Die Hexen von Lancashire Band 1 – Kapitel 1
Die Hexen von Lancashire
Erster Band
Ein Roman aus dem Pendle-Wald von William Harrison Ainsworth
Leipzig, 1849
Einleitung
Der letzte Abt von Whalley
Erstes Kapitel
Der Leuchtturm auf Pendle Hill
Es waren acht Wächter bei dem Leuchtturm auf Pendle Hill in Lancashire. Zwei standen auf beiden Seiten der nordöstlichen Spitze des Berges. Einer von ihnen überschaute die befestigten Höhen von Clithers, die bewaldeten Bergzüge von Bowland, die kahlen Felsen von Thornley, die weitläufigen Moorgebiete von Bleasdale, den Trog von Bowland und die Wolfsklippe. Er konnte sogar die schwarzen Blachfelder erkennen, die drohend über Lancaster thronen. Der andere verfolgte den Strom, der den Namen Pendle Water trägt, beinahe von seiner Quelle unter den benachbarten Hügeln an und folgte seinen Windungen durch den laublosen Wald, bis er seine Fluten mit denen des Calder vereinigte und in schnelleren und klareren Wellen weiter rauschte, um den Fuß der Whalley Abbey zu umspülen. Doch damit war die Aussicht des Wächters noch nicht zu Ende. Er gewahrte auch den spitzen Turm der Kirche von Burnley, der sich scharf von den gerundeten Baummassen des Townley Parks abhob. Dann sah er den Eingang der finsteren Gebirgsschlucht Grange of Cliviger und schließlich ruhten seine Augen auf den blauen Gipfeln der Blackstone Felsen.
Kahl und öde war die Aussicht in alle Richtungen. Schwarzes Moorland, unfruchtbare Felsen, weit ausgedehnte Wälder, die von tintenschwarzen Strömen durchschnitten wurden, hier und da ein kleiner, mit Moos überdeckter Tümpel, dessen Wasser dieselbe Farbe hatte wie das der Ströme – das waren die Hauptzüge des Landschaftsbildes. Der ganze Distrikt war unfruchtbar und dünn bevölkert. Von den Städten sah man nur Clitheroe, Colne und Burnley, wobei Burnley kaum mehr als ein Dorf war. In den Tälern befanden sich einige Weiler und zerstreut gelegene Hütten, auf dem Hochland dann und wann eine Bude, wie man die Hütte des Hirten nannte. Es gab nur sechs größere und wichtigere Herrensitze: Merlay, Twistleton, Alcancoats, Sarfield, Ightenhall und Gawthorpe. Die Weideplätze für das Rindvieh, über welches die Hirten die Aufsicht führten, und die Parks innerhalb des Waldes, die zu einem der eben erwähnten Herrenhäuser gehörten, waren die einzigen Anzeichen von Kultur. Alles andere war Heidewüste, Morast und Wald.
Und doch hatte dieses Land für den Jagdliebhaber – die Edelleute von Lancashire im 16. Jahrhundert waren eifrige Jäger – eine große Bedeutung. Im Pendle-Wald gab es Wild im Überfluss. Birkhühner, Kiebitze und Rohrdommeln fand man auf den Moorländern, Auerhähne und Schnepfen auf den Marschen und wilde Enten sowie Rothälse auf den Wassertümpeln. Im Inneren des Waldes gab es ganze Herden von Rehen, die durch die damals in voller Kraft bestehenden, schrecklichen Jagdgesetze geschützt waren. Der kühnere Jäger konnte den Wolf in den Bergen bis zu seinem Lager verfolgen, den Eber auf den von Eichen umgebenen Waldwiesen oder die Fischotter am Flussufer mit seinem Speer durchbohren. Er konnte den Dachs oder den Fuchs aus ihrem Bau treiben oder die wilde Bergkatze mit seinem Bolzen erlegen. Zuweilen harrte auch ein edleres Opfer in Gestalt eines wilden Bergstiers auf ihn, eines Bewohners des Waldes und Überbleibsels der Herden, die einst auf diesen Hügeln geweidet hatten, aber nun fast alle eingefangen und in den Park des Abtes von Whalley gebracht worden waren. Die Flüsse und Teiche waren voller Fische, und der stattliche Reiher besuchte die Lachen. Auf den steilen Höhen bauten Geier, Falken und königliche Adler ihre Nester.
Es waren acht Wächter beim Leuchtturm. Zwei von ihnen standen getrennt von den anderen und schauten rechts und links vom Berg hinunter. Sie waren beide mit Schwertern und Hakenbüchsen bewaffnet und trugen Stahlhauben und Büffelkoller. Ihre Ärmel waren mit den fünf Wunden Christi bestickt, die den Namen Jesus einschlossen – das Kennzeichen der Pilgerschaft der Gnade. Zwischen ihnen, am Rand des Berges, war eine große Fahne mit einem silbernen Kreuz, einem Kelch und einer Hostie sowie der Gestalt eines Priesters, der anstelle einer Bischofsmütze einen Helm trug und anstelle eines Krummstabes ein Schwert führte, während er mit der anderen Hand auf die beiden Türme eines klosterähnlichen Gebäudes zeigte, als wolle er andeuten, dass er zur Verteidigung desselben bewaffnet sei, aufgepflanzt. Diese Figur stellte, wie die darunter befindliche Unterschrift verriet, John Paslew dar, Abt von Whalley, der sich in seiner kriegerischen Eigenschaft Grafen von Poverty (Armut) nannte.
Es waren acht Wächter bei dem Leuchtturm. Zwei davon haben wir beschrieben. Von den anderen sechs waren zwei stämmige Hirten mit Stäben, die ein paar Maultiere und ein reich aufgezäumtes Streitross am Zügel hielten. Neben ihnen stand ein breitschultriger, riesig gebauter junger Mann mit frischer Gesichtsfarbe, krausem braunen Haar, hellfarbenen Augen und offenem, sächsischem Gesicht, wie man es in seinem Heimatland Lancaster am besten und schönsten sieht. Er trug einen licolngrünen Wappenrock. Ein Horn hing an einer silbernen Schnur von seiner Schulter herab. An einer Kette um seinen Hals befand sich ein silbernes Schild mit den drei Lilien des Wappens des Abtes von Whalley. In seinem Gürtel steckte ein Jagdmesser und auf seinem Barett befand sich eine Adlerfeder. Er stützte sich auf den Kolben einer Armbrust und betrachtete drei Personen, die auf der vor dem Wind geschützten Seite des Leuchtturms bei einem Torffeuer beisammenstanden. Zwei von ihnen waren bejahrte Männer im weißen Gewand und Skapulier der Zisterziensermönche. Sie stammten zweifellos aus Whalley, da die Abtei diesem Orden gehörte. Der dritte und letzte Mann, der wie der Vorgesetzte der beiden anderen wirkte, war ein großer Mann in Reitkleidung. Er war in einen langen Mantel aus schwarzem Samt gehüllt, der mit Vögeln besetzt war und dieselben Wappenbilder zeigte wie die Ärmel der Schildwachen, nur dass sie in reicheren Stoffen ausgeführt waren. Seine Züge waren scharf markiert, streng und zeigten Spuren des Alters, aber seine Augen waren hell und seine Haltung aufrecht und würdevoll.
Der Leuchtturm, bei dem die Wächter weilten, bestand aus einem riesigen Holzstoß, der auf einem kreisrunden Steinsockel aufgeschichtet war. Er wies Öffnungen auf, die der Luft den Zutritt gestatteten, während seine hohle Mitte mit Reisig und anderen leicht brennbaren Stoffen gefüllt war. Fackeln lagen in Reichweite, sodass der Holzstoß augenblicklich in Brand gesteckt werden konnte.
Diese Wache wurde an einem Nachmittag im November des Jahres 1536 gehalten. In diesem Jahr war eine furchtbare Empörung in den nördlichen Grafschaften Englands ausgebrochen. Deren Teilnehmer versprachen, die Person des Königs Heinrich VIII. und seiner Nachkommen zu respektieren, und verpflichteten sich durch einen feierlichen Schwur, die Wiederherstellung der päpstlichen Oberherrschaft im ganzen Königreich sowie die Rückgabe der priesterlichen Stiftungen und Ländereien an ihre früheren Besitzer durchzuführen. Auch verpflichteten sie sich, die Feinde der römischen Kirche zu züchtigen und die Ketzerei zu unterdrücken. Wegen ihres religiösen Charakters wurde diese Rebellion Pilgerschaft der Gnade genannt und zählte alle zu ihren Anhängern, die die neuen Lehren in Yorkshire und Lancaster nicht angenommen hatten. Dass eine solche Empörung auf die Unterdrückung der Klöster folgte, war nicht zu verwundern. Die Entweihung und Beraubung so vieler geweihter Gebäude, die Zerstörung lange mit Ehrfurcht betrachteter Altäre und Bilder, die Vertreibung so vieler wegen ihrer Gastfreundschaft berühmter und wegen ihrer Frömmigkeit und Gelehrsamkeit geachteter Geistlicher, die Gewalttätigkeit und Habgier der von dem Generalvikar Cromwell zur Ausführung dieser harten Maßnahmen ernannten Kommissäre – all diese Übergriffe wurden vom Volk mit Abscheu angesehen und machten es geneigt, die Betroffenen bei ihrem Widerstand zu unterstützen. Bisher waren die reicheren Klöster im Norden verschont geblieben. Eben um diese vor den gierigen Händen der Kommissäre, der Doktoren Lee und Layton, zu schützen, war die Empörung unternommen worden. Eine gleichzeitige Erhebung fand in Lincolnshire statt, an deren Spitze Makarel, Abt von Barlings, stand. Diese wurde jedoch durch die Tatkraft und Gewandtheit des Herzogs von Suffolk sehr bald unterdrückt und ihr Anführer hingerichtet. Der Aufstand im Norden war jedoch besser organisiert und von größerer Kraft, denn er zählte nun dreißigtausend Mann unter dem Befehl eines gewandten und entschlossenen Anführers namens Robert Aske.
Die Geistlichkeit war, wie man sich leicht vorstellen kann, die Haupttriebfeder dieser Empörung, deren Ziel das besondere Wohl der Priester war. Viele von ihnen folgten dem Beispiel des Abts von Barlings, kleideten sich in Stahl anstatt in wollene Gewänder und umgürteten sich mit Schwert und Brustharnisch, um die erlittene Unbill zurückzuweisen und ihre Rechte zu wahren. Hierzu gehörten die Äbte von Jervaux, Furness, Fountains, Rivaulx und Salley sowie der bereits erwähnte Abt von Whalley, ein feuriger und tatkräftiger Prälat, der in seinem Widerstand gegen die übergreifenden Maßnahmen des Königs beharrlich und entschlossen gewesen war. Dies war die Pilgerschaft der Gnade, dies war ihr Kennzeichen und dies waren ihre Anhänger.
Es waren bereits mehrere große Städte in die Hände der Empörer gefallen. York, Hull und Pontefract hatten sich ergeben, das Schloss Skipton wurde belagert und vom Earl von Cumberland verteidigt. Dieser bot dem Herzog von Norfolk und dem Earl von Shrewsbury, die bei Doncaster an der Spitze der königlichen Streitmacht standen, die Schlacht an. Die royalistischen Anführer wollten die Sache jedoch hinziehen, weshalb den Rebellen ein Waffenstillstand angeboten wurde, den diese annahmen. Anschließend wurden die Bedingungen vorgeschlagen und besprochen.
Während der Dauer des Waffenstillstandes hörten alle Feindseligkeiten auf, aber auf den Bergen wurden Leuchttürme errichtet, deren Flamme das Zeichen eines neuen Aufrufs zu den Waffen sein sollte. Und auf dieses Zeichen warteten die acht Wächter.
Obwohl es bereits November war, war der Tag doch ungewöhnlich schön gewesen, sodass die gesamten Bergketten ringsherum deutlich erkennbar waren. Nun senkten sich jedoch die Schatten des Abends herab.
»Die Nacht bricht ein«, rief der lange Mann in dem Samtmantel ungeduldig, »und immer noch kommt das Zeichen nicht. Weshalb diese Zögerung? Kann Norfolk unsere Bedingungen angenommen haben? Unmöglich. Der letzte Bote aus unserem Lager in Scawsby Lees brachte die Meldung, die einzige Bedingung des Herzogs sei königlicher Pardon für die gesamte Armee der Insurgenten unter der Voraussetzung, dass sie sich sofort auflöse – mit Ausnahme von zehn Personen, von denen er sechs nannte, vier aber nicht.«
»Und wäret Ihr unter den Genannten, Herr Abt?«, fragte einer der Mönche.
»John Paslew, Abt von Whalley, stand, wie man sagt, auf der Liste ganz oben«, entgegnete der Gefragte mit bitterem Lächeln. »Nach ihm kam William Traford, Abt von Salley. Dann Adam Sudbury, Abt von Jervaux. Dann unser Anführer Robert Aske. Dann kam John Eastgate, Mönch von Whalley.«
»Wie, Herr Abt?«, rief der Mönch. »Wurde mein Name auch genannt?«
»Er wurde es«, versetzte der Abt, »und der von William Haydocke, ebenfalls Mönch von Whalley, schloss die Liste.«
»Der hartherzige Tyrann«, murmelte der andere Mönch. »Aber diese Bedingungen wurden doch nicht angenommen?”
»Ganz gewiss nicht«, entgegnete Paslew, »sie wurden mit Verachtung zurückgewiesen. Aber die Verhandlungen wurden von Sir Ralph Ellerker und Sir Robert Bowas fortgesetzt. Sie sollten freien Pardon für alle beanspruchen sowie die Errichtung eines Parlaments und eines Gerichtshofes in York, die Wiedereinsetzung der Prinzessin Marie in die Erbfolge, die Wieder Einsetzung des Papstes in seine Jurisdiktion und die Wieder Einsetzung unserer Brüder in ihre Häuser erreichen. Aber auf diese Bedingungen wird man niemals eingehen. Durch die Verzögerung werden wir ganz gewiss umso schlimmer wegkommen. Aber ich wurde vom Erzbischof von York und Lord Darcy überstimmt. Ihr Ausspruch galt mehr als der des Abtes von Whalley – oder, wenn es euch gefällt, des Grafen von der Armut.«
»Die Beilegung dieses lächerlichen Titels ist es, was euch den Groll des Königs in seiner ganzen Heftigkeit zugezogen hat, Herr Abt«, bemerkte Vater Eastgate.
»Das kann sein«, entgegnete der Abt. »Ich nahm ihn an, um Cromwell und die geistlichen Kommissäre zu versöhnen, und ich freue mich, dass sie den Stich gefühlt haben. Der Abt von Barlings nannte sich Hauptmann Schuhflicker, weil der Staat, wie er behauptete, des Ausbesserns bedurfte, wie altes Schuhwerk. Und ist mein Titel nicht ebenso gut gewählt? Ist die Kirche nicht mit Armut geschlagen? Sind nicht zehntausend unserer Brüder aus ihren Häusern dem Bettelstab oder dem Hungertod entgegengetrieben worden? Sind nicht die obdachlosen Armen, die wir an unseren Toren speisten und in unseren Zelten beherbergten, hungrig und ungeruht von dannen gezogen? Sind nicht die Kranken, denen wir hätten helfen können, ohne Pflege und Versorgung hinter dem Zaun gestorben? Ich bin das Haupt der Armen in Lancashire, der Helfer ihrer Beschwernisse, und deshalb nenne ich mich den Grafen von Armut. Habe ich nicht wohlgetan?«
»Ihr habt es, Herr Abt«, entgegnete Vater Eastgate.
»Armut wird nicht nur das Los der Kirche, sondern auch das des ganzen Königreichs sein, wenn die habgierigen Absichten des Monarchen und seiner ketzerischen Ratgeber ausgeführt werden«, fuhr der Abt fort. »Cromwell, Audeley und Rich haben klüglich befohlen, dass kein Kind ohne Tribut an den König getauft werden soll, dass keiner, der nicht über zwanzig Pfund jährliche Einkünfte verfügt, ohne Tribut Weizenbrot, Schweinefleisch oder Geflügel essen darf und dass alles gepflügte Land ebenfalls Schoß bezahlen soll. Auf diese Weise soll die Kirche zur Bettlerin gemacht, der Arme ausgeplündert und alle Menschen überlastet werden, bloß um den König zu mästen und seine Schatzkammer zu füllen.«
»Das muss ein Scherz sein«, bemerkte Vater Hadocke.
»Es ist ein Scherz, über den kein Mensch lacht«, versetzte der Abt finster, »ebenso wenig wie die Ratgeber des Königs über den Grafen von Armut lachen werden, dessen Titel sie selbst geschaffen haben.« Aber weshalb kommt das Zeichen nicht? Kann etwas Widerwärtiges vorgefallen sein? Ich will es nicht denken. Das ganze Land vom Tweed bis zum Humber und vom Lune bis zum Mersey gehört uns. Wenn wir nur gut zusammenhalten, muss unsere Sache siegen.«
»Und doch haben wir viele und mächtige Feinde«, bemerkte Vater Eastgate, »und der König hat, wie man sagt, geschworen, auf keinerlei Bedingungen mit uns einzugehen. Heute früh kam die Nachricht in die Abtei, dass der Earl von Derby bei Preston eine bedeutende Streitmacht zusammenzieht, um damit gegen uns zu ziehen.«
»Wir werden ihm einen warmen Empfang bereiten, wenn er kommt«, entgegnete Paslew grimmig. »Er wird feststellen, dass unsere Mauern mit Erlaubnis des guten Königs Eduard nicht umsonst mit Türmen und Schießscharten versehen wurden und dass unsere Brüder noch genauso gut kämpfen können wie ihre Vorgänger zur Zeit des Abts Holden, als sie sich den Zehnten mit Gewalt von Sir Christopher Parsons von Slaydburn holten. Die Abtei ist fest und gut verteidigt, sodass wir keinen Überfall zu fürchten brauchen. Aber es wird immer finsterer, und immer noch kommt kein Zeichen.«
»Vielleicht ist das Wasser des Don wieder gestiegen, sodass die Armee verhindert ist, den Fluss zu passieren«, bemerkte Vater Haydocke, »oder es kann auch unserem Anführer irgendein Unfall zugestoßen sein.«
»Nein, das Letztere will ich nicht glauben«, sagte der Abt. »Robert Aske ist vom Himmel zu unserem Befreier ausersehen. Es gibt eine Prophezeiung, dass ein Einäugiger die Erlösung des gefallenen Glaubens vollführen soll, und ihr wisst, dass Robert Aske durch einen Pfeil sein linkes Auge verloren hat.«
»Und deshalb«, bemerkte Vater Eastgate, »singen die Pilger der Gnade den folgenden Vers:
Hervor wird treten ein einäugiger Aske,
er soll der Führer der Gesellschaft werden,
Führer der nordischen Ritterschaft!
»Nun, und wie geht es weiter?«, fragte der Abt, als er sah, dass der Mönch zu zögern schien.
»Nun, ich weiß nicht, ob die übrigen Zeilen euch gefallen werden, Herr Abt«, entgegnete Vater Eastgate.
»Lasst mich sie hören, und dann werde ich urteilen«, sagte Paslew.
So aufgefordert, fuhr der Mönch fort:
Einer wird sitzen beim festlichen Gelag,
halb Krieger und halb Priester,
der Größte wird dort der Kleinste sein.
»Die letzte Zeile«, bemerkte der Mönch, »ist von Niklas Demdike hinzugefügt worden. Ich hörte ihn neulich am Tor der Abtei singen.«
»Was, Nicholas Demdike von Worston?«, rief der Abt, »er, dessen Weib eine Hexe ist?«
»Derselbe«, entgegnete Eastgate.
»Allerdings sagt man es ihm nach«, bemerkte der Jäger, der dem Gespräch aufmerksam zugehört hatte und nun herantrat, »aber glaubt es nur nicht.« Meiner Treu, Herr Abt, Bess Demdike ist viel zu jung und zu hübsch für eine Hexe.« .
»Du hast dich selbst von ihr behexen lassen, Cuthbert«, sagte der Abt zornig. »Ich werde dir eine Buße auferlegen, um dich von dem bösen Einfluss zu befreien. Du musst täglich zwanzig Paternoster beten, einen Monat lang fasten und dann eine Wallfahrt zum Altar Unserer Lieben Frau von Gilsland unternehmen. Beß Demdike ist eine unleugbare, allgemein bekannte Hexe. Glaubwürdige Zeugen haben sie auf diesem Berg einem Teufelsabbat beiwohnen sehen – der Himmel schütze uns! Deshalb habe ich sie und ihren Ehemann in den Kirchenbann getan, die Kirchenacht über sie ausgesprochen und unserer ganzen Geistlichkeit befohlen, ihrer neugeborenen Tochter die Taufe zu verweigern.«
»Ach, das weiß ich wohl, Herr Abt«, entgegnete Ashbead, »und Beß nimmt sich den Urteilsspruch sehr zu Herzen.«
»Dann möge sie auf besseren Wegen wandeln, sonst soll sie eine noch schwerere Strafe treffen«, rief Paslew streng.
»Sortilegam non patieris vivere«, sagt das Gesetz. Wenn sie überführt wird, soll sie des Todes sterben. Dass sie hübsch ist, gebe ich zu, aber es ist die Schönheit eines Kindes der Sünde. Kennst du den Mann, mit dem sie verheiratet ist – oder verheiratet zu sein vorgibt? Denn ich habe keine Beweisurkunde darüber gesehen. Er ist hier fremd.«
»Ich weiß weiter nichts von ihm, Herr Abt, als dass er vor einem Jahr nach Pendle kam«, entgegnete Ashbead, »aber ich weiß wohl, dass der nichtswürdige Kerl mir das schönste Mädchen von ganz Lancashire, vielleicht sogar von ganz England, abspenstig machte – ich würde darauf wetten.«
»Was ist es für ein Mann?«, fragte der Abt.
»Oh, er ist ein hässlicher Kerl, ein sehr hässlicher Kerl«, entgegnete Ashbead, »mit einem Gesicht, schwarz wie Moorboden, mit glänzend rußigen Haaren wie ein Maulwurf und mit Augen wie ein Falke. Was Laufen, Ringen und Steinwerfen betrifft, hat er in diesem Land jedoch keine Konkurrenz. Ich habe alle drei Spiele mit ihm gemacht und weiß daher aus Erfahrung, wovon ich rede. Meist hat er einen großen, schwarzen Hund bei sich, und bei der heiligen Messe kann ich nicht umhin zu glauben, dass er manchmal euren Rehböcken zu Leibe geht, Herr Abt.«
»Ha! Das wollen wir doch genauer untersuchen«, rief der Abt.
»Du sagst, du wüsstest nicht, woher er kommt? Das ist seltsam.«
»Der unartige Kerl lässt sich darüber nicht ausfragen«, entgegnete Ashbead. »Er antwortet mit einer Fratze und versetzt einem einen Hieb mit seinem Stock. Als ich ihn das letzte Mal sah, drohte er, mich durchzubläuen, aber ich nahm ihm bald den Mut dazu.«
»Wir werden schon ein Mittel finden, ihm den Mund aufzutun«, sagte der Abt.
»Er kann reden, und das sogar recht gut, wenn er will«, bemerkte Vater Eastgate. »Denn obwohl er in der Regel sehr mürrisch und schweigsam ist, redet er, wenn er einmal spricht, nicht wie einer der Knechte, zu denen er sich hält, sondern mit gut gewählten Worten. Seine Haltung ist so kühn und dreist wie die eines Mannes, der im Felddienst erfahren ist.«
»Meine Neugier wird sehr rege«, sagte der Abt. »Ich muss ihn sehen.«
»Das kann gleich geschehen«, rief Ashbead, »denn beim Herrn Uriau, da drüben sehe ich ihn auf dem Berg stehen, obschon nur der Böse wissen kann, wie er hinübergeraten ist.«
Er zeigte auf eine hohe, schwarze Gestalt, die in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten in der Nähe eines kleinen Wassertümpels auf dem Gipfel des Berges stand.
»Wenn man vom Teufel spricht, ist er auch schon da«, bemerkte Vater Haydocke. »Und seht, der Hexenmensch hat einen schwarzen Hund bei sich. Vielleicht ist es seine Frau in dieser Gestalt.«
»Nein, den Hund kenne ich ganz gut, Vater Haydocke«, entgegnete der Jäger. »Es ist ein Saint-Hubert-Hund, ein sehr schöner und seltener Hund zur Fuchs- oder Dachsjagd. Es ist aber der Hund, von dem ich sprach.«
»Mir gefällt das Erscheinen dieses Schurken in diesem Augenblick nicht«, sagte der Abt, »aber ich möchte ihn zur Rede stellen und ihm seine Gottlosigkeit vorhalten.«
»Hört, er singt«, rief Vater Haydocke, und während er noch sprach, war eine Stimme zu hören, die sang:
Einer wird sitzen beim festlichen Gelag,
halb Krieger und halb Priester;
der Größte wird dort der Kleinste sein.
»Dasselbe Liedchen, das ich hörte«, rief Vater Eastgate, »aber horcht nur, er singt noch weiter.«
Und die Stimme hob wieder an:
Reich wird er sein und doch arm wie ich,
Abt und Graf der Armut.
Mönch und Soldat, reich und arm,
wird er an seine eigene Tür gehängt.
Ein lautes, spöttisches Gelächter folgte auf den Gesang.
»Bei unseren lieben Frauen von Whalley, der Halunke spottet über uns«, rief der Abt. »Schicke ihm einen Bolzen hin, um ihm das Maul zu stopfen, Cuthbert.«
Der Jäger spannte sogleich seine Armbrust, und ein Bolzen pfiff in Richtung des Sängers. Ob der Jäger nun nicht richtig gezielt hatte oder das Ziel absichtlich verfehlte, jedenfalls blieb Demdike unversehrt. Der vermeintliche Zauberer lachte laut auf, nahm wie zu einem Kompliment seine Filzmütze ab und ging ganz gelassen den Abhang des Hügels hinunter.
»Es ist sonst nicht deine Gewohnheit, dein Ziel zu verfehlen, Cuthbert«, rief der Abt mit einem missbilligenden Blick. »Vergiss nicht, diesen Schurken vor mich zu stellen, wenn diese unruhigen Zeiten vorüber sind.« Aber was ist das? Er blieb stehen. Er übt seine Teufelskünste am Bergabhang.«
Es schien, als hätte der Abt zu dem, was er sagte, einen Grund, denn Demdike war an einem breiten, grünen Rasenfleck am Abhang des Berges stehen geblieben und zog nun mit seinem Stab einen Kreis auf eben diesem Fleck. Dann sprach er mit lauter Stimme einige Worte, die die abergläubischen Zuhörer als Beschwörung auffassten. Nachdem er den Kreis erneut gezogen und einige Büschel trockenes Haidekraut, das er von einem nahen Hügel gepflückt hatte, an drei besonderen Stellen niedergelegt hatte, lief er, von seinem Hund gefolgt, schnell den Berg hinunter. Er sprang über eine steinerne Mauer, die am Fuße des Hügels einen kleinen Obstgarten einschloss, und war verschwunden.
»Geh und sieh, was er gemacht hat«, rief der Abt dem Jäger zu, »denn es gefällt mir nicht.«
Ashbead gehorchte augenblicklich. Als er den fraglichen grünen Rasenplatz erreichte, schrie er herüber, dass er nichts finden könne. Als er weiterging, fügte er jedoch hinzu, dass sich der Rasen wie eine Wiege unter seinen Füßen hebe, als ob er bersten wolle. Der Abt befahl ihm daraufhin, in den Obstgarten hinunterzugehen. Wenn er Demdike fände, sollte er sie sogleich zur Stelle bringen. Der Jäger tat, wie ihm geheißen, lief den Hügel hinab, sprang über die Gartenmauer, wie Demdike es getan hatte, und entschwand den Augen der Zurückgebliebenen.
Es dauerte nicht lange, und es wurde ganz finster. Da Ashbead nicht wiederkam, machte der Abt seiner Ungeduld und Unruhe in zornigen Worten Luft. Er wollte gerade einen der Hirten nachschicken, als seine Aufmerksamkeit plötzlich durch einen lauten Ruf einer der Schildwachen abgelenkt wurde. Auf einem entfernten Hügel rechts wurde ein Feuer sichtbar.
»Das Zeichen! Das Zeichen!«, rief Paslew freudig. »Zündet eine Fackel an! Schnell, schnell!«
Mit diesen Worten ergriff er eine Fackel und hielt sie in das Torffeuer, während die beiden Mönche seinem Beispiel folgten.
»Es ist das Feuerzeichen auf Blackstone Ledge«, rief der Abt, »und seht, ein zweites lodert über dem Grange of Cliviger, ein drittes auf Ightenhill, ein viertes auf Boulsworth Hill und das letzte auf den benachbarten Höhen von Padiham.« Nun kommt gleich das unsere. Möge es den Feinden unserer heiligen Kirche zum Untergang leuchten!«
Während er dies sagte, hielt er die brennende Fackel an den Zündstoff des Leuchtturms. Die Mönche taten dasselbe, und im nächsten Augenblick erhob sich eine hohe, spitze Flamme aus einer dicken Rauchwolke. Noch ehe eine Minute verstrichen war, schossen ähnliche Feuerzeichen rechts und links empor – auf dem Hochland des Trawden-Waldes, auf den zackigen Spitzen von Foutridge, auf dem Gipfel von Cowling Hill und so weiter bis nach Skipton.
Andere Feuer loderten wiederum auf den Türmen von Clithero, Longridge und Richester sowie auf den bewaldeten Anhöhen von Bowland, der Wolfsklippe und so weiter auf dem ganzen Weg nach Lancaster. Es war wie Zauberei, so plötzlich und wundersam schossen die Feuer empor. Während die Flamme wuchs, erleuchtete sie allmählich die gesamte ausgedehnte Hochebene auf dem Gipfel des Pendle Hill. Ein langer, greller Streifen fiel auf den schwarzen Wassertümpel, in dessen Nähe der Zauberer gestanden hatte. Als die Flamme ihre größte Höhe erreicht hatte, enthüllte sie die Tiefen des Waldes unten, und ein roter Schein bezeichnete hier und da den Lauf des Pendle-Flusses. Die Erregung des Abtes und seiner Gefährten wuchs mit jedem Augenblick, und die Schildwächter schrien jedes Mal laut auf, wenn ein neuer Leuchtturm in Flammen aufging. Endlich hatte fast jeder Hügel sein Wachtfeuer, und dieses Schauspiel war so außergewöhnlich, dass es schien, als erfüllten unheimliche, gespenstische Wesen die Räume der Natur und hielten auf den Bergen ihr Fest.
Nun stieg der Abt auf sein Streitross und rief den Mönchen zu: »Fromme Väter, Ihr werdet mir so gut Ihr könnt zur Abtei folgen. Ich werde schnell voranreiten und zweihundert Bogenschützen nach Huddersfield und Wakefield schicken. Die Äbte von Salley und Jervaux sowie der Prior von Burlington werden gegen Mitternacht bei mir sein. Mit Tagesanbruch wollen wir mit unserer Streitmacht ausziehen, um zum Hauptheer zu stoßen. Der Himmel sei mit Euch!«
»Halt!«, rief eine raue, gebieterische Stimme.
Zu seinem Erstaunen sah der Abt, dass Nicholas Demdike vor ihm stand. Der Anblick des Schwarzkünstlers war unheimlich und furchterregend. Bei dem Feuer des Leuchtturms gaben ihm seine wilden Züge, seine funkelnden Augen, seine hohe, hagere Gestalt und seine fantastische Kleidung etwas Übermenschliches und Dämonisches. Mit über die Schulter geworfenem Stab kam er langsam näher, während sein schwarzer Hund ihm dicht auf den Fersen folgte.
»Ich habe Euch eine Warnung zu geben, Herr Abt«, sagte er. »Hört mich reden, ehe Ihr Euch zur Abtei auf den Weg macht, sonst wird Euch Übles widerfahren.«
»Ja, Übles wird mir widerfahren, wenn ich dich anhöre, du Nichtswürdiger«, rief der Abt. »Was hast du mit Cuthbert Ashbead gemacht?«
»Ich habe nichts von ihm gesehen, seitdem er auf Euer Geheiß, Herr Abt, einen Bolzen auf mich abgeschossen hat«, entgegnete Demdike.
»Hüte dich, ihm etwas zuleide zu tun, oder du wirst es bereuen«, rief Paslew. »Aber ich habe keine Zeit, mich mit dir abzugeben. Lebt wohl, Vater. Die Hochmesse wird in der Klosterkirche gelesen werden, ehe wir morgen früh unseren Zug antreten. Ihr werdet beide derselben beiwohnen.«
»Ihr werdet niemals diesen Zug antreten, Herr Abt«, rief Demdike und stieß seinen Stab plötzlich vor dem Kopf des Pferdes in den Boden, sodass das Tier bäumte und beinahe seinen Reiter abgeworfen hätte.
»Ha, Bursche, was soll das heißen?«, rief der Abt wütend.
»Ich will Euch warnen« entgegnete Demdike.
»Hinweg!«, rief der Abt und gab seinem Pferd die Sporen. »Oder ich reite dich nieder.«
»Ich könnte Euch Eurem eigenen Untergang entgegenreiten lassen«, versetzte Demdike mit verächtlichem Lachen und ergriff das Pferd des Abts beim Zügel. »Aber ihr sollt mich hören. Ich sage Euch, Ihr werdet diesen Zug nie antreten. Noch ehe der morgende Tag kommt, wird Whalley Abtei für immer Eurem Besitz entrissen sein. Wenn Ihr wieder dort erscheint, werdet Ihr Euer Leben verwirkt haben. Wollt Ihr mich nun hören?«
»Es ist unrecht von mir, wenn ich es tue«, rief der Abt, der bei dieser erschreckenden Anrede aber doch eine bange Ahnung nicht unterdrücken konnte. »Rede, was willst du sagen?«
»Kommt ein wenig beiseite, damit die anderen uns nicht hören können, und ich werde es Euch sagen« entgegnete Demdike. Und er führte das Pferd des Abts eine kleine Strecke beiseite.
»Ihre Sache wird misslingen, Herr Abt«, sagte er dann. »Ja, sie ist schon verloren.«
»Verloren!«, rief der Abt, der alle Geduld verlor. »Verloren! Schau dich doch um! Zwanzig Feuer sind zu sehen, ja, dreißig, und jedes Feuer, das du siehst, wird mindestens hundert Mann zu den Waffen rufen. Ehe noch eine Stunde um ist, werden sich fünfhundert Mann vor den Toren der Abtei Whalley versammelt haben.«
»Sehr wahr«, entgegnete Demdike, »aber sie werden den Grafen der Armut nicht als ihren Anführer anerkennen.«
»Welchen Führer werden sie denn anerkennen?«, fragte der Abt verächtlich.
»Den Earl von Derby«, entgegnete Demdike. »Er ist mit Lord Mounteagle von Freston auf dem Weg dorthin.«
»Ha«, rief Paslew, »dann lass mich ihnen entgegenreiten. Aber du treibst dein Spiel mit mir, Bursche. Du kannst nichts von solchen Dingen wissen. Wo hast du diese Nachricht her?«
»Lass das gut sein«, versetzte der andere, »du wirst sehen, dass sie richtig ist. Ich sage dir, stolzer Abt, dass dieser dein und deiner Genossen gewaltiger Anschlag zur Wiederherstellung der katholischen Kirche fehlgeschlagen – gänzlich fehlgeschlagen – ist!«
»Ich sage dir, du lügst, nichtswürdiger Schurke«, rief der Abt und schlug ihn mit seiner Peitsche auf die Hand. »Lass los, damit ich fort kann.«
»Nicht eher, als bis ich ausgesprochen habe«, entgegnete Demdike, immer noch das Pferd festhaltend. »Zu Recht habt Ihr Euch den Grafen der Armut genannt, denn Ihr seid arm und erbärmlich genug. Abt von Whalley seid Ihr nicht mehr. Eure Güter werden Euch genommen werden, und wenn Ihr zurückkehrt, wird man Euch auch das Leben nehmen. Wenn Ihr flieht, wird man einen Preis auf Euren Kopf setzen. Ich allein kann Euch retten, und ich will es tun – unter einer einzigen Bedingung.«
»Bedingung! Ich soll Bedingungen mit dir machen, dem Sklaven des Satans«, rief der Abt und knirschte mit den Zähnen. »Ich muss mich selbst tadeln, dass ich dich so lange angehört habe. Tritt zur Seite, oder ich schlage dich tot!«
»Ihr seid ganz und gar in meiner Gewalt«, rief Demdike mit verächtlichem Lachen. Und während er dies sagte, drückte er dem Ross das große, scharfe Gebiss in das Maul und drängte es rasch rückwärts an den äußersten Rand des Berges, dessen Seiten hier steil hinabgingen. Der Abt hätte einen Schrei ausgestoßen, wenn ihm nicht Überraschung und Schrecken den Mund verschlossen hätten.
»Wäre es mein Wunsch, Euch zu schaden, so könnte ich Euch den Berg hinab dem gewissen Tod in die Arme schleudern«, fuhr Demdike fort. »Aber das wünsche ich nicht. Im Gegenteil, ich will Euch dienen, wie ich gesagt habe, unter einer einzigen Bedingung.«
»Deine Bedingung würde mein Seelenheil gefährden«, sagte der Abt, erfüllt von Wut und Angst. »Du suchst umsonst, mich durch Drohungen für deine Absicht zu gewinnen. Vade retro, Satanas! Ich trotze dir und all deinen Werken.«
Demdike lachte verächtlich.
»Der Donner der Kirche erschreckt mich nicht«, rief er. »Aber schaut hin«, setzte er hinzu,»Ihr habt mein Wort bezweifelt, als ich Euch sagte, dass die Empörung zu Ende sei. Die Feuerzeichen auf Boulsworth Hill und auf dem Grange of Cliviger sind wieder erloschen. Das auf der Höhe von Padiham wird ebenfalls schwächer – ja, eben erlischt es – und binnen weniger Minuten werden alle diese Gebirgsflammen verschwunden sein, wie die Lampen nach dem Ende eines Gelages.«
»Bei unserer lieben Frau, es ist so«, rief der Abt mit steigender Angst. »Welche neue Gaukelei ist dies?«
»Es ist keine Gaukelei, sage ich Euch«, entgegnete der andere. »Die Fluten des Don sind wieder gestiegen. Die Empörer haben den Pardon des Königs angenommen, ihre Anführer verlassen und sich zerstreut. Es wird weder heute Nacht noch morgen ein Aufstand stattfinden. Die Äbte von Jervaux und Salley werden sich bemühen, zu kapitulieren – aber vergeblich. Die Pilgerschaft der Gnade ist zu Ende. Der Einsatz, um welchen Ihr gespielt habt, ist verloren. Dreißig Jahre lang habt Ihr hier geherrscht, doch nun ist Euer Reich vorüber. Siebzehn Äbte von Whalley gab es – der letzte ward Ihr! Aber es wird keinen weiteren geben.«
»Es muss der Teufel in Menschengestalt sein, der so mit mir spricht«, rief der Abt, dem das Haar zu Berge stand, während ihm der kalte Schweiß ausbrach.
»Gleichviel, wer ich bin«, entgegnete der andere. »Ich habe gesagt, dass ich Euch unter einer Bedingung helfen will. Es ist nicht viel. Nimm den Bann zurück, mit dem Ihr mein Weib belegt habt, und tauft ihre neugeborene Tochter, dann bin ich zufrieden. Ich würde Euch nicht um diesen Dienst bitten, so geringfügig er auch ist, wenn die arme Seele nicht so sehr darauf versessen wäre. Wollt Ihr es tun?«
»Nein«, entgegnete der Abt schaudernd, »ich werde keine Tochter des Teufels taufen. Ich will meine Seele nicht an die Mächte der Finsternis verkaufen. Ich beschwöre dich, von mir zu weichen und mich nicht länger zu versuchen.«
»Vergebens versucht Ihr, Euch meiner zu entledigen«, versetzte Demdike. »Was, wenn ich nun Eure Feinde in Eure Hände lieferte und Euch an ihnen rächen ließe? Schon jetzt lauert eine Schar Bewaffneter am Fuße des Berges, um Euch und Eure Brüder zu ergreifen. Soll ich Euch zeigen, wie Ihr sie vernichten könnt?«
»Wer sind sie?«, fragte der Abt überrascht.
»Ihre Anführer sind John Braddyll und Richard Asheton. Sie werden sich die Whalley-Abtei unter den Nagel reißen, wenn Ihr ihnen nicht Einhalt gebietet«, entgegnete Demdike.
»Die Hölle verschlinge sie!«, rief der Abt.
»Eure Worte verraten Zustimmung«, versetzte Demdike, »kommt hierher.«
Ohne die Antwort des Abts abzuwarten, zerrte er das Ross wieder an den vorderen Rand des Berges. Während sie sich so fortbewegten, näherten sich die beiden Mönche, die durch diese Unterredung nicht wenig in Erstaunen gesetzt worden waren, obschon sie sich nicht getraut hatten, sie zu unterbrechen, ihrem Vorgesetzten. Sie schauten ihn ernst und fragend an, doch er schwieg, während er den Bewaffneten und den Hirten, die fragten, ob sie ihr Alarmfeuer auch auslöschen sollten, wie mit den übrigen geschehen, mürrisch mit »Nein« antwortete.
»Wo sind die Feinde, von denen du sprachst?«, fragte er etwas unruhig, während Demdike sein Pferd langsam und vorsichtig den Abhang des Hügels hinabführte.
»Ihr werdet es gleich sehen«, entgegnete der andere.
»Du führst mich zu dem Platz, wo du den Zauberkreis zogst«, rief Paslew erschrocken. »Ich erkenne ihn an seiner unnatürlichen grünen Farbe. Ich will nicht dahin.«
»Das ist auch nicht meine Meinung, Herr Abt«, entgegnete Demdike, der stehen blieb. »Bleibt auf diesem festen Boden. Fürchtet nichts, Ihr seid in keiner Gefahr. Lasst jetzt Eure Leute vortreten und die Waffen bereithalten.«
Der Abt wollte fragen, weshalb, aber auf einen Blick von Demdike fügte er sich. Die beiden Bewaffneten und die Hirten stellten sich neben ihn, während die Väter Eastgate und Haydocke, die auf ihre Maultiere gestiegen waren, ihren Platz hinten einnahmen.
Kaum hatten sie sich so postiert, vernahm man einen lauten Schrei und eine Schar Bewaffneter – dreißig oder vierzig an der Zahl – sprang über die steinerne Mauer und begann den Hügel mit großer Schnelligkeit zu ersteigen. Sie kamen einen tiefen, trockenen Hohlweg herauf, der früher das Bett eines reißenden Gebirgsstroms gewesen zu sein schien und direkt auf die Stelle zulief, an der Demdike und der Abt standen. Das Signalfeuer loderte noch hell und erleuchtete die ganze Umgebung, sodass man in diesen Leuten an ihrer Uniform und Bewaffnung deutlich königliche Soldaten erkennen konnte.
»Rührt Euch nicht, wenn Euch Euer Leben lieb ist«, sagte der Zauberer zu Paslew, »aber gebt Acht, was folgen wird.«
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