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Hexen- und Gespenstergeschichten 2

Hexen-und-Gespenster-GeschichtenHexen- und Gespenstergeschichten
Ein geschriebenes Lesebuch aus dem Jahr 1806

An Hexen und Gespenster
glaubt kein gescheiter Mann.
Nur in verrückten Köpfen
trifft man noch sowas an.

I. Hexengeschichten
2. Ein Bauerngespräch über die Hexerei unter dem Vieh

Jackel: »Sag man mir, was man will, mit Veits Kuh geht’s nicht richtig her.«

Stoffel: »Ich hab’s schon lang gesagt. Von bösen Leuten ist’s ihr angetan worden.« Jörgel: »Richtig. Gevattersmann! So ist’s.«

Martin: »Ach! Vetter Stoffel! Man muss nicht gleich den Hexen zuschreiben, was oft ungefähr, oft Nachlässigkeit und auch oft Bosheit der Menschen tut.«

Stoffel: »Was sag ich denn anders, als dass das Blutmelken bei unseres Nachbars Kuh von bösen Leuten gemacht sei.«

Martin: »Aber ihr meint dabei, dass diese bösen Leute die Hilfe des Teufels dazu gebraucht haben.«

Stoffel: »Ohne den werden sie freilich nicht Blut statt der Milch machen können.« Martin: »Warum nicht? Da braucht man keine Hexerei dazu. Ich will euch dies durch eine wahre Geschichte neuester Zeit beweisen.«

Im Dorf P… bettelte eine hohläugige, zahnlose Alte bei einem armen Handwerker, der nur eine einzige Kuh im Stall hatte, Milch. Die Frau, welche durch eigene Armut gefühlvoller und wohltätiger als mancher Reiche war, hätte die Bitte der Bettlerin gerne erfüllt, wenn sie Milch hätte entbehren können. Da sie aber kleine Kinder hatte, und die Milch für diese, und Mann und Weib oft das ganze Abendessen ausmachte, entschuldigte sie sich und bot ihr dafür ein Stückchen Brot dar. Aber die Alte nahm diese Gabe nicht an, sondern brummte und sagte im Gehen diese bedenklichen Worte: »Ich will euch schon bekommen, ihr sollt es bereuen.«

Jackel: »Und diese soll keine Hexe gewesen sein?«

Martin: »Nur langsam.«

Nach einigen Tagen kam eines Morgens die Frau des Handwerkers halb außer sich in die Stube gelaufen und schrie: »Unsere Kuh ist verhext. Sieh hier Blut, statt Milch.«

Jackel: »Hab ich’s nicht erraten?«

Martin: »Nur langsam. Ist denn allzeit wahr, was die Weiber sagen?«

Peter, so hieß der Handwerker, sah es, stutzte und wusste keinen Rat. Vierzehn Tage nacheinander gab die Kuh nur Blut. Der Nutzen fiel weg. Lukaszettel, Segensprüche, Tolentinerbrot usw. musste die Kuh im Futter nehmen, es musste sich räuchern lassen, Hexenkräuter fressen und der frischen Luft beraubt im finsteren Stall schwitzen, und doch half alles nichts. Herumziehende Viehärzte kamen und ließen sich Mithridat und Pillen teuer bezahlen, aber es half doch nicht. Der Schinder des Ortes, ein Doktor ohne seinesgleichen, legte selbst Hand an, aber es half doch nicht. Die Kuh melkte nur Blut. Endlich blieb auch dieses aus. Die Kuh erkrankte und krepierte.

Stoffel: »Vetter Martin! Diese Kuh war so gewiss verhext, wie ich Stoffel Prügel heiß.«

Jörgel: »Richtig. Gevattersmann! So ist’s.«

Jackel: »Ich ließ mir den Kopf nehmen, dass es so sei.«

Martin: »Halt inne, Jackel! Dein Kopf wär’ hin. Hört den Aufschluss.«

Die Alte wurde wegen sonst begangener Diebstähle eingefangen. Die Hexerei bei Peter, deren sie das ganze Dorf beschuldigte, kam gleichfalls vor. Sie leugnete hartnäckig. Der Amtmann ließ Hausvisitation vornehmen, und man fand einen großen Vorrat Färberröcke, die sie, wie sie nachher selbst eingestanden, Gelegenheit gefunden hatte öfters Peters Kuh unter das Futter zu mischen. Diese Pflanze färbt nicht allein die Milch rot, sondern sie dringt bis in die Gebeine und rötet solche durch und durch, wie man es auch wirklich den Knochen der geschlachteten Kuh wahrgenommen hat. Dass die Kuh erkrankte, daran waren die eingesperrte Luft, Mithridat und Pillen schuld. Die Kuh gab also nicht Blut, sondern nur rotgefärbte Milch.

Martin: »Nun, wie steht’s um deinen Kopf, Jackel?«

Jackel: »Der wäre freilich weg. Aber Spaß beiseite. Der Fall hat bei unseres Nachbarn Kuh nicht stattgefunden.«

Martin: »Ich sag dies selber nicht. Ich wollte euch aber nur beweisen, dass Blut statt Milch nicht gleich Hexerei sei.«

Stoffel: »Ja, gut, Vetter Martin! Aber sag mir, wie kann es denn natürlich zugehen, dass die Kühe Blut statt Milch geben?«

Martin: »Rote Milch musst du sagen. Nebst der Färberröte gibt es noch mehrere Pflanzen, welche rot färben, das das Vieh manchmal aus Hunger hineinfrisst. So färben das Leberkraut, die Beißwurz, die Küchenschelle, verschiedene Arten des Hahnenfußes usw. rot. Auch wird die Milch manchmal vom Eiter der Kuh rot, welche die Melkerin mit ihren Nägeln verwundet. Auch das Blutharnen des Viehs kommt von dergleichen Pflanzen her.«

Stoffel: »Dies könnte wohl auch der Nachbarn Kuh begegnet sein. Aber, Vetter Martin! Wie ist da zu helfen?«

Martin: »Eisenkraut oder Blutkraut ist das beste Mittel dagegen. Man findet es im Holz, auch bei Steinen einer alten Mauer. Dieses Kraut, das wie Brennnessel aussieht und weiße oder rote Blüten hat, mischt man unter das Futter. Am anderen Tag wird die Milch schon bleicher, und am dritten Tag gewöhnlich ganz weiß. Ist aber neben der roten Milch eine Entzündung vorhanden, so muss man Umschläge aus erweichenden Kräutern machen, oder man lasse das Euter mit Butter schmieren. Erweichende Kräuter sind Pappeln, Steinklee, Holunderblüte, Kamillenblumen, welche in Milch oder Wasser abgekocht werden müssen. Diese sind die besten Mittel wider dergleichen Hexereien, welche ich selbst in dergleichen Fällen mit Nutzen gebraucht habe.«

Jörgel: Aber noch eins, Martin! Woher kommt die blaue Milch oder nur die blauen Flecken auf derselben?«

Martin: Wieder aus natürlichen Ursachen. Da muss ich euch eine artige Geschichte erzählen. Jörgel! Du kennst ja meine Kuh, die Blass?«

Jörgel: »Warum sollt ich’s nicht! Sie ist deine schönste Kuh im Stall.«

Martin: »Und die Beste. Hört nur, wie ich dazu gekommen bin. Ihr wisst, dass ich vor zwei Jahren um all mein Vieh durch die Viehseuche gekommen bin. Ich ging also nach Markdorf, um eine Kuh zu kaufen. Ich ging von Haus zu Haus und kam endlich in eine Stube, wo die Bäuerin gerade die Milch in die Scherben goss. Als ich meine Frage an sie gebracht hatte, so sagte sie, dass sie eine Kuh wohlfeil geben wolle, weil sie verhext sei und Milch gebe, auf der sich lauter blaue Flecken sehen lassen. Sie bot selbe um 15 Gulden. Als ich sah, dass die Kuh jung war, und aus der Unreinlichkeit des ganzen Hauses leicht auf die Ursache der blauen Flecken schließen konnte, kaufte ich sie für 14 Gulden. Jetzt ist sie die Zierde meines Stalls. Ich hielt sie und die Milchgeschirre sehr reinlich, stellte die Milch immer an einen luftigen Ort, und nie sah ich auf der Milch blaue Flecken.«

Stoffel: »Da warst du glücklich, Vetter Martin!«

Martin: »Und dies Glück hab ich dem Aberglauben und der Dummheit der dortigen Bäuerin zu verdanken. Glaubt mir’s doch, liebe Brüder! Schlechtes oder geringes Futter, Unreinigkeit, überladene Arbeiten sind die Haupthexereien bei den Krankheiten des Viehs. Drum gefällt mir das Sprüchlein gar wohl:

Versorg dein Vieh und schon es auch.

Dies ist der beste Hexenrauch.«