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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 22

Der Kommandant des Towers
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Zweites Buch
Der Lordprotektor
Vierzehntes Kapitel

Wie Ugo Harrington in Sir Thomas Seymours Vertrauen gezogen wird

Sobald Sir Thomas sein eigenes Zimmer betrat, legte er die Maske ab, und sein Diener, der am Ausdruck seines Gesichtes erkannte, dass irgendetwas schief gegangen war, hütete sich wohl, ihn anzureden, sondern beobachtete seinen Herrn mit einem sonderbaren Lächeln, als er sich ärgerlich auf ein Ruhebett hinwarf. Nach einer Weile brach Seymour das Schweigen.

»Du kannst ungefähr erraten, was passiert ist, Ugo«, sprach er. »Aber die Sache steht viel schlimmer, als du dir vorstellen kannst. Ich habe sie beide verloren.«

»Diavolo! Beide! Wie das, Monsignore?«

»Gerade diejenige Person auf Erden, die ich am weitesten weggewünscht hätte, war insgeheim Zeuge meiner Unterredung mit der Prinzessin; und gerade in dem Augenblicke, als ich des Preises sicher zu sein glaubte, wurde er mir entrissen. Wenn ich dir sage, dass Königin Catharina hinter der Tapete hervortrat, wo sie auf der Lauer gestanden und all meine Liebesbeteuerungen, all meine Gelübde angehört hatte, so kannst du dir die Szene denken, die nun folgte. Ihre Majestät sah aus, als ob sie mich durchbohren möchte, wie die liebenswürdigen Florentinerinnen es zuweilen mit ihren treulosen Liebhabern machen. Aber das war nichts im Vergleich zu den Vorwürfen, die ich von beiden Seiten zu hören bekam. Sie tönen mir noch in den Ohren.«

»Die Situation muss nichts weniger als angenehm gewesen sein. Und es misslang Euch, Monsignore, eine der beiden Damen zu versöhnen?«

»Misslang vollständig, Ugo. Die Prinzessin ist sicher verloren, und ich fürchte, die Königin ebenfalls.«

»Per dio! Das ist schlimm. Ihr werdet Euch erinnern, ich hatte eine schlimme Ahnung, als Eure Lordschaft auf solch ein Abenteuer ausging.«

»Ich wollte, ich wäre deinem Rat gefolgt, Ugo, und Catharina treu geblieben. Aber ich war von Elisabeths Reizen bezaubert; selbst jetzt noch, wo sie mich verachtet, bete ich sie an.«

»Und Ihr sagt, sie ist verloren?«

»Ach ja! Ugo – unwiderbringlich verloren.«

»In dem Fall denkt nicht mehr an sie, sondern richtet Eure Gedanken ganz auf die Königin. Das heißt, wenn Ihr die Hoffnung habt, Euer altes Verhältnis zu Ihrer Majestät wieder herzustellen.«

»Ich verzweifle nicht ganz an einer Versöhnung, Ugo, aber schwer halten wird sie.«

»Via, via, Monsignore. Alles Große ist schwer zu erlangen. Ihr habt mir oft gesagt, dass Ehrgeiz die Euch beherrschende Leidenschaft sei. Aber Ihr scheint Euch in Euch selbst geirrt zu haben.«

»Ich habe dir die Wahrheit gesagt!«, rief Seymour von dem Ruhebett aufspringend. »Ehrgeiz ist meine herrschende Leidenschaft, ihr müssen alle anderen sich unterordnen. Hinfort will ich nur an meine Erhebung deuten. Höre, Ugo, du weißt etwas von meinen Projekten, aber du sollst mehr wissen, denn ich kann dir trauen.«

Der Diener verbeugte sich lächelnd. »Ich schulde dem Lordprotektor wenig brüderliche Liebe, denn er hat sich immer als mein Feind gezeigt. Seit Jahren schon legt er es darauf an, mich niederzuhalten, aber erfolglos, denn ich bin trotz seiner gestiegen. Wenn meine Schwester, Königin Jane, am Leben geblieben wäre, so würde ich schnell gestiegen sein, denn sie gab mir vor ihrem ältesten Bruder den Vorzug, aber indem ich sie verlor, verlor ich auch viel von Henrys Gunst. Und warum? Weil mein Bruder Edward fürchtete, dass ich ihn verdrängte. Ihm danke ich es, dass ich übergangen wurde, während Heinrich meinen Bruder reich machte und zu Ehren erhob. Kann ich solche Behandlung vergessen? Nie!«

»Ich wundere mich nicht über Eure Rachegefühle, Monsignore.«

»So wirst du dich auch nicht über die Mittel wundern, die ich zu ergreifen gedenke. Hertfords Eifersucht hat mich bis zu des Königs letztem Augenblick verfolgt. Gewisse Gunstbezeugungen konnte er nicht verhindern, auch nicht ganz Heinrichs Hinneigung zu mir, die dieser selbst mehrfach kundgegeben hat, zurückhalten. Aber er verleumdete mich dermaßen, dass ich niemals des Königs Vertrauen gewann, noch wurde ich jemals mit etwas Wichtigem betraut. Mancher Posten wurde frei, während Hertford an der Spitze der Geschäfte stand, aber sein böswilliger Einfluss war immer beim König tätig, und ich wurde übersehen. Durch meines Bruders Künste, durch sie allein, wurde ich von der Liste von Heinrichs Testamentsvollstreckern ausgeschlossen und dem niederen Conseil zugeteilt, obwohl mein rechtmäßiger Platz in dem höheren wäre. Aber diese letztere Ungerechtigkeit wäre wieder gut gemacht worden, wenn Heinrich nur ein wenig länger gelebt hätte. Sir John Gage und ich wurden von dem sterbenden König ferngehalten, bis er nicht mehr imstande war, seinen Befehlen Gehorsam zu verschaffen. Es ist da irgendetwas mit der Unterschrift, Ugo, das mich auf den Verdacht bringt, es war nicht alles in Ordnung dabei, und Sir John ist gleicher Meinung, obwohl er über die Sache schweigt. Nach meiner Überzeugung war der König tot oder sterbend, als das Testament gestempelt wurde – denn gestempelt wurde es, nicht unterschrieben.«

»Wenn dem so ist, so werden die Helfer bei dem Betrug schwerlich der verdienten Strafe entgehen.«

»Weder in dieser, noch in jener Welt sollen sie ihr entgehen«, erwiderte Seymour strengen Tones. »Welches Heinrichs Absichten waren, weiß ich von Sir John Gage, wie sie vereitelt wurden, weiß mein Bruder am besten. Aber nicht nur hat Hertford das große Unrecht, das er mir angetan hat, nicht wieder gut gemacht, sondern seine Eifersucht ist in jüngster Zeit in förmlichen Hass verwandelt worden. Er fühlt, dass mein Einfluss bei unserem königlichen Neffen größer ist als der seine. Darum fürchtet er mich und möchte mich gern ganz verdrängen, wenn er könnte. Glücklicherweise ist er dazu nicht imstande. Jetzt bin ich zu stark für ihn«, fügte er mit bitterem Lächeln hinzu, »und es soll ihm schwer werden, mich zu vernichten oder auch nur ferner niederzuhalten. Er glaubt mich zu besänftigen, wenn er mich zum Baron Seymour von Sudley und Lordadmiral von England macht. Es ist etwas, und ich werde weder Titel noch Amt verschmähen. Aber es ist mir nicht genug. Hertford möchte alle Macht und Größe in sich vereinigen und mir nur den

Abfall lassen. Sich selbst hat er zum Lordprotektor und zum Gouverneur des Königs gemacht. Letzteres Amt sollte mein sein, würde mein sein, wenn der König seinen Willen hätte – wird später mein sein!«

»Mögen Eure Hoffnungen in Erfüllung gehen, Monsignore!«, rief Ugo aus.

»Du wirst sehen«, entgegnete Seymour mit bedeutungsvollem Lächeln. »Aber um das Maß meiner Kränkungen vollzumachen, hat Hertford nicht nur die beiden wichtigen Ämter im Staat an sich gerissen, sondern er hat auch die Absicht, die Würden eines Lordschatzmeisters und Grafmarschalls, die der Herzog von Norfolk verwirkt hat, hinzuzufügen, nebst dem Rang und Titel des Herzogs von Somerset.«

»Seine Hoheit sorgt gut für sich, das muss man gestehen«, sagte Ugo.

»Er mag sich wohl vorsehen, wenn er seinen Platz behaupten will«, entgegnete Seymour, »denn beim Haupt meines Vaters, ich will nicht ruhen, bis ich ihn verdrängt und mich selbst an seine Stelle gesetzt habe. Was er fürchtet, soll geschehen. Hätte er die Beute mit mir geteilt, so hätte ich mich vielleicht ruhig verhalten, jetzt aber werde ich mich nur mit dem Ganzen zufriedengeben – ich will Herzog werden, Protektor, Lordschatzmeister, Grafmarschall, – alles! Und er soll weniger werden, als ich jetzt bin.«

»Wenn sich Solches ereignen sollte, so würden Eure Hoheit es reichlich verdient haben.«

»Die Haltung der Parteien ist meinem Vorhaben günstig«, fuhr Seymour fort. »Unter der Lava des Vulkans glimmt ein Feuer, das jeden Augenblick, bei der geringsten Bewegung die Oberfläche durchbrechen kann. Der alte Adel hasst meinen Bruder und beugt sich ihm nur mit Widerstreben, während er mir freundlich gesinnt ist. Mit dem römischen Stuhl stehe ich viel besser als er, weil ich, obwohl ich mich zu dem neuen Glauben bekenne, tolerant gegen den alten bin, und nicht daran denke, die Reformation weiter zu betreiben. Mein Plan soll der des verstorbenen Königs sein, der durch den Weg, den er einschlug, seine Klugheit beurkundete, idem er nämlich die eine Seele durch die andere im Gleichgewicht erhielt und keiner einen Vorzug zuteilwerden ließ. Indem Hertford sich so eng mit den Reformern verbündet, zieht er sich die Feindschaft der Papisten zu; darauf rechne ich. Mein Anhang wird viel stärker sein als der seine, und er muss darum vorsichtig gehen, wenn ich ihn nicht zum Straucheln bringen soll.«

»Der Einfluss Eurer Lordschaft auf den König ist die beste Garantie für den Erfolg Eures Planes«, bemerkte Ugo. »Wenn das Conseil ebenfalls könnte gewonnen werden, so wäre das Übrige leicht.«

»Ich habe schon Verschiedene von ihnen ansgehorcht, aber ich muss vorsichtig verfahren, um nicht meines Bruders Verdacht zu wecken. Der Lordkanzler ist unzufrieden; und der Graf von Arundel, Lord St.-John, der Bischof von Durham und Sir Anthony Brown sind sichere Verbündete, wenn Cranmer noch fernere Versuche macht, um die Feindseligkeiten gegen den römischen Stuhl zu steigern. Uneinigkeit muss ausbrechen, und in diesem kritischen Augenblick werde ich an der Spitze einer mächtigen Partei hervortreten und die Zügel der Regierung ergreifen. In Erwartung eines solchen Ereignisses soll es meine Sorge sein, mich der Person des Königs zu versichern. Ich wünsche nicht eine Rebellion hervorzurufen, aber ehe ich mein Ziel verfehle, werde ich es tun. Und wenn ein Aufruhr stattfindet, so soll es am Führer nicht fehlen.«

»Eure Lordschaft seid Verschwörer im großen Stil – ein zweiter Catilina!«, bemerkte Ugo, auf seine eigentümliche Art lächelnd.

»Dies ist eine Zeit, wo Pläne gemacht werden können, denn alles ist gelockert und ungeordnet«, sprach Seymour. »Ein König auf dem Thron, der nur dem Namen nach König ist, Minister, welche die höchste Gewalt usurpieren möchten, streitende Parteien in Staat und Kirche, ein alter Adel, der den jüngst kreierten verachtet, ein neuer habsüchtiger und unersättlicher Adel, ein unzufriedenes, gedrücktes, mit Steuern überlastetes Volk, Komplotte und Verschwörungen müssen aus diesen verworrenen Elementen entstehen – und andere außer mir, weiß ich, brüten schon über Plänen.« »Da vero, Monsignore?«, rief Ugo mit einem fragenden Blick aus.

»Ja, freilich«, antwortete Seymour. »Mein Bruder ist nicht fest genug, um den Schwierigkeiten und Gefahren gegenüber, die auf ihn eindringen werden, seinen Platz zu behaupten, selbst wenn er auch von mir nichts zu befürchten hätte. Lord Lisle gibt vor, sein Freund zu sein, aber ich vermute, dass er geheime Absichten gegen ihn im Schilde führt.«

»Mich dünkt, Lord Lisle war ein Anhänger Eurer Lordschaft«, bemerkte Ugo mit einer gewissen Unruhe.

»Ich werde ihm nicht ferner mehr vertrauen, bis ich seiner sicher bin. Was meinst du von Lisle, Ugo? Sag, du kennst ihn.«

»Nicht hinreichend, um ihn genau zu beurteilen, Monsignore, entgegnete der Diener. »Aber ich bin überzeugt, er könnte Euch sehr unterstützen, wenn er wollte.«

»Ohne Zweifel«, entgegnete Seymour. »Lisle ist gerade der Mann, den ich brauche. Er ist kühn, ehrgeizig und nicht sehr skrupulös. Sieh, was du mit ihm anfangen kannst, Ugo, aber verrate mich nicht.«

»Darüber seid ruhig, Monsignore.«

»Sei freigebig mit Versprechungen; führe in Versuchung, wie du willst.«

»Es soll geschehen, wie Ihr befohlen. Aber horcht! Es ist jemand im Wartesaal.«

»Es ist Dorset. Ich kenne seine Stimme. Was führt ihn her? Gebe der Himmel, dass er nichts von meinem Streit mit der Königin gehört hat.«

»Das ist nicht wahrscheinlich«, erwiderte der Diener. »Ihre Majestät wird die Sache für sich behalten. Aber da kommt Seine Lordschaft. Soll ich mich zurückziehen, Monsignore?«

»Ja, aber nahe genug, damit ich dich rufen kann.«

Als Ugo verschwand, wurde der Marquis von einem Pagen hereingeführt und von Sir Thomas herzlich bewillkommnet.

»Ich komme, um mich nach Eurem Befinden zu erkundigen, guter Sir Thomas«, sprach Dorset. »Mich dünkt, Ihr seht sehr gut aus.«

»Ich befand mich niemals besser, teuerster Marquis – niemals besser. Wie befindeu sich die Frau Marquise und Eure Tochter, Lady Jane? Habt Ihr über meinen Vorschlag nachgedacht?«

»Hm – ja!«, antwortete zögernd der andere. »Ich fürchte fast, ich muss ihn ausnchlagen.«

Er hat von dem Streit gehört, dachte Seymour. »Eure Lordschaft ist der beste Richter in seinen eigenen Angelegenheiten«, sagte er in gleichgültigem Ton. »Ohne mich kann aus der besprochenen Verbindung nichts werden. Ihr wisst vermutlich, dass der Lordprotektor die Absicht hat, den König mit der Königin von Schottland zu verloben, welche auch ein Kind ist und von außerordentlicher Schönheit zu werden verspricht.«

»Ja, aber die Schotten schlugen den Heiratsantrag, den der verstorbene König ihrer jungen Königin machen ließ, aus«, entgegnete Dorset. »Wenn Heinrich VIlI. fehlging, so wird der Lordprotektor schwerlich glücklicher sein.«

»Die Annahme des Vertrages kann durch das Schwert erzwungen werden – eine Art von Arrangement, welche der Lordprotektor ganz gewiss versuchen wird, wenn man ihm nicht zuvorkommt.«

»Aber andere Mächte werden das Bündnis nicht gestatten. König Francis ist dagegen.«

»Seine allerchristliche Majestät wird seinen königlichen Bruder Heinrich nicht lange überleben, wenn wahr ist, was ich von dem Gesandten hörte. Die Opposition Frankreichs ist unnütz. Die Schotten werden lieber den Vertrag unterzeichnen, als sich den Gräueln des Krieges aussetzen. Die Verlobung meines königlichen Neffen mit der jugendlichen Königin Maria wird stattfinden, wiederhole ich, – wenn dem nicht zuvorgekommen wird.«

»Aber wer soll ihm zuvorkommen?«, fragte der Marquis.

Seymour lächelte, als ob er sagen wollte: »Ich kann ihm zuvorkommen, wenn ich will.« Aber er sprach es nicht aus.

»Ich fürchte, Sir Thomas, Ihr überschätzt Eure Macht ein wenig.«

»Nicht im Geringsten, bester Marquis. Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.« Dichter an Dorset herantretend, sagte er ihm ins Ohr: »Ich nehme es auf mich, Eure Tochter, Lady Jane, mit meinem königlichen Neffen zu verheiraten. Aber sie muss meiner Obhut übergeben werden.«

»Aber Ihr müsst verheiratet sein, bevor Ihr sie aufnehmen könnt – rechtmäßig verheiratet, Sir Thomas. Eine hochstehende Frau, wie zum Beispiel Ihre Majestät die Königinwitwe, wäre mir gerade der rechte Schutz für meine Tochter.«

Ich wusste es, dass er von dem Streit gehört hat, dachte Seymour. »Gut, Marquis«, sprach er, »angenommen, Lady Jane Grey wird Ihrer Majestät anvertraut?«

»Ah! Dann, in der Tat – aber nein! Das kann nicht sein.«

»Warum nicht? Ich sehe, was geschehen ist. Meine böswillige Schwägerin, Lady Hertford, hat der Marquise erzählt, dass irgendein kleines Missverständnis zwischen der Königin und mir stattgefunden hat.«

»Kein kleines Missverständnis, wie ich höre, denn ich will gestehen, dass mir eine derartige Andeutung gemacht worden ist, sondern ein heftiger Streit infolge der Eifersucht Ihrer Majestät auf die Prinzessin. Ah! Sir Thomas – was heißt es, der schönste Mann am Hofe zu sein? Aber Ihr habt eine große Chance verloren.«

»Unsinn! Ich habe keine Chance verloren, wie Ihr erfahren werdet, Marquis. Meine liebenswürdige Schwägerin hat das meiste Aufsehen von dem Streit gemacht, sie hat ihn selbst veranlasst und wollte damit die Königin, für deren Beleidigung beim Bankett sie sich zu rächen sucht, ärgern, nicht mich. Der Zwist zwischen mir und Ihrer Majestät ist von keiner Erheblichkeit – ein Streit zwischen Liebenden – und wird sehr bald ausgeglichen sein.«

»Es freut mich, das zu hören, Sir Thomas, freut mich sehr, um Eures eigenen Interesses willen.«

»Und um Eures ebenso gut, mein bester Marquis. Heirate ich nicht die Königin, so heiratet Eure Tochter nicht den König.«

»Ihr kommt da zur Sache, Sir Thomas.«

»Ich pflege nicht drum herum zu gehen, wo ich geradeaussteuern kann. Und nun, Marquis, soll mir die Verfügung über Lady Janes Hand zustehen?«

»Ah, Sir Thomas, ich werde Euch sehr verpflichtet sein.«

»Kann ich sonst noch etwas für Eure Lordschaft tun?«

»Ich möchte Euch vicht belästigen, Sir Thomas, aber zufällig könnte ich gerade ein Paar Hundert Pfund – sagen wir fünfhundert – gebrauchen – und wenn Ihr mir die ohne Ungelegenheit für Euch leihen könntet, so würde ich Euch sehr verpflichtet sein. Jede Sicherheit, die Ihr verlangt …«

»Sicherheit ist nicht nötig, Marquis. Euer Wort genügt. Ich bin entzückt, Euch dienen zu können, nicht nur jetzt, sondern jederzeit. Heda, Ugo!«, rief er. Und als der Diener, der in Hörweite war, prompt auf den Ruf antwortete, fügte er hinzu: »Hier ist der Schlüssel von meiner Schatulle. Zähle fünfhundert Pfund in Gold ab und schaffe die Summe in die Gemächer des Marquis von Dorset.«

Ugo nahm den kleinen goldenen Schlüssel aus der Hand seines Herrn, verbeugte sich und ging.

»Wenn ich das Doppelte verlangt hätte, er würde es auch gegeben haben«, murmelte Dorset. »Ich werde mir den Rest ein anderes Mal ausbitten. – Ihr setzt großes Vertrauen in Eures Dieners Ehrlichkeit«, setzte er dann laut hinzu.

»Mit gutem Grund, Mylord, ich habe ihn erprobt.«

In diesem Angenblicke trat ein Page ein und meldete: »Der König!«

Gleich darauf wurde Edward von Fowler ganz der Etikette gemäß ins Zimmer geleitet. Der Rest des Gefolges, unter dem sich Xit befand, blieb im Vorzimmer.

»Da ich meine Studien beendet habe, lieber Onkel«, sagte der König, »so wollte ich mir bei Euch eine Stunde Erholung suchen. Sollen wir über die Wälle spazieren?«

Sir Thomas verbeugte sich zustimmend. »Ich wollte meine Schwester Elisabeth dabei haben, aber sie ist außerstande und ließ sich entschuldigen. Ach! Lieber Onkel, Ihr verdient Tadel. Ihr habt sie irgendwie beleidigt. Aber Ihr müsst Euch wieder versöhnen. Ich mag nicht, dass zwei mir so liebe Menschen gespannt miteinander bleiben.«

»Nein, Eure Majestät, es ist nichts zwischen uns.«

»O, gewiss, ich bin überzeugt davon, und zwischen Euch und der Königin, unserer Mutter, auch – aber wir wollen alles ausgleichen. Ihr sollt uns auch auf unserem Spaziergang Gesellschaft leisten, Mylord Dorset, wenn Ihr Lust habt. Wie geht es unserer schönen Cousine Jane?«

»Meine Tochter ist wohl – ganz wohl, mein gnädiger Herr«, erwiderte Dorset. Gerade wie Eure Majestät liegt sie selbst im Tower ihren Studien ob. Als ich sie verließ, las sie gerade den Phaedon von Plato.«

»Dann wollen wir sie nicht stören, denn besser kann sie nicht beschäftigt sein. Sonst würde es uns Freude gemacht haben, uns auf dem Weg mit ihr zu unterhalten.«

»O, ich bin überzeugt, Lady Jane würde Eurer Majestät Gesellschaft der des größten heidnischen Philosophen vorziehen – selbst des göttlichen Plato«, sagte Dorset.

»Das weiß ich nicht«, erwiderte Edward lächelnd. »Unserer Cousine Jane sind Bücher lieber als Gesellschaft. Ihr werdet halb stolz sein dürfen auf die Gelehrsamkeit Eurer Tochter, Mylord Marquis.«

»Ich kann von Lady Jane sagen, was ihr Vater nicht selbst sagen kann«, mischte sich Seymour ein. »Sie ist ebenso fromm wie gelehrt, und ebenso sanft wie fromm. Sie wäre eines Thrones würdig.«

»Ihr sprecht enthusiastisch, lieber Onkel«, sagte Edward. »Aber Ihr sagt doch die Wahrheit. Das ist meine Meinung über meine Cousine. Aber sie muss nicht zu viel studieren. Ein wenig Bewegung wird ihr wohltun. Was meint Ihr, Mylord von Dorset?«

»Ich werde sie sogleich zu Eurer Majestät bringen«, entgegnete der Marquis. »Sie wird Euch mit Freuden gehorchen.«

»Ihr werdet uns auf den nördlichen Wällen finden«, sprach Edward, als Dorset sich mit einer tiefen Verbeugung entfernte.

»Ihr habt recht, lieber Onkel«, bemerkte er, sobald sie allein waren. »Meine Cousine Jane würde einen Thron zieren. Ich wollt’, eine solche könnte ich heiraten.«

»Warum nicht Lady Jane selbst, gnädiger Herr?«, fragte Seymour.

»Mein Onkel, der Lordprotektor, will mich mit der Königin von Schottland verloben.«

»Aber wenn Eure Majestät die Lady Jane vorzieht?«

»Ich werde nicht wählen dürfen«, seufzte Edward.

»Fragt mich um Rat, bevor Ihr in irgendein Verlöbnis einwilligt.«

»Das will ich«, antwortete Edward lächelnd, indem er mit seinem Onkel weiterging.