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Jackson – Teil 9

Die Straße der Ehre

Keine zehn Schritte vor mir öffnete sich plötzlich der Boden und spuckte ein Dutzend wütender Nayanos aus. Bevor ich zweimal blinzeln konnte, waren sie heran und rissen Yalla und mich auf die Beine.

Die Tatsache, dass wir beide nackt waren, schien ihre Wut nur noch mehr anzustacheln.

Ich bekam eine Faust ins Gesicht und wurde im gleichen Moment von einem Fußtritt in den Unterleib getroffen. Heißer Schmerz durchfuhr mich wie eine lodernde Flamme. Ich sackte zu Boden. Einer der Nayanos packte meine Arme und drehte sie mir auf den Rücken. Ein anderer griff in meine Haare und riss meinen Kopf in den Nacken.

Ich hörte Yalla schreien und sah aus den Augenwinkeln, wie man sie ins Dorf brachte.

Dann baute sich Gur vor mir auf. Seine gesamte rechte Gesichtshälfte, von der Schläfe bis zum Kinn, war eine einzige blaugrüne Schwellung. Er war rasend vor Zorn.

»Du bist Stück Dreck!«, schrie er wütend und spuckte mir ins Gesicht. »Deshalb du sterben wie Dreck!«

Er bückte sich, riss ein Büschel Gras aus dem Boden, zwischen dessen Wurzeln noch einige Klumpen Erde hingen, und stopfte es mir in den Rachen, bevor ich reagieren konnte. Dann presste er seine hornige Rechte auf meinen Mund und hielt mir gleichzeitig mit Daumen und angelegtem Zeigefinger die Nase zu. Ich hatte die Wahl, zu ersticken oder den Dreck zu schlucken.

Ich würgte, bis mir die Augen aus den Höhlen traten.

Unvermittelt bekam ich Hilfe. Einer der Männer, ein kleines, buckliges Kerlchen mit hervorstehenden Zähnen und dem Gesicht einer Ratte, kam auf uns zu und drückte Gurs Hand zur Seite. Ich spuckte und hustete wie ein Verrückter, um auch den letzten Rest an Gras und Dreck aus meinem Mund zu bekommen. Gleichzeitig richtete der Bucklige einige Worte an die Männer. An Gur, an den Mann, dessen Hand noch immer in meinen Haaren verkrallt war, und an den, der mir die Arme auf den Rücken verdreht hatte.

Seine meckernde Stimme klang gereizt. Wie sein Tonfall verriet, war er offensichtlich über etwas ziemlich verärgert. Obwohl ich nur einige zusammenhangslose Worte seiner Schimpftirade verstand, wusste ich, dass ich das Thema seiner Ausführung war.

Gur wartete, bis die Rede zu Ende war, dann spuckte er zu Boden. Die Wut stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, als er antwortete.

Ich war gelinde gesagt etwas überrascht, als er dabei in meine Sprache verfiel und nicht in seinen Stammesdialekt.

»Was soll das, Fumu? Er sterben, sofort!«

Der Bucklige schüttelte den Kopf. Seine Stimme klang ruhig, doch ungleich scharf, als er auf Gurs Forderung einging.

»Du dumm! Du nur wütend, weil er dich zu Boden geschlagen hat, schon zwei Mal und weil er Liebe gemacht mit Yalla.«

Gur war jetzt kurz davor zu platzen. Ein hasserfülltes Grummeln entstieg seiner Kehle und er starrte mich aus den Augenwinkeln heraus an, als wollte er mich auf der Stelle umbringen.

Aber er hielt sich zurück, nachdem Fumu auf mich zeigte und weiterredete.

»Er wichtig, er über viele Dinge weiß, die wir nicht kennen, wie Yalla. Wir können nicht totmachen, müssen erst reden.«

Obwohl es offensichtlich war, dass Gur seine Ansichten, erst einmal in Ruhe über die Sache zu reden, nicht teilte, fügte er sich seinen Anweisungen. Es hatte den Anschein, als ob der Bucklige im Stamm eine ziemlich große Nummer war.

Seltsam, er war während der ganzen Zeit, in der ich im Lager lebte, noch nie in Erscheinung getreten, oder ich hatte es verpasst.

Im Nachhinein war es egal, Hauptsache er war jetzt da und rettete mir meinen Arsch.

 

***

Sie hatten mich an einen Baum gebunden, nackt, wie ich war.

Ich musste die Arme um den Baum legen und dann schnürten sie meine Handgelenke so straff zusammen, bis zwischen dem Baum und meinem Bauch gerade noch zwei Fingerbreit Platz war. Unbequemer ging es nicht, aber das war nicht einmal das Schlimmste.

Obwohl der Baum außerhalb des Lagers auf einem kleinen Hügel stand und man neben mir eine Wache postiert hatte, kamen immer wieder ein paar von den alten Weibern aus dem Dorf herauf. Sie machten sich einen Spaß daraus, mir kleine Steinchen an den Kopf zu werfen.

Manche von ihnen steckten mir auch ihre Finger in den Hintern oder rieben ihre Brüste an mir. Die Wache quittierte das Treiben mit schadenfrohem Gelächter.

Ich brüllte, um an meiner Wut nicht zu ersticken. Noch nie in meinem Leben kam ich mir so gedemütigt und erniedrigt vor. Und auch diesmal war es Fumu, der mich aus dieser beschämenden Lage rettete.

Eines der Weiber, eine faltige, einarmige Alte, war gerade dabei, mich mit einem Dornenzweig zu piesacken, als der Bucklige mit drei weiteren Männern auf der Bildfläche erschien. Er sagte etwas zu der Alten, was diese mit einem schrillen Keifen beantwortete.

Fumu erwiderte daraufhin nichts, aber er gab einem seiner Begleiter ein Zeichen. Der Mann, ein Baum von einem Kerl, grunzte fröhlich und trat der Hexe derart in den Arsch, dass sie fast einen Yard weit nach vorne flog und mit dem Gesicht voraus in den Dreck fiel.

Die Alte richtete sich sofort wieder auf und rannte Gift und Galle spuckend ins Dorf zurück.

Ihr Keifen klang noch in meinen Ohren, als mich Fumus Begleiter längst von meinen Fesseln befreit hatten.

»Müssen reden!«, sagte er knapp.

Wir setzten uns in einem Halbkreis zu Boden und alle starrten mich an.

Fumus Gesicht war ernst und verkniffen, als er zu reden begann.

Wie ernst die Lage war, erkannte ich daran, dass er sich bemühte, mir die Situation in meiner Sprache und mit flüssigen Worten darzulegen.

»Ich habe es versucht, aber Gur und die anderen wollen deinen Tod. Du hast gegen Gesetze verstoßen. Du hast Yalla berührt.«

Einem ersten Impuls folgend wollte ich von ihm wissen, wie er sich denn wohl verhalten hätte, wenn eine attraktive, zudem völlig nackte Frau auf seinem Schoß sitzen und an ihm herumfummeln würde.

Wahrscheinlich nicht anders als ich, es sei denn, er war stockschwul oder so gefühlvoll wie ein Eisblock. Aber ich schluckte es wie eine schleimige Kröte hinunter und fragte ihn stattdessen: »Und was geschieht jetzt mit mir?«

»Du musst die Straße der Ehre beschreiten. Mehr konnte ich nicht für dich tun.«

Der Gesichtsausdruck, den ich daraufhin an den Tag legte, war wohl alles andere als intelligent. Fumu versuchte daraufhin, mir meine Situation zu erklären, indem er mit einem Zweig ein paar Bilder in den Sand zeichnete, die er mit knappen Erklärungen kommentierte.

Wie ich seinen Worten entnehmen konnte, galt Yalla bei den Nayanos als etwas Besonderes. Ihr Wissen und ihr geistiger Horizont übertrafen alle im Lager, was ich nur bestätigen konnte.

Sie war deshalb dazu auserkoren, ein Kind von dem neuen Häuptling zu empfangen, der in den nächsten Tagen vom Ältestenrat des Stammes gewählt wurde.

Auch Gur hatte sich dabei gewisse Hoffnungen gemacht, was seinen unbändigen Hass auf mich erklärte. Jetzt aber hatte Yalla ihre Jungfräulichkeit verloren, noch dazu durch einen Fremden. Damit wurde sie als ungeeignet angesehen, den künftigen Führer der Nayanos zu gebären. Ihre Stellung im Stamm verhinderte aber eine drastische Bestrafung, wahrscheinlich würde man sie nur verbannen.

Im Gegensatz zu mir, dem man die ganze Verantwortung zugeschoben hatte, und der jetzt dafür den Kopf hinhalten musste. Es gab anscheinend nicht wenige im Lager, die mich lieber heute als morgen tot sehen wollten. Nicht so Fumu, irgendwie schien er zu ahnen, dass es da draußen, außerhalb des Kosmos der Nayanos, noch etwas gab, das jenseits aller Vorstellungskraft lag.

Dennoch hatte er meinen Tod nicht verhindern können, denn dass ich die Prüfung auf der Straße der Ehre überleben würde, war so gut wie ausgeschlossen.

Als er meine Reaktion ob seiner Ausführungen bemerkte, verdüsterte sich sein Gesicht.

Er erzählte mir etwas von bösen Geistern, Stammesgesetzen und Gottesurteilen.

Ich grinste weiter, ich war nicht mehr gefesselt und bekam langsam wieder Oberwasser. Aber als er mir erklärte, was es mit der Prüfung auf sich hatte, fiel mir das Grinsen aus dem Gesicht.

Die Straße der Ehre war ein schmaler Streifen, der von einem hüfthohen Zaun umgeben war. Ungefähr zwei Schritte breit und knapp fünfzig Schritte lang, ihn galt es zu durchqueren.

Begleitet wurde man dabei von einem Dutzend auserwählter Krieger, die außerhalb des Zaunes darauf warteten, mit Holzprügeln und Dornenzweigen so heftig auf einen einzuschlagen, bis diese zerbrachen.

War das Ziel erreicht, hatte man durch die Hand der Götter seine Ehre wieder erhalten, und alles, was bisher geschehen war, wurde vergessen.

»Wo ist das Problem?«, fragte ich keck. »Dann muss man eben etwas schneller laufen.«

Fumu lachte bitter. »Dann kommst du keine drei Schritte weit und du bist tot.«

Als er meinen fragenden Blick bemerkte, zeichnete er eine Skizze der Straße der Ehre in den Sand. Fumu war ein begabter Zeichner. Als er mit dem Bild fertig war, hatte ich das Gefühl, als steckte ein Kloß in meiner Kehle.

Es gab bis zum Ziel hin nur wenige Möglichkeiten, einen Fuß auf den Boden zu setzen, ohne sich zu verletzen. Der Rest des gesamten Weges war mit fingerlangen, giftigen Dornen, zugespitzten Holzpflöcken und scharfkantigen Felssplittern bedeckt. Man musste wie auf Eiern gehen und gab den Kriegern am Zaun somit alle Zeit der Welt, einen tot zuprügeln. Fumu hatte diesem Gottesurteil bereits fünf Mal beigewohnt, überlebt hatte es bisher keiner.

 

***

Das Volk tobte.

Fast alle Nayanos hatten sich unweit der Umzäunung versammelt, die man innerhalb eines Tages scheinbar aus dem Nichts aufgezogen hatte.

Eine Handtrommel wurde geschlagen und dann stampften Dutzende von Füßen den Takt eines wilden Liedes in den Boden. Als der kehlige Singsang seinen Höhepunkt erreichte, wurde ich zur Straße der Ehre gebracht. Ich war nackt, wie mich Gott erschuf.

Am Start dieses mörderischen Laufs wartete Tano auf mich. Sein Gesicht wirkte streng, doch in seinen Augen vermeinte ich, so etwas wie Mitleid zu erkennen.

»Man hat dich zu der Straße der Ehre gebracht, weil du einer schändlichen Tat angeklagt bist. Eine Tat, die alle Nayanos und ihre Gesetze beleidigt hat. Du wirst jetzt die Straße der Ehre entlang gehen, damit wir sehen, ob diese Tat auch die Götter beleidigt hat. Falls du das Ziel lebend erreichst, wird kein Nayano fortan die Hand gegen dich erheben, jedoch wirst du von unserem Angesicht verbannt werden. Die auserwählten Krieger werden dafür sorgen, dass du laufen wirst, oder sie schlagen dich tot.«

Dann drehte er sich um und gab den Kriegern am Zaun ein Zeichen.

Jeder von ihnen hielt irgendeinen Stock, einen Dornenzweig oder einen zugespitzten Tierknochen in der Hand. Es gab dabei nur wenige Gesichter, die nicht vor Hass oder Schadenfreude glühten. Sie schrien mir Schmähungen zu, als Tano das Zeichen zum Start gab.

Ich ignorierte das Signal, weil meine Augen inzwischen Yalla ausgemacht hatten. Sie stand unweit von der Umzäunung neben einem blattlosen Strauch. Sie war nicht alleine, zwei alte Weiber befanden sich in ihrer Begleitung. Als sie bemerkten, dass ich ihr zuwinkte, zerrten sie Yalla fort.

Ich drehte mich um, spuckte den wartenden Kriegern entgegen und sprang mit einem wilden Schrei auf die Straße der Ehre.

 

Fortsetzung folgt …

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