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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Geheimnis zweier Ozeane 36

Drittes Buch
Elftes Kapitel
Der letzte Angriff

Die drei Taucher begannen langsam zur Meeresoberfläche aufzusteigen. Nach einiger Zeit schaute Skworeschnja auf den Tiefenmesser und sagte: »Ich glaube, Jungens, wir müssen jetzt in die Horizontale gehen, direkt nach Ost, zum U-Boot. Die Tiefe beträgt hundertfünfzig Meter, genau in Höhe des Unterwasserdocks. Los, nach rechts schwenken! – Stopp!«, rief er plötzlich und zeigte mit der Hand nach oben. »Was ist denn das?«

Etwa zehn Meter über ihnen glitt langsam ein riesiger schwarzer Schatten durch das blaugrüne Wasser. Auf seinem Rücken konnte man große zylindrische Höcker mit kurzen, vertikal angeordneten Stielen unterscheiden. Das schattenhafte Gebilde schien mühelos vorwärts zu gleiten; es war länglich, hinten abgerundet und vorn zugespitzt wie der Bug eines Schiffes.

»Da kommt ja von West noch eins!«, sagte Pawlik erstaunt und zeigte nach links. »Komische Sache.«

»Stimmt, ich sehe es auch«, bestätigte Marat.

»U-Boote!«, rief plötzlich Skworeschnja erregt. »Der Teufel soll mich holen, wenn das keine U-Boote sind.«

»Was sagen Sie da, Skworeschnja?«, hörte man die Stimme des Oberleutnants. »Was für U-Boote?«

»Unbegreiflich ist das, Genosse Oberleutnant!«, antwortete der Taucherälteste. »Zwei U-Boote auf der Höhlentraverse … in ganz langsamer Fahrt zur Insel … Mit hundert Meter Abstand … Wir schwimmen jetzt nach Süd, um sie besser beobachten zu können.«

»Berichten Sie laufend, was Sie sehen!«, befahl der Oberleutnant. »Ich gebe jetzt Alarm und schalte alle Ultraschall-Bildwerfer ein!«

Skworeschnja stellte die Schraube an und schwamm mit drei Zehnteln der vollen Geschwindigkeit nach links. Er hielt sich vor der Front der unbekannten U-Boote. Marat und Pawlik folgten ihm.

Hundert Meter vom zweiten U-Boot entfernt, meldete Skworeschnja: »Genosse Oberleutnant! Ich sichte das dritte U-Boot von Süd. Abstand hundertfünfundzwanzig Meter! Die Schiffe fahren in einer Linie ausgerichtet!«

»Meldung gehört, das dritte von Süd«, antwortete der Oberleutnant. »Auf dem Bildschirm sind die Silhouetten zu sehen. Der Bugbildwerfer Nr. 138 arbeitet noch nicht. Merken Sie sich: Der obere Bildwerfer wird jetzt von Leutnant Krawzow reguliert. Beobachten Sie weiter!«

»Zu Befehl! Ein viertes U-Boot ist aufgetaucht … Abstand hundertundfünfzig Meter … U-Boote setzen langsam Fahrt zur Insel fort … Wir gehen weiter nach Süd … Dreihundert Meter … fünfhundert Meter … Weitere U-Boote nicht zu sehen. Jetzt kommen vier neue U-Boote südlich vom ersten … Sehen Sie uns, Genosse Oberleutnant?«

»Jawohl!«

»Wie weit sind wir von der Höhle entfernt?«

»Fünfzehn Kilometer.«

»Gestatten Sie, dass wir über die U-Boote aufsteigen und in Nordrichtung aufklären.«

»In dieser Richtung arbeiten alle Ultraschall-Bildwerfer. Von dort kommen noch drei U-Boote im gleichen Abstand voneinander. Auf dem Meer sind drei Schiffe zu sehen. Anscheinend Torpedobootzerstörer.«

»Hier spricht der Kapitän der Pionier. Genosse Skworeschnja, steigen Sie über die U-Boote empor, folgen Sie ihnen und teilen Sie uns Ihre Beobachtungen mit …«

Der Oberleutnant unterbrach den Kapitän:

»Genosse Kapitän, Professor Lordkipanidse teilt gerade mit, Leutnant Krawzow sei aus dem Sektor Nr. 142 verschwunden und antworte auf Anruf nicht mehr. Einmal nur hat der Professor ihn etwas Unverständliches murmeln hören.«

»Alle unversehrten Bildwerfer einschalten! Immer noch nichts zu sehen? Vielleicht ist er im Sektor Nr. 88?«

Gleich darauf sagte der Oberleutnant erregt: »Da ist er! Jetzt ist er wieder verschwunden! Er ist nicht allein, Nikolai Borissowitsch! Er kämpft mit jemandem.«

»Ich habe es auch gesehen«, antwortete der Kapitän.

»Jetzt sind sie im Sektor Nr. 89 aufgetaucht!«, fuhr der Oberleutnant fort. »Und wieder im Sektor Nr. 88 verschwunden! Der Leutnant ringt mit einem Mann! Wer kann das nur sein?!«

»Andrej Wassiljewitsch!«, hallte unter Skworeschnjas Helm die Stimme des Kapitäns. »Beobachtung der U-Boote unterbrechen! Sofort mit voller Geschwindigkeit Leutnant Krawzow zu Hilfe eilen! Entfernung von der Höhle: zwanzig Kilometer. Tiefe: siebzig Meter! Richtung: Nordwest. Der Leutnant ist überfallen worden! Eilen Sie! Befolgen Sie unterwegs unsere Anweisungen!«

»Zu Befehl!«, rief Skworeschnja erregt. Dann drehte er sich zu seinen Begleitern um: »Stirnlaternen löschen! Marat, mir nach! Pawlik, halte dich in fünfzig Meter Entfernung hinter uns! In die Rauferei menge dich auf keinen Fall ein!«

Drei Schatten jagten durch die dunkelgrüne Dämmerung der Tiefe nach Westnordwest …

 

Leutnant Krawzows Dienst im Steuerraum sollte bald zu Ende sein. Er wartete auf die Ablösung durch den Oberleutnant. In einer Ecke des Steuerraumes hörte der Kapitän dem Zoologen zu.

»Könnte man vielleicht irgendjemand zur Korrektur des Bildwerfers Nr. 142 abkommandieren?«, fragte der Wissenschaftler. »Marat ist abwesend. Pawlik begleitet ihn. Und von unseren Funktechnikern jemanden wegzuschicken, wäre sehr schade. Arbeit gibt’s hier an Bord mehr als genug, wir haben alle schreckliche Eile. Sogar der Bugbildwerfer Nr. 88 ist noch nicht instand gesetzt. Geben Sie mir eine Hilfskraft … für nur zwanzig oder dreißig Minuten.«

Der Zoologe schaute den Kapitän bittend an. Sein sonst so gepflegter Bart war zerzaust, seine Hände beschmutzt. Er war geradenwegs von der Arbeit in den Steuerraum gekommen.

Der Kapitän zuckte die Achseln.

»Wen soll ich Ihnen denn geben, Arsen Dawidowitsch? Drei Mann fehlen sowieso schon. Und dazu noch so tüchtige wie Skworeschnja und Marat. Keine einzige Brigade wird auch nur eine Arbeitskraft abgeben wollen. Und befehlen möchte ich da nicht.«

»Aber was soll ich machen?«, rief der Zoologe. »Dann müsste ich selber von Bord gehen!«

Inzwischen war der Leutnant abgelöst worden und wollte gerade den Steuerraum verlassen. Bei den letzten Worten des Zoologen blieb er stehen, zögerte eine Weile und wandte sich dann an den Kapitän.

»Genosse Kommandant!«, sagte er mit leiser Stimme. »Gestatten Sie … Vielleicht kann ich Arsen Dawidowitsch von Nutzen sein?«

Der Kapitän sah Krawzow erstaunt an. »Ich weiß nicht, Genosse Leutnant«, sagte er etwas reserviert, wie immer in der letzten Zeit, wenn er mit dem Leutnant sprach. »Geht es Ihnen schon so gut, dass Sie das U-Boot verlassen können?«

»Ich fühle mich vollkommen gesund, Genosse Kommandant!«, antwortete der Leutnant eilfertig.

Der Kapitän schüttelte zweifelnd den Kopf und schaute auf Lordkipanidse. »Was meint der Arzt dazu? Aber bitte ganz objektiv!«

»Aber natürlich, Nikolai Borissowitsch!«, rief der Zoologe leicht gekränkt, aber mit strahlendem Gesicht. »Ich erhebe keinen Einspruch! Es wäre für Leutnant Krawzow nur ein kleiner Spaziergang unter Wasser. Sogar erholend für ihn!«

»Nun, dann widerspreche ich nicht. Alexander Leonidowitsch, stellen Sie für den Leutnant einen Passierschein aus.«

»Vielen Dank, Genosse Kommandant!«, sagte der Leutnant errötend.

Vom Zoologen genau unterrichtet, verließ zehn Minuten später der Leutnant im Taucheranzug das U-Boot und schwamm schnell nach Nordnordwest zu dem Sektor des Ozeans, der vom Ultraschall-Bildwerfer Nr. 142 erfasst wurde. Dieser Bildwerfer musste noch auf seine Reichweite und auf die Klarheit seiner Wiedergabe überprüft werden.

Krawzow schwamm in siebzig Meter Tiefe mit sechs Zehnteln der vollen Geschwindigkeit. Es war ziemlich hell, seine Stirnlaterne schaltete er nicht ein. Der Leutnant war in gehobener Stimmung. Der Kapitän hatte heute mit ihm etwas herzlicher als sonst gesprochen und ihn sogar mit einer neuen Arbeit betraut. – Was war er doch für ein prächtiger Mensch! Und Arsen Dawidowitsch ebenfalls. Wie dankbar er beiden war! Natürlich vergaß er nicht seine Schuld.. Dem Leutnant entrang sich ein schwerer Seufzer.

Selbstverständlich würde er jederzeit bereit sein, sein Vergehen zu sühnen. Aber niemand auf dem U-Boot warf ihm etwas vor; alle hatten Verständnis dafür, wie schwer es ihm ums Herz war, wie er seinen Leichtsinn bereute; niemand erwähnte in seiner Anwesenheit Gorelows Namen.

Bei der bloßen Erinnerung ballte der Leutnant die Fäuste und atmete schwer. Oh, dieser verhasste Mensch!

»Mehr rechts halten, Juni Pawlowitsch!« hörte er plötzlich die Stimme des Zoologen. »Schwimmen Sie zwei Meter höher! Sie sind gleich da … Stopp! Richtig! Jetzt noch zehn Meter weiter … So … zehn Meter nach rechts … Nun schräg nach oben … Lassen Sie die Laterne aufleuchten … Jetzt löschen Sie sie wieder aus … Ich schalte alle benachbarten Bildwerfer aus, damit sie die Arbeit von Nr. 142 nicht verzerren …

Wir wiederholen jetzt das Manöver … Stopp …! Bewegen Sie sich jetzt nicht … Ich verstärke die Spannung etwas …«

Der Leutnant stellte die Schraube ab, regulierte den Gewichtsregler und hing nun bewegungslos in der Tiefe. Vor ihm und in der Ferne huschten schemenhaft Fische, Medusen und Mollusken vorbei.

Plötzlich tauchte ein seltsamer Schatten auf – lang und sich hinten verjüngend, aber ohne die für Fische charakteristischen schlängelnden Bewegungen. Vorn am Schatten – ein heller Fleck, ein Lichtstrahl.

Krawzows Herz klopfte. Was kann das sein? Ein Hai? Ein riesiger Thunfisch? Nein, das ist kein Fisch!

Der Schatten kam schnell näher – schräg nach unten.

Die Stirnlaterne einschalten …? Nein, besser abwarten.

Der dunkle Schatten schoss vierzig Meter vor dem Leutnant in die Tiefe.

Ein Mensch!, hätte der Leutnant fast aufgeschrien. Ein Mensch im Taucheranzug! In einem sehr großen Taucheranzug! Nr. 0 … Wer könnte das sein? Skworeschnja? Aber

Skworeschnja war mit Marat abkommandiert … Wer ist es dann …? Der Unbekannte schwimmt vorschriftsmäßig … Beine ausgestreckt und geschlossen … die Hände an die Schenkel gepresst … Einer von uns?

Und plötzlich drehte sich alles vor den Augen des Leutnants. Das Blut schoss ihm in den Kopf. Ohne zu überlegen, sauste er mit voller Kraft hinter dem rätselhaften Schatten her.

»Juri Pawlowitsch!«, ertönte die erstaunte Stimme des Zoologen. »Ich sehe Sie ja gar nicht mehr auf dem Bildschirm. Juni Pawlowitsch! Antworten Sie! Teufel noch mal! Ist etwa die Funkanlage entzwei?« murmelte der Wissenschaftler erstaunt.

Der Leutnant hörte die Stimme des Zoologen wie aus weiter Ferne. Seine ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich jetzt auf den leuchtenden Fleck, der immer heller wurde und dem er schnell näher kam. Der Unbekannte schwamm nur mit halber Kraft.

Noch einen Augenblick – und der Finger des Leutnants drückte auf einen Knopf seines Steuergerätes. Ein greller Lichtkegel beschien den Helm des Tauchers und seine Gesichtszüge.

Der Leutnant schrie heiser auf. Es war ein Schrei der Wut und des tödlichen Hasses: »Gorelow!«

Vom Licht der Laterne geblendet, hob der Mann instinktiv die Hände zu den Augen. In demselben Moment stürzte der Leutnant auf ihn zu und packte seine Arme oberhalb der Ellenbogen.

Nur den Bruchteil einer Sekunde wandte Gorelow sein angstverzerrtes Gesicht dem Leutnant zu. Dann stieß er ihn mit dem Bein vor den Leib. Vom Taucheranzug geschützt, fühlte der Leutnant keinen Schmerz, aber seine eine Hand glitt von Gorelows Arm ab.

Die Gegner standen sich Auge in Auge gegenüber.

Schweigend und ohne den Blick voneinander zu wenden, wirbelten beide mit arbeitenden Schrauben durchs Wasser. Das Entsetzen in Gorelows Gesicht war einem geringschätzigen Lächeln gewichen. Er hatte seinen Gegner erkannt, und dieser schien ihm nicht sonderlich gefährlich zu sein.

Der Leutnant keuchte, seine Haare waren vom Schweiß verklebt und fielen ihm in die Augen. Ein Schwächeanfall, die Folge der erst vor Kurzem überstandenen Verletzung, raubte ihm fast die Besinnung. Wie im Traum hörte er die erregten Stimmen des Kapitäns und des Oberleutnants, die ihn suchten, und den Befehl des Kapitäns an Skworeschnja.

Wie überwältige ich ihn? Die Schraube … man muss seine Schraube stilllegen!, schoss es durch Krawzows Kopf.

Er presste die Beine zusammen, stellte mit den Füßen die Ruder um und prallte gegen Gorelow. Dabei gelang es ihm, auf den Knopf des Steuergerätes an Gorelows Taucheranzug zu drücken. Der Deckel klappte zurück. Aber blitzschnell, bevor noch Krawzow das ihm so gut bekannte Hebelchen für den Schraubenantrieb berühren konnte, packte Gorelow die Hand des Leutnants und schleuderte sie von sich. Zugleich erhob sich Gorelows Arm über Krawzow.

In seiner Hand blitzte im Schein der Stirnlaternen eine Kupfernadel an einer langen dünnen Schnur auf.

Das ist der Tod!, schoss es Krawzow durch den Kopf.

Ohne Gorelow loszulassen, warf der Leutnant scharf die Ruder herum. Die Schraube schleuderte ihn nach oben, aus dem Bereich der todbringenden Nadel, sein Körper beschrieb über Gorelow einen Halbkreis. Jetzt landete er hinter dem Rücken des Gegners und hielt mit der einen Hand Gorelows Arm fest. Kaum hatte er aber seine eigene Nadel aus dem Steuergerät herausgerissen, als Gorelow mit einem Ruck seinen Arm aus den erstarrten Fingern des Leutnants befreite. Wie durch einen Nebel sah Krawzow noch das Aufblitzen eines kurzen gelben Feuerstrahles, der gegen seine Brust zuckte, dann fühlte er einen Schmerz, als würde sein Körper von einem glühenden Messer durchstoßen.

Ein Wasserstrahl schoss unter dem gewaltigen Druck von einigen Dutzend Tonnen durch die geöffnete Naht seines Taucheranzuges und durchschlug im Bruchteil einer Sekunde die Brust des Leutnants.

Sein Körper drehte sich langsam mit dem Kopf nach unten um und begann mit hell brennender Laterne und von der sich drehenden Schraube hin und her geworfen in die schwarze Tiefe zu versinken.

Gorelow steckte die Nadel ins Steuergerät zurück und sah dem verschwindenden Schatten seines Opfers nach. Da betäubten ihn plötzlich zwei furchtbare Schläge gegen seinen Helm.

Zwei grelle Lichtstrahlen blitzten auf, und seine beiden Arme waren wie von Metallzwingen umschlossen. Entsetzen verzerrte Gorelows Gesicht, als er um sich blickte.

Und wieder durchdrang ein Wutschrei die Tiefe: »Gorelow!«

Dieser Aufschrei aus dem unbeleuchteten Sektor Nr. 88 wurde deutlich im Steuerraum gehört. Und fast gleichzeitig hörten Skworeschnja und Marat das scharfe Kommando des Kapitäns.

»Überwältigen und an Bord bringen!«

»Zu Befehl!«, antwortete Skworeschnja dumpf durch die zusammengebissenen Zähne.

Im gleichen Augenblick stieß Gorelow mit der Schulter heftig gegen Skworeschnjas Brust und, mit dem Bein ausholend, schleuderte er Marat weit von sich. Er hob seinen rechten Arm, und seine riesige Metallfaust sank wie ein Schmiedehammer gegen Skworeschnjas Helm. Dessen Stirn krachte gegen die durchsichtige Metallwandung, vor seinen Augen drehte sich alles. Seine Hand aber umklammerte noch immer Gorelows Arm. Der Ingenieur wurde durch seine Schraube hochgerissen, wälzte sich mit den Beinen nach oben, über Skworeschnja hinweg, und drehte ihm den Arm um. Laut aufschreiend vor Schmerz, ließ Skworeschnja seinen Gegner los.

Gorelow hatte sich von seinem Angreifer gelöst. Er presste die Beine zusammen, richtete die Ruder aus und jagte nach oben. Mit hämmerndem Herzen, nur von dem Gedanken getrieben, die Flucht des Verhassten zu verhindern, stürzte nun Pawlik blindlings vor. Und ehe Gorelow noch einen klaren Gedanken fassen konnte, saß ihm der Junge wie eine Klette auf den Schultern. Pawlik schaltete seine Schraube auf Rückwärtsgang, und Gorelows Auftrieb nach oben wurde plötzlich gehemmt.

Wie eine Riesenkrabbe ihre Scheren hob Gorelow seine großen Hände, um Pawliks Beine zu fassen und ihn von seinen Schultern zu schleudern. Aber auf halbem Wege wurden seine Arme erneut von Skworeschnja und Marat gepackt. Und wieder wurde Marat zurückgestoßen und wirbelte durchs Wasser. Abermals hob sich die schreckliche rechte Hand, aber Skworeschnja war auf der Hut. Er steckte den linken Arm aus, um den Schlag seines Gegners zu parieren. Doch auch diesmal überlistete Gorelow den Taucherältesten. Gorelows Hand glitt blitzschnell am Arm Skworeschnjas vorbei, zum Steuergerät. Im nächsten Augenblick erschien sie wieder, zur Faust geballt, im grellen Licht von drei sich kreuzenden Lichtkegeln. Eine lange Kupfernadel an einer dünnen Schnur stieß gegen die Naht an Skworeschnjas Brust.

Pawlik schrie gellend auf: »Die Nadel!«

Das war der erste Laut, der während dieses schrecklichen Kampfes ertönte.

Pawlik holte aus und schlug mit einer Kraft, die man dem Jungen nie zugetraut hätte, auf die Faust mit der tödlichen Nadel. Der Arm flog zur Seite, bevor die Nadel die Naht berühren konnte. Aber jetzt war Pawlik dran. Der wutschnaubende Gorelow warf mit einer einzigen Schulterbewegung den Jungen, der das Gleichgewicht verloren hatte, von sich, und Pawlik, von seiner Schraube fortgerissen, flog, sich überschlagend, nach unten und prallte mit dem halb betäubten Marat zusammen. Nahe, ganz nahe neben ihnen pendelte langsam im Wasser der leblose Körper des Leutnants hin und her.

»Stirb, du Otterngezücht!«, brüllte Skworeschnja außer sich vor Wut.

In seiner Faust blitzte die gleiche Kupfernadel auf.

Nur einen Augenblick verharrten beide Gegner reglos Auge in Auge, als suche jeder von ihnen die verwundbarste Stelle des anderen.

Gorelows Augen flackerten, sein Gesicht war wachsbleich, die dünnen, blutleeren Lippen zuckten. Er sah jetzt wie ein gehetzter, alter Wolf aus, der keine Gnade mehr zu erwarten hat und sein Leben so teuer wie nur möglich verkaufen will.

Das große, runde, sonst so gutmütige Gesicht Skworeschnjas schien plötzlich hohlwangig geworden zu sein. Es war, als habe sich in Skworeschnjas Aufschrei seine ganze schäumende Wut entladen und als sei sie jetzt einer kühlen Überlegung gewichen und einem unerschütterlichen Willen.

Gorelows linker Arm hing kraftlos im eisernen Griff Skworeschnjas herab, aber er konnte seinen freien rechten Arm gegen seinen Gegner ansetzen.

Klirrend, wie die Schilde gepanzerter Ritter, stießen die Ellenbogen der freien Arme bei der Abwehr der Nadel zusammen. Gorelows rechte Hand prallte gegen den Arm seines Gegners. Skworeschnjas linker Arm streckte sich blitzschnell aus, und die Nadel stieß gegen Gorelows Brust. Aber Gorelow hatte sich etwas zur Seite gedreht – die Nadel glitt über seinen Brustpanzer hinweg, ohne die verhängnisvolle Naht zu treffen.

Und wieder prallten die Ellenbogen zusammen. Gorelow wurde noch bleicher. Die Chance, auf die er anscheinend gerechnet hatte, war durch Skworeschnjas Bärenkräfte zunichte geworden. Angst krampfte Gorelows Herz zusammen.

Die kleinen grauen Augen des Taucherältesten bohrten sich in die Augen des Gegners; ihnen war die aufflackernde Angst darin nicht entgangen.

Zum dritten Mal stießen die Ellenbogen zusammen, und Gorelows Hand flog leicht, als geschehe dies jetzt absichtlich, zur Seite. In seinen Augen glomm es wie Hoffnung auf. Skworeschnjas graue, zu einem Spalt zusammengekniffene Augen bemerkten auch dies. Und statt zur alten Taktik – abwartend, abwehrend und zustoßend – zurückzukehren, fiel Skworeschnjas Faust auf den zurückgestoßenen Arm Gorelows. Wie angekettet an Skworeschnjas rechter Hand, wand sich Gorelow verzweifelt hin und her; sein freier Arm wurde von der unerbittlichen Faust seines Gegners gelähmt und daran gehindert, sich frei zu bewegen. Plötzlich wirbelte Skworeschnjas Faust hoch empor, und bevor noch Gorelow dessen gewahr wurde, sauste sie mit großer Wucht auf die Vorderseite seines Helmes. Gorelows Kopf schlug, als gehöre er einer Stoffpuppe, gegen die innere Heimwandung. Im gleichen Augenblick hieb Skworeschnjas Faust über die straff gespannte Schnur der feindlichen Nadel und zerriss sie.

Der Gegner war entwaffnet. Um seine beiden Handgelenke lag der eiserne Griff Skworeschnjas.

Der Kampf hatte nur wenige Minuten gedauert. Er war bereits zu Ende, als Marat und Pawlik, beide blass und verwirrt, auftauchten. Sie hielten den leblosen Körper des Leutnants und blickten schweigend abwechselnd auf Skworesch njas dunkelrotes Gesicht und auf Gorelow, der nicht aufhörte, mit Schaum vor den bläulichen Lippen, sich zu winden und um sich zu schlagen.

»Pawlik«, keuchte Skworeschnja, »halte allein den Leutnant … Marat, fessele den Verräter mit meiner Trosse …«

Marat spulte schnell ein über Skworeschnjas Schulter hängendes Tauknäuel ab, und gleich darauf lag um das eine Fußgelenk des verzweifelt strampelnden Gorelow die Schlinge. Ein paar Sekunden noch – und beide Beine waren gefesselt …

Marat war kaum damit fertig, als plötzlich aus der Dunkelheit zwei Schatten mit hell brennenden Laternen auftauchten. Es waren Krutizki und Matwejew, die der Kapitän dem Taucherältesten zu Hilfe geschickt hatte. Auf ein Zeichen Skworeschnjas griffen sie nach dem Tau an Gorelows Schultern.

»Pawlik«, sagte Skworeschnja, noch schwer atmend, »übergib den Leutnant an Matwejew.«

Von dem Augenblick an, als Pawlik zusammen mit Marat den toten Leutnant aufgefangen hatte, zitterte er wie im Fieber. Er konnte sich nicht zwingen, noch einmal in das blasse, wie von tiefem Schlaf umfangene Antlitz des Leutnants zu schauen. Wie im Traum steuerte er auf Marat zu und übergab ihm die Leiche. Mit schreckgeweiteten Augen näherte er sich der riesigen Gestalt Skworeschnjas, als suche er Schutz bei ihm.

Der Taucherälteste atmete tief auf, sah auf seine Begleiter und sagte dann mit heiserer Stimme: »Genosse Kommandant! Der Feind ist in unserer Gewalt. Ich lasse ihn jetzt zum U-Boot bringen.«

Nach einer längeren Pause hörte man die betont ruhige Stimme des Kapitäns: »Wir sahen alles. Sie haben Ihre Pflicht tapfer erfüllt, Skworeschnja. Ich danke Ihnen! Der Verräter seines Vaterlandes wird die verdiente Strafe erhalten. Matwejew und Krutizki bringen ihn und den Gefallenen in dreihundert Meter Tiefe an Bord. Sie, Marat und Pawlik schwimmen über die verdächtigen U-Boote im Sektor Nr. 88 hinweg und kehren dann zur Pionier zurück. Wahrscheinlich werden wir bald kämpfen müssen.«

Skworeschnja und seine beiden Begleiter schwammen mit brennenden Stirnlaternen nach Ost, um die in dieser Richtung verschwundenen U-Boote einzuholen.

Nach einigen Minuten entdeckten sie die feindlichen Schiffe, die sich in langsamer Fahrt der Insel näherten.

Als Erster unterbrach Skworeschnja das Schweigen: »Ich bin davon überzeugt, dass Gorelow nicht das erste Mal hier aufgetaucht ist. Kein anderer hätte den Standort der Pionier ausspionieren können. Das war nur ihm in unserem Taucheranzug möglich. Seht mal, wie unbeirrt die U-Boote auf die Höhle zusteuern.«

Die drei Taucher befanden sich jetzt direkt über den U-Booten. Diese hatten sich inzwischen einander genähert, und der Abstand zwischen den einzelnen Schiffen betrug nicht mehr als fünfzig Meter.

»Schrauben auf ein Hundertstel der vollen Geschwindigkeit drosseln«, ordnete Skworeschnja an.

Alle drei schienen jetzt fast bewegungslos über den U-Booten zu hängen. Skworeschnja fuhr fort: »Hört mal zu, Jungens! Wie wäre es, wenn wir diesen offensichtlich feindlichen U-Booten ein Schnippchen schlügen? Seht ihr, wie sie sich bogenförmig zusammenschließen? Ich werde den Kapitän fragen. Genosse Kommandant …!«

»Ich höre Sie!«

»Würden Sie uns gestatten, bevor der Feind uns überfällt, dass wir versuchen, drei seiner U-Boote kampfunfähig zu machen?«

»Aber wie?«

»Ich habe drei Granaten und den Rest eines Taus bei mir. Die U-Boote fahren ganz langsam. Ihre Schrauben bewegen sich kaum. Wir würden an sie je eine Granate anhängen … Die Schrauben würden das Tau aufspulen und dann mit ihren Flügeln die Granaten zum Entzünden bringen.«

»Ein guter Vorschlag, Genosse Skworeschnja!«, antwortete nach kurzem Schweigen der Kapitän. »Aber ich will nicht als Erster die Kampfhandlung eröffnen – sollen die anderen beginnen. Kehren Sie zurück!«

»Zu Befehl! – Vorwärts mit zwei Zehnteln!«, kommandierte Skworeschnja.

Die drei Taucher näherten sich den U-Booten, um sie noch einmal genau in Augenschein nehmen zu können, und schwammen dann in Richtung Insel.

Zwei Kilometer von den feindlichen Schiffen entfernt, wandte Pawlik den Kopf nach Skworeschnja, um ihm etwas zu sagen. Da sah er plötzlich seitlich von sich lange, schwarze, zigarrenförmige Schatten, die mit rasender Geschwindigkeit auf sie zukamen.

»Haifische hinter uns!«, schrie Pawlik und drehte seinen Lichtkegel nach hinten.

Skworeschnja und Marat wandten sich ebenfalls um. Die seltsamen Gebilde kamen rasch näher. Aber sie sahen weder Haien noch anderen Meeresbewohnern ähnlich. Auf ihren runden, metallisch schimmernden Köpfen glänzten vier bläuliche, flache Riesenaugen. Ihre schlanken, walzenförmigen Leiber verjüngten sich nach hinten, und an den Enden drehten sich mit rasender Geschwindigkeit wunderliche Schwänze. Immer neue Schatten schossen aus der Dunkelheit hervor.

»Nach unten!«, kommandierte Skworeschnja.

Die beiden führten diesen Befehl blitzschnell aus. Sie sausten in voller Fahrt in die Tiefe.

Einige der seltsamen Wesen lösten sich von dem immer größer werdenden Schwarm und folgten, den Kopf voran, den drei Tauchern. Die anderen jagten in geradliniger Fahrt weiter.

»Nach oben!«, ertönte eilig ein neuer Befehl Skworeschnjas. Sofort änderten auch die Verfolger ihre Richtung; sie kamen immer näher.

»Magnettorpedos!«, rief Skworeschnja verblüfft aus. »Mit drei Zehnteln voraus!«, befahl er.

Die Torpedos folgten ihnen in etwa dreißig Meter Entfernung.

»Genosse Kommandant! Ein ganzes Rudel Magnettorpedos stößt geradewegs auf die Höhle vor. Sechs Stück davon verfolgen uns!«

»Wir sehen es auf dem Bildschirm!«

»Gestatten Sie uns zurückzuschwimmen, um nicht unsere Verfolger zum U-Boot zu lotsen!«

»Jawohl!«

»Die Kampfhandlung kann man also als eröffnet betrachten?«

»Jawohl … vom Feind eröffnet!«

»Danke, Kommandant! Jetzt, Jungens, machen wir kehrt! Einhundertachtzig Grad in der Horizontalen!«

Weit ausschwärmend schwammen alle drei, ohne die Geschwindigkeit zu beschleunigen, wieder zurück. Die Torpedos wiederholten automatisch dieses Manöver. Nach dem Schmunzeln auf Skworeschnjas Gesicht zu urteilen, hätte man denken können, dass sie dies in blindem Gehorsam taten.

»Noch weiter ausschwärmen!«, kommandierte Skworeschnja. »Rechts und links von mir. Mit fünfzig Meter Abstand.«

Das kleine Torpedorudel schwärmte auch aus. Skworeschnja folgten drei, Marat zwei und Pawlik ein Torpedo.

Im Dämmerlicht der Tiefe zeigte sich vorn eine U-Boot-Kette. Die Torpedos beschleunigten plötzlich ihre Geschwindigkeit und folgten Skworeschnja und seinen Begleitern fast auf dem Fuße. Die riesigen Schatten der U-Boote näherten sich schnell. Ein Zusammenstoß drohte.

»Sie haben angebissen!«, schrie Skworeschnja triumphierend. »Jeder von uns nimmt sich jetzt ein U-Boot vor! Unterm Kiel hindurchschwimmen!«

Pfeilschnell sausten die Taucher auf die Schiffe zu. Unter dem Kiel eines U-Bootes schaute sich Skworeschnja rasch um und bemerkte, wie alle Torpedos plötzlich ihre Köpfe hoben und auf die U-Boote zujagten. Die Anziehungskraft der enormen Metallmassen der Schiffe überwog bei Weitem die der Taucheranzüge.

Kaum waren Skworeschnja und seine Kameraden hundert Meter hinter den U-Booten, als sechs kurz aufeinander folgende Explosionen krachten; drei Feuersäulen blitzten auf, und die Taucher wurden von mächtigen Wasserwirbeln nach verschiedenen Seiten geschleudert.

»Genosse Kommandant! Drei U-Boote des Feindes sind durch seine eigenen Torpedos vernichtet worden!«, meldete Skworeschnja der Pionier.

»Ich habe es gesehen! Beglückwünsche Sie zu diesem Erfolg!«

»Gestatten Sie, dass wir diese Operation wiederholen?«

Eine Antwort erfolgte nicht gleich.

»Der Feind ist in Verwirrung geraten«, sagte der Kapitän schließlich. »Er befindet sich auf dem Rückzug. Die Bugkanone ist in Aktion getreten. Kehren Sie in die Höhle zurück, in dreihundert Meter Tiefe.«

Aus der Druckkammer der Pionier begaben sich Skworeschnja, Marat und Pawlik sofort zum Steuerraum. Die Männer in den einzelnen Kammern winkten ihnen zu. Alle hatten bereits von den Abenteuern der drei Freunde gehört.

Im oberen Gang sahen sie schon von Weitem den Taucher Krutizki, der reglos an der Tür zur Kajüte Leutnant Krawzows stand. Krutizki war in voller Uniform. Mit heller Stimme befahl er: »An der gegenüberliegenden Seite vorbeigehen!«

Die drei Freunde pressten sich an die Wand und gingen schweigend an der Tür vorbei.

Im Steuerraum nahm der Kapitän Skworeschnjas kurze Meldung entgegen. Er drückte die Hand des Taucherältesten. Auch Marat sprach er seinen Dank aus.

Dann wandte sich der Kapitän an Pawlik, der wie ein richtiger sowjetischer Seemann Haltung angenommen hatte, und sagte, freundlich lächelnd, zu dem errötenden Jungen:

»Auch Ihnen danke ich, Genosse Bunjak! Sie haben sich fabelhaft gehalten! Die ganze sowjetische Flotte und unser Land werden davon erfahren!« Er umarmte den Jungen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Pawlik! Mein lieber Junge! Wenn du willst, kannst du ein tapferer Seemann werden!«

»Furchtbar gern, Genosse Kommandant!«, rief Pawlik begeistert aus. »Ich will ein Seemann werden! Auf einem U-Boot! Ich möchte unter Ihrem Kommando lernen!«

Der Kapitän legte seine Hand auf Pawliks Schulter und sagte: »Du wirst das sein, was du werden willst!« Dann wandte er sich den beiden Tauchern zu.

»Ich möchte Ihnen noch mitteilen, dass der Feind die Flucht ergriffen hat. Wir haben sechs seiner U-Boote, alle ausgestoßenen Torpedos und einen Torpedobootzerstörer vernichtet! Den anderen Schiffen gelang es, sich durch Flucht zu retten. Morgen setzt die Pionier ihre Fahrt nach den heimatlichen Küsten fort!«