Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges 21
Max Klose
Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges
Mit zahlreichen Abbildungen aus dem Riesengebirge
Verlag von Brieger & Gilbers. Schweidnitz (Świdnica). 1887.
Überarbeitete Fassung
8. Die Gröditzburg
Nordöstlich von Löwenberg liegt die Gröditzburg. Sie ist sehr alt; schon im Jahr 1200 herrschten Raubritter darin. Sie soll zum Schutz gegen die Wenden von einem Sachsenherzog (Heinrich I.) erbaut worden sein.
9. Der Burggeist
Auf der Gröditzburg hauste im Jahr 1200 der berüchtigte Raubritter Rüdiger von Buseway. Er beraubte Klöster und Städte der ganzen Umgebung und kannte kein Erbarmen. Er hatte jedoch eine fromme und schöne Tochter, die nach Kräften die Wunden zu heilen suchte, die ihr wilder Vater der Menschheit schlug. Charitas, so hieß die Jungfrau, liebte sogar einen Feind ihres Vaters: den Burgherrn Czedlitz auf Alzenau. Darüber wurde der wilde Buseway fürchterlich aufgebracht und schwor, den Geliebten tot ins Haus zu bringen. Da nahm sich der Burggeist, der seit hundert Jahren in einem blutgetränkten Mantel auf der Burg umherwandelte, des Burgfräuleins an. Er gebot dem grimmigen Ritter, seiner Tochter den erwählten Bräutigam zu geben und von seiner sündigen Lebensweise abzulassen, die ihn nur einem schändlichen Tod und dem ewigen Verderben entgegenführte.
Rüdiger verlachte die Lehren seines Urahns und glaubte nicht, dass er wegen einer einzigen Blutschuld schon seit hundert Jahren im Schloss umherwandele und noch lange keine Ruhe finden werde, bis er einen seines Geschlechts vor der ewigen Verdammnis errettet habe.
Rüdiger trieb sein Räuberleben fort, bis die Bürger von Löwenberg und Goldberg seine Burg belagerten. Schon hatten die geworfenen Feuerbrände die Außentore in Flammen gesetzt und leckten bereits an dem Schloss. Jeden Augenblick konnten die Feinde siegreich eindringen.
Da wurde der alte Räuber endlich mürbe; eine Todesangst erfasste ihn. Als die Turmuhr Mitternacht schlug, warf er sich vor dem Bild seines Urahns nieder und gelobte, Eremit zu werden, wenn nun sein Kind und die Burg seiner Väter gerettet würden.
Der Urahn trat aus dem Rahmen des Bildes heraus und ließ sich einen heiligen Schwur leisten, dass Buseway von seinem Räuberwesen ablassen werde. Kaum war dies geschehen, ertönte ein Donnerschlag, die Flamme, die sich bereits hoch am Turm emporschlang, verlöschte und draußen ertönten die Signale des Alzenauers, der zum Entsatz der Burg heranrückte. Als die Turmuhr die erste Morgenstunde verkündete, stand der Urahn mit lächelnder Miene im Rahmen des Bildes im Ahnensaal. Czedlitz, vor dem die Städter abgezogen waren, zog in die Burg ein. Buseway gab die Hand seiner Tochter dem tapferen Czedlitz, der von nun an den Gröditzberg beherrschte; er selbst aber zog sich in eine Eremitage zurück und begann ein frommes Leben.
Seit jener Zeit hat sich der Burggeist im roten Mantel nie wieder auf der Burg gezeigt; er hatte seine Blutschuld durch die Bekehrung des wilden Rüdigers gesühnt und die hundert Jahre gesuchte Ruhe gefunden.
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