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Wölfe – Staffel 1, Episode 2 von 6

Wölfe
Staffel 1, Episode 2 von 6
Der Kardinal

Kardinal Wolsey ist gestürzt. Heinrich VIII. hat ihn entmachtet und gezwungen, London zu verlassen.

Krank und verbittert zieht er sich nach Norden zurück, nachdem er das Vertrauen des Königs verloren hat, weil er dessen Scheidung von Königin Katharina von Aragon nicht durchsetzen konnte.

Sein treuester Gefolgsmann, Thomas Cromwell, bleibt zurück – jedoch nicht aus Verrat, sondern aus Kalkül: Er glaubt, Wolsey könne nur durch Einfluss am Hof rehabilitiert werden.

Doch Cromwell erkennt, dass der Hof ein gefährlicher Ort geworden ist, voller Spione, Spott und Heuchelei.

Cromwell beginnt, sich in den inneren Kreisen des Königs einen Platz zu schaffen.

Er nutzt seine juristische und politische Klugheit, um sich nützlich zu machen, und spricht mit großem Geschick sowohl mit Heinrich VIII. als auch mit Anne Boleyn.

Er zeigt diplomatische Distanz, indem er Wolsey verteidigt, sich aber nicht offen mit ihm solidarisiert. Das beeindruckt den König, der in Cromwell eine Mischung aus Loyalität und Pragmatismus erkennt.

Heinrich beauftragt ihn, Wolsey heimlich Geld zukommen zu lassen – eine subtile Geste des Mitgefühls, aber auch ein Test von Cromwells Verschwiegenheit.

Anne Boleyn, die ehrgeizige Geliebte des Königs, traut Cromwell jedoch nicht.

In einer eindrucksvollen Szene zeigt sie ihm ein bösartiges Bild, das jemand in ihr Schlafzimmer gelegt hat.

Es stellt sie enthauptet dar, neben König Heinrich und Königin Katharina. Eine Drohung, die ihre Angst und Verletzlichkeit offenbart.

Anne beauftragt Cromwell, den Täter zu finden. Er versteht: Wer sich mit Anne verbündet, muss sowohl intelligent als auch zynisch sein – und mutig.

In einer besonders bitteren Episode nimmt Cromwell an einem Maskenfest teil, bei dem Adlige eine groteske Satire über Wolseys Sturz aufführen.

Wolsey wird darin als teuflischer Narr verspottet, der in die Hölle geführt wird.

Cromwell bleibt äußerlich ruhig, doch sein Blick verrät Zorn und Berechnung. Er merkt sich jedes Gesicht, das lacht.

Es ist ein stilles Versprechen für spätere Vergeltung.

Eines Nachts wird Cromwell zum König gerufen.

Dieser erzählt ihm von einem Traum, in dem sein toter Bruder Arthur erschienen sei.

Cromwell deutet den Traum klug als Zeichen göttlicher Bestimmung und Stärke des Königs und macht so aus Heinrichs Unsicherheit ein Symbol seiner Auserwähltheit.

Diese Szene festigt das gegenseitige Vertrauen der beiden.

Während Cromwell am Hof Fuß fasst, erreicht ihn die Nachricht vom Tod seines Mentors.

Wolsey war auf seiner Reise in den Norden zusammengebrochen und an Erschöpfung gestorben.

Die Nachricht trifft Cromwell tief. In stiller Trauer öffnet er den Ring, den Wolsey ihm einst übergeben hat, steckt ihn sich an den Finger und leistet damit ein stilles Gelübde, Wolseys Vermächtnis fortzuführen.

Am Ende der Folge wird Cromwell in den Privy Council, den geheimen Staatsrat des Königs, berufen.

Er hat geschafft, was kaum jemand für möglich gehalten hätte: Vom Sohn eines Schmieds ist er zum einflussreichen Ratgeber des Königs aufgestiegen – in einer Welt, in der Loyalität selten und Macht gefährlich ist.

Markierten die Gestalten der ersten Folge den Auftakt eines gefährlichen Schachspiels, dann sind sie nun bereit, ihre Figuren zu setzen – mit zitternder Hand, doch festem Blick. Ein einziger Fehlzug könnte das Ende bedeuten. So wie Kardinal Wolsey, der in seiner Hybris fällt und dem ehrgeizigen Thomas Cromwell den Weg zu einem neuen Herrn, König Heinrich VIII., ebnet.

Wer sich wie ich mit den Intrigen von Game of Thrones auseinandergesetzt hat und sich nun in Wölfe verliert, erkennt vertraute Schatten. Zwischen den kalten Mauern von Königsmund und den dunklen Hallen des englischen Hofes weht derselbe Wind aus Verrat, Macht und Begehren. George R. R. Martin ließ sich von der Herrschaft Heinrichs inspirieren – und schnell wird klar, warum: Hier ist Geschichte kein trockenes Kapitel, sondern glühendes Drama. In Heinrichs Welt wird Macht nicht vererbt, sondern erkämpft – und wer verliert, verliert alles.

Cromwells Deutung des königlichen Traums ist ein Meisterstück stiller Manipulation. In seinem Blick glimmt das Kalkül, in seinen Worten liegt die sanfte Gewalt des Verstandes. Mit einem Federstrich lenkt er das Schicksal Englands, bahnt Heinrichs Scheidung von Katharina von Aragón und öffnet die Tore für Anne Boleyn, die bald Königin sein wird, aber bereits ihr eigenes Ende spürt.

Hier offenbart sich Cromwells dunklere Seite. Der Mann, den wir bislang als ruhig, klug und beinahe menschlich wahrgenommen haben, zeigt nun die Kälte eines Strategen. Und doch können wir uns ihm nicht entziehen. Mark Rylance verleiht ihm eine stille Größe, die uns in den Bann zieht: ein Mann einfacher Herkunft, der sich durch Scharfsinn und Disziplin bis an den Rand des Thrones vorgearbeitet hat. Wir zittern mit ihm, obwohl wir wissen, dass seine Schritte auf gefährlichem Boden hallen.

Und dann ist da Anne Boleyn, die in Claire Foys Darstellung wie eine Erscheinung aus Licht und Stahl wirkt. Sie ist schön wie eine Klinge und tödlich wie ihr Glanz. Sie lächelt und hinter dem Lächeln lauert Berechnung. Wie Cersei Lannister weiß sie, dass Macht in dieser Welt nicht geschenkt, sondern erobert wird – mit Anmut, List und unerschütterlichem Willen.

Wer also Game of Thrones liebt und Wolf Hall noch nicht gesehen hat, dem steht ein anderes, leiseres, aber ebenso betörendes Feuer bevor. Es gibt keine Drachen und keine weißen Wanderer, sondern nur Menschen, deren Ehrgeiz brennt, deren Liebe vergiftet ist und deren Schicksal mit einem Federstrich besiegelt wird. Denn am Hof Heinrichs VIII. gilt nur eines: Wer spielt, setzt sein Leben aufs Spiel.

Angaben zur Episode

Darsteller

Thomas Cromwell: Mark Rylance, King Henry VIII: Damian Lewis, Anne Boleyn: Claire Foy, Cardinal Wolsey: Jonathan Pryce, Duke of Norfolk: Bernard Hill, Thomas More: Anton Lesser, Stephen Gardiner: Mark Gatiss, Rafe Sadler: Thomas Brodie-Sangster, Harry Percy: Harry Lloyd, Jane Rochford: Jessica Raine, Johane Williamson: Saskia Reeves, Mary Boleyn: Charity Wakefield, Richard Cromwell: Joss Porter, Gregory Cromwell: Tom Holland, Jane Seymour: Kate Phillips, George Cavendish: Robert Wilfort, Duke of Suffolk: Richard Dillane, Henry Norris: Luke Roberts, Thomas Cranmer: Will Keen, Frances Weston: Jacob Fortune-Lloyd, Sir Thomas Boleyn: David Robb, Thomas Wriothesley: Joel MacCormack, Mark Smeaton: Max Fowler, William Brereton: Alastair Mackenzie, George Boleyn: Edward Holcroft

Stab
Regie: Peter Kosminsky, Drehbuch: Peter Straughan, Autorin: Hilary Mantel, Produktion: Company Pictures, Playground Production: BBC Masterpiece, Produzent: Mark Pybus, Kamera: Gavin Finney, Schnitt: David Blackmore, Musik: Debbie Wiseman, Kostüme: Joanna EatwellSzenenbild/Bauten: Pat Campbell, Redaktion: Alexandre Piel

Quelle:

(wb)

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