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Die Hexen von Lancashire Band 1 – Kapitel 3

Die Hexen von Lancashire
Erster Band
Ein Roman aus dem Pendle-Wald von William Harrison Ainsworth
Leipzig, 1849

Einleitung
Der letzte Abt von Whalley
Drittes Kapitel

Whalley Abbey

Eine traurige Veränderung ist über die einst so schöne Abtei von Whalley hereingebrochen. Sie erkennt ihre alten Herren nicht mehr. Seit mehr als dreieinhalb Jahrhunderten ist der gesegnete Ort1 in Schönheit und Reichtum gewachsen. Siebzehn Äbte haben darin unbeschränkte Gastfreundschaft geübt, doch nun sind sie alle dahin, bis auf einen. Und dieser ist der Felonie und des Verrats angeklagt. Der ernste Mönch schreitet nicht mehr in den Kreuzgängen einher und sucht auch nicht mehr seinen Strohsack im Schlafsaal auf. Der Vesper- und Mettengesang ertönt nicht mehr wie in alten Zeiten in der schönen Klosterkirche. Die Altäre wurden ihrer filigranen Kreuze beraubt, die Schreine ihrer Devotionalien und heiligen Reliquien. Monstranz und Kelch, Räucherfass und Phiole, der Hirtenstab mit goldenem Knopf, die mit Perlen besetzte Bischofsmütze, der silberne Leuchter, das Weihnachtsboot, Becken, Schale und Kanne – alles ist dahin. Die prachtvolle Sakristei wurde geplündert.

Eine traurige Veränderung hat sich in Whalley ereignet. Die mit ehrwürdigen Banden versehenen Bibliotheken wurden zerstört und ihr Inhalt in die Flammen geworfen. So sind mühsam hergestellte Manuskripte, die Frucht jahrelangen, geduldigen Fleißes mit prachtvoll illuminierten Anfangsbuchstaben, unwiederbringlich verloren. In der großen Krankenstube werden keine Kranken mehr aufgenommen und im Sprachzimmer sitzt kein Gast mehr. In der mächtigen Küche wird nicht mehr der ungeheure Vorrat an Speisen zubereitet, der zur Unterstützung der Armen oder zur Bewirtung der Reisenden bestimmt war. Kein freundlicher Türhüter steht mehr am Tor und lässt Fremde eintreten, damit sie an der Gastfreundschaft des freigebigen Abts teilhaben können. Stattdessen steht dort nun ein mürrischer Wächter, der Fremden mit seiner Hellebarde droht, wenn sie zögern. Geschlossen sind die Butterkammern und die Speisekammern, und die tägliche Brotverteilung hat aufgehört. Ebenso ist für die Brüder das Refektorium geschlossen. Das Amt des Kellermeisters ist beendet. Das starke Bier, das er im Oktober braute, wird im März von schwelgenden Söldnern gezapft. Der teure Muskateller, der Malvasier und die Weine aus der Gascogne und vom Rhein werden nicht mehr vom Abt und seinen vornehmeren Gästen getrunken, sondern von seinen Feinden auf seinen Untergang. Die hundertdreißig Fuß lange große Galerie, die Zierde der Wohnung des Abts, ist nicht mehr mit weißgekleideten Priestern, sondern mit einem bewaffneten Earl und seinen Dienstleuten gefüllt. Das kleine Betzimmer, das Unserer Lieben Frau von Whalley gewidmet war und in dem der Abt abends und morgens zu beten pflegte, wird vernachlässigt. Alle alten religiösen und gastfreundlichen Zwecke der Abtei sind vorüber. Die ehrwürdige Stille der Kreuzgänge, die nur vom ruhigen Tritt der Mönche unterbrochen wurde, wird jetzt von gespornten Fersen und Schwertergeklirr gestört. In seinen heiligen Höfen sind jetzt das schmutzige Lied, der unheilige Scherz und das zornige Getöse des Zankes zu hören. Von den Brüdern sind nur diejenigen zurückgeblieben, die den Kirchhof bewohnen. Alle anderen sind fort, wie Landstreicher, hinausgetrieben mit Schlägen und Schimpfwörtern, um Zuflucht zu suchen, wo sie wollen.

Eine traurige Veränderung hat sich in der Abtei von Whalley vollzogen. In der Fülle ihres Stolzes und ihrer Macht wurde sie niedergeschmettert, entweiht und entblößt. Ihre Schätze werden weggeführt, ihre Zierden verkauft, ihre Speicher geleert, ihre Ländereien verwüstet, ihre Vorratshäuser geplündert und ihr Zuchtvieh geschlachtet und verkauft. Doch obwohl sie ihres Reichtums und ihres Glanzes beraubt wurde, ist ihre äußere Schönheit noch unbeeinträchtigt und ihr ungeheurer Umfang unvermindert geblieben.

Whalley war ein stattliches Gebäude, eines der lieblichsten und größten im Reich. Es wurde von den ehrwürdigen Herrschern sorgfältig instand gehalten. Wo Ausbesserungen oder Hinzufügungen nötig waren, wurden sie mit Urteil und Geschick ausgeführt. So verlieh ihm die Zeit Schönheit, indem sie seine Frische weicher machte und seine Farben zum Dampfen brachte, während doch kein Verfall sichtbar war. Ohne Kampf hatte es sich dem Eroberer ergeben, sodass kein Teil seines breiten Gürtels aus Mauern und Türmen beschädigt war. Diese waren so stark gebaut, dass sie wirksamen Widerstand hätten leisten können.

Die Whalley-Abtei hatte niemals schöner ausgesehen als an einem hellen Märzmorgen, als diese traurige Veränderung bewirkt wurde und aus einem friedlichen Kloster eine drohende Festung wurde. Das Sonnenlicht funkelte auf den grauen Mauern der Abtei, füllte ihre drei viereckigen Höfe mit Licht und Leben, durchdrang das wunderschöne Schnitzwerk der Kreuzgänge und enthüllte die sinnreiche Schönheit und Zusammensetzung der Bögen. Der Schein der gemalten Glasfenster fiel auf den Fußboden der prächtigen Klosterkirche und bekleidete die marmornen Grabmäler der Lacies, der Gründer dieses Klosters, mit den Farben des Regenbogens. Sie waren hierhergebracht worden, als das Kloster von Stanlaw in Cheshire hierher verlegt worden war. Ebenso bekleidete er die mit Erzplatten bedeckten Grabsteine der Äbte im Presbyterium. Hier lag Gregor von Northbury, der achte Abt von Stanlaw und der erste von Whalley. William Rede, der letzte Abt, sollte jedoch niemals hierhergebracht werden. Der Schlummer der alten Prälaten sollte bald gestört werden, und das heilige Gebäude, in dem sie so oft gebetet hatten, sollte von unheiligen Händen entweiht werden. Doch alles war jetzt schön und herrlich. Wenn man keinen feierlichen Gesang im Gebäude hörte, war die Stille kaum weniger ehrfurchtgebietend und einschüchternd. Die alte Abtei bekränzte sich mit all ihren Reizen, als ob sie ihren früheren Herrscher wieder willkommen heißen wollte, obwohl sie ihn doch nur als zum Tode verurteilten Verbrecher empfangen sollte.

Doch all dies war nur äußerlicher Glanz. Im Innern herrschte schreckliche Unruhe. Die Unzufriedenheit im Land war so groß, dass der Earl of Derby, der eine neue Empörung fürchtete, Maßnahmen zur Verteidigung der Abtei getroffen hatte. Entlang der mächtigen Mauern waren Geschütze und Mannschaften postiert, und im Speicher war eine enorme Menge Schießbedarf gelagert. An jedem Tor befand sich eine starke Wachmannschaft, und die Höfe waren mit Truppen gefüllt. Im Hofraum hallte das Schmettern der Trompete, wo Kugel- und Bolzenpyramiden für die Schützen aufgeschichtet waren. In den Kreuzgängen ertönte kriegerische Musik. Über dem großen nordöstlichen Torbogen, der den Haupteingang zur Wohnung des Abts bildete, flatterte die königliche Fahne. Trotz dieser kriegerischen Vorgänge lächelte die schöne Abtei im Sonnenglanz und die grünen Hügel neigten sich ihr sanft zu. Der klare und funkelnde Calder rauschte fröhlich über die Steine an ihrem Fuße.

Doch auf der Brücke, am Flussufer und im kleinen Dorf hatten sich viele Personen versammelt. Sie sprachen ernst und nachdenklich miteinander und schauten nach den Hügeln hinaus. Dort hatten sich andere Gruppen versammelt, als ob sie ein betrübendes Ereignis erwarteten. Die meisten dieser Leute waren Hirten und Landwirte. Einige von ihnen waren jedoch arme Mönche in den weißen Gewändern der Zisterzienser, die jetzt schmutzig und fadenscheinig waren. Ihre Gesichter zeigten Spuren der härtesten Entbehrungen und Leiden. Alle diese Hirten und Pächter waren Untergebene des Abts gewesen. Die armen Mönche schauten sehnsüchtig zu ihrer früheren Wohnung hinüber. Sie antworteten auf die grausamen Spöttereien und Hohnreden, mit denen sie von den vorbeigehenden Soldaten begrüßt wurden, nur mit einer sanften Kopfneigung. Die stämmigen Bauern dagegen ertrugen diese Beleidigungen nicht so geduldig. Es kam zu Handgemengen, bei denen Blut floss. Ein Arkebusier wäre sicherlich im Calder ersäuft worden, wenn sich der Mönch, den er beleidigt hatte, nicht für ihn eingesetzt hätte.

Dies fand am 11. März 1537 statt, mehr als drei Monate nach der bereits erwähnten Wacht beim Feuerturm. Von der versammelten Menge außerhalb der Abtei sowie von den sich innerhalb ihrer Mauern Befindlichen wurde die Ankunft des Abts Paslew und der Väter Eastgate und Haydocke erwartet. Sie waren an diesem Tag aus Lancaster gebracht worden und sollten am nächsten Morgen gemäß des über sie gefällten Urteils vor der Abtei hingerichtet werden.

Den düstersten Teil des Gemäldes haben wir noch nicht geschildert, doch ist diese Schilderung zur Vervollständigung notwendig. Es war ein Galgen von ungewöhnlicher Form und Höhe, der auf dem Gipfel eines kleinen Hügels errichtet worden war. Er ragte unmittelbar vor der Wohnung des Abtes empor und wurde Holehoufts genannt. Seine abgerundete, gefällige Schönheit wurde durch ihn gänzlich zerstört. Die Landbewohner betrachteten diesen schrecklichen Apparat mit Abscheu und es bedurfte einer starken Wache, um ihn vor dem Niederreißen zu schützen.

Unter einer Gruppe Bauern, die sich auf der zum nordöstlichen Tor führenden Straße versammelt hatte, befand sich Cuthbert Ashbead. Nachdem er seines Amtes als Jäger enthoben worden war, ging er in einem weiten Wams und Hosen, mit einem kurzen Camelotmantel auf der Schulter und einer Fuchsmütze mit dem grinsenden Rachen des Tieres auf dem Kopf, umher.

»Ach, Ruchot o’ Roaphs«, bemerkte er zu einem der Umstehenden, »das ist ein fürchterliches Ding, der Galgen dort. Seid Ihr vielleicht oben bei den Holehouses gewesen, um ihn Euch ordentlich anzusehen?«

»Nein, nein, ich finde an solchen Dingen keinen großen Gefallen«, entgegnete Ruchot o’ Roaphs. »Außerdem war am Tor eine große Menschenmenge. Einer der Schützen schlug mich mit seiner Pike auf den Kopf und drohte, er würde mich zusammen mit dem Abt aufhängen, wenn ich mich nicht auf und davon machte.«

»Und das wäre dir recht, du feige Memme!«, rief Ashbead und ballte seine Fäuste. »Donnerwetter, warum hast du dem Kerl nicht wieder eins versetzt? Mich jucken die Fäuste nach einer tüchtigen Keilerei mit diesen ketzerischen Spitzbuben. Ach, du lieber Himmel! Dass wir mitansehen müssen, wie die frommen Väter wie nichtsnutzige Bienen aus dem alten Nest getrieben werden! Es heißt, König Heinrich habe befohlen, dass es künftig in ganz England weder Mönche noch Priester geben solle. Denkt euch nur! Ihr wisst es wohl noch gar nicht? Die Äbte von Jervaur und Salley wurden vergangenen Dienstag vor dem Schloss zu Lancaster aufgehängt.

»Gott schütze uns!«, rief ein stämmiger Knecht. »Wir haben einen hübschen König gekriegt! Erst hackt er seinem Kraut den Kopf ab und dann hängt er die Priester auf. Wo soll das noch hinführen?«

»Ja, wo soll das noch hinführen?«, rief Ruchot O’Roaphs. »Aber wir dürfen ja nicht das Maul auftun, wenn wir nicht wollen, dass es uns ebenso schlecht ergeht.«

»Nein, bei Unserer Lieben Frau, ich werde mein Mündchen weit genug aufmachen«, rief Ashbead. »Und wenn sich mir noch ein Dutzend tüchtige Kerle anschließen, werde ich versuchen, ob wir den armen Abt nicht in Freiheit setzen können, wenn sie ihn hierherbringen.«

»Ich möchte doch lieber bis morgen warten«, sagte Ruchot O’Roaphs mit unstetem Blick.

»Ach, du bist eine feige Memme, wie ich dir schon ins Gesicht gesagt habe«, entgegnete Ashbead.

»Aber was sagst du dazu, Hal o’ Nabs?«, setzte er zu dem handfesten Knecht hinzu, der vor ihm stand.

»Ich will meinen letzten Blutstropfen für die Sache des alten Abtes vergießen«, entgegnete Hal o’ Nabs. »Wir dürfen nicht hier stehen und zusehen, wie sie den Abt aufhängen. Dem Abt Paslew zu Hilfe, Jungs!«

»Dem Abt Paslew zu Hilfe!« antworteten die anderen, Ruchot o’ Roaphs ausgenommen.

»Das muss verhindert werden«, murmelte eine Stimme in der Nähe. Unmittelbar darauf verließ ein hochgewachsener Mann die Gruppe.

»Wer sprach da?«, rief Hal o’ Nabs. »Ach, ich sehe ihn jetzt. Es ist der Hererich Nick Demdike.«

»Nick Demdike ist hier!«, rief Ashbead erschrocken und sah sich um. »Hat er uns gehört?«

»Wahrscheinlich«, entgegnete Hal o’ Nabs. »Ich hatte gar nicht auf ihn geachtet.«

»Ich auch nicht«, rief Rucho o’ Roaphs, während er sich bekreuzigte und auf die Erde spuckte. »Unsere liebe Frau von Whalley behüte uns vor dem Schwarzkünstler.«

»Da wir gerade von Nick Demdike sprechen«, rief Hattie O’Nabs, »fällt mir ein, dass Ihr doch ein seltsames Abenteuer mit ihm bei der großen Überschwemmung von Pendle Hill hattet, nicht wahr, Cuthbert?«

»Allerdings, der Teufel hole ihn«, entgegnete Ashbead. »Du kannst die ganze Geschichte hören, wenn du willst. Ich wurde vom Abt den Berg hinunter in den Obstgarten von Owen o’ Gab’S, o’ Perkin’S, o’ Dan-Ael’S, o’ Noll’S und o’ Oamfrey’S in Warfton Lane geschickt, um ihn zu suchen. Als ich über die steinerne Mauer stieg, glaubt ihr wohl, was ich sah? Zwanzig bis dreißig Pikeniere standen dahinter, sprangen sofort auf mich los, verbanden mir die Augen und steckten mir einen eisernen Knebel ins Maul, ehe ich noch um Hilfe schreien konnte. Ich konnte weder reden noch sehen, aber ich konnte noch laufen. So rannte ich links und rechts gegen die Mauern. Glaubt mir, ihr würdet euch gefreut haben, das Brüllen zu hören. Ich hätte auch gebrüllt, wenn ich gekonnt hätte. Natürlich dauerte es nicht lange, dann begannen sie, mich mit ihren Piken zu schlagen. Sie schlugen mich so heftig um den Schädel, dass ich schließlich das Bewusstsein verlor und zu Boden stürzte. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Rimington Moor. Alle Knochen in meinem Leib taten mir weh, und mein Haar war von Blut zusammengeklebt. Aber die Binde und der Knebel waren weg. Ich stand auf und taumelte so gut ich konnte weiter. Plötzlich sah ich ein Licht vor mir flackern, das so dahin tanzte wie ein Elf oder ein Irrwisch. Ich dachte: Das muss der verzauberte Mönch mit seiner Laterne sein, der mich in einen Morast führen will. Ich blieb daher kurz stehen, um zu überlegen, wo ich mich befand, denn der Weg war mir nicht genau bekannt. Als ich stehen blieb, blieb auch das Licht stehen. Jetzt erst merkte ich, dass es aus einem alten, verfallenen Turm kam. Was ich für eine Laterne gehalten hatte, waren wohl zwanzig, denn als ich den Turm erreichte und durch die zerbrochenen Fenster hineinschaute, bot sich mir ein Anblick, den ich nie vergessen werde: Ein Rudel Herren saß in einem Kreis beisammen und hatte Besenstiele und Laternen dabei.

»Ach du lieber Gott!«, rief Hal o’ Nabs. »Und was sahst du denn noch?«

»Nun«, entgegnete Ashbead, »die Herren hatten eine kleine Gestalt in ihrer Mitte, die den Abt von Whalley darstellte. Sie war aus Ton geformt und ich sah die Bischofsmütze und den Krummstab ganz deutlich. Nachdem jedes von dem bösen Gezücht ihm eine Stecknadel ins Herz gestochen hatte, trat ein langer schwarzer Mann vor, band ihm einen Strick um den Hals und hängte ihn auf.«

»Und der schwarze Mann«, rief Hal o’ Nabs atemlos, »war Nick Demdike!«

»Ihr habt’s erraten«, entgegnete Ashbead, »er war es! Ich war so erschrocken, dass ich nicht reden konnte. Mir gerann das Blut in den Adern, als ich eine furchtbare Stimme Nick fragen hörte, wo sein Weib und Kind wären. ›Das Kind ist noch nicht getauft‹, brüllte die Stimme, ›bei der nächsten Zusammenkunft muss es geopfert werden. Vergiss nicht, es mitzubringen!‹ Demdike verneigte sich daraufhin vor jemandem, den ich nicht sehen konnte, und fragte, wann die nächste Zusammenkunft stattfinden solle. ›In der Nacht nach der Hinrichtung des Abtes Paslew‹, antwortete die Stimme. Als ich das hörte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten und schrie mit lauter Stimme: ›Haut ab! Teufel! Der Herr behüte uns vor euch!‹ Während ich das sagte, versuchte ich, durch das Fenster zu brechen. Im selben Augenblick verlöschten alle Lichter. Ich hörte ein großes Drängen an der Tür und ein Geschwirr in der Luft, als würde ein ganzes Rebhuhnvolk auffliegen. Dann hörte ich nichts mehr, denn mir fiel ein großer Stein auf den Kopf, sodass ich das Bewusstsein verlor und zu Boden stürzte. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich in Rick Demdikes Hütte, und seine Frau wachte bei mir. Sie trug das ungetaufte Kind auf dem Arm.

Alle Ausrufe der Verwunderung seitens der Leute und Fragen in Bezug auf den Ausgang des Abenteuers wurden durch die Annäherung eines Mönchs unterbunden. Er trat zu der Menge und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf einen Zug von Priestern, der langsam die Straße entlangkam.

»Er wird«, sagte der Mönch, »von den Vätern Chatburue und Ehester, vormaligen Schatzmeistern der Abtei, angeführt. Ach, lieber Gott, sie brauchen jetzt das Almosen selbst, das sie einst so reichlich anderen gaben.«

»Wehe mir!«, rief Ashbead. »Manches schwere Silberstück habe ich von ihnen bekommen.«

»Sie waren freundlich zu uns allen«, setzten die anderen hinzu.

»Dann kommen Vater Burnley, der Aufseher des Speichers, und Pater Haworth, der Kellermeister«, fuhr der Mönch fort. »Und nach ihnen kommen Vater Dinkley, der Sakristan, und Vater Moore, der Türhüter.«

»Ihr besinnt euch doch noch auf Vater Moore, Jungs?«, rief Ashbead.

»Ja, ja«, riefen die anderen, »er war ein guter, sehr guter Mann – er schickte die Armen niemals fort, ganz gewiss nicht.«

»Nach Vater Moore«, sagte der Mönch, den der warme Eifer der Leute angenehm berührte, »kommen Vater Forrest, der Prokurator, und die Väter Rede, Clought und Bancroft. Den Schluss des Zuges macht Vater Smith, der vormalige Prior.«

»Beugt eure Knochen ein wenig, Jungs, wenn die heiligen Väter vorüberkommen«, rief Ashbead, »und bittet um ihren Segen.«

Als der Zug der Priester mit gesenkten Häuptern und traurig auf den Boden gehefteten Blicken langsam herannahte, fielen die Landleute auf die Knie und baten um den Segen der frommen Väter. Die Vordersten im Zug gingen schweigend weiter, doch der Prior blieb stehen, streckte die Hände über die kniende Gruppe aus und rief mit lauter Stimme: »Der Himmel segne euch, meine Kinder! Ihr seid im Begriff, ein trauriges Schauspiel mitanzusehen. Ihr werdet den Mann, der euch gekleidet, euch gespeist und euch den Weg zum Himmel gelehrt hat, als Gefangenen hierherbringen sehen, damit er einen schimpflichen Tod erleidet.«

»Aber wir wollen ihn befreien!«, rief Ashbead. »Wir haben den festen Entschluss gefasst. Wartet nur, bis er kommt.«

»Nein, ich befehle euch, von diesem Vorhaben abzulassen, wenn ihr wirklich mit dem Gedanken spielt«, versetzte der Prior. »Es wird nichts nützen, und ihr werdet dabei nur euer eigenes Leben opfern. Unsere Feinde sind zu stark. Selbst der Abt würde euch denselben Rat geben.«

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, traten aus dem großen Tor der Abtei ein Dutzend Arkebusierer mit einem Offizier an der Spitze heraus und schritten direkt auf die knienden Landleute zu, offenbar in der Absicht, sie auseinanderzutreiben. Hinter ihnen schritt Nicholas Demdike. Die erschrockenen Landleute sprangen augenblicklich auf und einige von ihnen, darunter Ruchot O’Roaph, ergriffen die Flucht. Ashbead, Hal o’NabS und ein halbes Dutzend andere hielten jedoch mutig Stand. Auch die Mönche blieben stehen, in der Hoffnung, Gewalttätigkeiten zu verhüten. Gleich darauf kamen die Hellebardiere heran.

»Das ist der Rädelsführer«, rief der Offizier, der niemand anderes als Richard Assheton war, und zeigte auf Ashbead. »Ergreift ihn!«

»Mich soll niemand anrühren!«, rief Cuthbert.

Als die Soldaten sich an den Mönchen vorbeidrängten, um den Befehl ihres Anführers auszuführen, sprang er ihnen entgegen, entriss dem Soldaten vor ihm die Hellebarde und stellte sich zur Verteidigung.

»Ergreift ihn, sage ich!«, schrie Assheton ergrimmt über diesen Widerstand.

»Zurück!«, rief Ashbead, »wenn ich euch raten soll. Gleich einem gestellten Hirsch bin ich gefährlich. Nehmt euch vor meinen Hörnern in Acht.«

Die Arkebusierer zeigten eine unentschlossene Miene. Es war offensichtlich, dass Ashbead nur unter Verlust seines Lebens gefangen genommen werden konnte, und sie wussten nicht, ob ihr Anführer die Kraft hatte, ihn töten zu lassen.

»Leg deine Waffe nieder, Cuthbert«, sagte der Prior. »Es wird dir gegen eine solche Überzahl nichts helfen.«

»Das kann sein, frommer Prior«, versetzte Ashbead, die Hellebarde schwingend, »nur mit meinem Leben gebe ich sie.«

»Ich will ihn entwaffnen«, rief Demdike und trat vor.

»Du?«, antwortete Ashbead mit verächtlichem Gelächter. »Nun, dann komm her. Und wenn alle Teufel der Hölle hinter dir stünden, so würde ich mich doch nicht vor dir fürchten.«

»Ergebe dich!«, rief Demdike mit Donnerstimme und warf ihm einen fürchterlichen Blick zu.

»Komm her, Schwarzkünstler«, versetzte Ashbead furchtlos. Als er jedoch bemerkte, dass sein Gegner unbewaffnet war, gab er die Hellebarde Hal o’Nabs, der dicht neben ihm stand, und sagte: »Es soll nicht heißen, dass Cuthbert Ashbead einen unehrlichen Kampf gefochten hat. Nun, rühre mich an, wenn du es wagst.«

Demdike bedurfte keiner weiteren Aufforderung. Mit fast übernatürlicher Kraft und Schnelligkeit sprang er auf den Jäger los und packte ihn bei der Kehle. Doch der gewandte junge Mann befreite sich schnell und begann mit seinem Gegner zu ringen. Obwohl Ashbeads Körperbau herkulisch war, wurde bald klar, dass er verlieren würde. Hal o’Nabs, der dem Kampf mit größter Spannung zusah, konnte sich nicht enthalten, seinem Freund zu helfen, und führte mit der Hellebarde einen Stoß gegen Demdike aus.

Hatten die Ringenden ihre Stellung gewechselt, oder halfen wirklich die Mächte der Finsternis dem Schwarzkünstler? Niemand wusste das, doch plötzlich durchbohrte die Hellebarde Ashbeads Seite und er stürzte augenblicklich zu Boden. Sein Gegner stürzte auf ihn. Im nächsten Augenblick ließ dieser los und der Zauberer sprang unverletzt auf seine Füße, obwohl er ganz voll Blut war. Hal o’Nabs stieß einen wilden Schreckensruf aus, warf sich auf den Körper des Jägers und versuchte, die Blutung zu stillen. Doch er wurde sofort von den Arkebusieren ergriffen. Man fesselte ihm die Hände auf den Rücken, während Ashbead aufgehoben und zur Abtei getragen wurde. Die Mönche und Landleute folgten langsam, aber es wurde ihnen nicht gestattet, durch das Tor einzutreten.

Während der unglückliche Jäger, der mittlerweile durch den übergroßen Blutverlust das Bewusstsein verloren hatte, längs der ummauerten Einhegung, die zur Wohnung des Abtes führte, hingetragen wurde, zeigte sich eine Frau, die mit einem Kind auf den Armen von der anderen Seite herankam. Sie war groß und schön gewachsen, mit Gesichtszügen von bemerkenswerter Schönheit, wenn auch von männlichem und etwas wildem Ausdruck, und mit prachtvollen, aber grimmigen und schwarzen Augen. Ihre Hautfarbe war dunkel, ihr Haar rabenschwarz und bildete einen auffallenden Gegensatz zu dem roten Band, das sie darum geschlungen hatte. Ihr Mieder war aus dunkelrotem Stoff, einfach, aber von zierlichem Schnitt. Ein Blick reichte aus, um zu erkennen, wie es um den armen Ashbead stand. Sie stieß einen gellenden, zornigen Schrei aus und stürzte auf ihn zu.

»Was hast du getan?«, rief sie und warf Demdike, der neben dem Verwundeten herging, einen scharfen, vorwurfsvollen Blick zu.

»Nichts«, entgegnete Demdike mit bitterem Gelächter. »Der Narr ist mit einer Hellebarde verwundet worden. Geh aus dem Weg, Bess, und lass die Leute vorüber. Man will ihn in die Zelle unter dem Kapitelhaus tragen.«

»Ihr sollt ihn nicht dorthin bringen«, rief Bess Demdike wild zu.

»Er kann wieder genesen, wenn seine Wunde verbunden wird. Bringt ihn in die Krankenstube – ach nein, ich vergaß, dass es keine mehr gibt.«

»Vater Bancroft ist am Tor«, bemerkte einer der Arkebusiere. »Er pflegte in der Abtei die Stelle eines Wundarztes zu versehen.«

»Kein Mönch darf durch das Tor eintreten, mit Ausnahme der Gefangenen bei ihrer Ankunft«, bemerkte Asheton. »So lautet der ausdrückliche Befehl des Karl von Derby.«

»Es ist nicht nötig«, sagte Demdike. »Keine menschliche Hilfe vermag den Mann zu retten.«

»Aber kann ihn vielleicht eine andere Hilfe retten?«, flüsterte Bess ihrem Gatten ins Ohr.

»Geh fort!«, rief Demdike und stieß sie grob von sich. »Willst du, dass ich deinen Liebhaber retten soll?«

»Nimm dich in Acht«, flüsterte Bess immer noch leise, »wenn du ihn nicht rettest, wirst du mich und dein Kind verlieren!«

Demdike hielt es nicht für ratsam, weiteren Widerspruch zu erheben. Stattdessen näherte er sich Ashby und bat darum, den Verwundeten in eine gewölbte Mauervertiefung zu bringen. Dies wurde gestattet und Ashbead wurde dorthin gebracht und auf die Erde gelegt. Daraufhin marschierten die Arkebusierer und ihr Anführer weiter, während Bess niederkniete und den Kopf des Verwundeten auf ihre Knie stützte. Demdike zog ein kleines Fläschchen aus seinem Wams und flößte dem Besinnungslosen etwas von dem Inhalt in den Mund. Anschließend nahm der Schwarzkünstler ein zusammengefaltetes Leinentuch, tauchte es in die Flüssigkeit und legte es auf die Wunde.

Nach wenigen Augenblicken öffnete Ashbead die Augen, schaute sich wild um und heftete seinen Blick auf Bess. Sie gab ihm mit einem Finger auf den Lippen zu verstehen, dass er still sein solle. Doch er verstand das Zeichen nicht – oder er wollte es nicht verstehen.

»Es ist mit mir vorbei, Bess«, stöhnte er, »aber ich will lieber so sterben, wenn du neben mir bist, als auf andere Weise.«

»Ruhig«, rief Bess, »Nicholas ist hier.«

»Oh, das sehe ich«, entgegnete der Verwundete, während er sich umschaute. »Aber was hilft’s? Ich muss doch bald fort. Ach, Beß, gutes Kind, wenn du mir nur versprechen würdest, deinen Pakt mit dem Satan zu brechen, es zu bereuen und deine Seele zu retten, dann würde ich zufrieden sterben.«

»Ach, sprecht nicht so!«, rief Bess. »Ihr werdet bald wieder gesund sein.«

»Hör mich an«, fuhr Ashbead eifrig fort. »Weißt du nicht, dass dein Kind, wenn es nicht vor morgen Nacht getauft wird, dem Fürsten der Finsternis geopfert werden soll? Geh zu einem der frommen Väter, bekenne deine Sünden und bitte um Verzeihung des Himmels. Vielleicht retten sie dich und dein Kind.«

»Und sie würden mich als Hexe verbrennen«, entgegnete Beß wild. »Es ist umsonst, Cuthbert. Ich habe es mit allen versucht. Ich bin vor ihnen niedergekniet, ich habe sie angefleht, aber ihre Herzen sind hart wie Kiesel. Sie wollen mich nicht hören. Sie wollen dem grausamen Befehl des Abtes nicht ungehorsam sein, obwohl er nicht mehr ihr Oberhaupt ist. Aber ich werde mich an ihm rächen – furchtbar rächen.«

»Verlass mich, du gottloses Weib!«, rief Ashbead. »Ich wünsche nicht, dich in meiner Nähe zu haben. Lass mich in Ruhe sterben.«

»Du wirst nicht sterben, sage ich dir, Cuthbert«, rief Bess. »Nicholas hat deine Wunde verbunden.«

»Er hat sie verbunden, sagst du?«, rief Ashbead und erhob sich. »Dem darf ich mein Leben nicht verdanken.«

Und ehe man ihn hindern konnte, riss er den Verband ab und das Blut schoss erneut heraus.

»Es ist nicht meine Schuld, wenn er nun stirbt«, bemerkte Demdike mürrisch.

»Hilf ihm! Hilf ihm!«, bat Bess.

»Er soll mich nicht anrühren!«, rief Ashbead und sträubte sich, wodurch sich die Blutung verstärkte. »Halte ihn fern von mir, ich beschwöre dich. Leb wohl, Bess«, setzte er hinzu, während er erschöpft zurücksank.

»Cuthbert!«, knirschte Bess erschrocken, als sie sein plötzlich verändertes Aussehen sah. »Cuthbert, stirbst du wirklich?« »Sieh mich an, sprich mit mir! Ha!«, rief sie, als ob sie von einem plötzlichen Gedanken ergriffen worden wäre. »Man sagt, der Segen eines Sterbenden sei genauso gut. Segne mein Kind, Cuthbert, segne es!«

»Gib es mir!«, stöhnte der Jäger.

Beß hielt ihm das Kind hin. Doch ehe er seine Hände darauf legen konnte, verließen ihn alle Kräfte. Er sank zurück und gab seinen Geist auf.

»Dahin! Dahin! Auf immer!«, rief Bess mit wildem Gekreisch.

In diesem Augenblick war ein lautes Geschmetter vom Torturm zu hören und ein Trompeter rief: »Der Abt und die beiden anderen Gefangenen kommen!«

»Mach dich auf die Füße, Dirne!«, rief Demdike gebieterisch und fasste das erschrockene Weib beim Arm. »Mach dich auf die Füße und komm mit mir ihm entgegen!«

Show 1 footnote

  1. Locus Benedictus de Whalley

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