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Hexen- und Gespenstergeschichten 5

Hexen-und-Gespenster-GeschichtenHexen- und Gespenstergeschichten
Ein geschriebenes Lesebuch aus dem Jahr 1806

An Hexen und Gespenster
glaubt kein gescheiter Mann.
Nur in verrückten Köpfen
trifft man noch sowas an.

I. Hexengeschichten
5. Kurze Geschichte des Hexenglaubens

Wir möchten doch wissen, fragt ihr, liebe Leser, woher es komme, dass man Hexen glaube, welche durch Hilfe des Teufels Scha­den anrichten sollen. Nun so hört:

Der Hexenglaube kommt zuerst von den Heiden her. Diese glaubten an viele Hundert gu­te Götter und viele Hundert böse. Alles Gu­te, das sich auf Erden ereignete, schrieben sie den guten, das Böse den bösen Göttern zu. Die bösen Götter nannten sie böse Geister, die wir jetzt auch Teufel nennen. Die Götzenpfaffen, ihre Priester und andere gewinn­süchtige Leute gaben den gemeinen Leuten vor, sie stünden mit den bösen Göttern im vertrauten Umgang und könnten sie auch wieder besänftigen. Um ihre Behauptung glaubwürdig zu machen, machten sie dem gemeinen Haufen allerlei Gaukeleien und

Blendwerke vor. Ich will davon nur ein ein­ziges Beispiel erzählen. Die Götzenpfaffen auf der Insel Limnos hatten ein Mittel aus Kräutern wider den Schlangenbiss. Dieses Mit­tel hielten sie nun geheim und sagten, sie kurieren dieses Übel durch Hilfe der bösen Geister. Die Ägypter beschmierten sich mit dem Saft einer gewissen Pflanze, der die Schlangen bezähmte. Da gingen sie dann mit den Schlangen wie mit zahmen Tieren um und machten die Leute glauben, sie können dies nur durch Hilfe der bösen Götter. Seht ihr, so entstand der Glaube an Hexerei, oder was eines ist, an die Zauberkunst unter den Heiden.

Von den Heiden kam es zu den Juden, von denen ihr aus den biblischen Geschichten wis­st, dass sie ihnen alles gleich nachmachten und nachglaubten. Unter den Juden waren die Pharisäer aus Geldsucht immer die ärgsten Verteidiger dieses schändlichen Aberglaubens.

Die ersten Christen waren lauter bekehrte Juden und Heiden, und da könnt ihr es leicht begreifen, dass ihnen immer etwas noch vom Judentum und Heidentum hängen blieb, wie ihr selbst in den Apostelgeschichten lesen kön­nt. So erzählte dann der Vater seinem Sohn von diesen Zaubereien, der Sohn wieder seinem Sohn, und so ging es bis auf unsere Zeiten.

Ja, ihr werdet die Fortpflanzung dieses Glaubens noch viel eher glauben, wenn ich euch erzähle, wie dumm, unwissend und wild in den mittleren Zeiten unseres Christentums der größte Teil der Leute war.

Galenos von Pergamon heilte im 2. Jahrhundert zu Rom einen Kranken schnell durch einen Aderlass, und man nötigte ihn, aus der Stadt zu gehen, weil man glaubte, diese geschwinde Heilung könne nicht natürlich zugehen. Virgilius war Bischof zu Salzburg, und da hat er behauptet, dass es auf der Welt noch einen vierten Weltteil geben könne. Was geschah? Er wurde exkommuniziert, d. h. in geistlichen Bann getan. Und denkt doch, dieser vier­te Weltteil ist nachher wirklich von Kolumbus entdeckt worden. Und wenn ich gleich 20 Weltteile behaupte, soll dann dies etwas Schlimmes sein? Aber so dumm waren dort die Leute! Albertus Magnus, Bischoff zu Regensburg, war ein geschickter Naturkundiger, und deswegen wurde er allgemein für einen Zauberer gehalten.

Pater Tanner kam 1632 von Ingolstadt in sein Vaterland Tirol. Seine Lands­leute fanden nach seinem Tod bei ihm ein Vergrößerungsglas, wie ich selbst eins habe, und ihr schon gesehen habt, unter welchem ein Floh war, den sie für den leidigen Teufel hielten. Deswegen wollten, sie nicht zugeben, dass er in den geweihten Gottesacker begraben werde, weil sie glaubten, Pater Tanner habe einen Bund mit dem Teu­fel. Ein Künstler aus Frankreich verfertigte eine Maschine, welche die Laute schlug, und er wurde samt der Maschine verbrannt. Die Erfinder des Schießpulvers und der Buchdruckerei hielt man für Zauberer. Wer nur immer geschickter war als andere, wurde gleich als Hexenmeister verschrien. Selbst Päpste wurden nicht geschont. Sylvester II., Gregor VII., Benedikt der IX., Johannes XXII., lauter gelehrte Männer wurden als Schwarzkünstler verrufen.

Wundert es euch noch, dass es noch Leute gibt, welche dergleichen Undinge glau­ben? Gewiss nicht mehr. Auch darf es euch von unseren lutherischen Nachbarn nicht wun­dern, dass sie Hexereien glauben und in Menge zu katholischen Hexenpfarrern laufen, weil selbst Luther und Calvin von diesem Aber­glauben nicht frei waren.