Die Gespenster – Vierter Teil – 35. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil
Fünfunddreißigste Erzählung
Ein Fuhrmann aus Drossen
Ein Fuhrmann aus Drossen holte kurz vor Weihnachten des Jahres 1798 Kaufmannsgut aus Frankfurt an der Oder. Vor seiner Ausfahrt trank er, wie er selbst ausgesagt hatte, etwas Branntwein, um den Körper zu erwärmen. Die erste Meile empfand er die Kälte nicht sonderlich. Danach aber überfiel ihn ein schrecklicher Frost, mit den heftigsten Schmerzen verbunden. Fast zwei Stunden dauerte diese seine traurige Lage, dann verließ ihn die Kälte einigermaßen, ja es wurde ihm fast warm, und er geriet in einen behaglicheren Zustand. Indessen fühlte er allmählig eine große Mattigkeit in den Gliedern und konnte, selbst gehend, sich des Schlafes kaum erwehren. So kam er ungefähr tausend Schritte vor Drossen an, wo er niedersank und liegen blieb.
Die Pferde, des Weges kundig, gingen ihren Gang bis ans Tor fort. Hier vermißte nun der Torschreiber ihren Herrn. Es wurden daher so gleich Leute aussgeschickt, um den Verlorenen zu suchen. Sie fanden ihn auch bald; aber erfroren. Sie trugen den, ihrer Meinung und dem Anschein nach, völlig toten Körper ins nächste Haus der Vorstadt. Die freundlichen Besitzer desselben ließen sich indessen nicht durch den Schein trügen, sondern legten ihn ins Bett und rieben den entkleideten Körper mit warmen Tüchern. Es zeigten sich bald Spuren rückkehrender Lebenskraft. Durch den fortgesetzten Gebrauch zweckdienlicher Mittel kam der Erfrorene nach anderthalb Stunden zum Bewusstsein und ins Leben zurück und erhielt bald seine vollkommene Gesundheit wieder.
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