Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Marone – Die Eifersucht auf der Lauer

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Kapitel 19

Die Eifersucht auf der Lauer

Die Waldschlucht, die zum Jumbéfelsen führte, der einzige Pfad auf dem seine Spitze erreicht werden konnte, war, wenn auch für einen Fußgänger nicht gerade schwierig zu erklettern, doch für einen Reiter unwegsam.

Als sie daher am Fuß der Felsspitze angekommen war, stieg die eifersüchtige Reiterin vom Pferd ab, befestigte den Zaum an einem Baumast, schnallte den kleinen Sporn vom Hacken los und setzte ihren Weg zu Fuß fort.

Auf der Spitze angekommen, stellte sie sich am Rand der Felsplatte in der Weise hin, dass sie eine vollkommen unbehinderte Aussicht auf Willkommenberg, dessen Garten und Umgebungen hatte. Hier begann sie unverweilt ihre Nachforschungen anzustellen. Zuerst benutzte sie ihr Fernglas gar nicht, da alle menschlichen Gestalten rund um das Haus mit bloßem Auge wahrgenommen werden konnten. Deshalb blieb immer noch Zeit genug, das Vergrößerungsglas zu benutzen, sobald irgendetwas Bemerkenswertes erschien, was nicht zu unterscheiden war.

Während einer ziemlichen Zeit, nachdem sie ihren Stand eingenommen hatte, war durchaus niemand neben oder in der näheren Umgebung des Hauses zu sehen.

Vollkommene Ruhe herrschte dort überall. Nur zuweilen hüpfte vielleicht ein junges Hirschkalb über die Wiese, bewegte sich ein Pfau zwischen den Büschen oder flog unhörbar ein anderer Vogel vorüber. Im Allgemeinen war alles hier bewegungslos, ruhig und still.

Weiterhin in den Feldern waren beim Zuckerrohr arbeitende Negeransammlungen, in deren Mitte ein weißer Aufseher wahrgenommen werden konnte. Diese besaßen für die Beobachterin auf dem Felsen nicht das geringste Interesse. Auch verweilte ihr Auge nur einen kurzen Augenblick auf ihnen und kehrte unverzüglich zu dem das große Haus zunächst umgebenden eingeschlossenen Raum mit der Hoffnung zurück, hier irgendetwas zu entdecken, das ihr einen Schlüssel zu dem rätselhaften Vorgang am Morgen geben könne.

Diesmal wurde sie auch keineswegs gänzlich getäuscht. Mindestens zeigten sich ihr Gegenstände genug, die, wenn sie auch nur wenig dazu beitrugen, das sonderbare Rätsel zu lösen, das sie auf diesen luftigen Beobachtungspunkt hingeführt hatte, dennoch die Wirkung ausübten, sie in gewisser Weise zu beruhigen und die sie aufs Schrecklichste quälende Eifersucht zu vermindern.

Zuerst sah sie nun einen Herrn und eine Dame aus dem Haus kommen und zwischen den im Garten stehenden Statuen umhergehen. Sofort ergriff sie eine ihre Eifersucht aufs Wildeste aufregende Unruhe, bis sie durch ihr Augenglas ganz deutlich das heufarbene Haar und einen gleichen Bart wahrnahm, die keinem anderen als dem würdigen Herrn Smythje von Schloss Montagu gehören konnten. Das gewährte ihr bereits viel Befriedigung, doch wurde ihr gänzlich von Eifersucht erfüllter Sinn vollkommen beruhigt, als das Augenglas ihr die Züge Käthchen Vaughans zeigte, die offenbar die Spuren tiefen Missmuts und bitterer Täuschung verrieten.

»Das ist gut!«, murmelte erfreut die Späherin, »das sagt mir genug. Sie kann ihn gar nicht gesehen haben, ganz gewiss nicht, denn sonst würde sie jetzt nicht so traurig und gramerfüllt aussehen.«

Nicht lange dauerte es, so sah sie jemand durch den Garten zu den beiden zwischen den Statuen Stehenden hingehen. Es war ein Mann in dunkler Kleidung, und Herbert trug ja gewöhnlich schwarz.

»Ah, er ist es nicht! Ein Bursche mit einem gemeinen Gesicht, vermutlich ein Bediensteter, wahrscheinlich sein Kammerdiener, von dem ich gehört habe. Er hat wohl etwas an Herrn Smythje zu berichten. Ha, jetzt gehen sie alle fort! Nein! Nur der Herr und der Diener; sie bleibt. Das ist doch sonderbar, dass er sie allein lässt! Tatsächlich, sehr höflich von Ihnen, verehrtester Herr Smythje!«

Lächelnd nahm die schöne Späherin ihr Fernrohr vom Auge und schien, nach dem, was sie gesehen hatte, höchst zufrieden und erleichtert zu sein. Ganz gewiss waren durchaus keine Anzeichen vorhanden, dass Herbert Vaughan sich irgend in der näheren Umgebung von Willkommenberg befände oder dass er eine Zusammenkunft mit seiner Cousine gehabt hätte. Und wäre dies wirklich auch der Fall gewesen, dann hätte sie unbedingt ganz nach dem Wunsch der Jüdin geendet, denn auf dem Gesicht Käthchens war in keiner Weise irgendetwas von freudiger Erregung, sondern nur Trübsinn und Missmut zu entdecken. Froh, sie in so gedrückter Stimmung zu sehen, brachte die trotz aller bisherigen Wahrnehmungen immer noch eifersüchtige Nebenbuhlerin ihr Glas wieder ans Auge.

»Nun!«, rief sie mit Bewunderung aus. »Was hat denn das Negermädchen noch immer da bei der Statue zu schaffen? Sie scheint mit ihr zu sprechen. Wahrhaftig, das muss ein sehr interessantes Gespräch sein! Ha, ha, ha! Vielleicht gehört die Figur zum Negerglauben und sie betet es an! Ha, ha, ha! Sie ist dabei auch wie eine Statue!«

»Doch nun!«, sprach die jetzt schon sich in Scherzen ergebende Beobachterin, stets durch ihr Glas spähend, »nun wendet sie sich von der Statue ab und, bei meiner Seele! Sie geht jetzt gerade hier herauf. Mich kann sie doch nicht sehen? Nein, nein, mit bloßem Auge ist das unmöglich! Übrigens sind höchstens nur mein Kopf und mein Hut über dem Felsen zu sehen, und die kann sie schwerlich erkennen. Wie fest und ungewandt sie hinauf sieht! Und dabei ein Lächeln auf ihrem Gesicht! Fast könnte man glauben, sie dachte an den spaßhaften Vorfall hier oben, als Smythje ihr zu Füßen lag. Ha ha, ha!«

»Und was nun gar?«, sprach sie und hörte sofort zu lachen auf, als sie gesehen hatte, dass die junge Kreolin sich ein Tuch über den Kopf band und sich weiter vom Haus entfernte. »Was hat denn das zu bedeuten? Sie scheint an einen Ausflug zu denken! Und ganz allein? Ja wirklich, ganz allein scheint sie gehen zu wollen! Jetzt sieht sie sich zu dem Haus um, als fürchtete sie, es komme jemand, der sie in ihrer Absicht störe. Wo mag sie nur hingehen? Sieh, jetzt schleicht sie sich durch die kleine Tür da in der Gartenmauer! Wahrhaftig sie kommt hier den Berg hinauf!«

Als die Jüdin dies bemerkte, ging sie auf der Felsplatte einen Schritt vorwärts, um noch besser sehen zu können. Das Fernrohr zitterte dabei in ihrer Hand und ihr ganzer Körper bebte in der heftigen leidenschaftlichen Erregung.

»Den Berg hinauf!«, rief sie wie halb wahnsinnig aus. »Ja, den Berg hinauf! Und in welcher Absicht? Nun in welcher anderen sonst, als um ihn zu treffen – Herbert Vaughan!«

Ein nur halb unterdrückter unwillkürlicher Schrei begleitete diesen Gedanken, während das Fernglas ihren Fingern entglitt.