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Slatermans Westernkurier 06/2016

Westernkurier-06-2016Auf ein Wort, Stranger,

wenn wir uns wieder mit Lingo beschäftigen.

Sie erinnern sich, die Sprache der Cowboys.

Doch bevor wir fortfahren: Was unterscheidet Lingo eigentlich von der normalen Sprache?

Wissenschaftlich ausgedrückt ist die gesprochene Sprache ja die ursprüngliche und grundlegende Form menschlicher Sprache, also alle mit dem menschlichen Sprechapparat produzierten Äußerungen, die im Gegensatz zur niedergeschriebenen Sprache nicht mehr zurückgenommen werden können, weil sie in der Regel im Beisein anderer kundgetan wurden.

Zu ihr zählen sowohl Umgangssprachen wie auch Redewendungen oder Redensarten, die zu den feststehenden sprachlichen Wendungen gehören. Während Redewendungen vollständige Sätze sein können, sind Redensarten nur Teile von Sätzen. Dennoch werden die beiden Begriffe häufig synonym verwendet.

Lingo hingegen ist eine sentenzenreiche Sprache, die in keines der aufgeführten Normmuster passt. Der Cowboy-Jargon besticht durch eine überschäumende Fantasie und eine schöpferische Wortbildung.

Selbst jetzt, mehr als anderthalb Jahrhunderte nach seiner Entstehung, amüsieren sich die Leser immer noch über die bündige Ausdrucksweise, die auch heute noch ihresgleichen sucht.

Ein Beispiel dafür, wie Cowboys über sich und ihre Umgebung dachten, sind folgende Äußerungen:

»Ich wünschte, ich hätte noch einmal den Beginn der letzten Woche in der Tasche.«

»Viele schwitzen, und nur wenige wissen, warum.«

»Die Wahrheit ist ein enger Kragen für einen, der unter dem Galgen steht.«

»Gute Witze sind seltener als gute Yankees.«

»Wer gerne stirbt, sollte sich das abgewöhnen«

Ein Schmunzeln gab es auch, wenn der Cowboy jemandem den Unterschied zwischen Körperkraft und Verstand erklärte.

»Du solltest lernen, dass Muskeln billig sind, Gehirn nicht.«

Oder wenn er jemanden, der einem dahergelaufenen Nichtsnutz mehr Aufmerksamkeit schenkte als notwendig, erklärte:

»Du hast nur ein paar Augen, und die ruinierst du, wenn du ihn noch länger ansiehst.«

 

***

 

Die Cowboys ergaben sich mit ihrem Lingo aber nicht nur in tiefschürfende Erkenntnisse, sondern ergötzten sich auch an gesteigerten Übertreibungen, wie das Beispiel jener Begebenheit aufzeigt, das der Cowboy Hank Blevins zum Besten gab, nachdem er Kansas City mit einer Herde erreicht hatte und in eines der örtlichen Speiserestaurants ging.

Dort saßen drei Männer, die gerade dem Kellner ihre Bestellung mitteilten.

»Kellner«, sagte der erste Mann. »Ich möchte ein großes Steak, ein halbrohes Steak, bitte.«

»Bringen Sie mir auch ein Steak«, sagte der zweite Mann. »Ich möchte meines sehr halbroh.«

»Ich möchte auch ein Steak«, sagte schließlich der dritte im Bunde. »Aber für mich bitte ganz besonders halbroh, gerade nur ein bisschen angebraten.«

Als der Kellner sein Augenmerk auf Hank richtete, sagte dieser: »Nur die Vorderläufe zusammenbinden und dann reintreiben. Ich ess es so!«

Ein weiteres Beispiel für den typischen Aberwitz der Viehtreiber war jene Begebenheit aus Amarillo, einer Stadt in Texas.

Jemand behauptete, dass die Leute in der Stadt ihren Kindern kleine Glöckchen umhängten, um Falken daran zu hindern, sie fortzutragen. Er selber habe erst vor zwei Wochen einen Schwarzfalken geschossen, dessen Flügelspannweite mehr als 20 Yard betragen hatte.

Daraufhin behauptete einer der Anwohner steif und fest: »Das muss aber noch ein sehr junger gewesen sein.«

Diese Geschichten sind zahllos.

Eine gewisse Ähnlichkeit mit unserem Till Eulenspiegel lässt sich nicht leugnen.

Stellvertretend für die ganze Faszination und Wortgewaltigkeit von Lingo ist wohl jene Begebenheit, die sich eines Abends am Rande eines Rindertrails irgendwo in Montana in einem namenlosen Camp abgespielte.

Eines Abends befand sich in dem Cowboylager plötzlich ein Tramp, der in der Art der Landstreicher schweigend, verstohlen und lautlos einfach mit einem Mal dasaß und den Kochkessel studierte.

Der Cowboy Bug Eye Jones betrachtete ihn einen Augenblick und meinte dann zu einem Gefährten, der hinter ihm gerade sein Pferd absattelte: »Da hat sich einer, der nicht arbeitet und noch mehr isst, gerade ans Feuer gesiebt.«

Gibt es für die ziellose Beweglichkeit eines Tramps ein besseres Wort als »sieben«, so wie etwa ein Käfer sich durch ein kleines Loch im Mehlsieb schmuggelt?

 

***

 

Weitere Begriffe des Lingo waren Shebang, ein alter Ausdruck für das Versteck von Outlaws, Sky Pilot für den Prediger, der von Ort zu Ort über Land ritt, Pants, das Wort für Hosen oder Time für Lohn. Wenn ein Cowboy seinen Monatslohn in Empfang nehmen wollte, so sagte er: »Ich hole mir meine Zeit.«

Wie man unschwer erkennt, ist Lingo für Außenstehende genauso schwer zu verstehen wie Urbayrisch für jemanden, der an der Nordseeküste lebt. Im Gegensatz zu letzterem ist Lingo aber heute leider so gut wie ausgestorben.

Da diese Sprache aber genauso zum Wilden Westen gehört wie Colts, Indianer, Cowboys und Siedler, war es für den Westernkurier eine Selbstverständlichkeit, auch ihr eine Kolumne zu widmen.

In diesem Sinne, bis die Tage,

euer Slaterman

P.S.: Da in Amerika die Präsidentschaftswahlen vor der Tür stehen, nimmt sich der Westernkurier in den nächsten beiden Kolumnen eines Präsidenten an, der selbst heute noch Obama und Co. wie Chorknaben aussehen lässt.

Er war Indianerhasser, duellierte sich bei jeder Gelegenheit und war der einzige Präsident, der dem einfachen Volk, Bauern, Siedlern, Handwerkern und Bettlern erlaubte, im Weißen Haus ungehindert ein- und auszugehen.

Er war der erste Präsident, auf den ein Attentat verübt wurde, und er verprügelte den Täter danach mit seinem Spazierstock.

Man nennt ihn noch heute Old Hickory.

Quellenhinweis:

  • H.J. Stammel, Der Cowboy, Legende und Wirklichkeit
  • H.J. Stammel, Das waren noch Männer
  • Dietmar Kügler, Der Sheriff, Recht und Gesetz im Wilden Westen