Ellery Lloyd – Das geheime Bildnis
Ellery Lloyd – Das geheime Bildnis
Patrick Lambert und Caroline Cooper stehen am Anfang der 1990er Jahre in Cambridge vor dem Abschluss ihres Kunstgeschichtestudiums. Caroline will Wissenschaftlerin werden, und Patrick möchte einen guten Abschluss machen, um Galerist zu werden und mit großer Kunst zu handeln.
Caroline und Patrick kennen sich schon seit dem Beginn ihres Studiums und haben bereits zwei Mal miteinander geschlafen Sie treffen sich vor dem Haus einer Frau namens Alice Long, von der es in der Unibibliothek Bücher gibt. Sie soll die Abschlussarbeiten der beiden betreuen.
Bevor die beiden das Haus von Alice Long betreten, äußert Caroline ihre Besorgnis, weil diese Frau nicht zur Fakultät gehört und an keinem College ist. Die Studentin versteht nicht, dass eine solche Person ihre Abschlussarbeit betreuen soll, die für ihren Uniabschluss sehr wichtig ist. Wenn sie nun eine miese Betreuerin ist und sich das ungünstig auf eine auf ihre Arbeit auswirkt, kann sie ihre Berufschancen wohl abschreiben.
Patrick teilt Carolines Sorgen. Die beiden haben Mühe, ins Haus ihrer Betreuerin zu kommen. Als sie endlich dort sind, fragt diese Patrick, ob er sich tatsächlich für den Surrealismus vor dem Zweiten Weltkrieg interessiere.
Patrick antwortet, er wolle sich in seiner Dissertation auf die Surrealismus-Ausstellung 1938 in Paris konzentrieren. Der Künstler, der den Surrealismus in dieser Zeit seiner Ansicht nach am besten verkörpere, sei nicht Dali oder Magritte, sondern Oskar Erlich. (Diesen Künstler hat es tatsächlich nie gegeben. Er ist, wie auch Juliette Willoughby, eine der Hauptheldinnen des Buches und ebenfalls surrealistische Malerin, eine Erfindung der Autoren.)
Alice Long sagt, als Patrick mit seinen Ausführungen fertig ist, er habe sich für seine Abschlussarbeit ein möglicherweise interessantes Thema vorgenommen, wobei Rahmen und Argumentation noch entwickelt werden müssten.
Dann wendet sich die Betreuerin Caroline zu. Diese hat sich auf das Gespräch wesentlich besser vorbereitet als Patrick und legt Alice Long dar, dass und wie sie sich in der Arbeit mit der Sphinx in der surrealistischen Kunst beschäftigen möchte. Long, die nun wesentlich interessierter, fast enthusiastisch wirkt, fragt sie, über welche Werke sie speziell schreiben wolle. Carolin antwortet ihr, und die Betreuerin bringt Juliette Willoughbys Selbstporträt als Sphinx ins Gespräch.
Über Juliette Willoughby ist Patrick und Carolines Wissen zufolge nur bekannt, dass sie die Geliebte von Oskar Erlich war, und dass keines ihrer Bilder noch existiert. Alles, was sie an der Kunstakademie gemacht hat, ist verlorengegangen, als sie England 1936 verließ und nach Paris ging. Selbstportrat als Sphinx, das einzige Gemälde, das sie bei der surrealistischen Ausstellung 1938 in Paris vorstellte, ist im Katalog der Ausstellung aufgeführt und in wenigen Kritiken erwähnt, Aber kein Foto davon, keine von den Zeichnungen und Vorstudien der Künstlerin hat überlebt, und das Bild selbst ist bei einem Brand 1938, bei dem Erlich und Juliette Willoughby umkamen, zerstört worden.
Eine äußerst interessante, verwickelte und spannende Geschichte um eine erfundene Figur, ihr Leben und ihre Kunst beginnt und findet in drei Zeiträumen statt, nämlich in den 30er-Jahren, vor allem in Paris, dem Cambridge des Jahres 1991 und im heutigen Dubai
Der vorliegende Roman springt zwischen drei Zeiträumen hin und her und wird aus vier verschiedenen Perspektiven erzählt, nämlich der von Patrick Lambert, der von Caroline Cooper, der von Juliette Willoughby, die sich in einem Tagebuch verewigte, das die Protagonisten finden und schließlich der von Alice Long, der Betreuerin von Patricks und Carolines Abschlussarbeiten.
Wenn der Leser im Angesicht dieser Verwicklungen denkt, man könne dem Plot nicht folgen und sei am Ende verwirrt, so sei ihm gesagt, dass dies nicht der Fall ist. Die Geschichte ist sehr gut nachzuvollziehen, sehr geordnet und gar nicht verwirrend erzählt. Man kann als Leser alles verstehen.
Dreht sich offenbar alles um berühmte surrealistische Künstler und ihr Werk, so merkt man im Lauf der Geschichte, dass dabei nach und nach ein ungeheuerliches Familiengeheimnis einer englischen Großgrundbesitzerfamilie gelüftet wird, nämlich ein Geheimnis der Familie Willoughby. Die Malerin und jüngere Tochter Juliette, die dieses Geheimnis entdeckt und darüber spricht, kommt deshalb in die Psychiatrie und niemand glaubt ihr. Also flieht sie aus dem Dunstkreis der Familie nach Paris und schafft ein Bild, das sich mit dem erwähnten Geheimnis beschäftigt und zu einem der größten Gemälde des Surrealismus wird.
Am Rande sei noch erwähnt, dass in dieser Geschichte nicht nur eine Liebesbeziehung beschrieben wird, sondern gleich mehrere.
Fazit:
Die Hintergründe des Romans Das geheime Bildnis sind ausgesprochen gut recherchiert, das Buch ist fachlich sehr fundiert geschrieben. Die verschiedenen Perspektiven, aus denen erzählt wird, und die verschiedenen Zeiten, in denen die Ereignisse spielen, sind so geordnet und gar nicht verwirrend erzählt, dass man der Handlung gut folgen kann.
Der Roman von Ellery Lloyd ist ein Krimi höchster Güte und jedem zu empfehlen, der sich beim Lesen gern anstrengt und dafür mit großer Spannung belohnt wird.
Ellery Lloyd ist das Pseudonym des Autorenehepaars Collette Lyons und Paul Vlitos.
Paul veröffentlichte bereits zwei Romane und ist Dozent an der University of Surrey in Großbritannien. Er lehrt Englische Literatur und Kreatives Schreiben.
Seine Frau ist Journalistin und Herausgeberin. Sie schreibt regelmäßig für den Guardian, den Telegraph und die Daily Mail und arbeitete zudem für Elle, Stylist und Soho House.
Die beiden haben eine kleine Tochter und leben mit ihr in London.
Quellen:
• Ellery Lloyd, Das geheime Bildnis, Knaur Verlag, München, 2025.
• books.google.de
Bilder:
• Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
• Foto der Autoren. Copyright: Alicia Clarke. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.
(ww)

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