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Der Kommandant des Tower 48

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Viertes Buch
Verschwörung und Gegenverschwörung
Viertes Kapitel

Wie der Admiral der Prinzessin Elisabeth eine heimliche Trauung vorschlägt

Edward war über den Tod der Königin Catharina sehr betrübt, denn er hatte eine aufrichtige Zuneigung zu ihr gehabt. Er besuchte seinen Oheim gleich nach dessen Rückkehr, um ihm sein Beileid zu bezeugen, und dasselbe tat der Lordprotektor sowie die vornehmsten Glieder des Adels. Sowohl der ganze Hof als auch das Publikum überhaupt betrauerten die Königin, denn sie hatte sich allgemeiner Liebe und Achtung erfreut.

Für sein zahlreiches Hauspersonal schaffte der Admiral Trauergewänder an, und er erschien natürlich nicht anders als in Schwarz gekleidet. Aber wie er auch seinen Schmerz zur Schau tragen, wie sehr er scheinbar den Verlust der Königin betrauern mochte, gewiss ist, dass sein Hauptbestreben in jener Zeit dahin ging, eine andere Braut zu gewinnen, und dass seine Gedanken sich der Prinzessin Elisabeth zuwandten. Elisabeth hielt sich damals in Hatfield auf, und dorthin ritt der Admiral ungefähr einen Monat darauf, nachdem er zur Stadt zurückgekehrt war. Nur Ugo begleitete ihn. Sein Besuch kam nicht unerwartet, denn ein Brief hatte die Prinzessin darauf vorbereitet. Sie empfing ihn sehr gnädig, und nachdem sie einige gleichgültige Worte gewechselt hatten, verließ Mistress Ashley, die zugegen war, das Zimmer. Kaum waren sie allein, als der Admiral sich der Prinzessin zu Füßen warf, ihre Hand ergriff und in leidenschaftlichem Ton ausrief: »O, Elisabeth, jetzt seid mein! Kein Hindernis steht unserer Verbindung im Wege. Gefallen ist die Schranke, die uns trennte. Ihr werdet mein sein – mein!«

»Nicht im Geheimen, wie Ihr in Eurem Brief vorschlagt, Mylord«, antwortete sie. »Nie werde ich in eine heimliche Trauung einwilligen, wie es die Königin getan hat. Das steht fest bei mir. Versucht es nicht, mich davon abzubringen, es wäre umsonst.«

»Euer Entschluss kommt einer Weigerung gleich!«, rief Seymour. »Wenn ich in aller Form um Eure Hand werben wollte, so würde weder das Conseil noch der Protektor, noch der König, Euer Bruder, einwilligen. Der Versuch wäre Wahnsinn, würde unsere Verbindung durchaus unmöglich machen. Oft habt Ihr mir gesagt, es könne die Zeit eintreten, wo wir beide frei wären, wo wir einander angehören dürften. Der glückliche Augenblick ist gekommen. Warum ihn verzögern? Wenn Ihr mich noch eben so liebt wie früher, warum sollten wir uns dann nicht heimlich trauen lassen und dann den günstigen Moment, um die Sache bekannt zu machen, abwarten?«

»Weil solches der Tochter Heinrichs VIII. unwürdig wäre,« antwortete Elisabeth stolz. »Der Königin hat eine geheime Trauung wenig Glück gebracht, mir brächte sie vielleicht noch weniger. Aber sei dem, wie ihm wolle, ich will den Versuch nicht machen. Um meine Hand muss in aller Form geworben werden.«

»Bei wem?«, fragte Seymour.

»Bei meines Vaters Testamentsvollstreckern.«

»Und was denkt Ihr, dass sie antworten werden? Eine solche Werbung würde mit Verachtung behandelt werden, und man würde mich meiner Anmaßung halber schnöde abweisen.«

»Merkt Ihr, Mylord, dass Ihr gegen Euch selbst streitet? Wenn es so sicher ist, dass das Conseil und der Lordprotektor Euren Antrag mit Verachtung behandeln würden, sollte ich nicht ein Gleiches tun? Sollte ich Euren Vorschlag nicht anmaßend nennen?«

»Prinzessin!«

»Sollte ich nicht sagen: Ihr vergesst Euch, Mylord. Ihr seid kein würdiger Gatte Elisabeth Tudors, der Tochter Heinrichs VIII, glorreichen Andenkens, und der zweiten Erbin seines Thrones? Also sollte ich reden – und also werde ich reden, wenn Ihr mit Euren beleidigenden Propositionen einer geheimen Heirat – denn als beleidigend muss ich sie betrachten – fortfahrt.«

»So bleibt mir nichts als Entsagung«, sprach Seymour aufstehend. »Dass ich anmaßend war, gestehe ich ein – aber Ihr habt mich dazu ermutigt. Ihr sagtet, dass Ihr mich liebt, und gelobtet mir, gelobtet mir feierlich, mein zu sein.«

»Und ich will Euer sein, Mylord, sobald Ihr offen vor der Welt kommt und meine Hand begehrt – anders nicht«, sprach Elisabeth.

»Was soll ich tun?«, rief Seymour. »Sagt mir, wie ich Euch gewinnen kann. Ich will vor nichts zurückschrecken, ich will alles wagen, auf dass Eure Hand mein Lohn sei!«

»Erringt Euch eine solche Stellung, Mylord, dass Euer Antrag Gehör finden muss«, erwiderte Elisabeth. »Ihr sagtet mir einst, Euer Ehrgeiz reiche so hoch, dass Ihr niemanden im ganzen Königreich nachstehen wolltet, den König ausgenommen. Wäre das Ziel erreicht, so könnte das Conseil seine Einwilligung nicht versagen, denn alsdann müsste es Eurem Willen folgen, wie jetzt dem des Herzogs von Somerset.«

»Und, beim Himmel! Ich will es erreichen!«, rief Seymour. »Und ich will eher nicht meinen Antrag erneuern, bis das Ziel, dass Ihr andeutet, erreicht ist.«

»In diesem Fall ist meine Hand Euer«, entgegnete Elisabeth, »und mein Wort soll ebenso bindend sein, als ob ich mit Euch feierlich verlobt wäre. Ich habe nie einen anderen geliebt, als Euch, Mylord, und ich bin nicht wankelmütig. Heirate ich Euch nicht, so werde ich mich nie vermählen.«

»Und ich will entweder Euch gewinnen oder mein Haupt auf den Block legen!«, rief Seymour. »Hört mich, Elisabeth, ich gehe mit einem großen und kühnen Plan um. Gelingt er – und ich zweifle nicht daran – so ist die Stellung mein, in der Ihr mich zu sehen verlangt. Mehr brauche ich Euch nicht zu sagen. Ihr werdet verstehen, welcher Art das Unternehmen ist, in das ich verwickelt bin.«

»Ihr habt mir genug gesagt, um mich zu überzeugen, dass es gefahrvoll ist.«

»Alle derartigen Unternehmungen sind gefahrvoll. Aber ich fürchte nichts. Und setzt habe ich einen zweifachen Ansporn. Meine Vorbereitungen werden bald beendet sein. Wenn es so weit ist, werdet Ihr Dinge hören, die Euch in Erstaunen setzen sollen.«

»Ihr habt doch keine Absichten gegen den König, meinen Bruder?«

»Keine«, entgegnete Seymour. »Mein ganzes Streben ist gegen den Lordprotektor gerichtet. Ich muss seine Stelle haben. Und da er sie nicht freiwillig abtreten wird, so gedenke ich, sie ihm zn nehmen. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod zwischen uns.«

»Und Ihr gedenkt, den Streich bald zu führen?«

»Sobald wie möglich. In einigen Wochen, in einigen Tagen vielleicht. Wir dürfen uns nicht wiedersehen, bis die Sache vorbei ist. Ich möchte Euch nicht kompromittieren. Sollte ich fallen – wollt Ihr dann zuweilen an mich denken, Elisabeth?«

Sie antwortete nicht, sondern fiel in seine Arme. Er umfasste sie und sagte ihr ein leidenschaftliches Lebewohl. Dann riss er sich los und stürzte hinaus, bestieg sein Ross und kehrte mit seinem Diener nach London zurück.