Das Astoria-Abenteuer – Teil 3
Max Felde
Das Astoria-Abenteuer
Nach den zeitgenössischen Aufzeichnungen von Washington Irving erzählt
Illustriert von L. Berwald
Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig. Stuttgart, Berlin, Leipzig. 1912
Angenehme und unangenehme Überraschungen
Kriegsbeil und Friedenspfeife
Am anderen Morgen verabschiedete sich John Colter. Er wünschte den Reisenden alles Glück. Mr. Hunt und die Teilhaber bedankten sich wiederum herzlich für manchen wohlgemeinten Rat und drückten ihm warm die Hand.
Dann ging es unter harter Arbeit, aber frisch und munter, ohne dass ein nennenswertes Ereignis die Fahrt unterbrochen hätte, den Fluss hinauf.
Am 28. April erreichte man den Platte River. Auf einer Insel, die nun im voll hervorgebrochenen Frühlingsgrün lag, wurde geankert und gelagert.
Am nördlichen Ufer des Flusses trafen mehrere der Jäger, die noch am Abend übergefahren waren, um dort Wild zu erbeuten, erstmals auf Spuren, die zweifelsfrei ergaben, dass erst kurz zuvor größere Gruppen von Indianern hier vorbeigezogen waren. Dies mahnte zur größten Vorsicht, woraufhin der Wachdienst erheblich verschärft wurde.
In der Nacht bestätigten sich die Beobachtungen, als der Himmel in der Ferne ziemlich rot wurde. Die Jäger zogen einstimmig den Schluss, dass ein Brand die Ursache sei und sehr wahrscheinlich von dem Kriegerhaufen herrühre, da die roten Männer oft die Vorsicht walten ließen, die Prärie hinter sich anzuzünden, um so ihre Fährte gegenüber ihren Feinden auszulöschen. Und trockenes, vorjähriges Gras, das wie eine niedergetretene Kruste die Erde bedeckte, war ja überall reichlich vorhanden.
Wenige Tage später bestätigten sich diese Beobachtungen und Vermutungen weiter oben am Fluss auf wenig angenehme Weise.
Da das Ufergelände, an dem man Anker geworfen hatte, nur von einem schmalen Kiesstreifen eingesäumt war und dann landeinwärts in die fast gänzlich flache Prärie überging, kletterte Ramsay Crooks, der an diesem Abend mit einigen anderen Leuten Wache hatte, auf einen einzelnen, aus dem Gebüsch ragenden Eschenbaum. In dessen Geäst machte er es sich bequem.
Unten im Zeltlager lagen die Kanadier längst in ihren Schlafsäcken, sodass nur noch einige Jäger plaudernd um das Feuer saßen.
Sie erzählten sich gerade wieder eine Geschichte aus ihrem tatenreichen Jägerleben, als von der Baumkrone der verabredete Warnruf, ein Vogelschrei, ertönte.
Sofort spitzten die Jäger unten die Ohren und langten nach den stets geladenen Büchsen, die sie möglichst nah bei sich niederzulegen pflegten. Gespannt warteten sie der Dinge, die da kommen sollten.
Als längere Zeit nichts geschah, schlich sich einer zu der Esche und fragte mit gedämpfter Stimme, was es gäbe.
»Kann ich noch nicht sagen, trotz des hellen Mondscheins«, klang es ebenso gedämpft von oben. »Aber ich wittere etwas. Mir ist, als würden wir heute noch unerbetenen Besuch bekommen.«
»Besuch? Von wem?«
»Ich sehe auf Büchsenschussweite drei dunkle Gestalten herumschleichen. Weder Büffel noch anderes Getier, also offenbar Menschen. Ich kalkuliere, dass es das Richtige ist, sie ruhig an uns herankommen zu lassen.«
Und so geschah es auch. Man ließ der Sache vorläufig ihren Gang.
Die Kunde davon ging jedoch alsbald von Mund zu Mund. Binnen weniger Minuten waren alle Schläfer geweckt, sodass sechzig Mann mit den Waffen in der Hand bereitstanden, um die angekündigten Gäste je nach Umständen zu begrüßen.
Kaum eine Viertelstunde später ertönten unmittelbar vor dem Lager raue, gellende Kriegsrufe, die den gespannten Erwartungen der Männer ein jähes Ende bereiteten.
Fast lautlos, aber flink wie der Wind, stürmten elf hochgewachsene Indianer auf das Lagerfeuer zu. Dabei schrien sie immer lauter und wilder und schwangen ihre Kriegsbeile über ihren federgeschmückten Häuptern.
Wie Besessene kamen sie daher gerannt, besannen sich aber, als sie plötzlich von mehr als einem halben Hundert bewaffneten Männern umgeben waren. Erstaunt, wenn nicht erschrocken, blieben sie plötzlich stehen und ließen die Beile für einen Augenblick sinken. Doch schnell schien der Vorderste der Eindringlinge seinen ganzen Mut wiederzufinden. Er stieß einen gellenden Kriegsruf aus, schwang sein Beil über dem Haupt und machte Miene, wahllos auf die weißen Männer einzuhauen. Auch die anderen taten so, als stünden sie unter dem größten Wutausbruch, und erhoben wild heulend ihre Waffen.
Doch nun gab es bei den Jägern kein Zögern mehr, denn sie kannten in solchen Fällen kein langes Fackeln. Wie eine wilde Katze sprang Mac Lellan dem ärgsten Lärmer von der Seite her an, stellte ihm flink ein Bein, sodass er wie ein Mehlsack zu Boden schlug. Kaum eine halbe Minute später hatte er den Mann regelrecht gefesselt.
»By Jove«, schimpfte er dabei, »diese Unhöflichkeiten sollt ihr uns wahrlich sauer genug büßen!«
Und wie es dem Anführer der Rothäute erging, so erging es im Handumdrehen auch allen anderen. Zu zweit, zu dritt und zu viert warfen sich die ergrimmten Jäger auf die Eindringlinge und erledigten ihre Arbeit rasch. Zwar entspann sich hier und da für kurze Zeit eine wilde Rauferei, doch nach wenigen Minuten lagen alle roten Männer gefesselt am Boden. Die Überraschung, dass sie sich plötzlich einer so großen Gesellschaft gegenüber befanden, trug nicht wenig zum Gelingen bei, obwohl sie zuletzt wieder allen Mut heuchelten.
»Verdammt«, knurrte Mac Lellan den Mann an, der unter seinen Knien lag, und zog zugleich die Riemen, die er ihm um Leib und Arme geschlungen hatte, noch fester an. »Wie konntet Ihr Euch unterstehen, unsere Nachtruhe in derart unziemlicher Weise zu stören? Das werden wir euch ganz erheblich versalzen. Ich hoffe, Mr. Hunt«, sagte er zu diesem, »dass Sie in dieser Beziehung ganz meiner Ansicht sind.«
»Es soll geschehen, was Rechtens ist. Ihr werdet, Mac Lellan, so hoffe ich, zufrieden sein. Vor allem, scheint mir«, fuhr er fort und wandte sich an die weißen Männer, »wird es richtig sein, wenn wir unsere Besucher gleich ein wenig ins Gebet nehmen.«
»Sehr richtig! Sie sollen vor allem bekennen, was sie zu der Ungebührlichkeit veranlasste, die sie sich gegen Gentlemen zuschulden kommen ließen«, sagte Jonathan Waterson und führte den gefesselten roten Mann, den er am Wickel hatte, zum Lagerfeuer. Dort gab er ihm mit seiner muskulösen Faust von oben einen Druck in den Nacken, sodass er sich ohne Weiteres auf den Boden niederließ.
Es dauerte nicht lange, dann hockten alle elf Rothäute, an Händen und Füßen gefesselt, in einem Halbkreis um das Lagerfeuer. Sie wurden von den Weißen umgeben, die einen geschlossenen Kreis um sie bildeten.
Alsbald traten Mr. Hunt und Peter Dorion, der Dolmetscher, vor. Zunächst hielt Dorion den roten Männern mit eindringlichen Worten das Verwerfliche ihrer Handlungsweise vor. Als diese beharrlich schwiegen, stellte er ihnen eine Reihe von Fragen, die sie nach anfänglichem Zögern, eingeschüchtert durch Drohungen, schließlich doch beantworteten. Es stellte sich heraus, dass sie Sioux waren, die tatsächlich einem größeren Kriegerhaufen angehörten, der ganz in der Nähe vorübergezogen war. Ferner hatten die elf nackten Männer auf ihrem Kriegspfad Unglück und opferten daher in ihrem Zorn ihre Kleider.
Die Jäger wussten, dass dies einen Akt der Verzweiflung bedeutete und die Rothäute in dieser Lage zu jeder Untat bereit waren, da sie der Ansicht waren, dass ihr Unglück nur durch eine blutige Tat wiedergutzumachen war und sie so vor der Verachtung ihrer Stammesgenossen bewahrt blieben.
»Da hätten wir die Bescherung«, begann Mac Lellan aufzubegehren, als Mr. Wilson Hunt im Laufe des weiteren Verhörs Miene machte, die Rothäute durch Peter Dorion zu der Einsicht bringen zu lassen, dass sie sehr unmenschlichen Anschauungen huldigten und an diesem Lagerfeuer hinsichtlich der Ausführung ihres Vorhabens zudem an die falsche Adresse gekommen seien.
»Wenn die Sache so liegt, wird es gut und weise sein, wenn wir jedes weitere Wort der Ermahnung oder gar der Belehrung sparen und nun gar nicht mehr viel Federlesens machen. Ich möchte zu bedenken geben, Mr. Hunt, dass wir es mit einem zurzeit ganz ungebärdigen und doppelt unvernünftigen Gesindel zu tun haben, dem man mit Vernunftgründen und Belehrungen niemals beikommt. Wenn wir die roten Leute laufen lassen – was ich nicht hoffe –, werden sie in ihrem Zorn andere Menschen anfallen und um ihre Skalpe bringen. Das hätten wir dann auf dem Gewissen. Ich bin also dafür, dass wir ein gutes Werk tun und ohne Bedenken den Stab über sie brechen und sie unschädlich machen.«
Nicht wenige der Jäger, die noch voller Unmut waren, stimmten ihm zu. Mr. Wilson Hunt jedoch schüttelte bedächtig das Haupt und erklärte, eine solche Lösung des Problems sei mindestens ebenso unchristlich wie unmenschlich. »Zudem«, fuhr er mit energischer Betonung fort, »müssen wir uns auch noch von anderen, nicht minder gebieterischen Notwendigkeiten leiten lassen. Ihr werdet zugeben, dass wir vor einem wichtigen Unternehmen stehen, dessen Gelingen uns allen sehr am Herzen liegt. Nun ist es aber unzweifelhaft, dass eine Vergeltung an diesen roten Männern, wie ihr sie euch denkt, Mac Lellan, nur weitere Zusammenstöße heraufbeschwören kann. Und das ist eine Sache, die wir jetzt, da wir noch am Anfang aller Dinge stehen und möglichst geebnete Wege suchen müssen, unter allen Umständen vermeiden müssen. Ich bin also dafür, dass wir anstelle von Vergeltung und Recht Nachsicht und Milde walten lassen.«
Das war nun gar nicht nach Mac Lellans Geschmack. Schließlich, als sich jedoch immer mehr der angesehensten Teilhaber auf die Seite Mr. Hunts schlugen, gab er sich knurrend zufrieden. Man kam überein, die Sioux sofort auf die andere Seite des Flusses zu bringen und ihnen zu drohen, sie unbarmherzig niederzuschießen, falls sie sich noch einmal zeigen würden.
Selbstverständlich richtete man für den Rest dieser Nacht einen besonders starken Wachdienst ein. Ja, mehrere der Jäger, die der Sache nicht recht trauten, legten sich überhaupt nicht zur Ruhe.
Aber Stunde um Stunde verging, ohne dass eine Störung eintrat.
Am anderen Morgen wurden schon vor Tagesanbruch die Anker gelichtet und die Weiterreise unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen angetreten. Doch auch diese erwiesen sich an diesem und den nächsten Tagen als überflüssig.
So kehrte allgemeine Beruhigung ein, bis man am 10. Mai auf ein dicht am Flussufer gelegenes Dorf der Omaha stieß. Die roten Leute zeigten sich sehr entgegenkommend und freundlich. Während man noch in ihrer Nachbarschaft lagerte, trafen dort drei Sioux ein. Sie äußerten ganz unverhohlen, dass sich eine Bande der Sioux-Teton in nächster Nähe am Fluss befinde und die Reisegesellschaft erwarten sowie ihrem Vordringen widersetzen werde.
Daraufhin trat man natürlich sofort zu einem Kriegsrat zusammen, in dem besonders Mr. Crooks die Ansicht vertrat, dass dieser Nachricht ohne weiteres Glauben zu schenken sei.
»Ich kenne diese Sippschaft nur zu gut«, erklärte er. »Sie unterhält mit den britischen Kaufleuten des Nordwestens einen regen Handel, von dem sie zum Schaden der anderen Indianerstämme weiter oben am Fluss den größten Nutzen zieht, da sie die Waren an jene aus zweiter Hand verkauft oder tauscht. Die Engländer haben es auch auf dem Gewissen, dass die Teton schon früh mit Feuerwaffen in Kontakt kamen, was ihnen gegenüber den anderen Stämmen ein großes Übergewicht verliehen hat.«
»Hätten wir es also erstmals mit einem ernst zu nehmenden, feindlich gesinnten Stamm zu tun?«, fragte Mr. Hunt.
»Allerdings«, erwiderte Mr. Crooks. »Mit einem sehr ernst zu nehmenden. Ihm gegenüber gibt es keine andere Wahl: Umkehren oder durch!«
»Eine freiwillige Umkehr kommt selbstverständlich niemals infrage«, entschied Mr. Hunt. »Also werden wir uns in volle Bereitschaft setzen, um das, was man uns verwehren will, zu erzwingen.«
Dem gab es natürlich keine Widerrede, im Gegenteil. Alle waren mit Eifer dabei, sich den Durchzug zu erkämpfen, und bereit, mit bestem Rat zu dienen. Schon nach kurzer Zeit stand der Kriegsplan in seinen Umrissen fertig, den man bei den zu erwartenden Zusammenstößen verfolgen wollte.
Am anderen Morgen brach man wie gewöhnlich auf und war noch nicht weit gekommen, als die Reisenden ein flussabwärts kommendes Boot sahen. Schon befürchtete man, dass die Insassen die vorgeschobenen Posten der indianischen Streitmacht sein könnten. Als man sich jedoch näher kam, sah man, dass zwei jener kühnen und furchtlosen Jäger in dem Kanu saßen, wie es im vergangenen Herbst schon einige getan hatten. Die beiden Männer zeigten sich sehr erfreut, Weißen zu begegnen, und erzählten, dass sie zwei volle Jahre am obersten Lauf des Flusses verbracht hatten. Nun schwammen Benjamin Jones und Alexander Carson, so nannten sich die beiden, bereits seit fast tausend Meilen in ihrer winzigen Nussschale auf einem reißenden Strom, mitten durch wilde Völker, und fühlten sich dabei so behaglich, als ob sie sich auf einer Luftfahrt befänden. Auf die Frage, ob sie nicht weit von hier oben am Fluss eine Bande Wilder gesehen oder irgendwelche Anzeichen wahrgenommen hätten, dass welche im Anzug begriffen wären, schüttelten sie verwundert die bärtigen Köpfe.
»Da war uns das Glück wieder einmal besonders hold«, meinten sie lachend, »denn sonst hätte es uns gar schlecht ergehen können.«
Selbstverständlich erkundigte man sich im Laufe der Unterhaltung noch über manches andere, wobei vor allem auch der Zweck der Expedition eifrig besprochen wurde. Sowohl Jones als auch Carson zeigten großes Interesse. Mr. Hunt bedurfte keiner großen Überredungskunst, um auch diese beiden Abenteurer zu bewegen, die Reise nach St. Louis aufzugeben und mit ihm über das große Gebirge an den Stillen Ozean zu wandern.
Kaum war der Vertrag mit den beiden Männern geschlossen, meldete der Ausguck im vordersten Boot, den Mr. Hunt zur Vorsicht mit einem Fernrohr hatte bewaffnen lassen, schon wieder das Nahen zweier Kanus, die auf der anderen Seite des Stroms flussabwärts fuhren. Es stellte sich heraus, dass in den beiden Fahrzeugen drei Weiße saßen. Man feuerte schleunigst eine Flinte ab, um ihre Aufmerksamkeit rechtzeitig zu erregen.
Durch das Fernrohr konnte man die Überraschung der drei Männer deutlich beobachten. Sie zogen sofort die Riemen ein und ergriffen ihre Büchsen, als der Flintenknall an ihr Ohr schlug. Als sie erkannt hatten, wer die Schüsse abgegeben hatte, zögerten sie keinen Augenblick mehr, herbeizukommen. Es zeigte sich, dass es drei Jäger aus Kentucky der echtesten und furchtlosesten Art waren. Sie hatten mehrere Jahre im Dienste der Missouricompagnie unter der Leitung eines Teilhabers dieser Gesellschaft, Mr. Henry, in der Wildnis verbracht. Sie waren mit ihm gegangen, als er von den Blackfoot vertrieben worden war, hinauf in die Rocky Mountains. Dort hatten ihnen die Verhältnisse aber nicht mehr zugesagt, sodass sie sich entschlossen hatten, heimzukehren. Als sie nun völlig unverhofft auf eine so gut ausgerüstete Reisegesellschaft stießen und von deren Plänen erfuhren, war ihre Sehnsucht nach den Lieben in der Heimat sofort vergessen. Auch diese drei Jäger – Edward Robinson, John Hoback und Jakob Rizner – ließen ihre in den Urwäldern flüchtig gezimmerten Boote zurück und erklärten fröhlichen Mutes, an dem Zug zum Großen Ozean teilzunehmen.
Die Freude darüber, dass die Reisegesellschaft sich wieder so unerwartet um fünf tüchtige Jäger vermehrte, war natürlich groß und wurde allgemein in lebhaftester Weise zum Ausdruck gebracht.
»Aber auch wir sind nicht minder erfreut, uns einer so gut ausgerüsteten Gesellschaft anschließen zu können«, versicherte Edward Robinson. Er war ein erstaunlich rüstiger 60-jähriger Veteran, der sich rühmen konnte, einer der ersten Ansiedler in Kentucky gewesen zu sein.
»Ihr wisst es ja wohl, Mr. Hunt«, fuhr er fort, »dass der echte Waldläufer immer dabei ist, wenn es wieder einmal gilt, eine Nuss zu knacken. Ich kalkuliere, ihr seid alle ganz die richtigen Männer beisammen und im Besitz der Mittel, das auch auszuführen, was ihr im Sinn habt. Da tut man doppelt gerne mit.«
»Das ist sehr erfreulich zu hören, und bei Eurem Alter umso mehr anzuerkennen«, erwiderte Mr. Hunt mit beifälligem Nicken.
»Je nun, man wird im Dienst grau, aber wenn das Herz jung und die Glieder geschmeidig bleiben, dann kann man noch so einiges vollbringen. Im Übrigen ergeht es uns allen wie dem Seemann, der wagemutig immer wieder seine Fahrten unternimmt, obwohl er weiß, dass er einmal scheitern wird. Auch wir können das Abenteuer nicht lassen, selbst dann nicht, wenn wir ganz sicher wüssten, dass es uns eines schönen Morgens den Skalp kostet.«
»Ja, es hat einen eigentümlichen Reiz, die unberührte Wildnis immer wieder zu durchstreifen und die in ihr liegenden Gefahren aufzusuchen«, sagte Mr. Hunt nachdenklich und wandte sich dann mit einer Frage an den alten Jäger: »Im Übrigen entnehme ich deinen Worten, dass auch du der Ansicht bist, wir würden manchen Schwierigkeiten begegnen?«
»Das liegt in der Natur der Sache«, antwortete der Alte sehr ernst. »Wir haben doch vor, völlig ungebahnte Wege zu gehen und durch ein von Wilden bewohntes Land zu ziehen. Da heißt es, alle Maßnahmen klug zu berechnen und, will man nicht zu Schaden kommen, immer vorsichtig zu handeln. So bin ich der Meinung, dass der Weg, den Ihr einzuschlagen gedenkt, nicht der glücklichste ist.«
»Glaubt Ihr? Dann möchte ich Euch doch allen Ernstes um Euer Gutachten und Eure Gegenvorschläge ersuchen. In mir habt Ihr einen Mann, der alles abwägt und dann erst handelt, jedenfalls aber nicht an einem Plan festhält, der durch eingetretene Umstände unzweckmäßig erscheint. Welcher Art sind also Eure Bedenken?«
»Vor allem sind es die Blackfoot, die Euch trotz aller List und Überredungskunst sowie Eurer vortrefflichen Ausrüstung den größten Widerstand entgegensetzen werden. Ihr habt jedenfalls davon gehört, dass ein Captain Lewis einen Mann dieser zahlreichen und vielverzweigten Sippe im Streit erschlagen hat. Seitdem sind jene roten Leute, die auf die Weißen ohnehin nie gut zu sprechen waren, derart erbittert, dass nur das Schlimmste von ihnen zu erwarten ist. Ihr aber habt die Absicht, just ihr Gebiet zu durchziehen.«
»Man muss Euren Einwand gelten lassen. Habt Ihr einen anderen Vorschlag?«
»Allerdings! Ich rate Euch, eine südlichere Richtung einzuhalten, die auch wir auf unserer Rückreise verfolgten. So erreicht Ihr die Rocky Mountains an der Stelle, wo die beiden Flüsse Platte und Yellowstone entspringen. Dort lässt sich das Gebirge auch viel leichter überqueren als auf dem Weg, den einst die Captains Lewis und Clark in Angriff genommen haben.«
»Edward Robinson hat recht«, mischte sich nun John Hoback in das Gespräch. »Ich kann seinen Vorschlag nur wärmstens empfehlen. Der Weg, den er Euch vorschlägt, bietet aber auch noch andere sehr schätzenswerte Vorteile. Er führt durch ein Gebiet, in dem es im Überfluss Wild gibt, sodass Ihr Euch um Euren Lebensunterhalt keine Sorgen machen müsst, während die Verpflegung weiter im Norden, ganz abgesehen von den Blackfoot, doch mitunter ihre Schwierigkeiten haben dürfte.«
Das alles leuchtete Mr. Hunt ein. Er ließ noch am selben Tag alle Teilhaber und die erfahrensten Jäger zu einer Beratung zusammentreten. Nach langen, eingehenden Erwägungen entschied man sich schließlich für den von Robinson und Hoback vorgeschlagenen Weg. Dementsprechend sollte der Fluss schon bei dem großen Dorf der Aricara, das nur einige Tagesreisen weiter oben lag, verlassen und die Reise von dort an zu Land fortgesetzt werden. Man würde von den Aricara, so nahm man an, ohne Zweifel die nötige Anzahl Pferde zu günstigen Preisen erhalten. Edward Robinson und John Hoback sollten von da an die Führung der Reisegesellschaft übernehmen.
Wohlgemut und von neuen Hoffnungen belebt, setzte man die Reise fort und hatte eine gute Fahrt. Als man am übernächsten Tag jedoch auf starke Strömungen stieß, die durch Sandbänke verursacht wurden und bei denen die Boote weder durch Ruderschlag noch durch Segeldruck vorwärts zu bringen waren, musste man sich dazu entschließen, sie durch Taue vom Ufer aus stromaufwärts zu ziehen. Während die Kanadier sich mit ihrem ganzen Opfermut dieser schweren Arbeit widmeten, erscholl plötzlich bei den Leuten, die das Tau des vordersten Bootes zogen, der Schreckensruf: »Die Sioux! Die Sioux!«
Tatsächlich war hinter einem Baumstamm, dicht am Ufer, plötzlich ein gräulich bemalter Indianerkrieger hervorgetreten. Er hielt den überraschten Männern drohend eine Lanze entgegen und versuchte, durch Gesten zu verstehen zu geben, dass sie stehen bleiben sollten.
»Verdammt, nun geht es los«, schrie Jonathan Waterson, der mit Mr. Hunt im vordersten Boot saß. »Jetzt gilt es, sich seiner Haut zu wehren!«
Mr. Hunt war sofort von seinem Sitz aufgesprungen und hatte Peter Dorion, den Dolmetscher, zu sich gerufen, wohl in der Absicht, in Begleitung dieses Mannes den Rothäuten entgegenzutreten. Aber er kam doch nicht gleich dazu. Im Ufergebüsch begann es überall zu rascheln, und ein weiteres Dutzend Krieger tauchte auf, als wären sie aus der Erde gewachsen.
Mittlerweile waren auch die Insassen der hinteren Boote auf den Vorgang aufmerksam geworden. Sie ließen alles, was sie in den Händen hielten, fallen und ergriffen ihre Büchsen.
»Fort … schleunigst vom Ufer weg! rasch hinaus in den Fluss!« schrie eine tiefe Bassstimme aus dem letzten Boot.
Die unbewaffneten Kanadier am Ufer, die durch das plötzliche Erscheinen der grauenvoll bemalten Indianer ohnehin für den Augenblick von großem Schrecken erfüllt waren, ließen auf diesen Zuruf die Taue los. Die Fahrzeuge wurden sofort von der reißenden Strömung erfasst und stromab getrieben. Die Mehrzahl der Jäger ergriff jedoch schnell Riemen und Bootshaken, sodass es gelang, die Barken schon nach wenigen hundert Metern zum Stillstand zu bringen und die Kanadier aufzufischen, die wie vom Blitz getroffen in den Fluss gesprungen waren. Dann wurden die Boote so gut es ging gegen die Sandbänke in der Mitte des Flusses gesteuert.
Hier angekommen wartete auf die Reisenden aber erst recht eine unangenehme Überraschung.
Soweit man von hier das Flussufer überblicken konnte, hockten nämlich überall zwischen den Büschen Hunderte von Rothäuten, die alle mit Bogen und Schusswaffen ausgerüstet waren. Ja, sogar im Geäst der Bäume, die in Gruppen dem Ufer entlangstanden, hing eine Menge schauerlich bemalter Gestalten.
»By Jove«, brummte Jonathan Waterson, »das hat diese schlaue Sippschaft nicht schlecht gemacht! Sie haben uns hinterlistig in diese Flussenge gelockt, und da haben wir nun die Bescherung.«
Mittlerweile hatte sich nämlich herausgestellt, dass auch das Flussufer weiter unten haufenweise von Rothäuten besetzt war, sodass auch eine Umkehr nicht infrage kam.
Was sollten sie tun?
Die Jäger verständigten sich, so gut es die Umstände zuließen, und kamen zu dem einmütigen Schluss, dass die Möglichkeit der Weiterreise diesen Unholden nur durch einen ehrlichen Kampf abzugewinnen war. Also machte man sich in allen Booten gefechtsbereit. Mr. Hunt, der sich trotz der Pläne, die für diesen Fall bereits erwogen worden waren, alle Entschließungen vorbehalten hatte, gebot nach einigem Bedenken Ruhe und Zurückhaltung. Er wolle es, so erklärte er, ehe es zum Blutvergießen komme, doch noch mit einer Unterhandlung versuchen.
Wenige Minuten später ließ er sein Boot wieder über den Fluss rudern und betrat mit Peter Dorion furchtlos das Ufer.
Sogleich trat ihm eine herkulisch gebaute junge Rothaut mit den Abzeichen der Häuptlingswürde entgegen. Peter Dorion musste ihr sagen, dass die Weißen überrascht seien, zu sehen, wie ihre Stammesangehörigen eine unverkennbar feindliche Haltung zeigten, obwohl sie doch nur in friedlichster Absicht den Fluss heraufgekommen seien.
»Das pflegen die Bleichgesichter stets zu sagen, obwohl sie in Wirklichkeit nur in der eigennützigsten Weise handeln«, entgegnete die Rothaut dem Dolmetscher sehr kühl und zurückhaltend.
»Das mag dann und wann wohl einmal vorgekommen sein«, ließ Mr. Hunt zurücksagen, »aber man kann es nicht gutheißen. Es ist sicherlich nicht klug von den Sioux-Teton, ein schlechtes Vorbild aus den Geschehnissen der Vergangenheit herauszugreifen und alle anderen weißen Männer danach zu beurteilen.«
»Die Zungen der Bleichgesichter wissen immer sehr beruhigende und einschmeichelnde Worte zu reden«, entgegnete der junge Häuptling abfällig, »aber ihre Taten haben sich dazu noch immer im umgekehrten Verhältnis verhalten. Es ist noch nicht lange her, dass einige weiße Männer die Erlaubnis erhielten, auf den Jagdgründen der Sioux-Teton dem Biber nachzustellen. Aber als sie ihre Beute in Sicherheit gebracht hatten, haben sie zum Dank dafür nur Streit angefangen und schließlich sogar mehrere Männer erschossen und erschlagen. Kann man es den Teton daher übelnehmen, wenn sie seitdem willens sind, sich die Bleichgesichter möglichst vom Leib zu halten?«
»Wenn einzelne weiße Männer vielleicht wirklich einmal unbedachtsam handelten, so ist das sehr bedauerlich«, ließ Mr. Hunt erwidern. »Ich bin der Ansicht, dass jene Männer wahrscheinlich doch noch einen weniger blutigen Ausweg aus dem Streit hätten finden können. Es ist meine und die Absicht all meiner Begleiter, jede Misshelligkeit dieser Art auszuschließen. Ja, wir würden uns sogar glücklich schätzen, wenn es uns gelingen sollte, die Freundschaft der Teton zu gewinnen. Wir weißen Männer wollen hier oben am Fluss weder jagen noch einen Handel eröffnen, sondern einzig und allein eine Wanderung über das im fernen Westen gelegene hohe Gebirge bis ans große Salzwasser ausführen. Es ist einfach unerfindlich, woher die Teton die Absicht leiten, einem solchen Vorhaben Hindernisse in den Weg zu legen«, erklärte Peter Dorion.
Der junge Häuptling blieb jedoch unerbittlich. Er wand und drehte seine Antworten in einer Weise, aus der deutlich hervorging, dass die Teton von einem unversöhnlichen Hass gegen die Weißen beseelt waren. Auch das Ersuchen, mit den ältesten Kriegern des Stammes verhandeln zu dürfen, wurde abgeschlagen. Daraufhin zog sich Wilson Hunt zurück und ließ erklären, er schiebe die Folgen den Teton zu, da er nunmehr gezwungen sei, sich den Durchzug gewaltsam zu erzwingen.
»Mag der weiße Mann tun, was er nicht lassen kann«, lautete die kalte Antwort. »Bei den wenigen Büchsen, über die er verfügt, wird das Ergebnis gegenüber vielen hundert tapferen Kriegern nur eine bittere Enttäuschung sein.«
Mr. Hunt ließ das Boot vom Ufer abstoßen und gab auf der anderen Seite des Flusses das verabredete Zeichen, dass die Unterhandlung ergebnislos verlaufen sei.
Sofort krachte auf der am weitesten oberhalb liegenden Barke ein Kanonenschuss.
Ramfay Crooks, der von vornherein überzeugt war, dass Hunts Bemühungen zu nichts führen würden, hatte inzwischen die Haubitzen bis zur Mündung mit Kugeln laden lassen.
Der ungeheure Knall und die Verwüstung, die die Geschosse in einem Wäldchen anrichteten, das unmittelbar am Fluss lag, mussten auf die Wilden, die noch nie ein Geschütz hatten abfeuern hören, einen sehr tiefen Eindruck gemacht haben. Starke Äste flogen durch die Luft, ganze Bäume wurden durch die Kugeln niedergerissen. Und mit ihnen verschwanden dem ganzen Ufer entlang sofort alle Rothäute. Dafür wurden kurze Zeit später auf einem nahen, etwas tiefer in der Prärie gelegenen Hügel einige Indianer sichtbar – unzweifelhaft die Ältesten des Stammes, erkennbar an ihrem reicheren Schmuck und den bunten Federhüten. Ihre grell bemalten Leiber und Gesichter glänzten hell im Sonnenlicht, ihre Mäntel flatterten lebhaft in dem ziemlich stark wehenden Wind.
Ein zweiter Kanonenschuss krachte. Die Haubitze in der zweiten Barke war abgefeuert worden.
Joseph Miller, der geschulte ehemalige Offizier, hatte sich die Bedienung dieses Geschützes besonders angelegen sein lassen und im letzten Augenblick noch die Häuptlinge auf dem Hügel ins Visier genommen. Und er hatte in der Tat gut gezielt. Auch jene roten Männer mit den riesigen Federhüten verschwanden wie durch Zauberhand.
Dafür wurde kurz darauf hinter dem Ufergebüsch gegenüber den Booten ein Reiter auf einem braunen Mustang sichtbar, der dem Hügel und dem Punkt, auf dem die Stammesältesten kurz zuvor noch gestanden hatten, zu sprengte.
Die dritte Haubitze krachte. Ihre Ladung schlug im gegenüberliegenden Ufergelände ein und riss in dem dicht stehenden Kleinholz ein gewaltiges Loch heraus.
Nun legte sich alles, was über Büchsen verfügte, in den Anschlag, um den Geschützangriffen den größten Nachdruck zu verleihen, sobald sich eine Rothaut blicken lassen sollte. Schon hatte das scharfe Auge eines Jägers in dem einen oder anderen Boot eine Rothaut entdeckt und dann krachte kurz und scharf ein Flintenstoß.
Plötzlich schrie Peter Dorion: »Einhalten! Nicht mehr schießen!« Die Jäger, denen nach langer Zeit wieder einmal der Pulverrauch in die Nase gestiegen war, zeigten jedoch wenig Lust dazu. Es bedurfte der ganzen nachdrücklichen Aufforderung Mr. Hunts, damit sie ihre Feuerwaffen aus dem Anschlag zurückzogen.
Peter Dorion hatte inzwischen darauf aufmerksam gemacht, dass auf dem bereits erwähnten Hügel wieder einige Teton sichtbar geworden waren. Sie traten gerade etwas mehr hervor, offenbar in der Absicht, besser gesehen zu werden. Sie hatten sich ihrer Mäntel entledigt, diese Bekleidungsstücke über ihre Köpfe erhoben und vor sich auf den Boden gelegt.
»Sie geben mit ihren Mänteln das Friedenszeichen«, rief Dorion. »Was wir mit Unterhandlungen nicht zustande bringen konnten, das scheinen unsere Haubitzen fertiggebracht zu haben«, erklärte er lachend. »Die roten Gentlemen sind jetzt offenbar geneigt, mit uns zu reden.«
Schnell sprang er auf die Ruderbank vorn am Bug des Bootes, zog sein Wams aus, erhob es mit beiden Händen über seinen Kopf, schwenkte es einige Male hin und her und legte es ebenfalls vor sich nieder.
Das wurde oben auf dem Hügel sofort erkannt, denn nun kam auch der Reiter wieder zum Vorschein, der auf seinem Ross den Hügel herabjagte, ans Ufer ritt und die weißen Männer einlud, an Land zu kommen.
Mr. Hunt versammelte sofort seinen Kriegsrat, um den Jägern die Frage vorzulegen, ob der Einladung zu trauen sei oder ob nicht vielleicht eine Hinterlist zu befürchten sei. Nachdem Letzteres allerseits verneint und Ersteres ebenso entschieden bejaht wurde, entschloss sich Mr. Hunt, die Einladung anzunehmen.
Er gab den Befehl, sowohl die Geschütze als auch die Büchsen kampfbereit zu halten, und ließ sich mit MacKenzie, Ramsay Crooks, Joseph Miller, MacLellan und dem Dolmetscher wieder über den Fluss rudern.
Mittlerweile hatten sich etwa ein Dutzend der vornehmsten Krieger, die die Vorgänge von der Höhe des Hügels aus beobachtet hatten, von den Ihren getrennt und sich ebenfalls ans Ufer begeben. Dort entzündeten sie ein Feuer und setzten sich im Halbkreis darum. Dort, wo das Boot voraussichtlich landen würde, versammelte sich schnell eine große Gruppe Teton, die die große Donnerbüchse und Ramsay Crooks, der mit brennender Lunte danebenstand, mit schlecht verhehltem Entsetzen anstarrten.
»Es war doch ein guter Gedanke Astors, mich dazu anzuhalten, unsere Barken mit je einem Geschütz auszurüsten«, meinte Mr. Hunt, als er die unverkennbare Neugier und Scheu der Wilden gegenüber der Haubitze beobachten konnte. »Wer weiß, wie die große Schlacht, die wir den Teton zu liefern gedachten, sonst ausgefallen wäre!«
»Ja, die Geschütze haben gehalten, was sich Astor von ihnen versprach«, bestätigte MacKenzie schmunzelnd.
Man war bereits dicht am Ufer, als die Häuptlinge, die um das lodernde Feuer saßen, die lange Friedenspfeife in die Höhe erhoben. Dies war ein erneutes Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung und eine Bürgschaft dafür, dass die Weißen zumindest für die Dauer der bevorstehenden Verhandlungen der Unverletzlichkeit ihrer Person sicher sein konnten.
Man verankerte das Boot, stieg an Land und trat zu den Häuptlingen, die nun regungslos wie Bildsäulen um das Feuer saßen. Mr. Hunt und seine Begleiter zögerten keinen Augenblick und setzten sich zu ihnen, wodurch die Runde vollends geschlossen wurde.
Nun folgten die üblichen Zeremonien, an denen das Verkehrsleben der roten Männer so reich ist und die sie stets gewissenhaft zu beobachten pflegen. Nachdem die reich verzierte Friedenspfeife die Runde von Mund zu Mund gemacht hatte, hielt Mr. Hunt eine feierliche Ansprache auf Französisch, die von Peter Dorion übersetzt wurde. Er sagte den Sioux-Teton, dass er mit seinen Begleitern nicht mit der Absicht den Fluss heraufgekommen sei, mit den in seinem Gebiet wohnenden Stämmen Handel zu treiben, sondern dass er lediglich über das hohe Gebirge an das große salzige Wasser reisen wolle, um dort einige seiner Brüder aufzusuchen, die er seit längerer Zeit nicht mehr gesehen habe. Er fügte hinzu, er habe gewusst, dass die Teton ihm Widerstand entgegensetzen würden, aber er habe infolgedessen Waffen mitgebracht, die es ihm ermöglichten, auch die tapfersten Feinde zu bezwingen. Er führe also durchaus nichts Feindseliges im Sinn, das die Sioux schädigen könnte. Um ihnen das zu beweisen, habe er ihnen sogar Geschenke mitgebracht, die sie in freundlicher Weise annehmen sollten. Mr. Hunt gab den Befehl, fünfzehn Rollen Tabak und ebenso viele Säcke Getreide aus den Booten zu holen und vor dem Feuer niederzulegen.
Die Häuptlinge verharrten während dieser Vorgänge in der bisher zur Schau getragenen ehernen Ruhe. Sie waren durch die Festigkeit der Erklärung, dass Mr. Hunt gewillt sei, mit seinen Donnerbüchsen den Durchzug zu erzwingen, offenbar nicht wenig eingeschüchtert. Auch die Aussicht, reiche Geschenke zu erhalten, war ihnen nicht ganz gleichgültig. Doch sie gaben dies durch kein Zeichen, weder in ihren Mienen noch in ihrer Haltung, zu erkennen. Erst als die Tabakrollen und die Getreidesäcke zu ihren Füßen lagen, erhob sich der Älteste in würdevoller Weise.
Er erbat sich die Aufmerksamkeit der Weißen und sagte: »Die Sioux-Teton haben leider schon so oft die Gelegenheit gehabt, sich zu überzeugen, dass die Bleichgesichter zumeist sehr angenehm klingende Worte im Munde führen, denen die Taten, die sie folgen lassen, gewöhnlich nicht entsprechen. Die Teton befinden sich außerdem derzeit auf dem Kriegspfad und können es sich daher nicht erlauben, zu ignorieren, wer sich ihren Dörfern nähert. Als sie von ihren Spähern erfuhren, dass weiße Männer den Fluss heraufkamen, lauerten sie ihnen auf und stellten sie so, dass sie weder vor- noch rückwärts konnten. Die Teton mussten nämlich erfahren, ob die Bleichgesichter friedliche oder feindliche Absichten hegten. Da sich die roten Krieger nun überzeugt haben, dass Letzteres nicht der Fall ist, und die weißen Männer außerdem versichern, mit den Stämmen weiter oben am Fluss keinen Handel zu treiben, steht ihrer Weiterreise, um ihre Brüder jenseits des großen Gebirges aufzusuchen, natürlich nichts mehr im Wege. Die Bleichgesichter werden jedoch gut daran tun, ihre Zusage, mit den Aricara, den Mandan und den Minatari keine Handelsbeziehungen anzuknüpfen, auch zu halten. Die Teton können es niemals wünschen und werden es mit allen Mitteln zu verhindern wissen, dass jene räudigen Hunde von den Weißen Waren oder gar Feuerwaffen erhalten.«
Peter Dorion übersetzte diese Rede. Daraufhin gelobte Mr. Hunt nochmals in feierlichster Weise, nur die reine Wahrheit gesagt zu haben und überhaupt nichts zu unternehmen, das eine schädigende Wirkung auf die Sioux-Teton ausüben könnte. Daraufhin trat der Pfeifenträger auf einen Wink des Mesten in die Mitte des Kreises, um die geheiligte Pfeife nochmals am Feuer zu entzünden.
Zur Bekräftigung des beiderseitigen Gelöbnisses ging die Pfeife noch einmal von Mund zu Mund. Der Stammesälteste bedankte sich für die erhaltenen Geschenke und riet Mr. Hunt, das Lager am jenseitigen Ufer aufzuschlagen, falls er etwas am Fluss verwetten wolle. Denn seine jungen Krieger wüssten nun, dass die Fremdlinge Tabak mit sich führten, für die Bescheidenheit aller seiner jungen Leute aber könne er nicht gut einstehen.
Dann erhob man sich und verabschiedete sich. Die Häuptlinge sammelten ihre Krieger und zogen landeinwärts. Mr. Hunt begab sich mit den seinen in die Boote. Die Taue wurden wieder ausgeworfen und die Reise flussaufwärts wie zuvor fortgesetzt.
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