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Der Welt-Detektiv Band 6

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Detektiv Schaper – Falsches Geld – 7. Kapitel

Detektiv-SchaperM. v. Neuhof
Detektiv Schaper
Erster Teil
Falsches Geld
7. Kapitel
Der Versucher

Ernesto Sagnali befand sich seit dem letzten Sonntag, wie Mariette nur zu gut merkte, in einer derart reizbaren Stimmung, dass niemand mit ihm auskommen konnte. Soeben saßen sich die Geschwister bei der Abendmahlzeit gegenüber. Sagnali rührte die Speisen kaum an. Dumpf vor sich hinbrütend starrte er ins Leere. Alle Versuche, die seine Schwester unternahm, um eine Unterhaltung in Fluss zu bringen, schlugen fehl. Schließlich hielt Mariette es in dieser drückenden Stille nicht mehr aus.

»Würdest du mir einmal ein offenes Wort gestatten, Ernesto?«, sagte sie zögernd, indem sie zärtlich ihres Bruders Hand streichelte.

»Sprich. Aber bitte keine Vorwürfe Horst-Günthers wegen, wenn ich dich warnen darf!«, entgegnete er unmutig. »Ich bin nicht in der Laune, um auch heute von einem Kind, wie du es noch bist, mir Vorhaltungen machen zu lassen.«

Ein trauriges Lächeln spielte um ihren Mund, als sie erwiderte.

»Horst-Günther kann tun und lassen, was er will. Er ist mir gleichgültig geworden. Am letzten Sonntag habe ich gemerkt, wie grundverschieden unsere Charaktere sind. Selbst an Gottes schöner Natur hat er keine Freude mehr. Ich merkte ihm nur zu gut an, dass er sich uns nur halb gezwungen zu dem Ausflug angeschlossen hatte.«

All das sollte gleichgültig klingen. Und doch fühlte Sagnali zu deutlich heraus, welch bittere Herzensenttäuschung Mariette in dieser stillen Neigung erfahren hatte.

Und erst nach einer Weile sagte sie dann, indem sie ihre Stimme zu leisem Flüstern dämpfte.

»Höre meine Warnung, Ernesto. Du wirft an diesem Menschen, der heimlich bei uns wohnt und der offenbar keinen guten Einfluss auf dich hat, zugrunde gehen, wenn du dich nicht von ihm freimachst. Ich glaube nicht mehr daran, dass er wegen politischer Umtriebe verfolgt wird, wie du mir einstmals erklärtest, zweifle auch ebenso daran, dass er demselben politischen Geheimbund angehört, dessen Mitglied du sein willst. Andere Bande umschlingen euch, andere Interessen.«

Sagnali war eine verräterische Glut ins Gesicht gestiegen. Um seine Verwirrung zu verbergen, erhob er sich schnell, warf die zusammengeknüllte Serviette auf den Tisch und sagte unwirsch: »Hirngespinste, Mariette – weiter nichts! Du willst scheinbar durchaus aus mir einen Lügner machen.«

Damit verließ er das Zimmer und ging in sein eigenes hinüber, wo Horst-Günther von Molnar ihn bereits erwartete.

Sagnali bot seinem Gast eine frische Zigarette an und setzte sich dann ihm gegenüber in den zweiten Sessel an den mit allerlei Papieren bedeckten Mitteltisch. Dann begann er, indem er absichtlich scheinbar sehr interessiert die Lackspitzen seiner Stiefel musterte.

»Lieber Molnar, ich möchte die Gelegenheit benutzen, um mit Ihnen eine etwas peinliche Angelegenheit zu erörtern.« Er paffte ein paar Züge in die Luft und fuhr dann fort. »Über Geldsachen sprechen ist ja an sich schon mehr wie prosaisch und daher fast widerwärtig, besonders für Künstler, der ich doch nun einmal trotz meiner augenblicklichen Tätigkeit geblieben bin. Hm – ja, sehen Sie, lieber Molnar, Sie schulden mir jetzt im ganzen 950 Mark. Es stimmt doch, nicht wahr?«

Horst-Günthers feingeschnittenes Gesicht war um einen Ton bleicher geworden. Trotzdem verbeugte er sich leicht und hochmütig.

»Allerdings – es stimmt.«

»Ja – also 950 Mark. Leider befinden sich meine Kassenverhältnisse augenblicklich in recht schlechtem Zustand, das heißt, ich habe nicht einmal so viel Bargeld vorrätig, um an dem bevorstehenden Quartalsersten die laufenden Verpflichtungen erledigen zu können.«

Er machte eine kurze Pause.

»Ich muss Sie daher schon bitten, mir die Summe, die Sie ja auch nur auf kurze Zeit haben wollten, baldigst zurückzuerstatten.«

Gott sei Dank – nun war es heraus. Selten waren Sagnali ein paar Sätze so schwer über die Lippen gekommen wie diese, selten hatte sich alles in ihm so stark dagegen gesträubt, Worte zu formen, wie die soeben ausgesprochenen. Dass er es dennoch tat, dass er diese Worte überhaupt fand, war ja nur jener Stunde zuzuschreiben, in der Merwinski ihm abermals gedroht hatte, ihn rücksichtslos bloßzustellen, falls er von dem Plan noch im letzten Augenblick zurücktrat. Merwinski war es gewesen, der ihm die Rolle, die er Horst-Günther gegenüber bei dieser Unterredung spielen sollte, förmlich eingelernt hatte. Und so handelte er nun rein automatisch, fast wie in einem Zustand von Hypnose.

Der junge Molnar hatte seine Zigarette längst mit leise bebender Hand in den Aschbecher zurückgelegt. Seine Lippen, um die sonst dieser etwas hochmütig-blasierte Zug so fest eingegraben war, bildeten nur noch eine schmale Linie, so fest presste er sie aufeinander.

In seinem Hirn wogte eine Flut unsinniger Gedanken. Aber immer fester formte sich aus ihnen schließlich eine Idee, die er dann auch mit zynischer Ruhe ausführte, damit seinen Charakter bloßlegend, der doch noch mehr als nur leichtsinnige Seiten enthielt.

»Ich muss Ihnen zu meinem großen Bedauern gestehen«, sagte er mit kaltem Lächeln, »dass ich momentan nicht in der Lage bin, Ihnen das Geld zurückzuerstatten, lieber Sagnali.«

Etwas in dem Ton von Horst-Günthers Stimme machte den Italiener stutzig. Das war nicht die Art, wie jemand die Bitte um Verlängerung eines Darlehens einleitete. Und daher erwiderte er auch energischer als zuvor. »So – nicht in der Lage! Nun – dann müssen Sie sich das Geld eben irgendwo beschaffen. Ich brauche es unbedingt.«

»Tut mir leid. Woher soll ich es nehmen?« Er zuckte gleichgültig die Achseln. »Ich denke, Sie belassen es mir noch einige Zeit«, fügte er schnell hinzu.

Wieder horchte Sagnali auf. Hatte er sich getäuscht? Klang nicht durch diese letzten Worte etwas wie eine Drohung hindurch?

Um sich Gewissheit zu verschaffen, sagte er scheinbar leicht gereizt: »Mein Bester – es geht nicht! Übermorgen sehe ich der Zahlung der 950 Mark bestimmt entgegen.«

Horst-Günther von Molnar griff nach der Zigarette, steckte sie zwischen die Lippen und sagte dann nachlässig, während sie dabei auf und ab wippte: »Aber Sagnali, wer wird so unhöflich einem Freund gegenüber sein, der von Ihren Geheimnissen mehr weiß, als Sie ahnen!«

Der Italiener fuhr förmlich herum. Seine dunklen Augen bohrten sich in Horst-Günthers Gesicht mit einem Ausdruck, als wollte er ihm im nächsten Augenblick an die Kehle springen.

»Geheimnisse? Was meinen Sie damit?«, fragte er dann leise, während seine Brust sich ungestüm hob und senkte.

»Nun, ich meine, dass Sie in Ihrer Wohnung hier, und zwar dort drüben in dem kleinen Zimmer zum Hof zu einen Gast beherbergen, der alle Ursache zu einem möglichst zurückgezogenen Lebenswandel zu haben scheint.«

Sagnali atmete auf. »Ist das alles?«, fragte er seinerseits mit offensichtlichem Spott. Denn blitzschnell hatte er sich überlegt, dass er vielleicht eine Handhabe dazu besaß, um Merwinski zum schleunigen Aufgeben dieser Zufluchtsstätte zu veranlassen. Sein Kumpane musste ja verschwinden, sobald sein Aufenthaltsort hier bekanntgeworden war und ihm dadurch eine Gefahr drohte, die nicht gering angeschlagen werden konnte.

»Alles?«, sagte Horst-Günther nun brutal. »Oh nein, lieber Sagnali! Ich habe mir zum Beispiel letztens das Vergnügen gemacht, diesem Mann, als er an einem Sonnabend spät in der Nacht dieses Hans verließ, nachzuschleichen. Es war eine mühselige Jagd. Aber sie hatte doch einen großen Erfolg, da ich am Sonntagmorgen dann, nachdem wir in einigen obskuren Cafés im Norden Berlins den Anbruch des Tages erwartet hatten – natürlich an verschiedenen Tischen – beobachten konnte, wie Ihr heimlicher Gast auf verschiedenen Postämtern größere Beträge einzahlte, wobei er stets – merkwürdige Geschichte – Fünfhundertmarkscheine wechselte. Hm, und gerade diese Art Banknoten ist in letzter Zeit in sehr tadellosen Exemplaren gefälscht worden.«

Sagnali hatte mehr staunend als mit einem Gefühl der Furcht zugehört. Dieser Horst-Günther war von ihm doch allzu sehr unterschätzt worden. In diesem genusssüchtigen jungen Menschen, der bisher stets nur den harmlosen Lebemann herausgekehrt hatte, schlummerten ja ganz gefährliche Talente! Und trotzdem – konnte ihm dies nicht nur gelegen kommen? Würde er jetzt, wo er den Menschen, der das Werkzeug eines raffinierten Betrugsmanövers werden sollte, durchschaut hatte, nicht spielend leicht sein Ziel erreichen? Und – konnte er nunmehr nicht sein Gewissen in dem Gedanken zum Schweigen bringen, dass an diesem Burschen eigentlich kaum noch etwas zu verderben war?

Sagnalis Entschluss stand fest. Hier war nur eine Taktik richtig: Offen, rücksichtslos auf das Ziel lossteuern. Horst-Günther wusste alles und so hätte vorsichtiges Lavieren doch nichts mehr genützt!

»Und wenn es so wäre, wenn mein heimlicher Gast wirklich nur Fünfhundertmarkscheine eingewechselt hätte?«, sagte er leise. »Würden Sie denn wirklich hingehen und dies verraten, Horst-Günther, obwohl man Ihnen ein Angebot machen könnte, das Ihnen gestatten würde, das Leben mit vollen Zügen zu genießen? Würden Sie denn das auch noch tun?«

Die Antwort kam ohne lange Überlegung. Sagnali konnte kaum einen Ausruf ungläubigen Staunens unterdrücken, als ihm der Sinn dieses einen Satzes klar wurde.