautes Gelächter aus. »Ich sei der Doktor Basilius, nicht wahr? He, he, he! Man könnte sich schon einander unähnlicher sehen. Aber beruhigen Sie sich; ich bin nicht der Doktor Basilius, nein! Der Doktor Basilius ist tot, ganz ordentlich tot. Wie! Während eine Leiche schon hinreicht, um das Ableben eines Menschen zu bezeugen, genügen Ihnen drei Leichen nicht? Was verlangen Sie denn, junger Mann? Noch einmal, der Onkel Ihrer Frau ist nicht mehr auf dieser Welt, und der, den Sie vor Augen haben, der, mit welchem Sie sprechen, der, welchen Sie anstarren, als ob er ein Gespenst wäre, fuhr diesen Morgen in die Haut des Datou-Noungal, nächst Gott Herr der Barke Mahommedia, welcher Datou-Noungal sich diese Nacht zwischen zwei und drei Uhr morgens umbrachte, weil er seinen Beuteanteil in dem Spiel verloren hatte, das er an einem Tag der Torheit für immer abgeschworen. Ich bin Noungal, für den Augenblick, nichts anderes. Vielleicht verwandle ich mich eines Tages wieder; vielleicht hängt das auch ein wenig von deiner Weisheit ab, Eusebius van der Beek.«

Wäre es dem malayischen Kapitän zweckmäßig erschienen, noch eine halbe Stunde weiterzusprechen, so würde der arme Eusebius, vernichtet durch das, was er sah und hörte, nicht die Kraft gehabt haben, ihn zu unterbrechen.

Aber der Datou-Noungal hielt inne und Eusebius fragte: »Was wollen Sie damit sagen? Erklären Sie sich. Jedes Ihrer Worte ist für mich ein Rätsel, dessen Lösung zu suchen ich den Mut nicht habe. Seit den 24 Stunden, seit denen der Doktor Basilius sich in mein Leben mischte, weiß ich nicht mehr, ob ich wirklich noch lebe oder nur unter dem Eindruck eines entsetzlichen Alps mich bewege. Ich zweifle an mir, an den anderen, an Gott, an allem, und die Wölbung des Himmels erscheint mir nur noch wie ein ungeheueres Netz, unter welchem sich Opfer bewegen, die gleich mir zu Spielwerken übernatürlicher Ereignisse bestimmt sind, gegen welche der menschliche Verstand und die Anwendung des freien Willens nichts auszurichten vermögen.«

»Ich rate Ihnen also, sich über Ihren Anteil zu beklagen, und das noch dazu gegen mich! Binnen einigen Stunden habe ich das offene Meer erreicht und einige Hundert Meilen von hier entfernt werde ich meinen Schnabel und meine Krallen gegen die nichtswürdigen Seevögel wetzen, die ihr böses Geschick in meine Gewässer führt, während Herr Eusebius van der Beek in die volle Gallione beißt.«

»Ich will die Erbschaft nicht! Ich weise sie zurück!«, rief Eusebius. »Sie sind nie der Onkel Esthers gewesen?«

»Nun, was kümmert das Sie, wenn der, welchen man Basilius nannte, ihn vertrat?«

»Nein, um diese Erbschaft anzunehmen, müsste ich einen Pakt mit einer höllischen Macht schließen, die ich verneine und die ich dennoch anzuerkennen gezwungen bin.«

»Sie sind ein Kind«, sagte der Datou-Noungal, indem er aus dem Busen ein Papier zog, welches Eusebius voll Schrecken für das erkannte, unter welches er in der vergangenen Nacht seinen Namen gesetzt hatte. »Hier ist der Vertrag, der Sie dem verbindet, welcher auf Erden künftig Basilius vertritt, obwohl diese Schrift nicht in feurigen Buchstaben auf schwarzem Papier geschrieben ist und den Stempel der Regierung trägt, und nicht den der Hölle. In unseren Tagen, mein Freund, ist ein Wechsel der wahre höllische Vertrag. Glauben Sie mir, ein Mensch, der einen Wechsel unterzeichnet hat, gehört sich selbst nicht mehr an. Er wird, wenn er zur Verfallzeit nicht zur Stunde, zur Minute, zur Sekunde bezahlt, eine Sache seines Gläubigers. Shylok war nur ein Dummkopf, dass er bloß zwei Pfund Fleisch verlangte. Er hätte 120, 130, 140 fordern sollen; die würde er bekommen haben. Die neueren Wucherer sind nicht so einfältig. Sie fordern den ganzen Körper, und den überlässt man ihnen ohne Schwierigkeit. In der Tat genügt nicht der freiwillig auf ein Papier als Unterzeichnung geschriebene Name, mag derselbe nun mit Tinte oder mit Blut geschrieben sein, dazu, diesen Menschen für immerzu fesseln. Sind wir nicht unwiderruflich miteinander verkettet, seit dem Augenblick, in welchem du im Umtausch gegen das Leben deiner Frau, das ich dir gab, mir geschworen hast, die Instinkte zu bezwingen, die ich bei dir vermutete? Du, der Schwiegersohn eines Notars, bist in dergleichen Dingen nicht stärker? Das nennt man einen synallagmatischen Vertrag, und dieser ist von dem Augenblick an gültig, in welchem eine der beiden Parteien die Vollstreckung beginnt.«

»Aber indem ich dies Versprechen gab«, rief Eusebius aus, »glaubte ich es einem Nebenmenschen zu geben. Ich verpflichtete mich gegen einen Menschen und nicht gegen einen Dämon!«

»Das heißt, du rechnetest darauf, frei zu bleiben, und ganz einfach deinem Versprechen ungetreu zu werden, wenn du von deinesgleichen erlangt hättest, was du von ihm hofftest. Das heißt, du hattest die Hoffnung, der Mensch, gegen den du dich verpflichtetest, könnte dich nicht zu der Erfüllung deiner Verpflichtung zwingen, noch dich für die Verletzung derselben bestrafen. Du dachtest, einen Menschen zu übertölpeln, mein armer Eusebius. Zu deinem Unglück wird es aber nicht so sein. Wenn Du indessen, um dein ängstliches Gewissen zu beruhigen, der Versicherung bedarfst, dass ich weder der Ahriman der Perser, noch der Typhon der Ägypter, noch der Python der Griechen, noch der Satan Miltons, noch der Mephisto des Faust, noch der Baphomet der Templer, noch der Teufel endlich bin, so gebe ich dir diese Versicherung. Zweifelst du übrigens an meinem Wort, und ich gestatte dir diesen Zweifel, so betrachte meine Sandalen und meinen Turban, vide pedes, vide caput, und du wirst weder Hörner noch einen gespaltenen Fuß erblicken.«

»Wer sind Sie dann aber?«

»Ein Wille, fest gerichtet auf ein Ziel der Unsterblichkeit.«

»Des Körpers oder der Seele?«

»Des Körpers, Dummkopf. Die Seele ist durch ihr eigentliches Wesen unsterblich, während der Körper vergänglich ist.«

»So sind Sie also unsterblich?«

»Ich bin nicht unsterblich, aber ich zähle schon so etwas wie 130 bis 140 Jahre. Ich wünsche wenigstens, meine drei Jahrhunderte zu erreichen; denn, was wir in der Welt seit 120 Jahren erblicken, ist so merkwürdig! Dieses Verlangen hat mich dahin gebracht, eine Wissenschaft neu zu beleben, die man für ausgestorben hielt, die Kabbala. Dieses Verlangen verlieh mir Macht und eine Gewalt, deren Ausdehnung du bereits erprobtest.«

»Und Sie können gegen den Tod kämpfen?«, fragte Eusebius mit wachsendem Entsetzen.

»Wie mir scheint, hast du das gesehen. Höre — ich werde dir eine jener unbekannten Wahrheiten sagen, die dazu bestimmt sind, sich im Laufe der Jahrhunderte Bahn zu brechen. Der Tod ist ein Phantom der Unwissenheit. Er besteht gar nicht. Der Körper ist die Hülle der Seele, das ist alles. Wenn dieser Körper gänzlich vernichtet oder schwer und unverbesserlich verletzt ist, verlässt sie ihn, und wirft ihn gleich verächtlichen Lumpen an dem ersten besten Eckstein von sich. Nun wohl, ich, mein lieber Freund«, fügte der Doktor hinzu, indem er in jenes Lachen ausbrach, welches Eusebius bis in das Mark erkältete, »ich verstehe es, die Kleidung zu wechseln, ehe sie fadenscheinig wird; das ist alles.«

»Wie ist das möglich?«

»Ja, verzeih, das Wie kann ich dir nicht mitteilen, denn wenn du es erführest, wärst du ebenso weise wie ich. Was du wissen darfst, obwohl ich nicht verpflichtet bin, es dir zu sagen, was du wissen darfst, ist, dass, wenn Eusebius van der Beek eines schönen Tages, seiner Frau Esther Menuis überdrüssig, sich sagen sollte: Zum Teufel, wo hatte ich denn den Kopf, als ich mitten in der Nacht den Doktor Basilius aufsuchte, den der Himmel verdummen möge! Weshalb musste dieser höllische Doktor das Leben da zurückführen, wo der Tod schon eingetreten war? Und an diesem Tag dann die Seele des Eusebius van der Beek ihren Körper verlassen wollte, den Körper, der noch frisch, jung und sauber wäre, der noch gute dreißig Jahre des Bestehens vor sich hätte, und in eben dem Augenblick, gleichviel wo, ein elender Räuberhauptmann, ein nichtswürdiger Pirat, zugegen wäre, der es als sehr angenehm betrachtete, in Erwartung von etwas Besserem diese dreißig Jahre in dem erwähnten Körper hinzubringen?«

»So war also der diesen Morgen verkündete Tod …?«

»Nichts als ein Wechsel des Futterals.«

»Und Sie werden so leben?«

»Bis zum Ende der Jahrhunderte, wie ich vermute. Da die Weisheiten und die Albernheiten der Menschen diese des Lebens oft überdrüssig machen, rechne ich darauf, bis zum Tag des Jüngsten Gerichtes.«

»O«, sagte Eusebius, »auch bin ich nicht Euer, mein Meister, und jetzt, da Ihr mich gewarnt habt, werde ich mich wohl zu hüten wissen, und ich verspreche Euch, dass Ihr in Gefahr schweben sollt, Euer Leben in der Haut des Datou-Noungal zu beenden.«

»Glaubst du?«, sagte der Malaye lachend.

»Ich Esther ungetreu werden? Niemals!«

»Warte nur, aber ich will dir noch mehr Freiheit geben, als du glaubst.«

»Wieso das?«

»Die Treulosigkeiten des Körpers sollen nicht zählen. Die bezahlst du mit deinem Vermögen, und das ist in Ordnung. Die Treulosigkeiten der Seele allein sollen rechnen. Nur diese wirst du mit deinem Körper bezahlen.«

»Dann bin ich vollkommen ruhig«, sagte Eusebius, indem er sich bemühte, ebenfalls zu lachen.

»Nun wohl, trittst du die Erbschaft an oder nicht?«

»Ich trete sie an«, sagte Eusebius entschlossen, »ich trete sie an! Reich und glücklich werde ich noch leichter den höllischen Versuchungen widerstehen, die Sie ohne Zweifel gegen mich aufbieten wollen. Ich verwende einen Teil meines Vermögens zu guten Werken, gewinne so den Himmel für mich und erlange die Oberhand über Sie, der Sie, Ihres Leugnens ungeachtet, Ihre höllische Macht von der Hölle selbst empfangen haben müssen.«

»Versuche es«, erwiderte der Kapitän, »versuche es, und viel Vergnügen. Das Leben ist kurz, das deine besonders ist nicht dazu bestimmt, lang zu sein. Trachte daher danach, dass es gut sei. Auf Wiedersehen, Eusebius.«

Bei diesen Worten wendete er dem jungen Mann den Rücken, als hätte er Wichtigeres zu tun, wie dieses Gespräch fortzusetzen, gab seinen Matrosen ein Zeichen. Da diese ihren Kameraden an Bord zurückgebracht hatten, und die Vorbereitungen, unter Segel zu gehen, beendet waren, ergriffen auf dieses Zeichen vier Männer die Ruder eines Bootes und legten dann an der Seite des Dammes an. Der malayische Schiffskapitän sprang in das Boot hinab und dieses ruderte sogleich dem Schiff zu. An dem Brahu angelangt, erstieg der Schiffskapitän leicht die Seiten des Schiffes und übernahm dann sofort das Kommando. Der Wind fasste die Segel, der Brahu setzte sich in Bewegung und umschiffte den Damm. In diesem Augenblick stieg der Datou-Noungal auf das Hinterdeck und sendete Eusebius als letztes Lebewohl sein unheimliches, höhnisches Lachen zu.

Erst als das kleine Fahrzeug, welches Flügel zu haben schien, am Horizont verschwunden war, dachte Eusebius daran, zu seiner Wohnung zurückzukehren. Er erreichte dieselbe in einem schwer zu beschreibenden Zustand fieberhafter Überreizung. Noch an demselben Tag brach ein hitziges Fieber in ihm aus, und ein Arzt, den Esther während der Nacht rufen ließ, erklärte, er halte es für unmöglich, dass der Kranke länger als drei Tage den wütenden Anfällen widerstehen könnte.