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Im fernen Westen – Sioux-Kit 2

Sioux -Kit
Kapitel 2

Vater Hogg dankte dem lieben Gott aufrichtig, dass er seine Arbeit bis hierher so sichtlich gesegnet hatte. Sein Wahlspruch Mit Gott den Anfang, dann hat’s guten Fortgang bewährte sich. Als die Yankton sahen, wie sauber und manierlich die Kinder Scha-co-opons in der Schule wurden, wie sie sauber gekleidet erschienen in Jacken, Beinkleidern und Röckchen aus gegerbter Hirschhaut, welche Frau Hogg zugeschnitten und zum Teil genäht hatte, wie die Jungen lesen, schreiben, Englisch, die Mädchen dazu noch stricken und häkeln lernten, da kamen auch andere Krieger der Yankton herüber und baten Herrn Hogg, ihre Kinder ebenfalls in die Schule zu nehmen, denn da dies nichts kostete, so glaubte jeder, seine Mittel erlaubten ihm dies ebenfalls. So hatten denn Herr und Frau Hogg bald an die vierzig Kinder von acht bis zwölf Jahren, welche morgens aus dem Dorf über den Choteau herüberkamen und meist einen seltenen Eifer entwickelten, denn diese Rothäute sind sehr eitel und ehrgeizig. Und wenn die älteren Knaben auch hier und da in ihrem unsteten Wesen hinter die Schule gingen und lieber den Vögeln und Kaninchen in Feld und Wald Schlingen legten oder auf Fischfang gingen oder Beeren suchten, so tadelte Herr Hogg sie nicht darüber, sondern wenn nur wenige Knaben zur Schule kamen, so zeigte er diesen schöne bunte Bilderbücher, worin alles Mögliche von den Herrlichkeiten der Weißen zu sehen war: große Städte und Häuser, Dampfschiffe und Eisenbahnen, große Seeschiffe, Werften, Bergwerke, Fabriken und dergleichen mehr, und erklärte sie den Kindern, welche dann den anderen davon erzählten, sodass diese bereuten, um einen derartigen Genuss gekommen zu sein, und in Zukunft nur seltener die Schule schwänzten.

Allein nichts Menschliches hat Dauer, und so ließ allmählich auch der Eifer der roten Schüler nach, und es kamen immer weniger aus dem Dorf herüber, und nur die Kinder Scha-co-opons und einiger anderer Krieger hielten noch treulich aus. Vater Hoggs Bitten bei den Eltern fruchteten wenig, denn die einen sagten. »Meine Knaben müssen die Ponys draußen in der Prärie hüten oder fischen gehen.« andere sagten: »Meine Frauen können die Mädchen nicht entbehren, um Holz einzutragen oder Felle zu gerben. Allein der Missionar verlor den Mut nicht, sondern ergab sich geduldig in diese getäuschte Hoffnung, in der Zuversicht, dass auch noch eine bessere Zeit kommen werde, und diese Erwartung täuschte nicht. Im Herbst zogen die Yankton mit ihren Frauen auf die Büffeljagd in die Mauvaises Terres und die Prärien, um nach ihrer Gewohnheit den nach Süden ziehenden Büffelherden aufzulauern und sich ihren Wintervorrat an Büffelfleisch zu beschaffen. Allein sei es, dass die wandernden Büffel einen anderen Weg als gewöhnlich einschlugen, sei es, dass sie ihren Zug nach Süden früher als gewöhnlich angetreten hatten, weil der Winter im Norden zeitiger einzutreten drohte. Kurzum, sie warteten auf ihren Jagdgründen vergebens auf die Ankunft der großen Herden und fanden nur kleine Rudel, sozusagen die Nachzügler der Ersteren. Die Rothäute zogen hin und her, aber die Ausbeute war sehr gering und reichte kaum aus, um den augenblicklichen Unterhalt der Jäger zu fristen. Da zogen denn die Yankton weiter nordwärts in die Prärien am James River und Turtle River, welche das Jagdgebiet eines anderen Stammes der Sioux waren, und jagten dort, bis die eigentlichen Besitzer dieser Jagdgründe es bemerkten und die Eindringlinge mit Übermacht angriffen und zurückschlugen. Viele von den Yankton wurden erschlagen und die anderen, welche heimkehrten, brachten wenig Fleisch und Häute mit. Und als nun der Winter einbrach, der auf dem Prärieland ziemlich streng und hart ist, da waren die dürftigen Vorräte bald aufgezehrt und in der Yankton-Reservation brach eine wahre Hungersnot aus, weil die Indianer zu wenig Feldbau betrieben und nicht zeitig für einen Vorrat von Nahrungsmitteln für den Winter sorgten. Jagd und Fischfang vermochten in der harten Winterszeit den Ausfall nicht zu decken. Viele Krieger ritten auf Raub und Viehdiebstahl aus und die zu Hause blieben, mussten ihre Pferde und Hunde schlachten, um nicht zu verhungern, und ihre beste Habe verkaufen oder gegen Nahrungsmittel eintauschen.

Den Vater Hogg erbarmte diese verzweifelte Lage und er teilte von seinen Vorräten mit, wie und wo er konnte. Ja, noch mehr, er speiste die Kinder der Yankton, welche zur Schule kamen, und nun füllte sich plötzlich sein Schulzimmer wieder, denn Knaben und Mädchen kamen in Massen über die Eisdecke des Choteau herüber zur Schule und hörten aufmerksam zu, um danach mit dem warmen Maisbrei und dem Brot ihren Hunger zu stillen. Ja selbst die sonst so stolzen und dünkelhaften Krieger der Yankton kamen herüber und bettelten um eine Suppe und ein Stück Brot. Die Frauen betrieben gern einige Stunden die Handmühle, auf welcher Mutter Joel ihren Mais mahlte, um sich und ihren kleinen Kindern dadurch eine warme Mahlzeit zu verdienen. Und hätte Vater Hogg nicht unter dem besonderen Schutz des indianischen Agenten und der Familie des Scha-co-opon gestanden, so würden ihn vielleicht einige verworfene Burschen der Yankton bestohlen, ausgeplündert und erschlagen haben. So aber war er sicher, denn die einsichtsvolleren und angeseheneren Krieger sahen ein, was für eine Wohltat der Missionar für ihr Dorf und ihre Kinder war.

Wie gesagt, die Schule war noch niemals so zahlreich besucht gewesen, wie in diesem Winter, und die Kinder noch niemals so geduldig, aufmerksam und gehorsam, und so ging auch diese schwere Prüfung an dem Stamm vorüber, obwohl viele daraus gestorben waren. Der Frühling kam, der Schnee verschwand von der Prärie, das Eis von den Flüssen, die Hirsche verließen die Dickungen des Waldes und die Fische den tiefen Grund, und die ärgste Not hatte ein Ende. Nun aber regten sich bei den roten Kriegern Habsucht, Rachgier, Neid und andere böse Leidenschaften. Sie hatten im Herbst beim Jagdzug auf fremdes Gebiet zehn oder zwölf Krieger verloren, und ihre wilde Sitte und die Abstammung gebot ihnen, Rache dafür an dem Stamm zu nehmen, welcher sie angegriffen und verjagt hatte. Sie hatten aus Not den größten Teil ihrer Pferde ausgezehrt und brauchten wieder Pferde, deren der Indianer der Prärien nicht entbehren kann. Sie wussten von ihren Kundschaftern, dass der Stamm der Sioux, durch den sie verjagt worden waren, im vorigen Herbst eine reiche Jagd gemacht hatte, gut durch den Winter gekommen war, Büffelhäute und gedörrtes Fleisch, Pferde und Maultiere genug besaß. So war denn für diese Wilden, welche nur auf die Stimme ihrer Leidenschaften hören, nichts natürlicher als der Entschluss, unter dem Vorwand der Wiedervergeltung einen Raubzug gegen jenen Siouxstamm zu unternehmen und sich dadurch zu bereichern.

So geheim die Yankton auch ihre Rüstung betrieben, so erfuhr Joel Hogg doch ihren Plan. Als er eines Tages das Feuer in ihrer Ratshütte rauchen sah, ging er hinüber, trat unerschrocken in den Kreis der Krieger, welche um das Feuer kauerten, und erbat sich das Wort, das sie ihm, wenn auch ungern, erteilten, denn sie konnten seine Absicht erahnen.

»Meine lieben Brüder und tapferen Krieger«, hob Vater Hogg dann an, »ihr wisst alle, dass mein Herz und meine Hand offen sind für euch und dass ich es gut mit euch meine, darum bitte ich, dass ihr einen Augenblick auf meine Stimme höret und meine Rede in Euren Herzen erwägt. Ich habe vernommen, dass ihr einen Kriegszug gegen die Sioux in der Reservation an der großen Schleife des Missouri vorhabt, und ich komme, euch zu bitten, dass Ihr diesen Plan aufgebt. Ich weiß, die Sioux haben euch aus ihren Jagdgründen verjagt, als ihr im vergangenen Herbst dieselben betreten habt. Ihr hättet an ihrer Stelle wohl ebenso gehandelt, denn jene Jagdgründe sind ihr Eigentum, von unserem großen Vater in Washington ihnen verliehen und gewährleistet. Ihr habt ihre Rechte verletzt, denn ihr seid gewaltsam dort eingebrochen. Wärt ihr zu mir gekommen, hättet ihr mir eure Not geklagt, so wäre ich hinaufgeritten und hätte mit ihren Häuptlingen gesprochen und sie gebeten, dass sie euch jagen lassen, damit ihr nicht verhungert. Und sie hätten es euch gestattet und es wäre Friede im Land und zwischen den Stämmen der roten Krieger geblieben. Und ihr habt alle dem großen Vater in Washington gelobt, Frieden zu halten, und dafür sendet euch der große Vater alljährlich Wolldecken, Mehl, Zucker, Tee, Kaffee, Kleider und Geld. Ihr habt unrecht getan und sinnt nun auf neues Unrecht. Ihr beleidigt den großen Vater in Washington, und er wird euch zürnen und euch bestrafen, indem er euch seine Gaben vorenthält. Denn ihr brecht das Wort, das ihr ihm gegeben habt. Ihr beleidigt aber auch den großen Geist oben im Himmel, in dessen Namen ihr Frieden gelobt habt. Er wird ebenfalls zürnen und euch seine Gaben vorenthalten. Darum ermahne ich euch, meine Brüder, bedenkt wohl, was ihr tut. Häuft nicht neues Unrecht zu dem alten. Seid edel und vergießt nicht unschuldiges Blut. Wehe dem, der die Streitaxt ausgräbt und einen langen Krieg heraufbeschwört, denn wie ihr nun das Blut eurer getöteten Brüder rächen wollt, so werden die Sioux das Blut ihrer Brüder rächen, und des Krieges wird kein Ende sein. Die roten Männer aber sind alle Brüder und sollen nicht den Speer gegeneinander aufheben und sich gegenseitig ausrotten, sondern als Brüder miteinander leben. Denn wenn ihr alle auf den Kriegspfad geht, so wird der große Vater seine Krieger gegen euch schicken und mit den Waffen Frieden machen. Dies bedenkt, bevor ihr handelt. Ich habe gesprochen, wie es mir Gott und mein Herz eingegeben, und ich bitte euch nun, dass ihr über meine Rede nachdenkt und sie in einem guten Herzen bewahrt. Ich warne euch, denn ihr seid wenige gegen viele, und wer unrecht tut, wird Unrecht leiden. Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Ich habe gesprochen.«

Diese Rede machte einigen Eindruck auf die älteren Krieger, allein die Leidenschaften waren schon allzu erregt, und die Mehrzahl der Yankton stimmte für den Raubzug, sobald Vater Hogg die Ratsversammlung verlassen hatte. Einige Tage später ritten sämtliche Krieger der Yankton in aller Stille von ihrem Sammelplatz ab und zogen in zwei Gruppen in den Krieg, auf jedem Ufer des Missouri eine. Aber die Winnebago in der Reservation am Fort Thompson hörten von dem Auszug und dass viele herumziehende räuberische Rothäute sich den Auszüglern angeschlossen hätten. Sie rüsteten sich also, um einen etwaigen Angriff abzuwehren, und gaben auch den Sioux in ihrer Reservation am Fort Pierre Nachricht.

Mittlerweile war Vater Hogg in großer Besorgnis, denn er ahnte, dass der beabsichtigte Raubzug im Allgemeinen nur schlimme Folgen haben und eine Menge weiterer Fehden hervorrufen werde. Er berichtete darüber an den Indianerkommissar in Fort Thompson und bat diesen, sein Möglichstes zu tun, um den Frieden zu erhalten, erhielt aber von diesem die Antwort, es sei dazu schon zu spät, denn die Abteilung der Yankton, welche auf dem rechten Ufer des Missouri hinaufgezogen sei, habe bereits einen Einfall in die Siouxreservation gemacht und ein Dorf der Sioux überfallen und geplündert, sei aber zurückgeschlagen worden. Die Sioux haben bereits weitere Stämme ihres Volkes zur Hilfe aufgeboten, sodass ein größerer Krieg in Aussicht stehe. Daher bitten er und der Major Campion, welcher in Ford Thompson befehlige, Herrn Hogg dringend, mit den Seinen ins Fort Thompson zu flüchten, wo sie vorerst sicher sein würden. Das Fort habe nämlich eine starke Garnison, und dem Agenten sei es gelungen, die Häuptlinge der Winnebago zu bewegen, dass sie neutral blieben und Frieden hielten.

Vater Hogg kannte die Gräuel solcher indianischer Fehden zu gut, um diese Warnung in den Wind zu schlagen. Er wusste, dass die Sioux jedenfalls den Einfall in die Reservation der Yankton erwidern und alles mit Feuer und Schwert verwüsten und auch ihn und die Seinen nicht schonen würden, denn sie galten mit Recht als einer der kriegerischsten, aber auch wildesten und grausamsten Stämme. Ein Blick auf seine treue Frau und seine beiden Söhne riet ihm, diese keiner Gefahr auszusetzen. Sein älterer Sohn Luke war nun zwölf und der jüngere, Tim, bald zehn Jahre alt. Sie waren also in dem Alter, wo sie von den feindlichen Indianern entweder erschlagen oder als Gefangene fortgeschleppt werden würden, um als Sklaven behandelt zu werden. Sein Herz erbebte bei dem Gedanken, was aus seiner treuen Gattin werden würde, wenn sie in die Hände jener wilden Rothäute fiele. Gleichwohl mochte er nicht sogleich fliehen. Es widerstrebte ihm, seine kleine Behausung preiszugeben und seine Schule zu verlassen. Er hatte jüngst wieder sein kleines Feld bestellt und seine Saaten gingen schön auf. Würde er sie wohl je wieder sehen, wenn er sie nun verließ? Er kämpfte einige Tage lang mit einem Entschluss, er suchte die Familien der Ausgezogenen zu trösten. Da kamen einige Schwerverwundete zurück und berichteten, dass sie geschlagen worden seien und wahrscheinlich verfolgt würden, und Greise, Frauen und Kinder aus dem benachbarten Indianerdorf flüchteten in die Wälder. Nun sah Rater Hogg ein, dass keine Zeit zu verlieren war, wenn er noch wohlbehalten Fort Thompson erreichen wollte, das in gerader Linie achtzehn deutsche Meilen entlegen war. Er lud also seine besten Habseligkeiten und seine Familie auf seinen Wagen, empfahl sein Heimwesen und die Seinen dem Schutz des Allmächtigen und trat voll Gottvertrauen, aber auch voll Wehmut die Reise nach Nordwesten an, seine beiden Kühe und seine Pferde vor den Wagen gespannt.

Fünf ängstliche mühevolle Tagesreisen brachten Joel Hogg und die Seinen wohlbehalten nach Fort Thompson, wo sie vorerst in Sicherheit waren und freundlich aufgenommen wurden. Bald kamen auch bessere Nachrichten. Dank dem energischen Einschreiten des Colonels Short, des obersten Beamten der Indianeragentur, war dieser Fehde rasch ein Ende gemacht worden, ehe sie noch einen größeren Umfang annahm. Colonel Short hatte von den sämtlichen Forts der Nachbarschaft eine Truppe von etwa zweihundert Reitern zusammengebracht und die Krieger der Winnebago aufgeboten, um den Frieden zu stiften. Er hatte sich zwischen die kämpfenden Stämme geworfen, nachdem die Yankton einige Dörfer der Sioux überfallen und geplündert hatten und zurückgeworfen worden waren. Er hatte den Yankton die Rente abgenommen, sie zur Ruhe verwiesen und wieder zu der Reservation zurückgeschickt. Er hatte weiterem Blutvergießen Einhalt geboten, beiden Parteien ihre Gefangenen abgenommen und sich von jeder Partei einiger Häuptlinge bemächtigt, welche als Geiseln des Friedens zu verschiedenen entlegenen Forts gebracht wurden, und den geschädigten Sioux, deren Hütten niedergebrannt worden waren, Ersatz vonseiten der Regierung und Bestrafung der Ruhestörer zugesagt und hierdurch den Frieden wenigstens äußerlich wiederhergestellt, zumal er daneben noch sämtliche Besatzungen der benachbarten Forts verstärkt hatte. Sowohl die Sioux als auch die Yankton waren eingeschüchtert, denn sie sind nur durch Strenge und Furcht in Ordnung zu erhalten.

Als Colonel Short nach Fort Thompson zurückkehrte und Joel Hogg erfuhr, dass zwei Häuptlinge der Yankton und viele Krieger gefallen, Scha-co-opon und mehrere der angesehensten Krieger als Geiseln mitgenommen worden waren und ein Wiederausbruch der Feindseligkeiten nicht zu befürchten sei, hielt er es für seine Pflicht, wieder auf seinen Posten zurückzukehren. Ohnedem sagte er sich, dass er dort in der allgemeinen Bestürzung nötiger sein und nützlicher werden würde, als in dem Fort. Colonel Short bestärkte ihn hierin, und so schirrte Vater Hogg denn wieder seine Kühe und Pferde vor den Wagen, nahm noch einen Vorrat von Lebensmitteln für alle Fälle mit und trat den Heimweg wieder an, geleitet von einem Korporal und fünf Reitern, welche ihm der Colonel als Bewachung mitgegeben hatte, um ihn gegen etwa noch herumstreifende feindliche Indianer zu schützen.