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Die Macht der Drei – Teil 21

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Erik Truwor arbeitete allein im Laboratorium zu Linnais. Nach den Plänen Silvesters baute er den neuen Strahler zusammen. Der Apparat war viel größer als der Erste, den die Freunde mit auf die Reise genommen hatten. Der neue Strahler nahm immerhin den Raum eines mäßigen Schrankes ein.

Aber er war geradezu lächerlich klein, wenn man seine Wirkungen betrachtete. Die neue Konstruktion konnte zehn Millionen Kilowatt telenergetisch konzentrieren. Diese Riesenleistung wurde nur dadurch möglich, dass der Apparat die Energie nicht mit den hergebrachten Mitteln erzeugte, sondern nur die überall im Raum vorhandene Energie freimachte.

Es drehte sich um die alte, schon von Oliver Lodge zum Anfang des Jahrhunderts aufgestellte Hypothese, dass in jedem Kubikzentimeter des äthererfüllten Raumes ein Energiebetrag von zehn Milliarden Pferdekraftstunden in latenter Form vorhanden ist. Etwa so, wie die Pulverladung einer Mine Hunderttausende von Metertonnen enthält. Der Fingerdruck eines Kindes genügt, um diese gewaltige Energie zu entfesseln. Es ist nur notwendig, dass dieser schwache Druck die Knallkapsel zur Entzündung bringt, die dann die Mine detonieren lässt.

»Das Problem der telenergetischen Konzentration ist praktisch gelöst.« Stolz und siegesgewiss hatte Silvester die Worte gesprochen. Wenige Stunden, bevor er in windender Sturmfahrt nach Westen aufbrach, um von dort sein Liebstes zu holen.

Die letzte Schwierigkeit, die noch zu lösen blieb, betraf das genaue Zielen. Es war notwendig, das entfernte Objekt, auf welches der Energiestrom gerichtet wurde, zu sehen. Erik Truwor fühlte die reine Freude eines intellektuellen Genusses, als er die Aufzeichnungen Silvesters durchlas. Die aus dem Strahler entsandte Formenenergie reflektierte zu einem winzigen Teil von der Konzentrationsstelle zum Strahler zurück und entwarf hier ein optisches Bild dieser Stelle. Jetzt, da er es las, schien es ihm beinahe trivial einfach. Eine simple Rückmeldung, wie sie in der Technik an tausend Stellen seit hundert Jahren gebräuchlich war. Nach der Theorie musste sich auf der weißen Mattglasscheibe des neuen Strahlers ein genaues Bild des Ortes zeigen, an dem die Energie sich konzentrierte.

Er schaltete den Apparat ein. Nebel wallten auf der Scheibe hin und her. Es flimmerte durcheinander. Gestalten wollten sich bilden, doch es wurde kein klares Bild. Noch einmal überprüfte er die Schaltung. Dann machte er sich an die Arbeit. Die Stunden verrannen. Er spürte es nicht. Die Mitternacht verstrich, und der Morgen kam. Niels Nielsen, der alte, noch vom Vater übernommene Diener, fand seinen Herrn im Laboratorium in die Arbeit versunken.

»Herr Erik, Ihr Bett blieb unberührt.«

Erik Truwor winkte ab und riss ärgerlich einen Draht heraus, den er falsch geschaltet hatte.

»Stören Sie mich nicht.«

Der Diener ging. Stillschweigend erschien er wieder und stellte eine Platte mit kalter Küche auf einen Seitentisch.

Erik Truwor hatte die Schaltung vollendet. Schaltete ein und sah noch weniger als zuvor. Ein schwerer Fehlschlag! Rastlos arbeitete er weiter.

Erik Truwor spürte Hunger. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er seit vierzehn Stunden im Laboratorium arbeitete.

Automatisch begann er zu essen. Der starke schwarze Kaffee erfrischte ihn. Während er aß und trank, gewann er Distanz zu seiner Arbeit. Er fand die Kraft, völlig von Neuem zu beginnen. Er prüfte die Schaltung Silvesters. Hier war eine Verbesserungsmöglichkeit. Die sekundären Erscheinungen mussten zurückgehalten werden. Es bestand Gefahr, dass sie den gewollten Effekt überwucherten.

Erik Truwor arbeitete. Und aß in langen Pausen. Die zweite helle Nordlandsnacht brach herein.

Der Diener kam.

»Vielen starken Kaffee!« Mit dem Befehl jagte ihn Erik Truwor aus dem Laboratorium.

Die Vorzüge der veränderten Schaltung wurden ihm immer einleuchtender, je weiter er baute und schaltete. Die zweite Nacht verging und der zweite Vormittag. Er zog die letzte Schraube fest und versuchte seiner Aufregung Herr zu werden.

Mit zitternder Hand schaltete er den Strahler ein. Nebel zogen über die Mattscheibe.

Er regulierte an den Mikrometerschrauben. Der Nebel löste sich. Blaue und grüne Flächen wurden sichtbar. Er musste sich setzen. Die Knie versagten ihm. Dann ein gewaltsames Aufraffen. Ein letztes Drehen an der Feinstellung. Scharf und deutlich zeigten sich die Föhren, die zwanzig Kilometer entfernt am Unterlauf des Tornea standen. Erik Truwor kannte die Stelle.

Die Mattscheibe bot ein Bild, wie man es seit langen Jahren in der photographischen Kamera beobachten konnte. Doch das Bild hier wurde auf ganz andere Weise gewonnen. Es kam nicht rein optisch, sondern energetisch zustande.

Der Wurf war geglückt. Er stellte den Strahler ab und warf sich erschöpft auf das Ruhebett im Laboratorium. Mit offenen Augen lag er dort und starrte zur Decke. Die Macht lag jetzt in seiner Hand. Die Macht, die Menschen nach seinem Willen zu zwingen. Zu Asche zu verbrennen, was ihm widerstrebte. Eine Macht, wie sie nie zuvor ein einzelner Mensch besessen hatte.

Er fühlte die furchtbare Verantwortung, die mit der Macht verbunden war … und dann wurden seine Gedanken sprunghaft. Die Natur forderte ihr Recht. Die Augen fielen ihm zu. Nach vierzig Stunden intensivster Arbeit verlangte der Körper Ruhe.

Es wurde nur ein fieberhafter Halbschlaf. Der Geist war zu erregt und riss den Körper mit.

Er fuhr empor. Drei Stunden hatte er im Halbschlummer gelegen. Im Augenblick war er wieder vollkommen wach. Der Schreiber der drahtlosen Station hatte in der Zwischenzeit gearbeitet. Er las die Zeichen auf dem Papierstreifen. »Haben den Ring. Gehen nach Elkington, Reynolds-Farm, Jane zu holen.«

Er rieb sich die Stirn. Jane nicht in Trenton? Aus dem Atlas entnahm er die genauen Koordinaten und richtete den Strahler. Die Nebel wogten. Jetzt ruhigere Linien. Grünes Feld. Ein Farmhof. Er regulierte und konnte jede Fuge und Maserung der Hoftür erkennen.

Eine Gestalt schritt von links her in das Bild … Silvester Bursfeld. So scharf und deutlich, als ob er in Greifweite stünde. Silvester kam allein und hatte nicht einmal den kleinen Strahler an der Seite.

Erik Truwor wollte dem Freunde etwas zurufen und vergaß, dass er durch tausend Meilen von ihm getrennt war.

Eine andere Gestalt hob sich auf der Bildfläche ab. Eine schwarze, hässliche Negerin. Erik Truwor sah, wie sie Silvester vom Hof zu weisen versuchte, wie der Freund sie zurückdrängte und der Haustür zuschritt. Wie die Frau ihn zurückzustoßen versuchte. Wie der sonst so gutmütige ruhige Silvester plötzlich den Arm hob, die Frau weit von sich schleuderte und in das Haus stürmte. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und Viertelstunden verstrichen.

Erik Truwor empfand eine wachsende Unruhe. Er vermisste den kleinen Strahler an der Seite Silvesters. Diese winzige, aber furchtbare Waffe, die ihn gegen jeden Angriff geschützt hätte. Und er vermisste Atma. Wo blieb der Inder? Die zweite Frage beunruhigte ihn fast ebenso stark wie die erste. Gewaltsam zwang er sich zur Ruhe.

»Sie müssen packen … natürlich … es ist ja klar, dass Jane nicht, wie sie geht und steht, nach Europa fahren kann … Eine Stunde Zeit gebe ich ihnen … dann …«

Er betrachtete das Dach des Farmhauses. Ob es wohl gut brennen mochte, wenn er den Strahler auf den Dachfirst wirken ließ? Die Holzschindeln sahen ganz danach aus. Rissig, von der Sonne ausgedörrt. Es musste ein gewaltiges Feuer werden.

Dann überdachte er die Folgen. Es konnte zu gut brennen. So schnell, dass die Flammen den Ausgang sperrten, bevor die Liebenden die Gefahr erkannten. Er durfte es nicht wagen, die Säumigen durch die Gewalt der telenergetischen Konzentration aus dem Haus zu treiben. So saß er mit steigender Ungeduld. Hoffte vergebens, dass Silvester wieder erscheinen oder Atma auftreten würde.

Ein silberner Fleck am blauen Himmel erregte seine Aufmerksamkeit. Mit der Lupe betrachtete er die Stelle auf der Mattscheibe.

Kein Zweifel, es war R.F.c.1, der Rapid Flyer, der dort heranzog. Er kannte die Formen des Flugschiffes.

Erleichtert atmete er auf.

Atma kam mit R.F.c.1, um die Säumigen zu holen. Mochte er gesteckt haben, wo er wolle … Atma war da. Jetzt musste alles zu einem guten Ende kommen.

Das Flugschiff kam schnell heran. Hinter dem Farmhaus ging es nieder. Jetzt entschwand es den Blicken Eriks. Die Silhouette des Farmhauses schob sich dazwischen.

… Warum landete Atma nicht auf dem Farmhof? … Vielleicht war der Platz hinter dem Haus für den Wiederaufflug geeigneter.

Erik Truwor wartete … und sah fünf Gestalten über den Hof laufen … In das Haus verschwinden.

»Atma ist da … Atma kam zur rechten Zeit … Es wird noch alles gut.«

Mit diesen Worten versuchte sich Erik Truwor zu beruhigen. Er hatte unter den Fünfen die Gestalt Glossins erkannt. Nach den Schilderungen, die ihm Silvester gegeben hatte. Das Nachziehen des rechten Fußes. Der stechende Blick. Es war unverkennbar. Aber er hoffte, dass Atma mit R.F.c.1 hinter dem Haus lag. Hoffte, dass der Inder eingreifen und die Widersacher zerschmettern würde.

Minuten verstrichen. Nicht viele.

Die Tür des Farmhauses öffnete sich.

Einer der Männer trug etwas Helles auf den Armen … Jane … bewusstlos. Ihr Antlitz war weiß. Ihr Kopf lag schlaff und kraftlos auf der Schulter ihres Trägers. Dann zwei andere. Sie schleppten Silvester. Hatten ihn gefesselt und trugen ihn wie ein Stück Holz über den Platz.

Zuletzt Dr. Glossin. Ein Lächeln der Befriedigung auf den Zügen.

Lodernder Zorn packte Erik Truwor. Er fasste den Strahler und gab Energie.

Zwanzig Meter hinter dem Doktor glühte der Sand des Hofes hell auf. Schmolz in Weißglut und strahlte Hitze.

Der Arzt warf einen Blick rückwärts und begann um sein Leben zu laufen. Mit schleifendem Fuß jagte er über den Hof und zog einen feurigen Strudel hinter sich her, denn mit der Mikrometerschraube brachte ihm Erik Truwor die Glut des Strahlers nach … und zerriss dabei in der Aufregung einen Draht des Fernsehers.

Das Bild erlosch. Tausend Meilen trennten Erik Truwor von Reynolds-Farm. Erst jetzt kam es ihm zum Bewusstsein.

Mit fiebernden Händen suchte er nach dem zerrissenen Draht. Er musste sich zur Ruhe zwingen. Musste mit unendlicher Geduld eine Schraube lösen, den Draht fassen, vorziehen und wieder festschrauben. Kostbare Minuten verstrichen darüber. Nun endlich war die Verbindung wieder hergestellt. Das Bild erschien von Neuem auf der Mattscheibe. Der Hof war leer.

Rätsel und Geheimnisse, die er nicht zu lösen vermochte. Hatte Atma eingegriffen, die Gegner vernichtet? Brachte er jetzt Silvester und Jane im Flugschiff heim?

Erik Truwor wusste es nicht. Er war verurteilt, hier zu sitzen und zu warten. Einen Schwur leistete er sich.

Das Feuer des Strahlers auf Glossin niederfallen zu lassen, sobald er ihn wieder vor die Augen bekäme.