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Der Welt-Detektiv Band 6

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Robert der Teufel – Kapitel 2

Ein schrecklicher Kampf

Robert begann die Erzählung seines Abenteuers.

»Ich habe heute den ganzen Morgen hindurch im Wald mit vier Dienern gejagt, welche gegen Abend, als es zu dunklen anfing, das erlegte Wild auf einen Wagen luden und mit diesem in die Residenz zurückfuhren. Um nicht zu spät zu euch zu kommen, ließ ich meinen Renner weit ausgreifen und mochte etwa nun noch eine Stunde von meinem Jagdschloss entfernt gewesen sein, als auf einem freien Platz im Wald ein junger und hübscher, zierlich gekleideter Mann, den Anschein nach ein Ritter in Jagdkleidung, hinter mir heransprengte. Ich wendete mein Pferd und zog das Schwert, um für den Fall eines feindlichen Angriffes gefasst zu sein.

Der Fremde zog die Zügel an und hielt vor mir eine halbe Pferdlänge, nahm sein Barett mit den wallenden Federn ab, verbeugte sich voller Anstand und sprach mich an.«

»Ich grüße Euch, erlauchter Prinz!«

»Ihr kennt mich?«

»Wie sollte ich Euch nicht kennen, da der Ruf Eures Ruhmes durch alle Länder gedrungen ist!«

»Wer seid Ihr?«

»Ein Ritter aus Neapel.«

»Euer Name?«

»Donati.«

»Von altem Adel?«

»Graf und Verwandter des Königs von Neapel.«

»Wie kommt ihr in diesen Wald, und zu dieser Stunde?«

»Ich hatte diesen Morgen die Ehre, Euren königlichen Eltern vorgestellt und von ihnen zur Mittagstafel eingeladen zu werden.«

»Welche Absicht führte Euch an unseren Hof?«

»Ich mache mit meiner Schwester Lucana, welche die gelehrteste und vielleicht auch die schönste jetzt lebende Dame ist, eine Rundreise an alle Höfe von Frankreich und habe die Erlaubnis erbeten und erhalten, sie morgen dem König und der Königin in ihrer Residenz zu Arles vorstellen zu dürfen.«

»Wohin reist ihr jetzt?«

»Zu meiner Schwester auf ein gemietetes Schloss, worin wir unsere mitgebrachten seltenen Kunstsachen, kostbare Juwelen und andere höchst wertvolle Kleinodien sicher verwahren können, da wir uns 4 bis 6 Wochen in dieser Gegend aufzuhalten gedenken. Dieses Schloss liegt nur 2 Stunden von hier und ist auf flüchtigen Rossen in einer halben Stunde leicht zu erreichen. Dürfte ich die Bitte wagen, erlauchter Prinz!, meine Schwester, die sich darüber höchst glücklich schätzen würde, und mich, mit einem huldvollen Besuch zu beehren?«

»Jetzt gleich?«

»Ja.«

»Ich fürchte, zu so später Stunde die schöne Dame zu belästigen.«

»Nicht im Geringsten. Sie pflegt ja ohnehin immer bis Mitternacht zu studieren, oder ihre Augen an dem Glanze prächtiger Edelsteine zu ergötzen, für die meine Schwester eine absonderliche Vorliebe hat.«

»Ihr könnt euch wohl denken, Kameraden, dass ich eine Einladung nicht ausschlagen wollte, die mich zu einer »schönen Dame« und zu »prächtigen Edelsteinen« zu bringen verhieß, lauter Dinge, die sich vor­trefflich für unser Paradies eignen. Ihr versteht mich schon!

Ich ritt mit Donati, und wir kamen bald vor einem herrlichen, im ersten Stockwerk hell erleuchteten Schloss an. Das Tor wurde geöffnet, und wir stiegen in einem weiten Hofraum von den Pferden. Ein Stallwärter wollte mein Pferd in den Stall führen. Ich sagte ihm aber, er solle es frei stehen lassen, bis ich es im Falle einer Übernachtung selbst in eine Pferdebox bringen würde. Es verhielt sich mir gegenüber so folgsam wie ein abgerichteter Hund und würde nicht davonlaufen. Von fremder Hand in den Stall geführt, würde es alles zerschlagen.

Diese Worte waren jedoch nur ein Vorwand meiner Vorsicht, um mein Pferd gleich bei der Hand zu haben, falls ich in einen Hinterhalt geraten würde und zur schnellen Flucht mich gezwungen gesehen hätte. An ein Übernachten dachte ich gar nicht, da ich nur alles im Schloss ausspähen und danach gleich zu euch reiten wollte. Denn ich bin gewohnt, Wort zu halten, wie ihr wisst.

Vom Pagen mit einem Windlicht begleitet stiegen wir die Treppe hinauf. Oben empfing uns Donatis Schwester Lucana, in der Tat eine blendende Schönheit, in einem von verschiedenfarbigen Juwelen funkelnden Gewand. Unter vier Augen, an einem einsamen Orte außerhalb des Schlosses, hätte ich sie ermordet und ausgezogen. Hier aber hielt ich eine schmeichelhafte Anrede in den zierlichsten Worten, welche sie, von zwei hübschen Gesellschaftsdamen um­gebend mit großem Vergnügen und lächelndem Munde anhörte und recht artig erwiderte.

Sie führte mich an der Hand in den Saal, worin meisterhafte Gemälde hingen, darunter auch der Brand von Troja, so täuschend, dass ich bisweilen glaubte, die Funken durch den dunklen Rauch emporfliegen zu sehen. In einem angrenzenden Gemach wies sie mir andere geschichtliche Bilder, die sie mir mit einer erstaunlichen Gelehrsamkeit erklärte.«

»Folgt mir jetzt in einen anderen Saal, erlauchter Prinz!«, sagte die schöne Dame, »wo ihr Dinge sehen werdet, gegen welche diese hier nur Kinderspiele sind!«

»Sie führte mich an ihrer seidenweichen, aber eiskalten Hand. Die Wände dieses Saales waren vom reinsten Golde und strahlten im Widerschein eines auf dem Tisch stehenden prachtvollen, goldenen, ziselierten Armleuchters mit zwölf brennenden Wachskerzen. Da sah ich die allerherrlichsten Statuen, jede aus einem einzigen Stück von weißem Marmor kunstvoll gemeißelt, darunter eine wunderschöne Venus, die, nach längerer Betrachtung, mit ihren süßen Lippen zu lächeln, und mit ihrem Köpfchen zu winken schien, was ich für eine Täuschung meiner Augen hielt. In jeder Ecke des Saales stand ein Clavicembalo. Sie spielte kunstfertig auf einem und sang dazu ein wundervolles Liebeslied mit einer zauberhaften Stimme und die anderen Instrumente in den übrigen drei Ecken des Saales spielten von selbst mit. Ich war äußerst verwundert über eine so unbegreifliche Kunst. Die Dame lächelte und ging mit mir in einen andern Saal.

Dort öffnete sie einen großen Schrank und zog mehr als 100 kleine Schubladen heraus, worin die allerfeinsten Edelsteine schimmerten. Sie zeigte mir auch eine Perlenschnur, von denen ich jedes Stück auf fünfzigtausend Kronen schätzte, und es waren über 200 solcher Perlen.«

»Teufel«, rief Manfred aus, »wenn wir nur diese Edelsteine und Perlen bekämen, die übrigen Kunstsachen wollte ich gern zurücklassen, da sie uns leicht verraten könnten.«

»Dies dachte ich auch in diesem Augenblick«, fuhr Robert fort. »Es zuckte mir in den Fingern. Ich spürte Lust, der schönen Dame schnell die Gurgel zu durchschneiden, und mit der Beute davonzueilen. Wenn aber das Tor zugesperrt gewesen und Donati mit all seinen Leuten über mich hergefallen wäre? E ließ sich nicht machen: Ein anderes Ereignis verdrängte diesen Gedanken aus meinem Kopf. Auf dem Schrank stand, bisher unbeweglich, ein schneeweißer Hahn, der plötzlich zu krähen anfing, auf die Tafel herunterflog und mit zwei Schlägen seiner breiten Flügel die beiden brennenden Wachskerzen auslöschte, sodass es im Saal ganz finster wurde.«

»Dies konnte nicht mit rechten Dingen zugehen, das sah ich wohl ein, ließ mir aber nichts anmerken. Die Dame war über das Treiben des Hahnes verärgert, jagte ihn von der Tafel weg und klopfte mit einem Schlüssel an die Wand, aus der eine kleine Flamme hervorzischte, welche nicht nur die beiden ausgelöschten Kerzen auf der Tafel, sondern auch alle Kerzen auf den zahlreichen Wandleuchtern anzündete. Der weiße Hahn stand wieder ganz ruhig auf dem Schrank.

»Die Dame trat vor mich hin, schaute mir mit ernster Miene in die Augen und fragte mich.

»Erlauchter Prinz! Hat euch der weiße Hahn keine Furcht eingejagt?«

»Laut lachend antwortete ich: Furcht? Stellt den Teufel mir gegenüber und ich fürchte ihn nicht! Bin ich doch selbst Teufel genug!«

»Die Dame schien bei diesen Worten aus innerem Ärger heraus, sich in mir getäuscht zu haben, zu beben. Aber ich gestand ihr gegenüber offen ein, dass ich gern wissen würde, was es mit diesem Hahn auf sich habe.

»Gerne will ich euch Aufschluss darüber geben, wenn ihr Mut genug habt, das Ende abzuwarten«, versetzte sie.

»Oh! Darüber seid unbesorgt, schöne Dame«, ant­wortete ich.

»Sie öffnete einen gewaltigen Schrank von sechs Flügeltüren mit zwölf Fächern. In jedem stand das Totengerippe eines Menschen. In ihren scheuß­lichen Gesichtern hingen noch halb eingetrockneten Fleischfetzen. Die Dame wies sie mit dem Finger auf sie, ohne ein Wort zu sprechen.«

»Sind das ägyptische Mumien?«, fragte ich ganz gelassen.

»Diese Frage machte sie betrübt und zornig, und statt einer Antwort gab sie dem näch­sten Gerippe mit dem Fuß einen Stoß, welches sich sogleich zu bewegen begann, mit dem linken Ellenbogen seinem entfleischten Nachbarn in die Seite stieß, und so einer den anderen, die ganze Reihe entlang. Dann riss jedes Gerippe aus dem Leibe des Nächstste­henden einen Knochen heraus. Alle zwölf Skelette sprangen klappernd aus ihren Schranknischen und drangen auf mich ein.«

»Ein rascher Blick auf die schöne Dame zeigte mir, dass sie nun wie eine alte, hässliche Hexe aussah, mit hakenförmiger Nase und spitzigem Kinn.«

»Da du dich nicht fürchtest, prahlerisches Prinzlein!«, schrie sie mit blitzenden Augen, »so zeige jetzt deinen Mut, sonst schlagen dich diese Grabgesellen mit ihren Knochen tot!«

»Wie Hagelkörner ließ ich die Hiebe meines Schwertes auf die Beingehäuse regnen. Aber ich fand kein Fleisch und kein Blut, und auch die Knochen brachen nicht entzwei. Ich sah ein, dass dieser ungleiche Kampf mich ermüden und zuletzt für mich nicht siegreich enden würde. Immer mich tapfer gegen ihre Streiche wehrend, von denen keiner meinen Leib traf, zog ich mich in den Gang zurück, erreichte die Treppe und den Hof, immer von den Gerippen verfolgt, die klappernd hinter mir humpelten, als wenn sie auf Stelzen gingen, sprang im vollen Lauf rückwärts in den Sattel meines Pferdes, das noch ruhig auf mich wartete, setzte über einen breiten Gra­ben, weil das Tor verschlossen war, und ritt dem Jagdschloss zu, ohne Hut und Mantel, die ich ihm Schlosshof verloren hatte.«

»In dem Augenblick, da ein Blitz neben mir in eine Tanne schlug, scheute mein Pferd, stolperte über eine vorragende Baumwurzel und stürzte. Ich flog über seinen Hals hinweg auf den Boden, ohne die geringste Verletzung, lief meinem Pferd nach, das mir den Weg wies. Da bin ich nun, in eurer Mitte!«

»Das hätte ein böses Ende nehmen können«, bemerkte Klotar.

»Pah!«, erwiderte Robert, »vielleicht für einen anderen, nicht aber für mich, der ich selbst ein Stück Teufel bin. Es war alles nur Hexenspuk, und ich hätte nur einen gewissen Namen aussprechen müssen, den gewisse Leute einen heiligen Namen nennen. Aber ich konnte es nicht übers Herz bringen.«

»Gewöhnliche Leute dürfen nicht mit dem Teufel spaßen«, sagte Manfred lachend, »ohne übel wegzukommen. Da fällt mir eben eine kleine lustige Geschichte ein, über die ich immer lachen muss, so oft ich daran denke.«

»Erzähle sie!«, riefen die anderen Gäste.

»Wenige Wochen vor der Zeit, zu welcher ich so dumm war, mich erwischen zu lassen, was mich auf die Galeere brachte, saß ich um Mitternacht mit meinen Kameraden in einer Räuberschenke im Wald bei Rochelle. Bei uns war auch ein Lump aus der Stadt, der den Verkauf der von uns geraub­ten Sachen besorgte und dabei seinen eigenen Vorteil nicht vergaß. So oft nun einer von uns einen Verdacht an seiner Ehrlichkeit äußerte, pflegte er immer seine Unschuld mit den Worten zu beteuern. ›Der Teufel soll mir die Nase schnäuzen, wenn es nicht wahr ist!‹ In der nämlichen Nacht fluchte er wenigstens zwanzig Mal mit diesen Worten, bis dem Teufel die Geduld ausging, der plötzlich durch den Kamin herunterrutschte, mit einer glühen­den Feuerzange des Fluchers Nase packte, ihn so um den ganzen Tisch herumführte, und dann wieder durch den Schornstein hinausfuhr. Im ersten Moment hielten einige den Spaß für die Privatrache eines Kaminfegers. Aber die meisten hatten die Hör­ner und Bocksfüße des Teufels so deutlich gesehen, dass an seiner Person nicht zu zweifeln war. Der arme Bursche musste ein paar Pfund Salben auf seine Nase schmieren, bis er seine Schmerzen verlor. Das Brandmal aber blieb ihm noch bis zu seiner Standes­erhöhung.«

»Was ist er denn geworden?«, fragte Lucia. »Er wurde gehängt!«, antwortete Manfred trocken, was ein allgemeines Gelächter erregte.

»Bei der ganzen Nasengeschichte wundert mich nur«, fuhr Manfred fort, »dass der Teufel diese Retourfahrt nicht benutzte, um wenigstens einen von uns mitzunehmen.«

»Dies wär ein überflüssiges Reisegepäck gewesen«, bemerkte Robert lachend, »das schon auf eigene Kosten zur gelegenen Zeit nachfolgt. Deswegen halte ich auch den Teufel nicht für so dumm, einen Vertrag mit einem Menschen einzugehen, ihn so und so viele Jahre mit allem zu bedienen, was er sich wünscht, und im Gegenzug seine Seele einfordert. Solche Seelen kommen nach und nach schon von selbst zum Teufel und ersparen ihm alle Kosten und Mühen.«

Solche frevelhafte Gespräche wurden noch bis zum Anbruch des Tages geführt.

Ein Postillion aus dem Marstall kam angerit­ten, mit einem kurzen Brief an Robert von seinem Vater, dem König. Dieser trug ihm auf, noch am Morgen zu einer wichtigen Unterredung zu ihm kommen.

»Ein Vater ist bisweilen etwas recht Lästiges«, äußerte Manfred, »wenn er überall mit sogenannten guten Lehren in den Weg tritt. An deiner Stelle …«

»Würdest du ihn aus dem Wege räumen, nicht wahr, Manfred?«

»Gewiss.«

»Ich dachte auch schon oft daran, und ich wäre sehr geneigt, mit eigener Hand mich zu einer Doppelwaise zu machen, da ich die zwei Personen wie die Pest hasse, die sich meinen Vater und meine Mutter nennen. Aber dann müsste ich König werden, und das mag ich nicht. Eben so wenig Lust habe ich, mein Königreich zu verschenken.«

»Aber warum willst du denn nicht König werden?«

»Weil ich dann mein bisheriges Leben nicht fortführen könnte, ohne fortwährend im Krieg mit den Nachbarstaaten verwickelt zu sein oder von meinem eigenen Volk umgebracht zu werden. Bisher erhielten die meisten, die durch mich verletzt wurden, eine reichliche Vergütung durch den König. Freilich kann er jenen, die ich getötet habe, kein neues Leben verleihen. Das tut aber nichts, es gibt immer noch Leute genug. Ich führe lieber als Königssohn mein bisheriges Trei­ben fort, als die Pflichten eines Königs zu erfüllen. Und nun lebt wohl! Im Paradies sehen wir uns wieder.«

Paradies nannten diese verruchten Bösewichter ihre Mörderhöhle.

Fünf Minuten später sprengte Robert der Residenz zu.