Archiv

Gertraud Barthel – Der Trollkönig

Gertraud Barthel
Der Trollkönig
14 phantastische Geschichten

Zunächst möchte ich an dieser Stelle drei der Geschichten skizzieren, damit der Leser einen Einblick in den Inhalt des Buches erhält.

Froschi

Seit Peter denken kann, hat er sich über seinen Spitznamen Froschi geärgert, den er der Tatsache zu verdanken hat, dass er schon bei seiner Geburt froschgrüne Augen hatte. Schon in der Grundschule nannten ihn alle, auch die Lehrer, Froschi, und dies setzte sich auch im Gymnasium fort, nachdem seine Eltern in eine andere Stadt gezogen waren. Dort verlor er, weil er sehr zornig reagierte, als ihn jemand so nannte, sogar seine Freundin. Schließlich verwandelte er sich in ein grünes Monster. Er dachte: Jetzt werd ich’s euch zeigen!

Die Freundin berichtet, wie er sich veränderte, als er bei seinem Spitznamen genannt wurde, dass er langsam grün wurde und eines Tages nicht mehr zur Schule kam. Keiner vermisste ihn, auch sie nicht. Sie hatte da ohnehin schon einen neuen Freund.

Jahre später geht Jutta, so heißt die Freundin, zu der Lesung von Peter Ostranski, der das Gymnasium in ihrer Stadt besucht haben soll, obwohl sich dort keiner mehr an ihn erinnert. Ostranski ist berühmt und hat ein aufsehenerregendes Buch veröffentlicht, einen Bestseller, der zahlreiche Preise gewonnen hat.

Alle Preise sind jedoch vom Lektor des Schriftstellers entgegengenommen worden, der ihn auch bei der Presse und in der Öffentlichkeit bisher vertreten hat. Aber heute will er sich zum ersten Mal als Person zeigen.

Als Jutta am Ende der Lesung ihr Buch signieren lassen will, gibt es einen Eklat …

Die Fliegen

Eine Frau arbeitet den ganzen Tag im Garten. Als sie am Abend müde die Treppe zum ersten Stock emporsteigt, bemerkt sie über dem Bild, das im Treppenhaus hängt, eine Ansammlung von sieben Fliegen, fett und giftschwarz, die sie höhnisch aus glitzernden Fliegenaugen anstarren. Seitlich von ihnen sitzt eine große Spinne, so regungslos, dass man sie für tot halten kann. Sie bewegt sich kurz.

Die Frau will die Fliegen mit einer zusammengerollten Zeitung erschlagen, aber als sie wieder aus der Tür tritt, sind sie verschwunden. Sie sucht sie, findet sie aber nirgendwo.

Schließlich macht sie sich für das Bett fertig, legt sich hin und löscht das Licht …

Aliens

Ein Professor und Major a. D. wird nach seiner Pensionierung Mitglied eines Vereins von UFO- Forschern. Er blickt nun den ganzen Tag vom Aussichtsberg der Stadt mit einem Fernglas in den Himmel und sieht ein oder mehrere UFOs pro Tag.

Eine Studentin bewohnt im Haus des Professors und seiner Frau ein Zimmer zur Miete. Die Ehefrau, viel jünger als ihr Mann, reist zum Vergnügen in der Welt herum, und ihm, der mit der Mieterin keine über freundliche Neutralität hinausgehende Beziehung herstellen kann, bleiben nur die UFOs.

Schließlich erzählt er der Mieterin eines Morgens, ihm sei etwas Ungewöhnliches widerfahren. Er habe ein besonders niedrig fliegendes UFO beobachtet, als es ihn plötzlich im Auge gejuckt habe. Er setzte das Fernglas kurz ab, um sich das Auge zu reiben, und sah plötzlich eine wunderbare Frau vor sich, die mit dem UFO zur Erde gekommen war und sich ihn ausgesucht hatte, um Kontakt zu den Bewohnern der Erde aufzunehmen …

Gertraud Barthel erzählt im Klappentext ihres Buches, ihre in den letzten Jahren entstandenen Geschichten hätten gemeinsam, dass sie, ausgelöst von einem realen Erlebnis oder einer konkreten Situation, vom Boden der Realität in den Bereich des Phantastischen abhöben.

Und sie sagt noch, sie habe beim Schreiben dieser Geschichten viel Freude empfunden.

Letzteres kann man den Geschichten anmerken, denen gemeinsam ist, dass sie manchmal bedrohlich, manchmal sehr ungewöhnlich und manchmal auch skurril daherkommen, aber meist auch mit einem Augenzwinkern geschrieben sind.

Sicherlich dürften die 14 Geschichten, wollte man ihrer Bedeutung auf den Grund gehen, psychoanalytisch einiges hergeben. Aber über derartige Interpretationen nachzudenken, ist zu wenig. Die recht außergewöhnliche Phantasie der Autorin lässt sie mit diesem Buch ein Werk schaffen, das es in dieser Form nirgendwo anders gibt.

Fazit:

Gertraud Barthel schafft mit ihren 14 phantastischen Geschichten ein besonderes Buch, das dem Leser ganz andere Phantastik bietet als die dem Mainstream entsprechende.

Ich möchte dieses Werk dem erwachsenen Freund der Phantastik empfehlen, der gerne einmal etwas liest, das er sonst wohl fast nirgendwo anders lesen kann.

Die Autorin

Gertraud Barthel wurde 1946 geboren und verbrachte ihre Grundschulzeit in einem österreichischen Dorf. Ab 1956 wurde sie dann in diversen Internaten erzogen. In ihrer vor der vorliegenden Sammlung erschienenen Erzählung Die Geschichte vom Hund beschreibt sie ihre Kindheit in den Bergen, sehr interessant illustriert mit Zeichnungen des Gießener Grafikers Werner Braun, der auch das vorliegende Buch illustrierte.

Sie arbeitete als Lehrerin in München, Heldenbergen bei Frankfurt und Salzböden.

Quellen:

  • Gertraud Barthel, Der Trollkönig – 14 phantastische Geschichten, edition winterwork, Borsdorf, 2020.
  • Gießener Allgemeine vom 10.10.2023.
  • Gießener Anzeiger vom 21.04.2024.

Bilder:

  • Cover des Buches. Mi freundlicher Genehmigung der Autorin.
  • Foto der Autorin. Copyright: Dagmar Hinterlang. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

(ww)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert