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Der Freibeuter – Der dänische Rekrut

Der Freibeuter
Erster Teil
Kapitel 3

Der dänische Rekrut

Der in die Schlingen des Werbers gefallene junge Mann folgte mit entschlossenem Schritt der dänischen Fahne, die ihn nach Altona führte. In seinen Zügen hatte die frühere Verzweiflung über den Verlust seines Geldes dem Trotz Platz gemacht, der ein widriges Verhängnis herausfordert.

Die neuen Kameraden versuchten vergeblich, ihm ihre Herzstärkung aufzudringen, er wies die funkelnden Flaschen zurück und schien zur Erlangung eines festen Mutes nicht solcher Mittel zu bedürfen. Auch ließ er sich nicht auf ihre zudringlichen Fragen ein, sondern ging still vor sich hin, nur dann und wann, von den anderen unbemerkt, das große Auge dem Himmel zugerichtet, als wolle er damit eine Frage an das dort waltende Schicksal richten.

Leutnant Kreuz fühlte sich endlich bewogen, sich herabzulassen und den neuen Dienstmann der Krone Dänemark mit einigen ermunternden Worten anzureden.

»Mordelement! Was da! Kamerad, du machst ein Gesicht wie eine Katze beim Donnerwetter. Trink einmal aus meiner Feldflasche und öffne mir dann dein Herz. Dies Labsal ist zugleich eine auflösende und abtreibende Arznei. Alle Sorgen schwinden vor seinem Geist wie Nebel, jede Not steigt in die Luft wie ein Schuss Pulver. Ich wollte mein Portepee drauf setzen, dass Christ der Herr den Besessenen ein Quart Branntwein eingegeben und also die Teufel ausgetrieben hat.«

Er schlug eine rohe Lache über seinen Witz auf und hielt seine Flasche dem neuen Rekruten hin. Dieser machte aber nicht die geringste Bewegung danach, sondern sah mit vornehmer Verachtung auf den Werbeoffizier. Um seinen höhnisch verzogenen Mund spielte ein spöttischer Zug, den aber der Leutnant nicht zu verstehen vermochte.

Vielmehr rief dieser: »Na, Bursche, du brauchst nicht so schüchtern zu sein! Mordelement! Zottelkopf, sei nicht so blöde und trink in Teufels Namen mit dem berühmten Leutnant Kreuz aus dessen Feldflasche. Es wird dir Ehre bringen, und kannst du dich dessen beim Regiment rühmen, so werden die anderen Respekt vor dir bekommen. Denn mich soll gleich ein Vierundzwanzigpfünder in Stücken zerreißen, so groß wie eine Flintenkugel, wenn ich jemals einem frisch von mir geworbenen Rekruten meine Feldflasche angeboten habe. Aber du hast mir vorgestern schon in die Augen gestochen, mein Junge, und ich könnte dir viel zu Gefallen tun.«

»Habt Ihr mich denn schon vorgestern gesehen?«, fragte der Rekrut erstaunt.

»Ja freilich, Bübchen,« versetzte der Offizier schmunzelnd. »Die Sache ist ja nun abgemacht – und lass nur gut sein. Du sollst’s gut haben in dänischem Brot. Wir sind gute Freunde. Na, aber nun trink! Oder Mordelement! Ich schmeiß dir die Flasche an den Kopf.«

Der Jüngling tat so, als ob er einen Schluck nähme. In Wahrheit aber glitt kein Tropfen des ihm verhassten Getränks über seine Lippen. Einen Augenblick schauderte er bei der durch des Offiziers Reden ihm gewordenen Einsicht, dass er mit List in eine Falle gelockt worden sei, aus welcher keine Rückkehr möglich wäre. Im nächsten Augenblick erfüllten andere Gedanken seinen Kopf, die ihm seinen unfreiwilligen Schritt als eine bittersüße Notwendigkeit bezeichneten und als Rache an den Verfolgungen seines Schicksals vorspiegelten. Der frühere Trotz kehrte wieder, und Vorsätze seltsamer Art keimten in seinem Geist auf, die ihn zuletzt mit wilder Freude erfüllten, bald als gemeiner Soldat unter den Fahnen des Dänenkönigs zu stehen.

»Hast du doch genippt, wie ein Vöglein aus der Quelle,« lachte der Leutnant. »Du musst es anders lernen unter dänischem Kommando.« Und damit nahm er einen tüchtigen Zug aus der Flasche.

Nach diesem Beweis an seiner eigenen Person wandte sich der Leutnant im vertraulichen Ton an den Rekruten: »Wir haben nun zusammen getrunken, nun wollen wir auch zusammen reden, und kein Mensch in der Welt kann behaupten, dass Anton Kreuz nicht dessen Freund sei, mit welchem er aus einer Flasche getrunken hat. Mordelement! Junge, du sollst mir nicht einwenden, es schicke sich nicht für mich, mit einem Rekruten aus meiner Flasche zu trinken und Freundschaft zu schließen. Ich weiß, was ich zu tun und zu lassen habe. Und so weiß ich denn auch, dass du, ehe das Neujahr herbeikommt, den dänischen Leutnantsdegen trägst, so gut wie ich, und bei allen vierundzwanzigpfündigen Donnerwettern, mir will schon ahnen, als müsst’ ich zu dir sagen: ›mit Permission, gnädiger Herr Hauptmann‹. Ha, meinst du nicht auch, Bursche? Bei meiner Ehr’ und Treu’, das sehe ich dir an der Nase an, und es soll mich keiner Lügen strafen, so wahr ich ein gescheiter Kerl bin!«

»Desto besser für mich,« versetzte der Jüngling; »ich würde Eurer Prophezeiung bestens gedenken.«

»Würdest du, braver Junge?«, lachte der Leutnant seelenvergnügt. »Na, das ist ein echtes Soldatenwort. Darauf müssen wir noch einen trinken.«

Und von Neuem nötigte er dem Rekruten die Flasche auf und sprach, nachdem dieser wieder scheinbar gezogen, dem gebrannten Wasser herzhaft zu.

»Nun haben wir von der Zukunft besprochen. Jetzt lass uns auch von der Vergangenheit reden! Mordelement! Ich weiß ja noch nicht einmal deinen Namen, Halunke! Püppchen, wie heißt du? Wenn ich ein Jüngferchen wäre, ich vergaffte mich in dich. Wie ist dein Name, Rekrut?«

»Joseph Flaxmann.«

»Warum nicht lieber Flachskopf oder noch bester Flachkopf«, sagte der Leutnant, seinen flachen Witz belachend. »Soll ich Joseph Flaxmann in die Liste schreiben?«, fragte er pfiffig blinzelnd.

»Wie Ihr wollt!«, versetzte dieser trotzig.

»Du hast recht, Bursche. Einen Namen muss doch einer haben, mit dem man ihn ruft. Übrigens gilt’s gleich, was das für einer ist. Wer sich auf die rollende Kugel der Frau Fortuna stellt, wie ein junger Kriegsmann, braucht nichts mitzubringen, als einen ehernen Arm, eine stählerne Brust und eine steinerne Stirn, und in diesem Arm Kraft, einen schwedischen Dickkopf mit einem Hieb voneinander zu spalten, in dieser Brust ein tapferes Löwenherz, das ohne Zagen einer spielenden Batterie entgegengeht, in dieser Stirn Verstand und Witz, einen guten Operationsplan zu entwerfen und eine Kriegslist gegen den Feind auszuhecken. Was Namen? Mit diesen drei Dingen wird sich ein junger Mann schon einen Namen erfechten. Da sehe einer unseren weltberühmten Seehelden Tordenskiold an. Der hat Peter Wesel geheißen. Wer kennt Peter Wesel? Kein Mensch. Peter Wesel ist ein obskurer Name, und doch ist es des berühmten Mannes eigentlicher Name. Das macht, er hat sich durch seine Tapferkeit und ungeheure Taten den prächtigen Namen Tordenskiold, zu deutsch Donnerschild, erworben. Unter diesem Namen kennt ihn alle Welt, obgleich er erst fünfundzwanzig Jahre alt ist. Doch sag an, woher bist du gebürtig, Joseph Flaxmann?«

»Aus … aus … ich denke, Herr Leutnant Kreuz, es wird sich mit Geburtsort und Vaterland ebenso verhalten wie mit dem Namen.«

»Du hast wiederum recht. Bist ein pfiffiger Kerl, und wir verstehen uns schon. Aber ich muss einen Geburtsort in die Liste eintragen. Der Mensch fällt doch nicht vom Himmel herab, fertig und bereit, dänischer Soldat zu werden.

Der Leutnant verschnaufte sich und wischte sich den Schweiß von der Stirn, denn solange und zusammenhängend hatte er lange nicht gesprochen.

Dann sah er den Rekruten wieder fragend an und rief: »Mordelement! Wird’s bald!«

»Nun, so schreibt von Buxtehude.«

»Gut, von Buxtehude. Das ist nun alles recht schön, Joseph Flaxmann von Buxtehude. So haben wir nun gesprochen, du als Rekrut, ich als Offizier. Nun lass uns aber wieder als Freunde reden, denn wir haben zusammen getrunken. Du sollst nicht sagen, dass ich dir nicht mit aller möglichen Aufrichtigkeit entgegengekommen bin. Unter Freunden darf kein Geheimnis sein. Sieh, ich bin ein geborener Holländer, ein Bauernsohn, und habe manches Feld geackert. Ich hatte auch schon eine Frau – der Satan steh’ ihr bei! Es war ein dummer Bauermensch. Da kam ein dänischer Werber in unser Dorf. Wir tranken zusammen und wurden des Handels bald eins. Ich ließ Greten mit ihren Bälgen mit Acker, Pflug und Karren im Stich und ging nach Dänemark. Das sind nun sechzehn Jahre. Dann hab’ ich mit gegen den schwedischen Löwen gefochten. Erst setzte er uns die Krallen ins Genick, bald haben wir ihn auf die Tatzen geschlagen. Nachher wurde ich Unteroffizier und nahm mir ein hübsches Weib. Ich merkt es, dass ihr andere bester gefielen als ich, und meinem Grundsatz getreu ›leben und leben lassen‹, hinderte ich sie nicht. Nach der Einnahme von Stralsund wurde ich Offizier und freite meine dritte Frau, die ich aber, als ich nach Lähmung meines rechten Armes durch einen verwetterten Schuss als Werbeoffizier hier angestellt wurde, nicht mit nach Hamburg nahm.«

»Sind denn Eure beiden früheren Frauen gestorben?«, fragte der Rekrut.

»Beileibe nicht! Ich gönne ihnen auch das Leben. Was hilft es mir, wenn die Gänse tot wären. Ich könnte ihnen ja nicht einmal die Federn rupfen. Wer wird sich mit Ketten binden? Sprich mir nicht von der Religion. Wenn Gott im Himmel waltet – ich will’s nicht leugnen – so wird’s ihm nichts verschlagen, ob ich eine Frau oder zehn habe. Ich lästere ihn damit nicht. Er ist ein guter Gott, ich ein guter Kerl. Er hat die Menschen lieb, und ich die Frauen. Warum soll ich ihrer nicht so viel freien wie ich Lust und Belieben habe, wenn sie mich nur mögen? Brüderchen, nun weißt du meinen Lebenslauf, erzähl mir den deinen. Da, trink aber erst einmal, dass dir die Zunge glatter im Maul läuft.«

Der Rekrut spielte mit verlegenem Gesicht seine Trinkrolle fort, begann aber trotz des Leutnants auffordernden Blicken die Erzählung nicht.

»Nun, wie heißt du eigentlich und wo bist du eigentlich her?«, fragte Kreuz schmunzelnd und legte seinen Arm um des Jünglings Nacken, ihm zuckersüß in das Gesicht blickend.

»Joseph Flaxmann von Buxtehude«, sagte der Rekrut leise.

»Mordelement!«, donnerte der Goliath mit einem plötzlich bitterbös gewordenen Gesicht, riss seinen Arm los und gab dem Jüngling einen so gewaltigen Stoß mit der nervigen Faust vor die Brust, dass dieser rücklings zu Boden taumelte. »Bomben und Granaten! Pulverblitz und vierundzwanzigpfündiges Donnerwetter! Willst du mir so kommen, Bursche? Oho! Kumpan, denkst du, ich sei ein Dummbart? Ich habe wohl mehr solcher naseweisen Burschen unter der Fuchtel gehabt. Habe mich noch von keinem narren lassen, werde auch beim roten Teufel mit dir Flachkopf nicht anfangen. Warte, Schlingel, wir wollen aus einem anderen Ton mit dir sprechen. Willst du das Pfötchen nicht, sollst du die Kralle haben. Mordelement! Kopf in die Höh! Augen links! Vorwärts marsch!«

Der beleidigte Werber zog den Degen und fuchtelte den Rekruten um Kopf und Rücken herum. Aber als dieser sogleich Ordre parierte und wie ein lang gedienter Soldat kerzengerade marschierte, wagte es der aufgebrachte Offizier doch nicht, seine Rache durch Schläge auszulassen, sondern begnügte sich, brummend und zuweilen fluchend vor der Linie herzugehen.

In Altona angelangt, wurde Flaxmann von den Übrigen getrennt und in die Kaserne gesperrt. Seine Begleiter konnten frei und ungehindert gehen, wohin sie wollten. Darüber verwundert fragte der Jüngling andere Rekruten, welche schon vor ihm hinter Schloss und Riegel der Stunde ihres Transports nach Kopenhagen entgegenharrten, und erfuhr, dass diese Begleiter nichts als die Spione und Lockvögel des Leutnants Kreuz seien, mit denen er manchen tapferen Kerl in Hamburg wegkapere. Unter den Rekruten befand sich ein Franzose in den mittleren Jahren, der sich schon in der ersten Viertelstunde ihres Zusammenseins an Flaxmann anschloss.

»Ich habe mich nicht kapern lassen«, sagte dieser, »sondern bin freiwillig unter die Fahnen getreten, um Geld zu erlangen, welches mir während eines dreimonatlichen Aufenthalts in Hamburg ausgegangen war. Ich kam auf einer holländischen Brigg dahin, auf welcher ich Oberbootsmann war, hatte mich aber mit dem Kapitän überworfen und blieb in Hamburg in der Hoffnung zurück, auf einem anderen Schiff eine Anstellung zu finden, welches mir aber nicht geglückt ist. Seht, Monsieur, nun habe ich mir das Handgeld zahlen lassen und trete in Kopenhagen unter das Kommando des jungen berühmten Tordenskiold. In Hamburg habe ich die Vögel, in deren Krallen Ihr gefallen seid, kennengelernt. Ich geriet mitten in ihre Gesellschaft. Ihr werdet dieselben Leute in allen noblen Wein-, Gast- und Kaffeehäusern, aber auch in allen schlechten Krügen, Schenk- und Wirtshäusern in und um Hamburg, bei allen Lustbarkeiten, auf allen Straßen und Plätzen finden, und sie spüren einen fremden Kerl, der eben angekommen ist, sogleich auf, wie Jagdhunde. Sie spielen alle Karten- und Würfelspiele mit allen Kniffen und Betrügereien so fertig, dass sie einem ehrlichen und in solchen Spitzbubenschlichen unbewanderten Mann, der sich mit ihnen einlässt, bald alles Bare aus der Tasche ziehen. Leutnant Kreuz selbst ist der fertigste Spieler. Dieser Mann weiß sich in der vornehmsten, wie in der gemeinsten Gesellschaft beliebt zu machen. Euer Geld, Monsieur, teilen die Spione mit ihm, sie stellten auch die Rekruten vor, die Euch hierher begleiteten. Wenn Ihr viel verloren habt, so stolziert Kreuz morgen in einem mit goldenen Tressen besetzten Rock, einer prächtigen Alllongenperücke. Ja, wenn er selbst noch glücklich im Spiel gewesen ist, so fährt er wohl gar in einer schönen Equipage und hat Kutscher und Bedienten drauf. Ihr aber seid verraten und verkauft.«

»Es hat nichts auf sich,« versetzte Flaxmann trocken und gleichgültig, »ob ich ein paar Taler mehr oder weniger habe, und Soldat wäre ich doch geworden. Ihr spracht aber eben, dass Ihr bei der dänischen Flotte Dienste nehmen wollt, Monsieur. Wie ist Euer Name?«

»Pierre Courtin.«

»Also Monsieur Courtin, ich hätte ebenfalls Lust, mich dem Seedienst zu widmen, und ich bitte Euch, mir guten Rat zu geben und Euch meiner anzunehmen, da ich vom Seewesen noch nichts verstehe.«

»O ja! Dann seid Ihr mein Mann! Ventre … de … dieu, wir wollen zusammenhalten, wie ein paar brave Schiffsleute. Ihr habt allen Anstand zu einem guten Leutnant. Vrai – bot! Aus Euch wird was Tüchtiges.«

Der Franzose umarmte den neuen Ankömmling, vergnügt über dessen Entschluss. Dann plapperte er noch viel von seinen Seefahrten und Abenteuern und begnügte sich, nachdem er den neuen Kameraden aufgefordert hatte, ein Gleiches zu tun, in seiner untrübsamen Heiterkeit mit einem dürftigen Bericht dessen, worin sich dieser wieder als Joseph Flaxmann aus Buxtehude aufführte.

Nach einigen Stunden erschien Leutnant Kreuz mit dem Kapitän d’Armes und dem Regierungschirurgus, um Flaxmann die Montierungsstücke übergeben und ihn der Vorschrift gemäß untersuchen zu lassen. Der Leutnant befahl dem Rekruten mit barschem Ton, sich zu entkleiden. Als dieser zauderte, zog der Riese seinen Degen, um den Widerspenstigen mit Schlägen zum Gehorsam zu bringen. Der Jüngling gehorchte mit verbissener Wut. Zaudernd legte er ein Kleidungsstück nach dem anderen ab, bis auf das Hemd, welches von feiner Leinwand war.

»Herunter mit dem Laken!«, herrschte Kreuz. »Dänische Soldaten werden nicht so vornehm gehalten, dass sie Hemden tragen wie der König. Hier ist dein Kommisshemd! ‘s wird die Haut etwas kratzen, schadet aber nichts, mein Junge. Nun was wird’s? Mordelement! Kommt die zarte Fahne bald vom Leibe, soll ich sie dir herunterreißen, Halunke?«

Der Jüngling stand unschlüssig, blass und zitternd. Seine Hände hatten sich über die Brust gekreuzt und krampften in die Muskeln, als wollte er dort ein Kleinod beschützen.

»Höllenfeuer und vierundzwanzigpfündiges Donnerwetter!«, kreischte der Leutnant, und sein kupferrotes Gesicht wurde dunkelbraun. »So soll gleich ein Mohrenbataillon mit Damaszenerklingen dreinhauen!«

Mit diesen Worten griff er in den Kragen des Hemdes und riss es dem Jüngling vom Leib. Ein schöner, fast weiblich zarter Körper stellte sich den Blicken der Umstehenden dar. Flaxmann hielt die Hände noch immer über die Brust gebreitet und bedeckte damit das Etui, welches an einem um den Hals laufenden seidenen Band befestigt war.

»Doktor, tut Eure Schuldigkeit!«, befahl der Leutnant dem Chirurgus. »Arme gerade!« kommandierte er den Rekruten.

Als dieser nicht gehorchte, versetzte er ihn mit der flachen Klinge einen Hieb und riss ihm die Hände von der Brust. Alle sahen ein in roten Saffian gebundenes Büchlein in Form einer Brieftasche mit einem Schlösschen an dem Band hängen.

»Potz Pulver und Blei!«, rief der Leutnant verwundert und streckte die Hand nach dem Etui aus. »Was hast du hier, Bursche? Lass sehen!«

Das Gesicht des Jünglings hatte sich während dieser Worte so eigentümlich verändert, dass selbst der Leutnant den vorwärts gemachten Schritt wieder zurückwich und die emporgehobene Hand fallen ließ. Die anderen sahen mit neugierigen Augen auf den Rekruten, den der Chirurgus fragte, ob ihm nicht wohl sei. Flaxmann schien die Frage nicht zu hören und stand wie angewurzelt.

»Mordelement!«, rief Kreuz, dessen Verblüfftheit gewichen war, »willst du wohl antworten! Was hängt da für ein Ding an deiner Brust? Gib’s her! Was hat ein dänischer Soldat mit solchem Dings zu schaffen? Her damit!« Und abermals wollte er, da keine Antwort erfolgte, danach greifen.

»Um aller Heiligen willen!«, rief der Rekrut mit einer Stimme, welche der Ausdruck der höchsten Geistesempörung war. »Rührt nicht an dieses Büchlein. Wir wären beide des Todes!«

Erneut fuhr Kreuz zurück, denn die Drohung schien wirklich vonseiten des Rekruten in Erfüllung zu gehen, ohne dass das Buch von einer anderen Hand berührt worden war. Seine Stimme klang ja schon wie die eines Sterbenden, über die blauen bebenden Lippen floss Speichel und auf dem Gesicht wurde eine Art Todesschweiß sichtbar.

Der Leutnant, wenn er auch nicht an den eigenen Tod durch Berührung des Büchleins glaubte, schien doch für den Rekruten oder vielmehr für die dreißig bare Reichstaler, die er kostete, zu fürchten. Von der anderen Seite stachelte ihn Neugier, sodass er ihren Versuchungen erlag, und zum dritten Mal die ungeschickten Finger nach dem Etui ausspreizte, indem er mit Hohnlachen, um seine Verlegenheit zu verbergen, rief: »Mordelement! Leutnant Kreuz hat sich nicht vor den Kanonen und Granaten des schwedischen Löwen gefürchtet, wird sich doch bei des Teufels Pech und Schwefel nicht vor dem Dreckdings da fürchten sollen. Her damit! Ich habe ein Recht zu fragen, was das Brieftäschlein enthält!«

Er rührte das Band an, aber in demselben Augenblick stürzte Flaxmann ohnmächtig zusammen, und der französische Bootsmann fing den Unglücklichen auf.

»Sacre – coquin!«, fluchte dieser und ballte dem bestürzten Leutnant die Faust entgegen, »was geht dich diese Brieftasche an? Meinst du, wir wüssten nicht, wie Ihr diesen meinen Freund mit falschen Würfeln und betrügerischen Karten ausgeplündert habt? Willst du ihn auch hier noch berauben und das letzte Eigentum, das er vor Euren Diebeskrallen verborgen hält, abnehmen? Ich will mich doch einmal in Kopenhagen erkundigen, ob dies der König seinen Werbeoffizieren anbefohlen oder erlaubt hat.«

Diese Worte wirkten. Kreuz schien den Franzosen zu kennen und zu wissen, wessen er fähig sei. Auch stieg wieder der Gedanke in seinem Kopf auf, der Rekrut könne – wie der Anschein lehre – doch etwas Vornehmes sein und ihm die schlechte Behandlung später entgelten lassen. Er steckte den Bratspieß in die Scheide, befahl dem Kapitän d’ Armes, den Rekruten einzukleiden, und verließ fluchend die Stube. Bald darauf sah man ihn mit seinen Spionen und Helfershelfern auf einem Wagen nach Hamburg zurückfahren. Flaxmann, wieder zu sich gekommen, sah sich mit scheuen Blicken um. Da er den Leutnant nicht erblickte, verlor sich seine Unruhe. Courtin redete ihm gutmütig zu und gab ihm die Versicherung, solange sie beide zusammen wären, sollte ihm kein Haar vom Kopf, geschweige das Kleinod entrissen werden. Daraufhin warf er dem Erschütterten das Kommisshemd und die Soldatenkleider über. Sorgfältig verbarg der Jüngling das Etui auf der Brust und stand bald als dänischer Soldat bei den anderen.

Die Rekruten lebten einige Tage in der Kaserne, bis ein Transport Neuangeworbener hinzukam. So ging es weiter, bis die Nachricht einlief, dass ein dänischer Schoner im Hafen zu Travemünde auf die Rekruten warte, um sie nach Kopenhagen zu führen. Am festgelegten Tag wurden sie unter starker Bewachung über Lübeck bis an Bord des Schiffes transportiert, welches am folgenden Morgen die Anker lichtete.

Während des Marsches hatte Flaxmann Gelegenheit, den lustigen Franzosen als einen gutgesinnten gefälligen Mann kennenzulernen, der ihm alles zu Liebe tat, was er ihm an den Augen ablesen konnte.