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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Totenwirt und seine Galgengäste 8

Der-Totenwirt-und-seine-GalgengästeDer Totenwirt und seine Galgengäste
Eine abenteuerliche und höchst wundersame Ritter-, Räuber-, Mörder- und Geistergeschichte aus der grauen Vorzeit, um 1860

Die letzte Hoffnung

Die am Krankenlager Hedwigs Zurückgebliebenen wussten nicht, ob sie mehr über die Verheißung des Leibarztes, dass Hedwig nicht sterben werde, sich freuen oder mehr über ihre großen und endlosen Leiden zu Tode betrübt sein sollten. Aber die Hoffnung überwog, dieses göttliche Geschenk des Himmels, der Trost aller Unglücklichen, die Hoffnung, doch ein Mittel noch zu finden, den Zauber zu brechen, der ihr geliebtes Kind an das Siechbett fesselte. Und diese ermutigende Hoffnung war es, welche dem liebenden Hildebert plötzlich einen guten Gedanken und Rat zuflüsterte.

Aus tiefem Nachsinnen wie aus einem Traum erwachend, sprach er laut vor allen, damit es auch Hedwig zu ihrem Trost hören konnte.

»Lieber Vater! Ihr wisst, dass nach der Zerstörung meiner väterlichen Burg Auffenbach, wobei ich meine guten Eltern, von denen ich nie wieder Kunde erhielt, durch Mörderhände mag verloren haben, wie die wenigen entkommenen Dienstleute aussagten, unser alter, frommer und gelehrter Burgkaplan Norbert in einer Waldhütte, zwei Stunden von hier, nicht weit entfernt von Euren Eisenhämmern, als Einsiedler ein beschauliches Leben zu führen begann. Er war dem Gräuel der Verwüstung dadurch entgangen, dass er in jener furchtbaren Nacht in einem benachbarten Dorf, wohin ich ihm das Geleit gab, einem Sterbenden die letzten Tröstungen unserer heiligen Religion spendete.

Seitdem habt Ihr ihn an jedem Sonnabend mit Speise und Trank reichlich versehen lassen. Die Überbringer erzählten mir oft, dass er das meiste davon immer an Kranke und Arme verschenkt, die bittend in seine Hütte kommen und gewöhnlich nur von Brot, Waldschwämmen und duftenden Kräutern lebe, die er sich mit kundiger Hand sammelt, seinen Durst aber aus einer frischen Bergquelle löscht, deren Wasser hinter der Hütte in einem schmalen Bächlein vorübermurmelt.

Es ist undankbar von mir, ich muss es gestehen, dass ich ihn seit einem Jahr nicht mehr verweilend besuchte, sondern nur im Vorübersprengen auf der Jagd, wenn er gerade vor der Tür stand, freundlich grüßte und nach seinem Befinden mich erkundigte. Er war ja doch mein guter Seelenhirt von Jugend auf, und mein geduldiger Lehrer gewesen, von dem ich lesen und schreiben lernte, und in vielen andern nützlichen Dingen unterrichtet wurde. Er ist ein frommer, gottesfürchtiger Mann, von den bösen Menschen aber als ein Zauberer gefürchtet, seitdem ein Räuber, der mit gezücktem Dolch in seine Hütte drang, um den vor seinem Kruzifix betenden Einsiedler zu ermorden, während seine Spießgesellen draußen schon raubgierig warteten, in dem Augenblick, da er über die Schwelle schritt, von einem elektrischen Blitz tot zu Boden geschmettert wurde.

Die Räuber rafften die Leiche bei den Füßen auf und entflohen voll Entsetzen, kamen auch niemals wieder. Gewiss war dieses Ereignis kein höllisches Zauberwerk, sondern nur eine Wirkung der großen Kenntnis Norberts von den geheimen Kräften der Natur, welche bis jetzt noch anderen Menschen verborgen sind, die nicht soviel erforscht haben.

Im vollen Vertrauen auf diese Kenntnisse will ich nun sogleich zu dem Einsiedler Norbert reiten und ihn um Hilfe bitten, oder wenigstens um seinen weisen Rat fragen, wenn Ihr es mir erlaubt, liebster Vater!«

»Tue dies, lieber Sohn, und kehre bald mit guter Botschaft zurück!«

»Die Zeit meiner Rückkehr kann ich wohl nicht im Voraus bestimmen wegen der möglichen Ereignisse, die mich abhalten können. Doch seid versichert, dass ich, mit Gottes Beistand, nicht unverrichteter Dinge wieder vor Euch erscheinen werde. Lebt wohl bis dahin und betet, dass der Himmel mein Vorhaben segne.«

Nach einem liebevollen, aber schmerzlichen Blick auf die leidende, seufzende Hedwig eilte Hildebert fort, und wenige Minuten später sprengte er auf dem flüchtigsten Renner donnernd über die Burgbrücke hinaus.