Die Gespenster – Vierter Teil – 31. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil
Einundreißigste Erzählung
Ein Hospitalit zu Greenwich
Im Arbeitshaus zu Greenwich in England verfiel am 9. August des Jahres 1798 eine 60-jährige Frau in einen scheinbar toten Zustand. Ihre Leblosigkeit war so anhaltend, dass man sie am nächsten Sonntag zu begraben gedachte. Schon war ihr Sarg angefertigt; schon verschloss diese enge Behausung die vermeinte Leiche; schon hatte man die Unglückliche als wirkliche Leiche in das Behältnis getragen, in welchem die Leichen bis zum Begräbnis zu stehen pflegen. Aber am Sonntag früh kam der Arzt des Arbeitshauses, um sie noch einmal zu sehen.
O, menschenfreundlicher Mann! Wärst du nicht gekommen, die Schlafende wäre dem peinlichsten Tod übergeben worden! Der Arzt bemerkte an der Leiche zu seiner nicht geringen Verwunderung gewisse schwache und unsichere Kennzeichen des vorhandenen Scheintodes. Dies bewog den gewissenhaften Mann das Begräbnis zu verbieten. Von nun an besuchte er sie täglich bis zum folgenden Freitag, und jedes Mal widersetzte er sich nachdrücklich dem unvernünftigen Verlangen des Aufsehers, die Leiche zu begraben. Endlich, an dem genannten siebenten Tag ihres scheintoten Zustandes, richtete sie sich zum Erstaunen des anwesenden Leichenwärters in ihrem Sarg auf und lebte noch.
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