Slatermans Westernkurier Ausgabe 06-2025
heute machen wir einen Zeitsprung in längst vergangene Zeiten von Las Vegas, New Mexico.
Bevor die dampfenden Kolosse der Eisenbahn die Ebene durchquerten und Las Vegas mit ihrem rauchenden Atem erreichten, war es die klapprige Postkutsche der Barlow and Sanderson stage line, die täglich durch Staub und Gefahr von Santa Fe herüberholperte – voll beladen mit Briefen, Träumen und Menschen. Doch die Weite war wild und die Wege waren von Gesetzlosen gesäumt. Ein- oder zweimal pro Woche schlug das Verbrechen zu: Maskierte Reiter tauchten wie aus dem Nichts auf, plünderten die Passagiere aus und schlitzten die Postsäcke auf, als wären es Beutel voller Gold.
Eines Tages erschien ein Mann namens Parker bei den Behörden. Er war ein gottesfürchtig wirkender Gastwirt mit Ställen und einem Hotel in Las Vegas. Vier junge Männer, so behauptete er, hätten seine Herberge besucht – dieselben, die die Kutsche überfallen hatten. Sie mieteten stets einen zweispännigen Wagen, ritten hinaus aufs Land und kehrten mit erschöpften Pferden zurück. Parker sagte, er könne sie identifizieren. Tagelang führte er die Männer über Hügel und Pfade, doch schließlich verlor sich die Spur. Schließlich kam die Wahrheit ans Licht: Parker selbst war der Räuber. Für seine Lüge, seinen Verrat und seine Verbrechen bezahlte er mit dem Leben – er wurde hingerichtet.
Und dies war nur der Anfang.
Im Jahr 1879, zur Zeit der ersten Ausgaben des LAS VEGAS OPTIC, erzählte der Herausgeber Lute Wilcox von einem Vorfall, der selbst für die rauen Verhältnisse der alten Stadt bemerkenswert war. Aus dem staubigen Panhandle von Texas ritt Dutch Henry mit seiner Bande – vier Männer, die eine Rechnung begleichen wollten – heran. Joe Carson, der Townmarschall von Las Vegas, hatte in Fort Worth einen Konflikt mit ihnen gehabt. Nun waren sie zurück: Tom Dutch Henry, John Dorsey, Jim West und Bill Randall. Sie nisteten sich in einer Hütte bei Mora ein, lebten von der Wildnis, stahlen eine nagelneue Kutsche samt Pferden und hinterließen dem Besitzer eine höhnische Botschaft: Er solle sie sich zurückholen, wenn er mutig genug sei.
Keiner folgte ihnen.
Eines Nachts kehrten sie nach Las Vegas zurück. Carson forderte sie auf, ihre Waffen abzugeben – so verlangte es das Gesetz. Doch sie lachten nur, schwangen sich in Close’s dance hall in die Luft und wirbelten mit den Mädchen im Licht der Petroleumlampen herum. Carson aber ließ sich nicht einschüchtern. Er trat ein, um Recht durchzusetzen. Es war, als hätte die Dunkelheit selbst das Zündholz der Gewalt entzündet: Ein Schuss, dann ein Dutzend. Chaos, Geschrei, Rauch. Lute Wilcox saß in seinem Büro, als Mrs. Carson hereinstürzte und ihm mitteilte, dass ihr Mann vermutlich tot sei. Sie hatte die Schüsse gehört und wusste, wohin er gegangen war.
Am Hintereingang der Tanzhalle fanden sie ihn. Ein Streichholz flackerte auf und über das Gesicht des toten Gesetzeshüters. Die Menschenmenge auf dem Platz zwischen Tanzhalle und Restaurant war schweigsam. Joe Carson wurde in Dr. Seversons Apotheke gebracht, doch sein Herz hatte bereits aufgehört zu schlagen. Mrs. Carson weinte und tobte – und brannte Wochen später mit dem Friedensrichter Woodo Brown durch ins Indianerterritorium.
Die Bande wurde gestellt – nicht vom Gesetz allein, sondern von Mysterious Dave Matthews und dem schattenhaften Dave Rudebaugh. Bill Randall starb, Jim West wurde schwer verletzt, Dorsey wurde ins Bein geschossen und Dutch Henry blieb unverletzt. Doch sie alle wurden gefasst und eingesperrt.
In einer mondlosen Nacht holte eine Gruppe maskierter Männer, Vigilanten, die drei Gefangenen aus ihrer Zelle. Am Windrad auf dem Plaza endete ihre Geschichte. Feuer loderten, Menschen sangen, flüsterten und sahen zu. Vier Männer wurden gehängt, so sagte es Charles Ilfeld später, der persönlich zugegen war. Die alte Stadt hatte ihr Spektakel, die neue blieb stumm und vernachlässigt.
Doch die Kaufleute von Old Las Vegas waren empört – nicht etwa über das Blut oder das Recht, sondern über das Windrad. Es hatte sechshundert Dollar gekostet und sollte nun für sechzig Dollar mehr entfernt werden, da es den Frieden und die Würde des Platzes beschmutze.
Noch hingen die Toten, als eine Postkutsche vorüberholperte. Eine Frau schrie auf, der Kutscher peitschte die Pferde an und es brach ein Streit los.
»Bring mich zurück!«, kreischte sie. »Ich werde nie in diesem verfluchten Land leben!« Es waren Mr. und Mrs. A. M. Conklin aus Arkansas. Sie sollten nie bleiben. Er zog später nach Socorro, wo ihn zwei Männer töteten. Aber das, so sagt man, sei eine andere Geschichte.
Jede ankommende Kutsche brachte neue Gesichter mit sich, darunter nicht selten Vertreter der Unterwelt. In der Nähe von Las Vegas, nur sechs Meilen entfernt, dampften die heißen Quellen, bewacht von einem alten Badehaus, das von Scott Moore und seiner Frau geführt wurde. Ihr Ruf für gutes Essen reichte weit – besonders sonntags war ihr Haus übervoll.
Eines Tages beherbergten sie zwei Gäste, die Legenden waren, wenn auch nicht willkommen: Jesse James – damals bekannt als Mr. Howard – und Billy the Kid. Sie begegneten sich und sprachen wie Männer, die wussten, was es hieß, gejagt zu werden. Jesse schlug eine Partnerschaft vor, doch Billy lehnte ab. Er war kein Bankräuber, kein Bandit im klassischen Sinne. Viehdiebstahl, das war sein Handwerk – schlimm vielleicht, aber kein Hochverrat. Sein Schicksal war im Lincoln-County-Krieg besiegelt worden und Jesse, der König der Eisenbahnüberfälle, war ihm eine Nummer zu groß.
John T. Samuels, Jesses Halbbruder, bestätigte dies später. Jesse, sagte er, trug in der Familie den Namen Dingus.
Doch der Westen verschonte niemanden.
Don Miguel Barrela, ein junger Mann aus Mesilla und Spross einer angesehenen Familie, kam mit fünf Maultiergespannen nach Las Vegas, um einzukaufen. Nachdem er seine Waren verladen hatte, beschloss er, mit einem Freund und Alkohol zu feiern. Ein Schuss fiel und ein Mann namens Patrisio Ortega brach zusammen. Aus einem Hauseingang trat ein Amerikaner mit einer alten Muskete – nicht geladen, aber schwer genug, um zuzuschlagen – hervor. Er schlug Barrela nieder, der bewusstlos am Boden liegen blieb. Die Polizei kam und schleppte ihn ins Gefängnis. Doch draußen tobte bereits die Menge.
»Hängt ihn!«, schrien sie. Die Nacht war schwer und brodelnd.
Don Desiderio Romero, der Sheriff von San Miguel County, stieg auf sein Pferd, führte die Zügel mit den Knien und hielt die Colts in den Fäusten. Er ritt in die Menge, zerschlug den Mob mit Worten, Blicken und seiner Furchtlosigkeit. Doch als die Nacht dunkler wurde, kamen sie zurück. Der Gefängniswärter wurde überwältigt und Barrela hinausgezerrt. Auch er fand seinen Tod am Windrad, das längst mehr Galgen als Schmuck war.
So war Las Vegas damals – eine Stadt zwischen Aufbruch und Abgrund. Ein Ort, an dem der Tod allgegenwärtig war und dennoch seltsam feierlich wirkte.
Bis denn mal wieder …
Euer Copolymer
PS: Unserem Slaterman geht es den Umständen entsprechend gut und wird euch in Bälde wieder mit spannenden Geschichten und Geschichtchen aus dem Wilden Westen unterhalten.
Quelle:
• truewestmagazine

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