Archiv

Aus Armand’s Frontierleben – Band 1- Kapitel 4

Fredéric Armand Strubberg
Aus Armand’s Frontierleben
Band 1
Carl Rümpler, Hannover, 1868

Viertes Kapitel
Der brave Jude

Beim Anbruch des Tages sprang Armand von seinem Lager auf und öffnete schnell eines der Fenster, um den Morgen zu begrüßen und zu sehen, was das Wetter machte.

Der Himmel war tiefblau, und nicht das kleinste Wölkchen war mehr an ihm zu sehen, die Prärie, die sich wellenförmig über drei Meilen südwärts bis an den Mustang River ausdehnte, prangte im frischesten Grün, und eine erquickende duftige Luft strömte Armand ent­gegen. Friedlich und still lag es auf der Gegend, als ob die Natur in langen ruhigen Zügen die neue Lebenskraft in sich

einatme, welche der Regen in ver­gangener Nacht auf sie niedergegossen hatte. Armand öffnete nun die Tür, welche aus dem Zimmer auf die Prärie führte, und trat in den kühlen Morgen hinaus, der ihn von allen Seiten wonnig umfing.

Auf der weiten Prärie vor ihm zogen schon Rudel von Hirschen und Antilopen und hier und da ein einzelner Büffel hin und her. Als erholten sie sich in der frischen, würzigen Luft von den Schrecken der Nacht, vor denen sie sich in die Tiefe des Waldes geflüchtet hatten. Hinter dem Fort an der nördlichen Seite der Leone erhoben sich die zweihundert Fuß hohen grünen Wipfel des Urwalds zum Himmel, als hielten sie sie im Triumph empor, weil sie der Gewalt des Sturmes getrotzt hatten. Zwischen ihnen hindurch flogen die bunt gefiederten Bewohner des Waldes spielend und jubelten dem stillen, heiteren Morgen ihre Grüße zu. Im Westen aber, über den duftig blauen Gebirgen, blitzten und flimmerten die eisigen Kuppen wie Gold und Edelsteine, die jetzt schon von den Strahlen der nahenden Sonne getroffen wurden.

Armand war das Herz aufgegangen. Er fühlte mit ganzer Seele das Glück, das nur die Natur in ihrer Größe und Herrlichkeit dem Menschen bieten kann und das ihm hier in seiner Einsamkeit in so vollem Maße zuteilwurde. Mit einem Gefühl banger Ahnung schaute er nach Osten über die Prärie und die fernen Wälder, aus denen er gekommen war und aus denen ihm die Menschen über kurz oder lang folgen würden. Ach, hätte er doch einen unübersteiglichen Abgrund in die Erde reißen können, damit kein Weißer ihm in sein Paradies nachkommen konnte! Und doch, wollte er nicht selbst in Kürze die Menschen wieder aufsuchen? Zwangen ihn nicht die Bedürfnisse der Zivilisation, von denen er sich nicht lossagen konnte, die Hilfe und Dienste der Menschen für sein eigenes Interesse wieder in Anspruch zu nehmen? Es war unmöglich, sein bisheriges Glück ohne Beziehung zu ihnen fortbestehen zu lassen, wenn ihm auch ein banges Vorgefühl sagte, dass in dieser Beziehung schon der Keim zum Untergang seines stillen Friedens enthalten war. Aber so wenig wie möglich wollte er mit ihnen verkehren. Nie im Leben sollte sich sein Herz ihnen wieder öffnen, und niemals wollte er ihnen wieder vertrauen. Nie wieder wollte er sein Schicksal in ihre Hände geben. Sie sollten ihm fremd und fern bleiben, selbst wenn die ganze Umgebung durch sie besiedelt würde. Doch noch lagen 120 Meilen zwischen ihm und den ersten Siedlungen der Weißen. Noch wagte sich nur ein einzelner Jäger in diese Wildnis hinaus und es würden wohl noch viele Jahre vergehen, ehe sich ein Siedler in Armands Nähe niederlassen würde.

Tief und kräftig atmete er auf, wandte mit dankbarem Herzen seinen Geist der wunderbar schönen Natur wieder zu, die ihn hier so hoch beglückte und ihm die vielen Leiden aus seiner Vergangenheit hatte verschmerzen lassen. Froh bewegt wandelte er in der frischen, stärkenden Morgenluft um das Fort, an dessen noch geschlossenem Tor er vorbeiging, bis er den steilen Abhang über dem Fluss erreichte.

Wie die Wogen da unten brausten und tobten, sich schäumend über die schwarzen Felsstücke stürzten, die aus ihnen hervorsahen, und ihre Gischt emporsteigen ließen, die wie ein silberner Sprühregen auf die wild rauschende Flut niederfiel!

Wie üppig neigten sich die wunderbar geformten Riesenpflanzen vom tief gelegenen, jenseitigen Ufer über die dahin schießenden Wellen. Und wie graziös hingen die Ranken und Blütengewinde von den weit über den Fluss ausgestreckten Armen der kolossalen Zypressen, Magnolien, Platanen, Tulpenbäume und Eichen in die fliegende Strömung hinab und ließen ihre Spitzen mit ihr spielen!

Und in welcher Majestät stand dahinter der himmelhohe Urwald mit seinen saftig grünen Baumriesen und seinen tiefen Schatten, in deren heimlichem Dunkel die prächtigsten Blumen in leuchtenden, bunten Farben glühten!

Armand stand mit untergeschlagenen Armen und betrachtete das großartig schöne Bild voller Bewunderung, als das Rasseln der Ketten an dem Tor des Fortes seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Er sah, wie sich der Eingang öffnete und Königstein daraus hervortrat.

»Guten Morgen, Herr Doktor«, sagte dieser freundlich und reichte Armand die Hand. »Ich glaubte, nach Ihren gestrigen Strapazen würden Sie länger als gewöhnlich geschlafen haben.«

»Körperliche Anstrengungen ermüden mich nicht, nein, es scheint, als ob sie meine Kraft nur steigern. Aber Seelenleid, lieber Königstein, das kann ich nicht ertragen. Es macht mich ohnmächtig«, entgegnete Armand und schüttelte ihm herzlich die Hand.

»Ich will schnell die Pferde zum Wasser bringen. Dann schmeckt ihnen der Mais besser, und sie sind damit fertig, wenn wir gefrühstückt haben. Ich denke, wir reiten dann gleich fort. Es wird ein heißer Tag werden«, bemerkte Königstein und eilte in das Fort zurück.

Zugleich aber trat Johann mit einem freudigen Gruß auf Armand zu und trug einen Sack auf der Schulter.

»Wollen Sie die Mühle in Gang setzen?«, fragte Armand. »Es weht nicht genug Wind, um eine Feder fliegen zu lassen, geschweige denn, um die Windmühle zu drehen.«

»Der Wind wird nicht lange auf sich warten lassen, und wenn er kommt, soll er sie bereit vorfinden«, antwortete Johann und schritt zu der in kurzer Entfernung stehenden Mühle.

Diese bestand aus einer großen eisernen Handmühle, die mittels eines hölzernen Zylinders mit vier kolossalen Windmühlenflügeln verbunden war. Der Zylinder lag auf einem vierzehn Fuß über der Erde abgeschnittenen Baumstamm und konnte mit den Flügeln nach Belieben einer Himmelsrichtung zugewandt werden.

Johann stieg die an dem Stamm stehende Leiter zur Mühle hinauf, schüttete den Mais aus dem Sack in den großen Trichter aus Blech und spannte dann die an den Seiten der Flügel zusammengebundene Leinwand über diese aus.

»So«, sagte er, »nun mag der Wind kommen, alles ist zum Mahlen bereit.«

In diesem Augenblick ritt Königstein auf dem nackten Zaar, dem Schimmelhengst Armands, aus dem Tor hervor und leitete einen Rappen neben sich her.

»Königstein, wieder ohne Sattel!«, rief ihm Armand zu, als er bei ihm vorbeitrabte. Doch der immer vergnügte, kleine, dicke Königstein lachte laut auf, klemmte seine kurzen Beine fest an die Seiten des Hengstes und galoppierte durch das Tor in der Einzäunung, die das Fort umgab, den Hügel hinab in die Vertiefung der Prärie, die sich bis zum ganz flachen Ufer des Flusses erstreckte.

Armand schaute dem Reiter nach, bis dieser durch das Tal in einer Entfernung von einigen Tausend Schritten den Fluss erreicht hatte und dort die Pferde tränkte.

In diesem Augenblick begann sich die Mühle zu bewegen, der leichte Luftzug füllte das Leinen der Flügel, und diese gaben dem Druck nach und begannen, sich langsam zu drehen.

Armand folgte der Bewegung mit seinen Blicken und freute sich über seine nützliche Erfindung, die seinen Kolonisten täglich einige Stunden Arbeit ersparte. Da wandte er sich plötzlich wieder dem Tal zu und sah Königstein in voller Galopp auf einem Hengst heransprengen, während der Rappe in wilden Sätzen nebenher rannte.

Er stob durch das Tal und hatte den Fuß des Hügels erreicht, als Armand ihm mit der Hand zuwinkte. Als dies nichts fruchtete, schlug er beide Hände über dem Kopf zusammen, schüttelte ihn und rief: »Er bricht sich wahrhaftig noch den Hals!«

In diesem Augenblick tat der Rappe einen wilden Sprung zur Seite, und Königstein, der die Zügel nicht loslassen wollte, stürzte zwischen beiden Pferden ins Gras und blieb regungslos liegen.

»Da haben wir’s – um Gottes willen!«, schrie Armand, sprang über die Einzäunung und rannte den Hügel hinab zu dem wie tot daliegenden Kolonisten.

Er schlang seinen Arm um ihn und wollte ihn aufrichten, sah aber nun, dass sein rechtes Bein unter dem Knie gebrochen war.

Jetzt schlug Königstein die Augen auf und sagte, als wäre er aus einem Traum erwacht: »Der Rappe – es tut nichts – helfen Sie mir auf, Herr Doktor!«

Dieser hob ihn jedoch auf seine Arme und sagte, während er mit ihm den Hügel hinaufging: »Verhalten Sie sich ganz ruhig, Königstein, Ihr Bein ist gebrochen.«

»Ach, Herr Doktor, dass ich Ihnen nun die Mühe mache. Legen Sie mich doch hin und lassen Sie Johann und Mandel mich tragen.«

Doch Armand eilte, ohne zu antworten, mit ihm vorwärts. Erst als die beiden losen Pferde in das Fort hineinrannten, erschienen die anderen Kolonisten, um zu sehen, was geschehen war.

Armand hatte bereits den Eingang der Einzäunung erreicht und trug Königstein in das Fort und von dort in das Blockhaus, in dem dieser seine Wohnung hatte. Er legte ihn auf sein Lager, brachte den Knochen mit möglichster Schonung schnell wieder in seine Lage, schiente und verband das Bein und linderte dann nach besten Kräften die Schmerzen des Kranken. Während des Tages musste Mandel bei ihm bleiben und Armand ging ab und zu. Die ganze Nacht aber verbrachte er selbst bei ihm und war jeden Augenblick bereit, seinen Wünschen nachzukommen.

Königstein war ein gesunder, doch sehr vollsaftiger Mensch. Dies war wohl die Ursache dafür, dass sich bei dem einfachen Knochenbruch bedeutende Fieberbewegungen zeigten. Doch schon am zweitfolgenden Tag ließen diese nach. Ein ruhiger Schlaf stellte sich ein, die Geschwulst fiel, die Entzündung nahm ab und alle Anzeichen im Zustand des Kranken ließen einen günstiger hoffen. Verlauf der Heilung hoffen.

Dennoch verließ Armand während der ersten acht Tage das Fort nicht. Man lebte von eingesalzenem Büffelfleisch, von dem stets ein großer Vorrat vorhanden war, von Hühnern, von denen es eine große Zahl gab, und von Fischen, die mit der geringsten Mühe jeden Augenblick gefangen werden konnten. Denn Armand hatte einen Lederstrick über den Fluss gespannt, von dem eine Menge Angelschnüre ins Wasser hingen. Man musste sie nur mit Fleischstücken versehen, um in kurzer Zeit die schwersten Fische zu fangen. Namentlich war es der sogenannte Katzenfisch, der in unglaublich großer Zahl im Fluss vorhanden war, und zwar bis zu einem Gewicht von fünfzig Pfund. Es handelte sich um einen schuppenlosen Fisch mit Aalhaut, der sehr fett war und köstlich schmeckte. Außerdem boten die vielen Eier, die herrliche Milch, der Käse und der Mais einen solchen Überfluss an Nahrungsmitteln, dass die Kolonisten niemals in Verlegenheit kamen, selbst wenn Armand einmal kein frisches Fleisch besorgen konnte oder ein Hagelsturm den Garten verwüstet hatte.

Nachdem seit Königsteins Fall eine Woche verstrichen war und er sich außer der örtlichen Verletzung wohl befand, trieb es Armand wieder mit Gewalt hinaus zur Jagd. Sie hatte ihm schon in früheren Zeiten so manche frohe Stunde verschafft und hier in der Wildnis alle trüben Erinnerungen an die Vergangenheit verscheucht.

Es lag ein unaussprechlicher Reiz, eine hohe Begeisterung und Poesie für Armands kräftigen Geist in diesen Jagden, die ihm das Gefühl der Herrschaft über diese Länder gaben. Allein mit seinem edlen Pferd und seinem treuen Hund, auf seine eigene Kraft angewiesen, ohne Weg, ohne Steg, nur der Laune des Augenblicks folgend, die unabsehbaren Grasfluren und die unwirtlichsten, bis in die Schneeregion hinaufragenden Gebirge zu durchziehen und dabei unbekümmert um die tausend Gefahren, die von wilden Tieren, wilden Menschen und wilden Elementen ausgingen, nur seinem Willen, seiner Neigung und seiner Freude zu folgen und in den Armen der großartigsten, paradiesisch schönen Natur nach Herzenslust zu schwelgen, das war ein Glück, wie es nur wenigen der Zivilisation entrückten Sterblichen zuteilwird.

Nach einem erquickenden, süßen Schlaf, wie ihn nur ein solches naturgemäßes Leben bietet, zog Armand oft aus seiner hölzernen Festung hinaus in die Weite, wenn der erste Purpurhauch des nahenden Tages den östlichen Himmel färbte. Beim Abschied konnte er seinen Gefährten nie sagen, wohin ihn die leichten Hufe seines Hengstes tragen würden und wann er zurückkehren würde, ob am selben Tag oder erst nach einer Woche. Einen schattigen Ruheplatz, einen kristallklaren Quell und ein weiches Lager im hohen Gras konnte er immer erreichen und sich dabei ein flackerndes Feuer verschaffen. Seine Rückkehr ins Fort hing jedoch nicht immer von ihm ab, denn oftmals zog es ihn bei der Jagd nach fliehenden Büffeln in die weite Ferne. Oft wollte er verwundetes Wild nicht aufgeben und häufig machten ihm die feindlichen Indianer einen Strich durch die Rechnung, indem sie ihn in großer Übermacht angriffen und weit verfolgten. Dabei schnitten sie ihm den Weg ins Fort ab. Dann flüchtete er sich vor ihnen in die Berge, wo er viele Tage auf den höchsten Matten in der Nähe ewigen Schnees und Eises verbrachte, ehe er es wagen konnte, wieder ins Tal hinabzusteigen und auf einem weiten Umweg zu seiner Behausung zurückzukehren. Wo er sein Nachtlager auch aufschlug, seinen Seelenfrieden und die sorglose Ruhe seines Gemüts brachte er immer mit. Das sternfunkelnde Himmelszelt wölbte sich allenthalben gleich prächtig über ihm. Wenn die Natur auch oftmals grollte und die Elemente tobten, so waren sie für Armand in ihrem Zorn und ihrer Furchtbarkeit schön. Die körperlichen Beschwerden, die sie über ihn brachten, konnten seine Begeisterung für ihre Herrlichkeit und allmächtige Größe nicht erdrücken.

An diesem Morgen aber, als Armand sich bei Königstein verabschiedete, versicherte er ihm, dass er sich nicht weit entfernen wolle und dass er zu gegebener Zeit zu ihm zurückkehren werde.

Die Ketten an dem Tor des Forts fielen, Johann öffnete es, und Armand ritt hinaus, nochmals die Hand reichend, als der erste Karminhauch den tagenden Himmel rötete und das Dämmerlicht über die dunkle Prärie zitterte. Mit einem »Gottlob« auf den Lippen und im Herzen begrüßte er den Morgen, der ihn kühl und erfrischend umfing. Er wölbte seine Brust, dehnte seine kräftigen Glieder und klopfte den Hals und die Kruppe des Hengstes liebkosend. Dieser gab seine Freude zu erkennen, dass es endlich wieder lustig über Berg und Tal gehen sollte, durch Schnauben und tanzenden Tritt. Auch Joe, der mächtige Bluthund, wollte seine Freude darüber ausdrücken und ließ, während er hoch aufsprang, wiederholt seine gewaltige Stimme in jubelnden Stoßlauten ertönen.

Es war ein reizender Morgen. Es lag so still und heimlich düster über der Gegend, als wäre die Natur im Erwachen. Ihr grünes Kleid begann erst, seine Farbenpracht zu entwickeln. Nur einzeln schwebte ein blendend weißer Reiher vom dunklen Wald her den rosigen Wölkchen des heller werdenden Morgenhimmels zu.

Armand ließ seinen scharfen Blick südlich über die Prärie nach dem fernen Wald am Mustang River wandern und wandte ihn dann westlich gegen die fernen, purpurblauen Gebirge, deren eisige Kuppen sich gerade zu röten begannen. Doch nirgends konnte er die schwarzen Massen grasender Büffel erkennen. Heute sollte doch dieser wildesten und begeisterndsten Jagd gefrönt werden! Diese ewig wandernden Überbleibsel der Urzeit waren jedoch immer nur vorüberziehende Gäste. Oft überdeckten sie mit ihren ungeheuren Herden die Prärie, so weit das Auge reichte, doch schon nach wenigen Tagen war weit und breit nicht ein einziges dieser kolossalen Tiere mehr zu finden. Hirsche und Antilopen dagegen standen in allen Richtungen sorglos umher. Sie zu beschleichen und hinterlistig zu töten, war jedoch nicht das, was Armand heute erfreuen konnte. Er musste sein Opfer in offener, fliegender Jagd verfolgen und besiegen.

Bis an den Mustang River vermochte er jetzt die Flur deutlich zu überblicken. Da er in dieser Richtung keine Büffel entdeckte, wandte er sich nach Westen, wo eine viel weitere Ferne vor ihm lag. Hügel auf, Hügel ab zog er stundenlang über das wogende Grasmeer und spähte von jeder Höhe vor sich in die Weite. Doch sein Hoffen sollte nicht in Erfüllung gehen: Nirgends war ein Büffel zu sehen.

Dabei stieg die Sonne immer höher und ihre Strahlen brannten immer heißer auf die Erde nieder. Da Armand bis an den Fuß der Berge das ersehnte Wild nicht gefunden hatte, beschloss er halb missmutig, seinen Rückweg nach dem Fort anzutreten. Dabei wollte er sich mehr nördlich halten, um die Leone zu erreichen und in nicht zu großer Ferne von seiner Wohnung einen Hirsch zu schießen, damit sein Pferd das Gewicht nicht zu weit tragen musste.

Die Sonne hatte schon einige Stunden ihren Höhepunkt überschritten, als Armand an einem klaren Bach haltmachte, um sein Pferd zu tränken. Da frisches, junges Gras das Ufer bedeckte, ließ er sein Pferd auch ein wenig weiden. Er selbst legte sich in den Schatten einer Ulme, während Joe sich im Wasser ausstreckte, um sich zu kühlen.

Nachdem sich der Hund einige Zeit mit wahrer Wollust im kalten Wasser gelabt hatte, erhob er sich, trat auf das Ufer zu seinem Herrn, blieb aber plötzlich stehen, fuhr einige Augenblicke mit der Nase über die Erde hin und her und sah dann mit zornigem Knurren Armand an, als wolle er ihm sagen, dass es ihm hier nicht geheuer sei.

»Was gibt’s, Joe?«, fragte sein Herr, sich aufsetzend und zugleich einen Blick um die Höhe werfend. Darauf neigte der Hund wieder die Nase zur Erde und gab ein ungehaltenes Knurren von sich.

»Nun?«, sagte Armand, erhob sich, trat zu dem Hund hin und blickte auf die Erde, wo er die Eindrücke einer großen Zahl von Pferdehufen erkannte, die den Bach hinauf zeigten.

Der Bach kam aus einem kleinen Gehölz, das eine Viertelstunde weiter nördlich auf der Höhe lag und sich dort wie eine Insel im Meer erhob. Armand hatte ihm wegen der vielen Ulmen den Namen Ulmenhain gegeben. Es war ein reizender Ort, von dem aus man, da er der höchste in der Gegend war, sehr weit die Landschaft überblicken konnte. Nach Nordost sah man auf die Leone hinab, wo sich in einer Entfernung von drei Meilen das Fort auf ihrem Ufer erhob.

In den dunklen Schatten dieses Wäldchens entsprangen zahlreiche kolossale Quellen, die in verschiedene Richtungen als Bäche aus ihm hervorflossen. Nach langen Windungen durch die Prärie ergossen sie sich schließlich alle in die Leone.

An einer dieser Quellen lagen, während Armand den Andeutungen seines Hundes seine Aufmerksamkeit widmete, unter den letzten schattigen Bäumen des Wäldchens etwa vierzig Indianer. Deren gesattelte Pferde waren an Büsche befestigt.

Es waren die Krieger des letzten Stammes der Caddo, dieses einst so mächtigen Volkes, das durch blutige Kämpfe mit seinen roten Brüdern und insbesondere mit den vordringenden weißen Ansiedlern seinem gänzlichen Verschwinden von der Erde so nahegebracht worden war, denn der ganze Stamm zählte nur noch wenige hundert Seelen. Die alten Leute, die Frauen und Kinder der Caddo wohnten an dem Roten Fluss im Nordosten von Texas, während die jungen Männer den größten Teil des Jahres im Westen auf der Jagd verbrachten.

An dem riesigen Stamm einer Zypresse, unter dessen mächtigen Wurzeln der Quell aus weißem Sand hervorsprudelte und in dessen Blasen die feinen Sandkörnchen auf- und niedertanzten, saß der Häuptling der Caddo namens Toscalor. Er war ein alter, doch noch sehr kräftiger Mann und der Vater der Indianerin Kionata, die Davis, der Biberjäger, vor seiner Flucht aus den San-Sabá-Gebirgen dort begraben hatte.

Er saß in sich versunken da, mit Leid, Gram und Weh auf seinen braunen, tiefgefurchten Zügen, und schaute düster und traurig auf die tanzenden Sandkörnchen im Quell hinab. Nach langem Schweigen begann er mit ernster Stimme: »So wie die Sandkörner ewig und unaufhörlich aus dem Quell hervorgeworfen werden und in den Wellen des Baches forttanzen, bis sie im großen Fluss zur Ruhe kommen, so wird alles auf dieser Welt, was zugrunde geht, schnell wieder durch Neues ersetzt, sodass es niemals ausstirbt. Alle Gräser in der Prärie werden von der Sonne getötet, und doch bleibt sie ewig grün. Noch nie hat ein Baum im Wald immer gestanden, und doch fehlt keiner darin. Die Tiere auf der Erde, die Vögel in der Luft und die Fische im Wasser sterben alle, und doch gibt es ihrer noch genauso viele wie vor tausend Jahren. Nur die Zahl der roten Menschen wird mit jedem Jahr kleiner, und bald wird keiner mehr von ihnen leben, der von ihrer Macht, ihrer Größe und ihren Taten erzählen kann. Wie viele gewaltige Stämme der Indianer, die einst die Länder am großen Wasser bewohnten, sind mit ihrem letzten Mann zu ihren Vätern gegangen. Auch von den Caddo, die die Ufer des Mississippi einst beherrschten, wird bald keiner mehr übrig sein, um ihr Kriegsgeschrei ertönen zu lassen. Für jeden sterbenden Indianer kommen hundert Bleichgesichter in die Welt. Sie wachsen wie Pilze aus der Erde und wo die Weißen erscheinen, müssen die roten Kinder verschwinden. Fluch ihnen und allem, was mit ihnen verbündet ist!«

Bei diesen letzten Worten, die er in plötzlicher, knirschender Wut ausrief, streckte der Alte seinen nervigen Arm mit krampfhaft geballter Faust zuckend empor. Wildes Feuer leuchtete aus seinen zornig funkelnden Augen. Dann sank er wieder in sich zusammen und schaute in den Quell hinab. Doch seine Lippen bewegten sich immer noch mit demselben grimmigen Ausdruck, als ließen sie eine weitere Reihe von Flüchen folgen.

Keiner der um ihn sitzenden Indianer gab einen Laut von sich, keiner rührte sich. Doch ihre glühenden, aufflammenden Blicke verrieten, dass dasselbe Gefühl, das den Häuptling so stürmisch bewegt hatte, auch sie ergriffen hatte. Nach einer Weile erhob der Alte abermals sein Haupt und sagte mit weniger lauter, aber schmerzerfüllter Stimme: »Als Toscalor Häuptling der Caddo wurde, besaß er sechs starke Söhne und eine schöne Tochter. Fünf dieser Söhne wurden von den Weißen getötet, drei davon fielen an einem Tag, als wir das Fort am Roten Fluss stürmen wollten. Kionata, die schöne Tochter, wandte ihr Herz einem Bleichgesicht zu und verließ ihren trauernden Vater, um den Kind ihres Volkes glücklich zu machen. Der große Geist hat sie bestraft und ihr untreues Herz durch die Pfeile der Caddo treffen lassen. Sie tötete frevelhaft drei unserer besten Krieger; auch der eine, den wir noch am Leben fanden, starb an der Wunde, die sein Pfeil gerissen hatte. Arme Kionata! Der weiße Mann hat dich bezaubert und deine Sinne verwirrt. Noch immer bebt das Herz deines alten Vaters vor Kummer, weil er deine großen Augen und dein langes Haar nicht mehr sehen und deine liebliche Stimme nicht mehr hören kann! Ach, und wo ist dein unglückliches, halbweißes Kind, das unserem Gott nur zur Hälfte angehört und das dein bleicher Verführer mit dem Namen eines Bleichgesichts, Leonide, genannt hat?«

Der Alte schwieg abermals, faltete die Hände und ließ sein Antlitz auf seine Brust sinken. Doch sein einziger, ihm noch gebliebener Sohn Pawhato, der ihm gegenüber saß, nahm jetzt das Wort und sagte: »Und warum dulden die roten Männer es denn, dass einige Bleichgesichter so weit in unser Land vordringen, sich Häuser bauen und unser Wild jagen? Warum führt Toscala seine Krieger nicht dorthin, um das große Haus am Ufer der Leone in Brand zu setzen und sich mit den Skalpen seiner Bewohner zu schmücken?«

»Das ist ein Fort wie jenes am Red River, vor dem die drei stärksten Söhne Toscalas von den weißen Bewohnern getötet wurden. Sie ließen ihre kleinen Kugeln wie Hagel aus einer Wolke auf die Caddo fallen, sodass sechs Krieger mit einem Blitz und einem Donner getroffen wurden. Dreiundzwanzig Caddo wurden dort von den vielen Kugeln erschlagen. Und ich sollte euch abermals gegen ein solches Fort führen? Willst du denn, dass, wenn ich zu unseren Vätern gehe, ich dir keine Krieger hinterlassen soll?«, antwortete Toscala.

»Wissen die Caddo denn nicht, dass nur wenige Männer in dem Fort wohnen?«, fuhr Pawhato fort.

»Deren Häuptling ist ein Zauberer, der die Pfeile der roten Männer in der Luft zerbricht, ihre Augen blendet und ihre Herzen mit Angst erfüllt«, entgegnete der Häuptling. »Haben nicht die Komantschen, die Mescalero und die Lenape alles aufgeboten, um seinen Kopf zu bekommen? Und wie viele Krieger hat er ihnen getötet? Nein, Toscalor wird die Caddo nicht gegen jenes Fort führen.«

»Hugh!«, riefen in diesem Augenblick mehrere der Krieger mit unterdrückter Stimme und zeigten auf Armand, der in einiger Entfernung vom Gehölz auf der Leone vorüberritt.

»Das ist der weiße Häuptling mit dem langen Bart, das ist sein weißer Hengst und das ist sein großer Hund«, schrie nun Toscalor wutentbrannt. Mit rasender Hast ergriffen alle ihre Bögen und Streitäxte, sprangen zu ihren Pferden und in der nächsten Minute jagte die wilde Schar wie ein Sturmwind den Hügel hinab hinter Armand her.

Dieser hatte das Wäldchen gemieden, da er durch seinen Hund gewarnt worden war und die Nähe der Indianer vermutete. Er war in einem weiten Bogen um den Hügel, auf dem es stand, herumgeritten und folgte einer Vertiefung, in der er dessen andere Seite nach der Leone hin zu erreichen suchte. Da traf das höllische Kriegsgeschrei der Wilden sein Ohr. Nur ein Blick genügte, um ihm deren Übermacht zu zeigen. Er ließ dem Hengst die Zügel und sprengte in fliegender Karriere über die nächste Höhe dem noch eine Stunde Weges entfernten Forte zu.

Sein Vertrauen auf die Sicherheit seines Rosses und die Überzeugung, dass dessen Schnelligkeit die der Indianerpferde bei Weitem übertraf, ließen ihn keinen Augenblick zögern. Wie oft schon hatte das brave Tier ihn von solchen Horden, die ihn verfolgten, hinweggetragen und wie oft schon war er mit ihm über eine vierfache Entfernung hinausgeritten, als diese, die jetzt bis zu seiner Wohnung vor ihm lag.

Kaum hatte er die Höhe erreicht und das Fort erblickt, wählte er einen der unzähligen Büffelpfade, die die Prärie durchkreuzten und in seine Richtung führten. Der Hengst und er sausten wie kaum den Boden berührend auf demselben dahin.

Armand blickte sich nach seinen Verfolgern um. Die meisten von ihnen waren schon weiter hinter ihm zurückgeblieben, einige folgten ihm jedoch auffallend rasch in ungleichen Entfernungen. Namentlich war es Pawhato, der Sohn des Indianerhäuptlings, der auf einem Rappen an der Spitze der wilden Reiter in unveränderter Entfernung hinter ihm blieb. Er trieb sein Pferd mit Sporen und Peitsche sowie durch unmenschliche Schreie zu noch schnellerem Lauf an.

Der Rappe war sehr flüchtig und noch nie war bei einem solchen Rennen ein Pferd Armands Hengst so nahe geblieben. Doch dieser hatte auch noch bei Weitem nicht seine größte Schnelligkeit entwickelt. Im Gegenteil, Armand sprach ihn fortwährend zur Ruhe, da er ja recht gut wusste, dass das Pferd des Indianers, welches nur mit Gras genährt wurde, auf die Dauer nicht so durchhalten würde wie Zaar bei seiner besseren Nahrung.

Noch lagen über tausend Schritte zwischen Armand und dem Reiter des Rappen. Er hätte die ohnmächtigen Anstrengungen desselben, ihn einzuholen, belacht, hätte nicht eine andere Ursache ihn mit Angst erfüllt. Es war Joe, der treue Hund, der sich über eine Meile hinweg dicht hinter Zaar gehalten hatte, dann aber zunehmend zurückzufallen begann.

Armand zog die Zügel an, um die Eile des Hengstes zu vermindern. Gleichzeitig wandte er sich im Sattel um und rief dem Hund zu. Doch das brave Tier tat ja sein Möglichstes und antwortete mit einzelnen Bellen, als ob es sagen wollte, dass es unmöglich schneller laufen könne.

So ging es in fliegendem Galopp Hügel auf, Hügel ab. Die Sprünge des Hengstes schienen immer leichter zu werden, je mehr weiße Schaumflocken von ihm flogen. Doch auch der Rappe blieb flüchtig, obwohl der ihn bedeckende Schweiß kaum noch seine Farbe erkennen ließ. Nur der Hund wurde mit jeder Minute langsamer und stieß von Zeit zu Zeit ein kurzes Stoßgeheul aus, als ob er seinen Herrn auffordern wollte, nicht so schnell zu reiten.

Armand hätte ihn auch nicht verlassen können, selbst wenn er die ganze wilde Rotte hätte erwarten müssen. Er hielt den Hengst immer mehr zurück, sodass er sich nicht weiter als hundert Schritte vom Hund entfernte. Doch je mehr sich seine Eile verminderte, desto näher kam ihm der Indianer auf dem Rappen, und mit dessen Annäherung wurden seine Schreie jubelnder und frohlockender.

Die Ermattung des Hundes nahm rasch zu. Zaar war in Trab gefallen und der Wilde näherte sich nun mit jauchzendem Zetergeschrei, weil er glaubte, dass Armands Pferd durch Atemlosigkeit zurückgehalten werde.

Mit Entsetzen blickte Armand auf den Wilden und maß die Entfernung zu dem teuren Hund, die kaum noch fünfzig Schritte betragen konnte. Da schwirrte ein Pfeil aus dem Bogen des Indianers, flog dicht neben Joe in die Erde und ein Augenblick später flog der zweite hinter dem Tier in das Gras. Doch noch ehe die Spitze des Geschosses den Boden berührte, hatte Armand sein Pferd gestoppt, war aus dem Sattel gesprungen und hatte seine Büchse auf den Indianer gerichtet. Pawhata zog den dritten Pfeil mit der Sehne des Bogens zurück, als Armand das Feuer eröffnete. Der Indianer flog hoch aus dem Sattel und stürzte kopfüber ins Gras.

Der Schuss wurde von den übrigen, weiter zurückgebliebenen Wilden mit dem entsetzlichsten, furchtbarsten Geheul beantwortet. Mit den rasenden Gebärden kamen sie wie höllische Geister herangestürmt. Armand aber, der schnell eine Patrone in den abgeschossenen Lauf geschoben hatte, sprang wieder in den Sattel und setzte Zaar abermals in Galopp, indem er zugleich den Hund anfeuerte, bei ihm zu bleiben.

Die Indianer hatten ihren gefallenen Kameraden erreicht und sich um ihn versammelt. Doch sie verweilten nur wenige Augenblicke bei ihm, dann brachen sie wieder in ein Geheul aus, als habe sich die Unterwelt aufgetan. Wie eine Windsbraut jagten sie, angeführt vom alten Häuptling, hinter Armand her.

Dieser blieb kurz vor seinem Hund, der nun, nicht übereilt und von seinem Herrn angefeuert, alle seine Kräfte für die größtmögliche Schnelligkeit aufbot. So kamen sie ins Tal, an dessen anderer Seite sich das Fort auf dem Hügel erhob. Nur noch tausend Schritte trennten Armand von der ersehnten Höhe, doch kaum noch einige hundert von seinen grimmigen Verfolgern, die in einer langen Schlangenlinie hinter ihm her in das Tal stürmten.

Je näher Armand dem Fort kam, desto näher kamen ihm auch die Wilden. Als er den Hügel hinaufsprengte, schwirrten links und rechts Pfeile an ihm vorbei. Es zuckte ihm in den Händen, sein Pferd anzuhalten und die Schüsse zu erwidern. Doch seine Kolonisten taten es statt seiner vom Fort aus. Es blitzte und krachte aus beiden Türmen hervor. Ein Pferd seiner Verfolger, tödlich getroffen, stürzte mit seinem Reiter zu Boden.

»Gottlob!«, rief Armand laut aus, als er vor dem Tor der Einzäunung vom Hengst sprang, ihn rasch hindurchführte und das Tor wieder hinter sich warf.

»Nun wartet, ihr roten Teufel!«, rief er aus, hob die Büchse an die Schulter und schoss den Vordersten der Indianer, der bis auf sechzig Schritt herangejagt war, vom Pferd, während aus dem Fort Schuss auf Schuss den Wilden entgegengeschossen wurde.

Armand hatte in wenigen Augenblicken das Tor der Festung erreicht, war mit Zaar und Joe hineingetreten und eilte nun, nachdem er den Eingang hinter sich verriegelt hatte, zu Johann in den einen Turm.

»Die Hunde machen Kehrt!«, rief derselbe ihm zu und tat im selben Augenblick noch einen Schuss ab. »So, die Kugel haben sie noch zum Abschied pfeifen hören«, sagte er, als Armand neben ihm in die Höhe gestiegen war und den Wilden nachblickte. Einer von ihnen hatte den verwundeten Kameraden zu sich auf das Pferd genommen und dessen Ross war von einem Indianer bestiegen worden, der sein eigenes eingebüßt hatte.

»Was für Indianer mögen dies sein?«, fragte Armand. »Sie sehen anders aus als alle, denen ich bisher begegnet bin. Sie sind mehr bekleidet und haben besseres Sattelzeug.«

»Es ist alles eine Sorte«, antwortete Johann, während er die abgeschossenen Büchsen zusammennahm. »Es sind wahre Teufel, und doch haben sie keine Courage, außer wenn sie einen einzelnen Mann draußen erwischen können. Haben sie Sie denn weit gejagt?«

»Vom Ulmenhain«, erwiderte Armand. »Doch ich wäre längst vor ihnen hier gewesen, wenn es nicht wegen Joe gewesen wäre. Der konnte mit Zaar nicht gleichen Schritt halten. Jenseits der Höhe, im nächsten Tal, holte ihn der Vorderste der Lumpen ein und sandte zwei Pfeile nach ihm, doch ich habe ihn dafür bezahlt und ihn vom Pferd geschossen. Die anderen hielten sich kurze Zeit bei dem Gefallenen auf, wodurch ich wieder Vorsprung bekam.«

»Wer von Ihnen beiden hat denn den Gaul dort getroffen? Er scheint tot zu sein.«

»Das habe ich getan«, versetzte Johann freudig, »und zwar mit Ihrer kleinen Pürsch-Büchse. Sie schießt famos.«

»Das heißt, wenn man famos draufhält«, bemerkte Armand lächelnd. »Ja, bessere und mehr Gewehre hat sicherlich kein Frontiermann. Wir besitzen ja wohl sechsundvierzig Stück?«

»Siebenundvierzig«, antwortete Johann lachend. »Sie zählen meinen alten Donnerkasten nicht mit.«

»Ganz recht«, sagte Armand. »Alles, was uns fehlt, ist eine Kanone. Wenn ich eine zu beschaffen wüsste, würde ich sie wahrhaftig anschaffen. So ein Kartätschenbeschuss wäre eben nicht so unrecht gewesen.«

»Gut, dass die Spitzbuben fort sind«, rief Mandel, aus dem anderen Turm tretend. »Mit jenen beiden in den Hof. Haben wir nicht gut gefeuert, Herr Doktor?«

»Prächtig, nur nicht viel getroffen«, antwortete Armand lachend.

»Es war zu weit, aber wir dachten, das Knallen würde die Kerle schon zurücktreiben. Es fehlte nicht viel, dann hätten sie Sie erwischt.«

»Was macht Königstein?«, fragte Armand, während er sich nach dessen Wohnung umwandte.

»Gut«, antwortete Johann. »Denken Sie sich, er verlangte, wir sollten ihn mit Gewalt in einen Turm tragen. Als ich ihm sagte, dass Indianer hinter Ihnen seien, lachte er nur. Er meinte, er könne im Sitzen schießen.«

»Ein braver, ehrlicher Mensch!«, sagte Armand und wandte sich dann mit den Worten an Mandel: »Seien Sie doch so gut, Mandel, und nehmen Sie Zaar das Sattelzeug ab. Lassen Sie ihn dann in die Einzäunung hinaus, damit er sich im Gras von seinem Lauf erholen kann.«

Dann trat er mit Königstein in das Blockhaus und fand ihn im Bett sitzend, ganz aufgeregt.

»Gott sei Dank, Herr Doktor, dass Sie glücklich hereingekommen sind!«, rief er ihm zu. »Ich habe hier wie auf heißen Kohlen gelegen, während es draußen knallte. Es war abscheulich von den beiden, dass sie mich nicht in den Turm tragen wollten. Ich hätte recht gut schießen können.«

»Und dabei wäre Ihr Bein aus der Lage gekommen und wäre wieder recht böse geworden«, antwortete Armand, während er Königstein die Hand reichte, sich neben ihn setzte und ihm den gesamten Hergang seines Zusammentreffens mit den Wilden erzählte.

Nach einer Weile trat Mandel herein und berichtete, dass die Indianer schon über die nächste Anhöhe hinweggezogen wären und nichts mehr von ihnen zu sehen sei.

»Wir wollen aber doch heute Nacht und in der nächsten Zeit auf unserer Hut bleiben«, versetzte Armand, »denn es schienen mir fremde Indianer zu sein, welche diese Gegend selten besuchen. Die, welche schon früher unsere Bekanntschaft gemacht haben, nehmen sich in Acht, uns zu nahe zu kommen.«

Die Nacht verstrich jedoch ohne jede Störung und auch die folgenden Wochen verliefen in gewohnter Ruhe. In dieser Zeit wurde Königstein so weit hergestellt, dass er mithilfe von zwei Krücken wieder gehen und, wenn ihm beim Auf- und Absteigen beigestanden wurde, umherreiten konnte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert