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Der lustige Kirmesbruder – Teil 8

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Siebente Kirmes

Wie der lustige Kirmesbruder verschiedene Wetten abschließt und gewinnt

Je mehr Kirmesfeste ich besuchte, desto bekannter wurde ich. Das war auch der Grund, weshalb ich an verschiedene Orte eingeladen wurde, um den Gästen mit meinen kurzweiligen Scherzen die Zeit zu vertreiben. In dieser Absicht nahm man mich einstmals auch mit nach Wetzelfeld zu einem sehr reichen Bauern, der uns aufs Herrlichste bewirtete. Bei dieser Kirmes suchte man sich vornehmlich mit Wetten zu belustigen. So wettete ich zuerst um einen halben Gulden, dass David Springer, wenn er unter den Tisch kriechen würde, drei Schläge, die ich mit der Hand auf den Tisch tun wollte, nicht aushalten könnte.

David Springer, der sich viel zutraute, machte sich daran, die Wette ganz sicher zu gewinnen, und begab sich deshalb unter den Tisch. Ich schlug einmal ganz gemächlich darauf. Er sagte: »O, wenn die Schläge nicht stärker kommen, so wollte ich wohl deren zwanzig aushalten und eine Menge Wetten gewinnen.«

Ich schlug zum zweiten Mal auf den Tisch und nahm mir sofort den halben Gulden. Nun erwartete David Springer voller Ungeduld den dritten Schlag, der aber nicht folgte.

Da rief er: »Nun, wann kommt denn der dritte Schlag?«

Ich antwortete ihm, das wüsste ich noch nicht, ob er heute oder morgen nachfolgen würde, denn wenn er es nicht aushalten könnte, müsste ich ihn natürlich erst lange unter dem Tisch zappeln lassen.

David Springer sah sich also genötigt, nachdem er lange genug unter dem Tisch gesteckt hatte, wieder hervorzukommen und seinen halben Gulden im Stich zu lassen.

Kurz darauf wettete ich mit Jonas Simpeln, dass ich ihn, wenn er auf einen Stuhl treten würde, sogleich wieder herunter singen würde. Jonas Simpeln ging die Wette mit mir ein, denn er glaubte fest daran, dass er sich gewiss so lange auf dem Stuhl halten könne, bis ich des Singens überdrüssig würde. Doch er sah sich bald in seiner Meinung getäuscht, denn kaum war er auf den Stuhl getreten, fing ich an zu singen:

»Will der Herr nicht heruntergehen, so bleibt ein Narr oben stehen.«

Wenn er die Ehre eines Herrn behalten wollte und sich nicht den Namen eines Narren beilegen lassen wollte, musste er vom Stuhl springen. Das geschah mit außerordentlicher Geschwindigkeit.

Nun ging ich mit Peter Marculph eine dritte Wette ein, indem ich behauptete, er werde nicht in der Lage sein, dreimal »Komm Hans Peter mit der Nase« in die Feuermauer in der Küche zu rufen. Marculph, der dies für eine Kleinigkeit hielt, ging in die Küche und rief dreimal aus vollem Halse: »Komm, Hans Peter, mit der Nase!«

Nachdem er dies getan hatte, kam er voller Freude in die Stube gelaufen, in der Hoffnung, die Wette gewonnen zu haben.

Er fragte uns, ob wir ihn dreimal hätten schreien hören. Er tat dies, damit wir es bekräftigen und dann keine Entschuldigung gegen ihn vorbringen könnten. Wir versicherten ihm, dass wir sein dreimaliges Rufen sehr wohl gehört hätten.

Da sagte er: »Nun gut! Die Wette ist gewonnen, das Geld her!«

Ich weigerte mich, ihm das Geld zu geben, da ich ihm versicherte, er habe die Wette nicht gewonnen, sondern ich hätte sie gewonnen und er müsse mir das Geld geben. Daraufhin wurde er erstaunlich hitzig, aufgebracht und wütend. Er fing an, sich mit mir zu streiten, packte mich sogar beim Leib und es wäre ganz gewiss zu einem Handgemenge gekommen, wenn sich nicht der Richter dazwischen gestellt und versprochen hätte, die Sache zu entscheiden. Letztlich wurde entschieden, dass ich angeben müsse, wie ich mich bei der Anstellung der Wette eigentlich ausgedrückt hätte.

Ich gab zur Antwort, dass es Marculph unmöglich sein müsse, in der Küche dreimal »Komm Hans Peter« mit der Nase in die Feuermauer zu rufen.

»Gut«, sprach der Richter, »nun sehe ich es ein, dass du recht und Marculph unrecht hast. Marculph, beantworte mir jetzt meine Fragen, die ich an dich stellen werde. Deine Antworten werden dich zweifelsfrei selbst verurteilen. Fürs Erste: Bist du in der Küche gewesen?«

Marculph antwortete: »Ja.«

Der Richter fragte weiter: »Hast du in der Küche dreimal in der Feuermauer gerufen?

Marculph: »Ja.«

Der Richter fragte weiter: »Was für Worte hast du da hineingerufen?«

Marculph: »Komm, Hans Peter, mit der Nase.«

Der Richter fragte: »Womit hast du die Worte ausgesprochen?«

Marculph: »Mit dem Mund und aus vollen Leibeskräften.«

»Ja, du einfältiger Mensch!«, sprach daraufhin der Richter, »du hättest diese Worte mit der Nase rufen sollen! Kannst du das denn?«

Marculph antwortete: »Nein!«

Der Richter sagte: »Folglich hat der lustige Kirmesbruder recht, denn der hat es so verstanden.«

»Nicht wahr?«, fragte er mich dann.

Ich antwortete: »Ja.«

Da sprach der Richter: »Nun, Marculph, du hast die Wette verloren. Gib dem Kirmesbruder das Geld und mir vier Groschen Gerichtsgebühren.«

So half alles Einreden nichts, Marculph musste bezahlen und wurde dafür auch noch ausgelacht.

Da wir nun einmal mit dem Wetten begonnen hatten, mir das auch ziemlich viel einbrachte und die Gesellschaft dadurch etwas zu lachen bekam, wurde ich ermuntert, immer wieder neue Wetten abzuschließen. Zunächst verursachte mir die Karte, die auf dem Tisch lag, wieder einen Gewinn. Ich wettete mit Theodor Hempel, dass er mir kein Blatt, das er sich ausdenken würde, dreimal hintereinander nennen könnte, wenn ich dazwischenredete. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er sich nicht daran stören sollte, was ich sagen würde, sondern dass er jederzeit nur sein Blatt nennen sollte.

Wir setzten jeweils einen halben Gulden, legten das Geld auf den Tisch und begannen. Nun wählte sich Hempel das grüne Taus.

Da sagte ich: »Was guckt zu deinem Fenster heraus?«

Er antwortete: »Das grüne Taus.«

Ich fragte weiter: »Was stärkt am besten das Gesicht?«

Er antwortete: »Das grüne Taus.«

Darauf sagte ich zum dritten Mal: »Nun stehst du, mein lieber Hempel, nun ist das Geld schon mein«, wobei ich das Geld einstrich und in meine Tasche steckte.

Da wurde Hempel hitzig und sagte: »Was soll das denn bedeuten? Das geht nicht an, du musst mich weiterfragen! Warum nimmst du das Geld weg?«

Ich antwortete: »Mein lieber Hempel, hättest du anstatt dieser vielen Worte, die du da hergeplaudert hast, bloß gesagt: ›Das grüne Taus‹, so wäre das Geld deins gewesen. Da du das aber nicht getan hast, lass es dich nicht befremden, wenn ich es mir zueigne.«

Hempel kratzte sich hinter den Ohren, ging weg und war voller Verwunderung über seine Torheit. Anschließend wurde mit den Anwesenden Karten gespielt und später Abendbrot gegessen, wobei auch verschiedene Späße gemacht wurden.

An diesem Abend aber fand ich meinen Mann, der mich, nachdem ich andere so oft angeführt hatte, auch einmal anführte. George Dietrich, der ein sehr kurzweiliger Mann war, kam nämlich zu unserem Wirt. Ich wurde ermuntert, mein Kunststückchen mit der Karte auch an diesem Mann zu versuchen. Anfangs weigerte er sich unter dem Vorwand, dass er kein sonderlicher Liebhaber des Kartenspiels sei. Da ich ihm jedoch erklärte, dass es eigentlich kein Spiel sei und es nur der Kuriosität wegen geschehe, ließ er sich schließlich dazu überreden. Ich unterrichtete ihn, wie er dabei vorgehen müsste, und nachdem er mir aufmerksam zugehört hatte, setzten er und ich jeweils vier Groschen ein. Nachdem alles seine Richtigkeit hatte und er sich den roten König als Karte ausgesucht hatte, richtete ich meine Fragen an ihn, und zwar als erste: »Wer regiert die meisten Untertanen?«

Er antwortete: »Der rote König.«

Ich fragte weiter: »Wer findet sich sowohl bei den Vornehmsten als auch bei den Geringsten ohne Unterschied ein?«

Er gab zur Antwort: »Der rote König.«

Schließlich sagte ich, während ich nach dem Geld griff: »Nun ist das Geld mein!« Doch Dietrich ließ sich davon nicht beirren, sondern erwiderte: »Der rote König.«

So musste ich das Geld voller Verdruss wieder hinlegen, da ich die Wette verloren hatte. Doch kam ich auf die überaus wahrscheinliche Vermutung, dass Dietrich absichtlich von anderen angestellt worden war, und dass man ihm genau gesagt hatte, wie die Sache zuginge, um sich über mich lustig zu machen.

Dies flößte mir die Klugheitsregel ein, künftig einen Spaß nur einmal zu machen, da man sonst leicht in eine ähnliche Gefahr geraten kann. Am frühen Morgen machte ich mich wieder auf den Weg, einerseits um auszuruhen, andererseits aber auch, um mich auf die letzte Kirmes gefasst zu machen.

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