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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jackson – Teil 1

Der Auftrag

»Warum zum Teufel immer ich?«

William Elias Borthwick, Inhaber von Borthwick International Service & Security setzte sein finsterstes Chefgesicht auf.

Daraufhin beschloss ich, die Klappe zu halten, wenigstens vorläufig.

Das letzte Mal hatte mein Vorgesetzter diese Miene 2008 während der Weltwirtschaftskrise aufgesetzt, kurz bevor er mir mein Weihnachtsgeld und die Spesen gestrichen hatte.

Heute erzählte er mir mit dem gleichen Gesicht etwas von Jerome, einem gottverdammten Minencamp, das irgendwo am Arsch der Welt lag. Genauer gesagt in den unerforschten Weiten von Down Under, am Rande der Gibsonwüste, was aber letztendlich auf dasselbe hinauslief.

Nachdem er mit seinen Ausführungen am Ende war, musste ich das Gehörte erst einmal verdauen. Irgendwie überkam mich dabei das Gefühl, dass ich nur die Wahl hatte, mich seinen Anweisungen zu fügen oder zu kündigen.

Ein Scheißgefühl.

Einerseits hatte ich nicht die geringste Lust, mich schon wieder mit wildfremden Leuten herumzuärgern, andererseits waren für einen 39jährigen Ex-Soldaten, Bodyguard und Taxifahrer Jobs wie mein jetziger ziemlich dünn gesät.

Ich hatte nämlich nicht viel mehr gelernt, als Auto zu fahren, mit einer Waffe umzugehen und meine Faust dorthin zu setzen, wo es schmerzt.

Wie auch?

Ich war noch ein kleines Kind, als meine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Danach wurde ich in der Verwandtschaft wie ein lästiges Anhängsel herumgereicht.

Ich wuchs mal hier, mal da auf, mal bei den Großeltern, mal bei einer Tante oder irgendeinem Onkel. Sie können mir glauben, meine Jugend war alles andere als ein Zuckerschlecken.

Nach dem Armeedienst zog ich planlos in der Weltgeschichte umher und schrammte dabei mehr als einmal haarscharf an der Gesetzlosigkeit vorbei. Ich erlebte genug Not und Elend, dass es bis an mein Lebensende reichte. Als es mir wieder einmal ziemlich beschissen ging, brach ich alle Brücken hinter mir ab, fuhr nach London und klapperte gefühlte einhundert Firmen ab. Ich nahm den erstbesten Job an, der mir angeboten wurde, nämlich den eines Sicherheitsagenten bei Borthwick Security.

Das war vor etwas mehr als zehn Jahren.

Inzwischen nannte ich eine Wohnung in einem der besseren Vororte Londons mein Eigen, fuhr einen gediegenen Mittelklassewagen und besaß eine Jahreskarte für das Upton Park Stadion, wo ich von der Südtribüne aus die Heimspiele von West Ham United verfolgen konnte.

Ich hatte sozusagen mein Plätzchen gefunden.

Mein Name ist übrigens Adam Jackson.

Warum ich Ihnen das alles erzähle?

Ganz einfach, weil hier im Büro meines Chefs eine Geschichte ihren Anfang nahm, die so verrückt ist, dass sie mir wahrscheinlich nie jemand glauben wird.

Trotzdem möchte ich darüber reden. Ich will nicht, dass später einmal von mir gesagt wird, ich sei ein Lügner gewesen.

Denn sie war Wirklichkeit, so wirklich, dass es beinahe schmerzte.

 

Alles begann auf den Tag genau heute vor zwei Jahren.

Es war ein Mittwoch. Ich weiß das deshalb noch so genau, weil es für Mitte Juni ein ungewöhnlich kalter und verregneter Tag war.

Verdammt, was hatte Borthwick nur geritten, mich nach meinem Einsatz auf einer Ölplattform in der Nordsee zwei Tage später in den australischen Busch zu schicken?

Er sagte es mir, während er sich mit der Rechten durch seinen Bart fuhr.

Borthwick war ein hoch aufgeschossener, asketisch wirkender Mann mit einem hageren Gesicht und dunklen Augen, die immer dann zu glühen schienen, wenn er zu sprechen begann.

»Ich kenne niemanden, der diesen Job sonst übernehmen könnte. Außerdem weiß ich gar nicht, warum Sie sich so anstellen, Jackson. In Zeiten von Internet und Smartphone ist selbst ein Ort wie Jerome nicht mehr aus der Welt.«

Ich verzog das Gesicht, lehnte mich in dem Besucherstuhl zurück und strich mit den Fingerspitzen vorsichtig über jene Stelle am Kopf, an der sich bis gestern noch ein dickes Pflaster befunden hatte. Ein Schichtführer besagter Ölplattform hatte versucht, meine Schädeldecke mit seinem Vorschlaghammer zu malträtieren, bevor ich ihn mit zwei Kugeln aus meiner Walther PPK hatte umstimmen können. Der Grund seines unfreundlichen Benehmens waren Unterlagen, mit denen ich ihm beweisen konnte, dass er seinen Arbeitgeber nach Strich und Faden betrog.

»Also gut«, sagte ich nach einem Moment des Nachdenkens. »Und um was geht es genau?«

Borthwick grinste.

Ein neutraler Beobachter hätte dieses Lächeln vielleicht für wohlwollend und milde gehalten, für mich wirkte es eher diabolisch.

»Wie ich bereits erwähnte, besitzt die Stanford Company Niederlassungen in der ganzen Welt. Eine davon liegt in Jerome. Dort befindet sich eine Aufbereitungsanlage für seltene Bodenvorkommen und Metalle und dort verschwinden im Moment beinahe täglich irgendwelche Maschinen oder Metalle. Der Schaden geht jetzt schon in die Zehntausende. Jeder in unserem Haus weiß, dass dieser Konzern einer der wichtigsten Kunden unseres Unternehmens ist, um nicht zu sagen der wichtigste. Ich musste also handeln, nachdem ich angerufen wurde. Ich habe der Geschäftsleitung meinen besten Mann versprochen. Sie werden also noch heute nach Perth fliegen. Dort wird Sie jemand von Stanford in Empfang nehmen und einweisen.«

Ich seufzte.

»Muss das sein? Eigentlich wollte ich mir ein paar Tage freinehmen. Wie Sie wissen, komme ich gerade erst von einem Auftrag zurück, der mich beinahe den Kopf gekostet hätte.«

Um den Stellenwert meiner Aussage zu untermauern, deutete ich seufzend auf die Wunde auf meinem Schädel und setzte eine bedauernswerte Miene auf. Da ich aber insgeheim wusste, dass ich mit derartigen Gesten bei meinem Chef kein Mitleid erregen konnte, war ich von seiner Reaktion auch nicht sonderlich enttäuscht.

Borthwick antwortete mit einem Grinsen, bei dem selbst der Teufel vor Neid erblasst wäre.

Eine Sekunde später beugte er sich nach vorne und klatschte mit der Hand auf den Schreibtisch, dass es nur so knallte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Unterhaltung für ihn beendet war; ich kannte meinen Chef inzwischen lange genug.

»Stellen Sie sich nicht so an, Jackson, tun Sie einfach das, was ich Ihnen sage und wir kommen weiterhin bestens miteinander aus. Verdammt, warum muss ich eigentlich immer erst laut werden? Sie wissen doch, wie sehr ich es hasse, gegenüber meinen Mitarbeitern ständig den Chef herauszukehren.«

Ich seufzte erneut.

»Ungefähr so sehr, wie es eine Hure hasst, Geld fürs Vögeln zu nehmen.«

 

***

 

Der neue Auftrag stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

Es war Sommer, aber scheinbar hatte man vergessen, auch Petrus davon zu erzählen, denn es war ungewöhnlich kühl und es regnete. Nicht unbedingt stark, aber stetig genug, um mir das Hemd am Leib kleben zu lassen, noch bevor ich mich auf den Rücksitz des Taxis fallen ließ, das mich zum Flughafen bringen sollte.

Als ich durch das Eingangsportal des Airports trat, zeigte mir ein kurzer Blick auf die Uhr, dass es bis zum Check-in noch eine gute Stunde hin war, also Zeit genug, das nasse Hemd gegen ein trockenes einzutauschen. Möglichkeiten dazu gab es auf der Shopping-Meile des Londoner Heathrow Airport mehr als genug.

Ich enterte den nächstbesten Laden und erstand bei einer langbeinigen Schönheit ein Businesshemd mit dazu passender Krawatte, das ich gleich anbehielt, als das Schicksal erneut seine schlechte Laune an mir ausließ. Es begann damit, dass mein Blick immer noch auf dem atemberaubenden Fahrgestell der Verkäuferin ruhte, obwohl ich mich längst wieder auf dem Weg nach draußen befand. Da ich hinten keine Augen habe, blieb es nicht aus, dass ich kurz darauf jemanden anrempelte. Ich stieß mit einem stämmigen, untersetzt wirkenden Mann zusammen, der eine junge Frau hinter sich herzerrte und dabei ständig auf sie einredete.

Unvermittelt blieb ich stehen.

Französisch war nicht unbedingt meine Stärke, aber der Tonfall des Untersetzten hätte selbst einem Idioten aufgezeigt, dass hier etwas nicht in Ordnung war. Die Stimme des Mannes hob sich immer mehr, während er die junge Frau so fest an den Armen packte, dass sie einen Schmerzenslaut ausstieß. Das ungleiche Paar wurde bereits kopfschüttelnd von den vorübergehenden Passanten gemustert.

Mein Blick wurde starr.

Ich tippte mit dem Zeigefinger der Rechten grüßend gegen meine Stirn und sagte: »Kann ich Ihnen behilflich sein, Madam? Mein Name ist Jackson, Adam Jackson.«

Die Frau antwortete nicht.

Stattdessen ließ der Franzose ihre Arme los und drehte sich um.

»Scher dich zum Teufel!«, zischte er in holprigem Englisch.

Den Gefallen konnte ich ihm leider nicht tun. Ich war zwar als ziemlich harter Hund bekannt, aber auch für mich gibt es Grenzen, vor allem was Frauen und Kinder betrifft.

Und das sagte ich ihm auch.

Daraufhin schob er seine Begleiterin mit einer beiläufigen Bewegung zur Seite und baute sich, obwohl er mehr als einen Kopf kleiner war wie ich, drohend vor mir auf.

»Hast du Bohnen in den Ohren? Verschwinde endlich oder ich verpass dir eine.« Dabei ballte er drohend die Fäuste und wippte angriffslustig auf den Zehenspitzen.

Ich trat auf ihn zu und musterte den Kerl mit einem gutmütigen Grinsen.

»Vorsichtig Freundchen …«

Seine Faust kam ansatzlos und zielte auf meine Magenpartie. Aber damit konnte er mich nicht überraschen. Ich wich einfach einen halben Schritt zur Seite und riss den Fuß hoch.

Als die metallverstärkte Spitze meines Lederslippers an seine Kronjuwelen klopfte, übertönte sein Gejaule selbst die Lautsprecherdurchsagen in der Flughafenhalle.

Augenblicklich waren tausend Augen auf uns gerichtet.

Die Frau warf einen erschrockenen Blick auf mich, drehte sich um und lief wortlos davon.

Ich zuckte mit den Schultern und seufzte. Ihr Verhalten enttäuschte mich schon ein bisschen, ich hatte mir wenigstens ein kleines Dankeschön erhofft.

Ich drehte auf dem Absatz um und tauchte in den Strom der vorbeiziehenden Menschenmassen ein, bevor irgendein übereifriger Sicherheitsbeamter damit beginnen konnte, mir dumme Fragen zu stellen. Seit 9/11 verhielt sich das Wachpersonal gerade auf Flughäfen gelinde gesagt etwas sensibel.

 

***

 

Der Flug war lang und anstrengend.

Das lag aber nicht so sehr an der Fluggesellschaft oder der Maschine, sondern vielmehr an meinem Arbeitgeber. Es wäre für meine Firma ein Leichtes gewesen, mir ein Ticket für die Business Class zukommen zu lassen, aber was solche Dinge betraf, war Borthwick Security schon immer ein knauseriger Verein.

So musste ich mich mit der Holzklasse zufriedengeben, wo alle dicht gedrängt wie die Hühner auf der Stange saßen, und dementsprechend gerädert kam ich dann in Down Under an.

Der Mitarbeiter von Stanford Company, der mich kurz nach der Landung in Perth in Empfang nahm, war eine Frau.

Allerdings eine von der kompakten Sorte.

Amelia Bedlington war, gelinde ausgedrückt, etwas korpulent und aufgetakelt wie eine Fregatte. Dazu verströmte sie eine Aura aus Parfüm und Schweiß, sodass mir ihre Nähe die Luft zum Atmen nahm. Aber das i-Tüpfelchen war die Stimme.

Die Speckbacke hatte ein Organ wie ein Nebelhorn.

Wie ich ihrem Geschrei entnehmen konnte, saß die firmeneigene Maschine von Stanford Company in Jerome wegen einer defekten Ölleitung fest. Anscheinend gab es jedoch eine private Chartergesellschaft, die mit einer zweimotorigen Piper regelmäßig Arbeiter, Ersatzteile und Proviant in das Minencamp flog.

Ich nickte, ergab mich in mein Schicksal und folgte Amelia, die mich zielstrebig zum Firmensitz besagter Charterfirma führte. Die Räumlichkeiten lagen im nördlichsten Teil des Flughafengeländes, wo Dinge wie Service und Bequemlichkeit Fremdwörter waren. In diesem abgelegenen Abschnitt gab es nichts außer kahlen Wänden, einen gefliesten Boden und blau gepolsterte Metallstühle.

Das Klack-Klack unserer Absätze hallte seltsam hohl durch den Flughafentrakt, während wir die Stuhlreihe ansteuerten.

Als wir unser Ziel erreicht hatten, blickte ich einen Moment lang konsterniert in die Runde. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die ganze Szenerie wirkte irgendwie kalt und gekünstelt.

»Der nächste Flug geht erst in einer Stunde«, plärrte Amelia. »Solange müssen wir hier warten.«

Ich zuckte zusammen. Ich hatte mich noch immer nicht an das Brüllen gewöhnt, das wohl ihre normale Sprechweise war.

Mein vorgerecktes Kinn deutete auf die Büroräume der Charterfirma.

»Ist der Laden denn nicht ständig besetzt?«

Die Bedlington schüttelte kurz den Kopf. »Die Firma besteht nur aus drei Leuten und einem Flugzeug. Das Büro ist deshalb nur unmittelbar vor dem Abflug oder der Landung der Maschine geöffnet.«

»Also noch Zeit genug für einen Kaffee«, sagte ich und parkte meine Reisetasche auf einem der Stühle. »Wollen Sie auch einen?«

Sie schüttelte den Kopf, ich zuckte mit den Schultern. Dann eben nicht.

Ich steuerte den nächsten Shop an, um einen Becher Kaffee zu ordern. Der Preis war zwar unverschämt, aber dafür war das Gebräu genau nach meinem Geschmack. Die Brühe war so schwarz wie William Borthwicks Seele, heiß wie die Hölle und stark genug, um ein Hufeisen darin schwimmen zu lassen. Meine Lebensgeister kehrten bereits nach dem ersten Schluck wieder zurück.

Es dauerte dann eine geraume Zeit, bis ich den Becher ausgetrunken hatte. Der Kaffee war, wie schon erwähnt, ziemlich heiß, genauer gesagt so heiß, dass man allein schon bei seinem Anblick Brandblasen bekam.

Als ich wieder zum Büro der Charterfirma zurückkehrte, war der Laden mit Leben erfüllt. Den Gesten der drei Figuren nach zu urteilen, die dort nervös hin und her liefen, stand der Start der Piper, die uns nach Jerome bringen sollte, anscheinend unmittelbar bevor.

Tante Bedlington war gleichfalls nervös. Wie eine Raubkatze, der man auf den Schwanz getreten war, tigerte sie zwischen der Stuhlreihe und dem Büro der Fluglinie umher. Aber nicht, weil ich erst jetzt wieder auf der Bildfläche erschien, sondern weil sie salopp gesagt den Eindruck machte, als ob sie die Hosen voll hatte.

Minuten später wusste ich auch warum.

Die Frau hatte eine geradezu panische Angst vorm Fliegen.

Eigentlich hätte es mir bereits auffallen müssen, als sie mich abholte und erst recht, während wir durch die Wartehalle des International Airport von Perth gewandert waren.

So aber brachte mir erst die Bemerkung von einem der Firmenmitarbeiter die Erleuchtung, worauf dieser von Amelia mit einem Blick bedacht wurde, der selbst die Hölle hätte zufrieren lassen.

Ihr Gesicht wurde immer bleicher, als wir zum Flugzeug gingen und abseits von den großen Rollfeldern in die silbergraue Piper Turboprop der Charterfirma kletterten, die sich hochtrabend Western Australian Airlines nannte.

Kaum in der Maschine angelangt, klammerte sie sich an ihrem Sitz fest, als wäre das Flugzeug ein vom Sturm geschütteltes Fischerboot auf hoher See. Sie blickte stur vor sich hin und ich bekam allmählich die Befürchtung, dass sie der Schlag treffen würde, noch bevor die Maschine abhob.

Beim Start presste Amelia knirschend ihre Zähne zusammen und offenbarte eine Gesichtsfarbe, die mich an eine frisch gekalkte Wand denken ließ.

Nachdem die Piper abgehoben hatte, drehte ich den Kopf und ließ meinen Blick durch das Flugzeug gleiten. Alle Sitze in der Maschine waren leer, bis auf den vordersten, der von einem hässlichen Blondschopf belegt war.

Logisch, wen zog es schon freiwillig in dieses abgelegene Minenkaff?

Also blickte ich wieder zur Bedlington.

Inzwischen hatte sie sich etwas entspannt. Jedenfalls war das meine Vermutung, nachdem allmählich wieder so etwas wie Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt war.

»Darf man fragen, warum ausgerechnet Sie mich abgeholt haben?«

Normalerweise bin ich nicht der Typ, der sich gerne mit jemandem unterhält, der einen zweiten Stuhl benötigt, um neben mir zu sitzen, und dabei wie ein Iltis riecht. Aber eine Konversation mit dieser Person erschien mir immer noch interessanter, als auf die verschwommenen Konturen der Einöde zu starren, die unter uns am Fenster vorbeihuschte.

Vor uns lag ein langer Flug und der Blonde vor mir war nicht nur abgrundtief hässlich, sondern auch so schweigsam wie ein Grab.

»Warum wollen Sie das wissen?« Amelias Stimme klang ziemlich schrill.

»Sie wussten doch, dass man ein Flugzeug benötigt, um von Perth nach Jerome zu kommen. Ich meine, bei ihrer Aversion gegen das Fliegen …«

»Ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein«, unterbrach sie mich. »Also mache ich das, was mein Boss mir sagt.«

Irgendwie kam mir das bekannt vor, scheinbar gab es überall auf der Welt einen Borthwick.

Bevor ich die Unterhaltung fortsetzen konnte, zog die Frau eine weiße Plastikbox aus dem Inneren ihrer Umhängetasche und öffnete sie. Dabei kamen ein paar belegte Sandwichscheiben zum Vorschein, deren Größe und Gewicht wahrscheinlich genügt hätten, um die nächste Hungerkatastrophe in der Sahelzone zu beenden.

Offensichtlich ihre Art, Flugangst zu bekämpfen.

Der Geruch von Mixed Pickles und Schinken stieg mir in die Nase.

Sie schob sich eines der Riesenbrote fast bis zur Hälfte in den Mund und begann sofort zu kauen. Als sie mich wieder anblickte, glänzten ihre kleinen Schweinsäuglein wie poliertes Stiefelleder, während ihre Kiefer Schwerstarbeit verrichteten.

Ich verzichtete daraufhin, unser Gespräch zu vertiefen, lehnte mich stattdessen in meinem Sitz zurück und schloss die Augen.

Der Flug nach Perth steckte mir immer noch in den Knochen. Zeitumstellung und Temperaturunterschiede trugen ein Übriges dazu bei, um mich ziemlich schnell einschlafen zu lassen.

 

***

 

Ich wurde wach, weil irgendein Idiot an meinem Sitz rüttelte. Falsch, nicht an meinem Sitz, sondern am Flugzeug. Da ich nicht angeschnallt war, flog ich, kaum dass ich die Augen öffnete, nach vorne und küsste mit der Stirn die Rückenlehne meines Vordersitzes.

Einen Moment lang sah ich bunte Sternchen.

Ich unterdrückte einen wilden Fluch, warf einen Blick nach draußen und wusste Bescheid.

Während ich geschlafen hatte, waren wir direkt in ein Unwetter hineingeflogen. Unzählige Blitze überzogen den nachtschwarzen Himmel mit einem schwefelgelben Netz. Ein heftiger Wind schleuderte Regen gegen das dünne Blech der Flugzeughülle und der rollende Donner des Gewitters erfüllte selbst die Kabine unserer Maschine bis in den hintersten Winkel.

Aus dem gemächlichen Dahingleiten der Piper waren inzwischen ständige Schlenker nach rechts und links geworden. Der Pilot ließ Flüche vom Stapel, die selbst dem Türsteher eines drittklassigen Vorstadtpuffs die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte.

Vor meinen Augen schien die Welt unterzugehen, ich wurde durchgeschüttelt wie ein Cocktail in einem Shaker und neben mir kreischte Speckbacke in den höchsten Tönen. Ich kam mir vor wie in einem Irrenhaus. Kurz bevor mein Trommelfell zu platzen drohte, erhob sich vor mir der Blonde aus seinem Sitz.

Jesus, was sah der Typ scheiße aus. Er hatte ein Gesicht, das mich an eine Schüssel Teig erinnerte, die man an die Wand geklatscht hatte, dazu Tränensäcke und einen Schnurrbart, der mindestens zwei Pfund wiegen musste. Der Kerl war schätzungsweise um die fünfzig und hinkte, während er auf mich und die fette Heulboje zukam.

Unvermittelt blieb er neben uns stehen.

Er legte seine Hand auf die Nackenlehne meines Vordersitzes, um sich einen festen Stand zu verschaffen, was bei dem Geschaukel gar nicht so einfach war. Dann nickte er mir zu und begann die kreischende Tante neben mir zu mustern. Sein Gesicht wurde dabei immer verkniffener und seine Augen versprühten Blitze.

Was danach kam, sollte ich mein Leben lang nicht mehr vergessen.

Der Mann holte aus und schmierte der Dicken ein Kaliber an die Backen, dass ihr feister Schädel nur so wackelte. Sekunden später waren dort alle fünf Finger zu sehen, erst weiß, einen Atemzug später knallrot. Schlagartig war Ruhe, wenn man einmal vom Toben der Elemente absah. Die Augen Amelias füllten sich mit Tränen, während sie sich die Wange hielt und nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Als sich ihr Mund zu einem Protest öffnen wollte, starrte sie der Blonde nur an.

»Schnauze jetzt!«, sagte er eisig.

Was sie daraufhin sagen wollte, erfuhr ich nie, denn in diesem Moment kippte die Piper zur Seite und schmierte komplett ab.

 

Fortsetzung folgt …

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