Die Gespenster – Vierter Teil – 33. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil
Dreiunddreißigste Erzählung
Die Tochter eines Advokaten aus Ichtershausen
Am 1. Juni des Jahres 1797 stürzte in Ichtershausen im Herzogtum Gotha ein vierjähriges Kind, die Tochter eines dortigen Advokaten, in ein Wasserbehältnis auf dem Hof. Die Eltern befanden sich in Gesellschaft der verwitweten Frau Doktorin Brückner im nahen Garten. Als die Geschwister des verunglückten Kindes es im Wasser liegen sahen, erhoben sie ein Geschrei, und der Vater und die Frau Doktorin sprangen hinzu. Der Vater zog das Kind heraus und erkannte es nicht als seines, so entstellt war es durch die Krämpfe, die ihm das Schrecken und die Todesangst verursacht hatten. Frau Brückner besaß die Entschlossenheit und Geistesgegenwart, das dem Anschein nach völlig entseelte Kind sogleich in ein warmes Bett zu legen. Außerdem begann sie, die vermeintliche Leiche nach den Vorschriften der Ärzte am ganzen Körper zu reiben. Sie erinnerte sich, dass das Taschenbuch der Rettungsmittel von Zarda noch auf dem Arbeitstisch ihres verstorbenen Mannes liege, und ließ es sowie ein Glas mit Salmiakspiritus holen. Sie verfuhr nun genau nach Zardas Vorschrift. Kaum eine Dreiviertelstunde war vergangen, als sie das Vergnügen hatte, einige Zuckungen in den Gesichtsmuskeln des Kindes zu bemerken, welches bis dahin kein Zeichen des Lebens von sich gegeben hatte. Nach zwei Stunden, in denen die Belebungsmaßnahmen ununterbrochen angewandt wurden, gab es endlich den ersten Laut von sich und forderte zu trinken. Man denke sich das Entzücken der Eltern und die Freude der Retterin! Am vierten Tag konnte das Kind seine Retterin schon besuchen und ihr für sein zweites Leben danken.
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