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Jimmy Spider – Folge 14

Jimmy Spider und der Bluthenker vom Popocatépetl

Es war wie immer: Braucht man keinen Urlaub, bekommt man welchen, braucht man aber welchen, bekommt man keinen. So war es auch bei mir der Fall. Anstatt die sonnigen Strände der Malediven zu genießen, stand ich einsam auf einem Berg mitten im Nirgendwo und wartete auf einen namenlosen Psychopathen.

Meine Laune als unter dem Tiefpunkt zu bezeichnen, war noch milde ausgedrückt. Der Starlight Inn-Überfall war ein wirkliches Desaster gewesen, nicht nur für die Räuber. Deren Anführer blieb bisher spurlos verschwunden. Es gab keine Anhaltspunkte auf seinen Verbleib, und seine Komplizen konnte ich nicht mehr fragen, denn sie waren alle tot. Dazu kam, dass Vince Black auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben war und mir schließlich auch noch Tanja Berner Vorwürfe gemacht hatte, dass ich sie schwer bewaffnet zu einem Rendezvous eingeladen hatte. Dementsprechend hatte sie auf Beschwichtigungen meinerseits vorerst verzichtet und Urlaub genommen, der – wie sollte es anders sein – natürlich genehmigt wurde.

Tja, nun stand ich hier, auf dem Popocatépetl.

Den Job, den ich hier in Mexiko zu erledigen hatte, konnte man nur mit drei zugedrückten Augen als solchen bezeichnen. Sechs Menschen waren innerhalb weniger Wochen hier geköpft aufgefunden worden. Wissenschaftler, Touristen, Einheimische. Der Mörder war wahrhaftig nicht wählerisch. Die örtliche Presse hatte ihn bereits Bluthenker getauft.

Journalisten haben eben eine überschaubare Fantasie.

Ich griff kurz an meinen rechten Arm, der mit Mullbinden umwickelt war (was man durch meine Kleidung zum Glück nicht sehen konnte) und noch immer schmerzte.

Um es genau zu nehmen, befand ich mich auf einem Felsvorsprung. Wer das Bedürfnis hätte, diesen zu übertreten, würde einige Hundert Meter stilvoll in die Tiefe gleiten, bevor er an den darunter liegenden Felsen zerschellen würde. Sehr rosige Aussichten, aber für Selbstmordkandidaten eine willkommene Eintrittskarte zum nächstgelegensten Friedhof.

An diesem Ort waren die letzten drei Opfer, drei Vulkan-Wissenschaftler, gefunden worden. Die örtliche Polizei, deren Fantasie offensichtlich die der Journalisten noch unterbot, ging davon aus, dass der Serienmörder an den Ort seines Verbrechens zurückkehren würde, und hatte mir die Ehre überlassen, das Empfangskomitee zu spielen.

Diese Gesetzeshüter hatten eine geradezu hündische Angst gehabt, als sie von dem Psychopathen gesprochen hatten. Als wäre er der Teufel persönlich.

Ich schaute auf meine Uhr. Schon fast Abend, und noch immer keine Spur von dem Bluthenker. So langsam hegte ich die Befürchtung, dass ich noch einen Tag länger in dem Hotel in dem kleinen Ort in der Nähe des Berges übernachten würde müssen, gegen das die Toilette des Starlight Inn noch ein Palast für die Götter gewesen war.

Endlich – wahrlich – hörte ich Schrittgeräusche, dazu ein Stöhnen. Hatte sich der Serienmörder endlich dazu genötigt gefühlt, wieder auf Kopfjagd zu gehen? Sollte mir recht sein, denn je schneller ich diesen äußerst anspruchsvollen Job hinter mich brachte, desto schneller konnte ich in schönere Gefilde verschwinden.

Nicht einmal das Wetter hatte ein Einsehen mit mir gehabt. Seit ich hier angekommen war, hing am Himmel eine undurchdringliche graue Wand, die sich offenbar meinem Gemütszustand angepasst hatte.

Die Schritte des Ankömmlings wurden lauter, und schließlich sah ich eine Gestalt auf mich zuschreiten.

Ein Glatzkopf in Mönchskutte, mit einem grenzdebilen Gesichtsausdruck und einem Beil, das schon das Körpergewicht des Serienmörders zu überschreiten schien.

»Ah, ein frischer Kopf für meine Klinge.«

Sprechen konnte der Gute also auch noch. Das konnte ja heiter werden.

Ich allerdings hatte wenig Lust auf einen munteren Plausch. »Lass es uns hinter uns bringen. Ich hab Besseres zu tun, als mich mit Typen wie dir abzugeben.«

Meine Aussage schien dem Ankömmling nicht gepasst zu haben, denn der Glatzkopf kam immer schneller und mit einem wenig freundlichen Gesichtsausdruck auf mich zu.

Ich ging rückwärts auf den Felsvorsprung zu. Als ich gut einen Meter von der Klippe entfernt war, blieb ich stehen. Auch der Bluthenker ging nicht mehr weiter.

Als ich versuchte, an ihm vorbeizugehen und dabei trotzdem den Abstand zu halten, mimte mein Gegenüber den Uhrzeiger und tat es mir nach. Kurze Zeit später stand ich auf seinem Platz und er an der Klippe.

Entschlossen schritt ich auf ihn zu. »Eines würde ich aber gerne noch wissen, Psycho: warum das Ganze?«

Der Glatzkopf grinste teuflisch. »Ich hatte es schon immer im Blut, das Morden. Ich habe das Feuer schon immer gespürt. Aber als ich vor ein paar Wochen herausfand, dass alle meine Vorfahren, Großvater, Urgroßvater und so weiter ebenfalls Henker gewesen sind, entschied ich mich, diese Tradition fortzuführen. Aber weil die örtlichen Behörden offenbar für einen bestens ausgebildeten Henker keine Verwendung mehr haben, entschied ich mich, meine Kopfquote selbst festzulegen. Und was liegt da wohl näher, als dieser Ort?«

»Gute Frage. Mir fallen auf die Schnelle etwa tausend Gründe ein, warum das nicht der beste Ort für deine tollen Psychopathen-Spielchen ist. Einer steht dabei ganz weit vorne: ich.«

»Du glaubst also, mich besiegen zu können?«

»Ich glaube es nicht nur, ich weiß es. Aber komm, probier es aus, greif mich an.« Ich ging weiter auf ihn zu. »Schlag endlich zu, dann haben wir es beide hinter uns.«

Der Serienmörder ging noch einen Schritt zurück, dann hob er sein Beil an. Um Schwung zu erhalten, wuchtete er es über seine linke Schulter. So – das dachte er wohl zumindest – würde er mit einem Schlag meinen Schädel spalten. Aber denken war wohl nicht gerade seine Stärke, denn das über die Schulter gelegte Beil sorgte dafür, dass er das Gleichgewicht verlor.

Er wurde von dem Gewicht seiner Waffe nach hinten gezogen, dem Abgrund entgegen.

»Oh neeein!«

»Oh doooch!«

Das Beil zog ihn ins Verderben – er stürzte in den Abgrund.

Das weitere Schauspiel wollte ich mir nicht mehr antun. Sollten die Geier sich darum kümmern, die Reste des Bluthenkers von den Felsen abzukratzen. Ich hatte jetzt viel eher Lust auf eine saftige Zigarre. Schon lange hatte ich mir keine mehr angesteckt, und als ich nun den ersten Zug nahm, fühlte ich mich gleich wie im Paradies.

Copyright © 2009 by Raphael Marques