Deadwood Dick – Der schwarze Reiter der Black Hills – Kapitel 3
Deadwood Dick – Der Prinz der Straße
Oder: Der schwarze Reiter der Black Hills
Von Edward L. Wheeler
Kapitel 3
Cattymount – Ein Streit und seine Folgen
Eine Woche nach den zuletzt geschilderten Ereignissen war der Saloon Metropolitan in Deadwood Schauplatz einer größeren Jamboree als seit vielen Wochen zuvor.
Es war Samstagabend und aus den Minen von Gold Run, Bobtail, Poor Man’s Pocket und Spearfish sowie aus dem kleinen Deadwood und Crook City strömten raue, grimmige Goldgräber, erschöpft aussehende Pilger und die unvermeidlichen, stets auf der Suche nach neuen Opfern befindlichen Gauner.
Das Metropolitan war damals wie heute das Hauptquartier der Metropole Black Hills für ankommende Züge und Postkutschen und erhielt daher natürlich einen Großteil der Kundschaft.
Eine gut sortierte Bar mit Spirituosen gab es in Deadwood noch nicht, doch dieser Saloon rühmte sich, das Beste zu bieten, was es gab. Jede Bar hatte einen eigenen Angestellten mit einer kleinen Waage, der ständig damit beschäftigt war, den glänzenden Staub abzuwiegen, den die hart arbeitenden Miner mit ihrem Schweiß verdient hatten. Wenn der flinke Angestellte es nicht schafft, jeden Abend sechs Unzen Staub in seinen eigenen Beutel zu füllen, zeigt das deutlich, dass er noch nicht lange in diesem Geschäft ist.
Samstagabend!
Der Saloon ist überfüllt – voller muskulöser, rauer und grimmiger Männer, voller derber Lieder und sentimentaler Flüche, voller übelriechender Luft, getränkt mit dem Dunst von widerlichem Whisky und noch schlimmerem Tabak. Und er ist voller Anblicke und Szenen, die zugleich aufregend und abstoßend sind.
Als wir eintreten und uns zur Mitte des Raumes vorarbeiten, wird unsere Aufmerksamkeit von einem groben, brutalen Schläger angezogen. Offensichtlich ist er gerade aus den Minen gekommen. Er steht auf einem leeren Whiskeyfass und spricht mit rauer Sprache und der Stimme eines brüllenden Stiers zu einer Gruppe bewundernder Bergleute, die sich zu seinen Füßen versammelt haben. Übrigens gehören sie nicht gerade zu den Kleinsten. Wir hören zu:
»Freunde und Liquidarier, erblickt vor euch einen echten Nachkommen von Kain und Abel. Vielleicht erinnert ihr euch, wenn ihr jemals bei einem Zeltgottesdienst wart, daran, dass Abel von Kain erschlagen wurde. Weil Abel falsch benannt war, war er nicht fähig, sich in der entscheidenden Situation angemessen zu verteidigen. Hätte er sich mit einer Lieferung Black Hills Sixes eingedeckt, hätte ihm das ermöglicht, sich durch überlegene Fähigkeiten auszuzeichnen. Wie ich bereits sagte, bin ich ein direkter Nachfahre der berüchtigten Kain und Abel und bin hierhergekommen, um euch ein paar Dinge über wahre Glückseligkeit und wahre Verdammnis zu erklären.
Oh, Brüder, ich sage euch, ich bin ein echter Kämpfer, wenn ich in Fahrt komme – ein wild kreischender Berglöwe direkt aus den erhabenen Sphären von Starkey – und eine regelrechte religiöse Epidemie, die von den Wolken herabgesandt und wahllos in alle vier Winde verstreut wurde.«
Wir passieren Cattymount und kommen bald zu einem Tisch, an dem ein junger, gutaussehender Pilger und ein Falschspieler Karten spielen. Der Erstgenannte ist ein großer, robuster Kerl, der um die dreiundzwanzig Jahre alt ist. Er hat klar geschnittene Gesichtszüge, dunkle, glänzende Augen und perlweiße Zähne. Sein Haar ist lang und lockig und sein weicher brauner Schnurrbart, an den Enden gewachst, ist nahezu perfekt.
Offensichtlich hat er ein schnelles Temperament, denn er hantiert mit den Karten mit einer schnellen, nervösen Geschicklichkeit, die selbst den professionellen Scharfmacher überrascht. Dieser ist ein dunkelhäutiger Kunde mit Schurke deutlich in jeder Linie seines Gesichts; seine Augen, Haare und ein gewaltiger Schnurrbart, den er gelegentlich streichelt, sind von tiefstem Schwarz. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen? In der Glücksspielszene sind dunkle Haare und Teint vorherrschend. Vielleicht liegt das an der Verfassung der Seelen mancher dieser Charaktere.
Der professionelle Scharfmacher in unserem Fall war keine Ausnahme von der Regel. Er war der Mode entsprechend gekleidet und trug den unvermeidlichen Diamantencluster auf seiner Hemdbrust, ein Juwel von wunderbarer Größe und Brillanz.
»Ah! Verfluchtes Glück!«, rief der Falschspieler und legte die Karten auf den Tisch. »Du hast wieder gewonnen, Pilger, und ich bin fünfhundert im Minus. Bei den Göttern, dein Glück ist erstaunlich!«
»Glück!«, meinte der andere kühl lachend: »Nun, nein. Ich nenne es nicht Glück, denn ich habe nie Glück. Nennen wir es Zufall!«
»Wie Sie meinen«, brummte der Spieler und holte ein neues Blatt heraus. »Zufall und Glück sind dann Zwillingsgefährten. Werden Sie weiter spielen, Mister …«
»Redburn«, beendete der Pilger.
»Ah, ja, Mister Redburn, wollen Sie weitermachen?«
»Ich spiele, solange es etwas zu spielen gibt«, sagte er erneut und verdrehte die gewachsten Enden seines Schnurrbarts.
»Vielleicht haben Sie genug, was?«
»Nein, ich spiele die ganze Nacht, um zurückzugewinnen, was ich verloren habe.«
Ein junger Mann, gekleidet in Bocksleder und offenbar ein paar Jahre jünger als Redburn, schlenderte in diesem Moment entlang und sah einen unbesetzten Stuhl am einen Ende des Tisches (denn Redburn und der Spieler saßen an den Seiten, sich gegenüber), den er sofort einnahm.
»Hallo!« Der Falschspieler fluchte gehörig. »Wer hat dir gesagt, du sollst mitmischen, Fremder?«
»Niemand, soweit ich weiß. Ich dachte, ich setze mich einfach hierhin und beobachte deine Ärmel! Der junge Mann erwiderte bedeutungsvoll und legte einen entsicherten Six-Shooter auf den Tisch vor sich.
»Mach weiter, Mister. Lass dich nicht von mir den Spaß verderben.«
Der Spieler fluchte und verteilte die Karten.
Der junge Mann beobachtete ihn aufmerksam mit seinen scharfen schwarzen Augen.
Er war von mittlerer Größe, gerade wie ein Pfeil, und trug ein locker sitzendes Outfit. Ein breiter Sombrero saß lässig auf der linken Seite seines Kopfes, dessen Haar bis zur Kopfhaut kurz geschnitten war. Sein Gesicht – ein angenehmes, hübsches, jugendliches Gesicht – war glatt rasiert, da er offensichtlich kürzlich beim Barbier gewesen war.
Das Spiel zwischen Mr. Redburn und dem Spieler schritt voran, während die Augen des eben Beschriebenen ständig auf dem Falschspieler ruhten.
Die Karten wurden mit kräftigen Schlägen auf den Tisch gelegt und schließlich strich Redburn die Einsätze ein.
»Donner und Moses!«, rief der Falschspieler, zog seine Uhr heraus – ein elegantes Stück aus reinem Gold, mit Diamanten besetzt – und legte sie energisch auf den Tisch.
»Da! Was wirst du darauf setzen?«
Redburn nahm die Uhr auf, drehte sie in den Händen, öffnete und schloss sie, warf einen Blick auf das Werk und reichte sie dann dem jungen Mann, den er instinktiv als Freund betrachtete. Redburn war aus dem Osten gekommen, um Gold zu schürfen, und war daher ein Fremder in Deadwood.
»Was ist ihr Geldwert?«, fragte er vertraulich. »Gut, nehme ich an.«
»Ja, vollkommen gut, und für zweihundert billig«, war die unerschütterliche Antwort. »Fehlt dir Geld, Fremder?«
»Oh nein! Ich bin diesem Kerl noch dreihundert schuldig und …«
»Du solltest aufhören, wo du bist!«, sagte der andere entschieden. »Du wirst die nächste Runde verlieren, merk dir meine Worte.«
»Ha! Ha!«, lachte Redburn, der Anzeichen von Leichtsinn zeigte. »Ich nehme mein Glück in die Hand. Hier, du Zocker, ich decke die Uhr mit zweihundert Dollar.«
Ohne Weiteres wurden die Einsätze platziert, die Karten ausgeteilt und das Spiel begann.
Der junge Mann, den wir Ned Harris nennen werden, war nicht untätig.
Er nahm die Revolver vom Tisch, änderte seine Position, sodass sein Gesicht genau in die entgegengesetzte Richtung zeigte, und begann, seine Fingernägel zu schneiden. Seine Finger waren so weiß und weich wie die einer Frau. In seiner Hand hielt er eine merkwürdig gewinkelte kleine Box, deren Seiten aus Spiegelglas bestanden. Während er auf seine Fingernägel schaute, sah er auch in den Spiegel, der einen vollständigen Blick auf den Falschspieler bot. Man sah, wie er am Tisch saß.
Das Spiel schritt schnell voran und es war nicht zu übersehen, wie es lief, wenn man das listige Leuchten in den Augen des Spielers beobachtete. Schließlich ging die Spielkarte nieder und im nächsten Moment, nachdem der Gewinner seine Einsätze eingesammelt hatte, richtete Ned Harris in jeder Hand einen entsicherten Revolver auf die Herzen der beiden Spieler.
»Hallo!«, keuchte Redburn unter dem Blick des kalten Stahlrohrs zitternd, »was ist jetzt los?«
»Zieh deinen Revolver!«, befahl Harris streng, wobei er gleichzeitig ein Auge auf den Falschspieler hatte. »Komm! Sei nicht die ganze Nacht damit beschäftigt!«
Redburn gehorchte, er hatte keine andere Wahl.
»Spann ihn und ziele auf deinen Mann!«
»Wen meinst du?«
»Den Kerl links neben dir.«
Wieder fühlte der Pilger, dass er es sich nicht leisten konnte, anders zu handeln, als zu gehorchen.
Also zielte er auf die Brust des Spielers.
Harris zog seine linke Waffe zurück, obwohl er den jungen Ostler immer noch im gleichen Maße deckte. Ruhig bewegte er sich zu dem Platz, an dem der Falschspieler saß – weiß und zitternd.
»Mister!«, rief er mit klarer, klangvoller Stimme. »Würde sich jemand von euch einen Moment hierher bewegen?«
Sofort versammelte sich eine Menschenmenge, dann fuhr der junge Mann fort: »Meine Mitbürger, alle von euch wissen, wie man Karten spielt, daran besteht kein Zweifel. Was ist die Strafe für Schummeln hier in den Bergen?«
Für ein paar Sekunden war der Raum in Schweigen gehüllt, dann antwortete ein Chor von Stimmen mit einem einzigen Wort: »Tod!«
»Genau«, sagte Harris ruhig. »Wenn ein Falschspieler Karten auf chinesische Art in seinen Ärmeln versteckt, nehme ich an, das nennt ihr Schummeln, oder?«
»Das ist das Größe davon«, stimmten alle grimmig zu.
Ned Harris drückte die Pistolenmündung gegen die Stirn des Spielers, griff mit den Fingern in die geräumigen Ärmel und legte einen Moment später mehrere hohe Karten auf den Tisch.
Ein Murmeln des Unglaubens ging durch die Zuschauermenge. Selbst Redburn war erstaunt.
Nachdem er die Karten entnommen hatte, wandte sich Ned Harris um und richtete seinen Revolver auf den Kopf des jungen Mannes aus dem Osten.
»Ihr Name?«, sagte er kurz. »Ist …«
»Harry Redburn.«
»Sehr gut. Harry Redburn, dieser Spieler vor Ihrer Pistole, hat ein Verbrechen begangen, das in den Black Hills mit dem Tod bestraft wird. Da Sie sein Opfer sind – oder vielmehr sein sollten – bleibt Ihnen nur noch, genau zu zielen und Ihr Land von einem erstklassigen Halunken und Betrüger zu befreien!«
»Oh nein!«, keuchte Redburn entsetzt bei dem Gedanken, einem Mitmenschen das Leben zu nehmen. »Ich kann nicht, ich kann nicht!«
»Sie können!«, sagte Harris streng. »Machen Sie weiter! Sie müssen diesen Falschspieler töten, sonst töte ich Sie!«
Ein totenähnliches Schweigen folgte.
»Eins!«, zählte Harris nach einem Moment.
Redburn wurde sehr blass, aber nicht blasser als der Falschspieler direkt gegenüber. Redburn war weder ein Feigling noch an den verzweifelten Charakter der Bevölkerung der Berge gewöhnt. Sollte er den verschlagenen Wicht vor sich erschießen, dann würde er sich immer als Mörder betrachten. Nach den natürlichen Gesetzen von Deadwood würde ein solcher Mord jedoch als Gerechtigkeit betrachtet werden.
»Zwei!«, zählte Ned Harris weiter und zog den Hammer seiner Pistole ganz zurück. »Komm, Pilger, wirst du schießen?«
Es herrschte erneut Schweigen, nur das leise Atmen der Zuschauer war zu hören.
»Drei!«
Redburn hob seine Pistole und feuerte – blind und sorglos, ohne zu wissen oder sich darum zu kümmern, wohin die obligatorische, todbringende Kugel ging.
Es gab einen schweren Fall, ein Stöhnen des Schmerzes, als der Spieler auf den Boden fiel. Dann herrschte für ein paar Sekunden die wildeste Verwirrung im riesigen Salon.
Revolver wurden gezückt, Messer blitzten im Schein des Lampenlichts, Flüche und Drohungen kamen aus Dutzenden von Mündern, während einige der gewaltigen, wogenden Menge heftig jubelten.
Am Tisch saß Harry Redburn immer noch, regungslos wie eine Statue, die Pistole noch in der Hand, sein Gesicht weiß, seine Augen starr.
Er blieb dort, der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit, mit hundert Paar brennenden Augen, die ihn von allen Seiten fixierten.
»Komm!«, sagte Ned Harris leise und klopfte ihm auf die Schulter. »Komm, Partner. Lass uns hier raus, denn es wird bald hektisch werden. Du hast einen der größten Kartenteufel in den Bergen getötet und er wird ziemlich schnell toben. Schau! Siehst du den Kerl dort kommen, der vorhin von oben auf dem Fass gepredigt hat? Das ist Cattymount Cass. Er ist ein Partner von Chet Diamond. Den hast du getötet. Die Kerle hinter ihm sind seine Bande. Los, folge mir, Henry, und ich werde uns hier herausführen.«
Redburn signalisierte seine Bereitschaft und bahnte sich mit zwei entsicherten Six-Shootern in jeder Hand den Weg durch die Menge.
Schreibe einen Kommentar