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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Einundzwanzigste Erzählung

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil
Einundzwanzigste Erzählung

Von Waldteufeln und deren Zauberkraft, sich nach Belieben vor den Menschen unsichtbar zu machen

Selbst in dem möglichst vollständigen Verzeichnis lebender Wesen, welches uns der große de Buffon in seinen naturhistorischen Schriften geliefert hat, ist noch ein Geschöpf aufzuführen vergessen worden, welches ebenso furchtbar und selten als auch merkwürdig in seinen Kraftäußerungen ist. Dieses sonderbare Geschöpf nämlich hat es in seiner Gewalt, nach Belieben einigen Menschen zu erscheinen und hingegen vor anderen, die es bewaffnet aufsuchen, unsichtbar in den Wäldern umherzustreifen. Man nennt es Waldteufel. Und ob es gleich, wie der Mensch, nur auf zwei Füßen gehen soll, so ist man doch noch ungewiss, ob es zur Klasse der Menschen oder der wilden Tiere, oder gar der bösen Geister gehöre.

Das Dasein solcher Mitteldinge zwischen Teufel, Menschen und Vieh kann aber in unseren Tagen schon darum nicht mehr in Zweifel gezogen werden, weil man sich erst im Jahre 1785 eines solchen Waldteufels bemächtigt und ihn wirklich getötet hat. Hier sind die näheren Umstände dieses Fanges:

In der Gegend des westpreußischen Städtchens Neumark verbreitete sich ganz allgemein die furchtbare Sage, es schweife in dem benachbarten Gehölz ein nackter Waldteufel umher, der die Vorübergehenden erschrecke und anfalle. Weil man nur selten von dergleichen gespenstartigen Wesen hört, so wollten viele der Sage keinen Glauben beimessen und meinten, man müsse sich in seinen Wahrnehmungen geirrt und vielleicht irgendein anderes wildes Tier erblickt haben.

Viele Einwohner aus dem Städtchen und auch einige benachbarte Landleute, welche mit gesunden Augen den Waldteufel selbst gesehen hatten, fanden es indessen sehr lächerlich, dass einige Herren, die gelehrt und bei mehreren Gelegenheiten immer klüger, wie sie sein wollten, die wirkliche Gegenwart dieses Teufels in ihrem Holz noch bezweifelten. Der Schulze Czerwinsky aus der Nachbarschaft, der dieses Ungeheuer einmal ganz in der Nähe zu beobachten Gelegenheit gehabt hatte und bald handgemein mit ihm geworden wäre, beschrieb sein bestandenes Abenteuer mit folgenden Worten.

»Ich hatte des Morgens Früh ein Geschäft im Holz. Da man mich wegen des Waldteufels, der jetzt darin ist, ernstlich warnte, so hütete ich mich wohl, ohne eine scharf geladene Flinte in den Wald zu gehen. Ich war kaum eine Strecke hinein, so erblickte ich das Ungeheuer schon. Es sah aus wie ein von der Sonne sehr verbrannter, nackter, furchtbar wilder Mensch. In der rechten Vorderpfote hatte es einen langen und dicken Knüppel, an dessen Spitze eine große Axt befestigt war. Ich hatte einen gewaltigen Schreck bei diesem Anblick. Indessen fasste ich bald wieder ein Herz, legte die Flinte an und wollte es erschießen. Da ich aber bemerkte, dass es ohne Furcht vor meinem Gewehr gerade auf mich zukam, so erinnerte ich mich mit Schrecken, einmal gehört zu haben, dass dergleichen wunderbare Ungeheuer kugelfest sind und einen Schuss eben nicht achten. Da überfielen mich nun Zittern und Zagen. Ich suchte mein Heil in der eiligsten Flucht und bin sehr froh, dass ich besser rennen konnte als der Teufel.«

Diese Erfahrung des Schulzen war kaum im Städtchen bekannt geworden, so waren Knechte und Mägde auf keine Weise mehr zu überreden, das Vieh ihrer Herrschaft ferner nach jenem Wald auf die Weide zu treiben. Dies ist die Ursache, dass der Magistrat, der solange ungläubig gewesen war, endlich ein Einsehen in der Sache hatte und der Bürgerschaft sowie einigen benachbarten Dörfern im Monat Juni 1785 den Befehl erteilte, den berüchtigten Wald zu umringen, das Ungeheuer lebendig und unbeschädigt einzufangen und gefänglich einzubringen.

Dem Befehl ward in so weit Folge geleistet, dass man sehr zahlreich den kleinen Wald von allen Seiten zugleich berannte, mutig in denselben eindrang und in seinem Zentrum samt und sonders aufeinanderstieß. Alles, was man einfing, waren einige Hasen, aber von einem Waldteufel hatte man durchaus nichts gewittert.

»Ja«, hieß es, »da mögt Ihr lange suchen. Wisst Ihr denn nicht, dass sich die Waldteufel unsichtbar machen können und dass es von ihrer Willkür abhängt, welchen Leuten sie erscheinen wollen?«

Was geschah? Ein katholischer Bürger und Töpfermeister zu Neustadt, Valerian Soborovsky genannt, hatte, ungeachtet er bis in sein gegenwärtiges dreiunddreißigstes Lebensjahr ohne allen Unterricht, in der größten Dummheit aufgewachsen und beim gerichtlichen Durchsuchen des Waldes selbst gegenwärtig gewesen war, doch einige Wochen nachher noch das Glück, jenen Teufel im nämlichen Wald zu entdecken. Ihm war es auch vorbehalten, das Ungeheuer ritterlich zu bekämpfen und zum Heil für seine Mitbürger den Sieg über dasselbe davonzutragen.

Er fuhr mit fernem Lehrburschen, namens Pallaklewitz, am 30. Juni 1785 längs des Gehölzes hin, um sich Lehm für seine Werkstatt zu holen. Plötzlich hörte er ein gewaltiges Schnarchen. Von wem konnte das anders kommen als von dem so geflissentlich gesuchten und dennoch verfehlten Waldteufel? Dem Meister sowie seinem Jungen lief es eiskalt über. Unwillkürlich fiel diesem vor Schreck die Leine aus der Hand. Ganz wider Willen des Meisters zog das Gespann, das die Gefahr nicht kannte, in welcher sie alle schwebten, den Wagen der scheußlichen Gegend, wo es so fürchterlich schnarchte, immer näher. Bald sahen sie sich dicht neben dem Waldteufel. Zum größten Glück lag er auf der Erde hingestreckt, so lang und dick er war, und schnarchte schlafend.

Wie leicht kann er erwachen, dachte der Töpfermeister. Dann sind vielleicht wir alle verloren. Ich muss ihm also zuvorkommen.

Mit diesen angstvollen Gedanken sprang er vom Wagen und ergriff seine Lehmhacke. Indem erwachte der Schnarcher und richtete, noch schlaftrunken, den Kopf ein wenig in die Höhe. Aber der Töpfer war kein solcher Narr, dass er ihm zum gänzlichen Aufstehen hätte Zeit lassen sollen. Ohne weitere Überlegung zerschmetterte er ihm mit seiner Hacke dermaßen den Kopf, dass das Gehirn weit umherspritzte.

Gott im Himmel! So morden Dummheit und Aberglaube! Der Erschlagene ist ein, seiner Fahne entlaufener preußischer Dragoner, namens Krankowsky, der, als gewesener neumärkischer Töpferbursche, auch seinem Mörder nicht unbekannt war!

Höchst vergnügt über die Heldentat eilte der noch immer verblendete Mörder nach Hause und erzählte einem jeden, »dass ihm Gott geholfen habe, die Gegend endlich von dem Ungeheuer zu befreien. Von den Stadtgerechten erwartete er eine Belohnung und wunderte sich nicht wenig, da sie ihn, anstatt zu belohnen, gefänglich einziehen ließen. Seine Strafe war sechsjährige Festungsarbeit.