Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel IX, Teil 7
Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.
Kapitel IX, Teil 7
Die beiden Reisenden gingen nun durch mehrere enge, krumme und finstere Gänge des Rummlers zur Reisbimbascherei und traten wieder unsichtbar in diese ein.
Hier fanden sie vor dem Reisbimbasch, der zugleich als Schumli diesem Amt vorstand, und dessen Beisitzer eine ziemliche Anzahl Quitschi-Quatscher versammelt. Es wurde eine Zahnausreißerei verhandelt, welche sogar einen Börsenlauf veranlasst hatte, bei dem es zu Realinjurien gekommen war, weshalb die Sache vor die hochlöbliche Polizei kam. Ein bekannter Zahnarzt L. hatte nämlich dem Sohn eines Kaufmanns einen schlechten Zahn gezogen und dafür sechs Franken (nach unserem Geld) verlangt. Der Kaufmann fand diese Forderung übertrieben und wollte nur drei Franken bezahlen, da dies seiner Meinung nach der höchste Preis sei. L verweigerte es, dieses Geld anzunehmen. Da der Kaufmann B. darauf bestand, nicht mehr geben zu wollen, suchte ihn L. auf der Börse auf und forderte ihn laut und öffentlich zur Bezahlung für den herausgerissenen Zahn seines Sohnes auf. Es kam zu einem lauten Wortwechsel, bei dem viele der Umstehenden für oder gegen den Zahnarzt Partei ergriffen. Da die Anhänger des Kaufmanns in der Überzahl waren, drängten sie den Zahnarzt samt seinen Anhängern mit Gewalt zum Börsenufer hinaus. Dabei kam es zu Schimpfen, Rippenstößen und Faustschlägen, wodurch ein Straßenauflauf und Tumult verursacht wurde. In der Folge hatte der Zahnarzt L., der nicht nur der ganzen Familie des Reisbimbaschs den Mund gehörig reinigte, sondern auch der Frau Reisbimbaschin neue Zähne für die ausgefallenen anfertigte, wegen Realinjurien bei der Familie Reisbimbasch Klage erhoben. Zugleich waren mehrere Holzstiche erschienen, welche die Operation des Zahn-Ausreißens und den Vorgang auf der Börse recht humoristisch und getreu, wenn auch etwas karikiert, darstellten.
»Warum wollen Sie Herrn X. nicht bezahlen, der Ihrem Sohn doch den Zahn mit der Wurzel herausgerissen hat?«, fragte der Reisbimbasch den Kaufmann B.
»Weil er zu viel fordert und ich mich nicht prellen lassen will. Und jetzt hat er mich und meine Familie noch obendrein in Holz stechen lassen und uns so blamiert. Jetzt zahle ich gar nichts. Und er hat mich abkonterfeien lassen, wie er und seine Helfershelfer mich aus dem Börsehof werfen und dabei schreien: ›Naus mit dem Zahnausreißer, dem Quacksalber, der hat nix uff der Börs zu suchen.‹ Und wie ich mir einen Zipfel vom Rock heruntergerissen habe. Seh’n Sie, Herr Reisbimbasch, hier ist der abgerissene Zipfel.« (X. überreichte dem Reisbimbasch bei diesen Worten einen kaffeebraunen Tuchlappen.)
»Das ist doch zu toll, wenn es so auf der Börse zugeht. Wer hat Ihnen denn den Lappen heruntergerissen?«
»Der Herr B. selbst, sein Schwager, der Gewürzkrämer und Stadtwehrkorporal M., und sein Makler, der Stadtmajor Harpagon.«
Diese drei anwesenden Herren schreien daraufhin: »Das ist doch nicht wahr, er hat gelogen, der Zähnedokter.«
»Was gelogen? Die reine Wahrheit habe ich gesagt.«
Es wurden viele Zeugen vernommen, Eide abgelegt und der Kaufmann B. und sein Schwager schworen einen Reinigungseid.
Der Zahnarzt X. hatte auch die Zeichner und Drucker der Karikaturen verklagt. Nachdem all dies gehörig verhandelt worden war, diktierte der Reisbimbasch folgende Urteile und Strafen:
Der Kaufmann B. und sein Schwager zahlen jeweils 25 Franken Strafe, weil sie bei dem Börsentumult und der Hinauswerfung des Herrn Doktor X. tatkräftig mitwirkten. Zudem müssen sie dem Herrn X. einen neuen, kaffeebraunen Rock machen lassen, wozu diejenigen, die ihnen bei der Hinauswerfung behilflich waren, auch solidarisch beitragen müssen. Der Erfinder, der Stecher und der Drucker der Zeichnungen kommen jeder auf sechs Tage in den bürgerlichen Gehorsam der Quitschi-Quatscher. Außerdem hat der Kaufmann den ausgerissenen Zahn seines Sohnes taxmäßig samt Verzugszinsen zu zahlen. Jede der streitenden Parteien zahlt ein Drittel der Untersuchungskosten. Herr Doktor X. wurde jedoch freigesprochen und muss keine Kosten tragen.
Nun traten Michel und Asmodi sichtbar auf und erklärten dem Reisbimbasch, dass sein Urteil ebenso albern wie ungerecht sei.
»Wie, wer wagt es, so eine Impertinenz mir hier aus der Reisbimbascherei zu sagen!«, donnerte der Reisbimbasch. »Stadtdragoner zu Fuß, packt mir die beiden naseweisen Burschen dort!«
Es ließen sich jedoch keine Stadtdragoner blicken.
»Wo zum Henker sind denn die Stadtdragoner?«
»Hol den Bocksheimer Fiakerkutscher, der einen Passagier auf dem Quitschi-Quatscher-Gebiet retour genommen hat!«
»Was ist denn das wieder für eine Geschichte?«, fragte Michel seinen diabolischen Freund.
»Die Quitschi-Ouatscher Thorfiaker haben sich bei der hochlöblichen Reisbimbascherei beschwert, dass ihnen die Bocksheimer Fiaker großen Abbruch tun, indem sie, so oft sie nach dem zehn Minuten von Bocksheim entfernten Quitschi-Quatsch fahren, jedes Mal Passagiere mitnehmen, wenn sie welche bekommen können.«
»Das ist doch eine ganz natürliche Sache und in aller Welt gestattet«, meinte Michel.
»Aber in Quitschi-Quatsch ist alles anders als in der übrigen Welt. Du wirst noch manche Kuriosität hier erleben«, erwiderte Asmodi.
In diesem Moment brachten die Stadtdragoner den Fiakerkutscher und der Reisbimbasch gebot ihnen sogleich, die beiden Fremden, da er nicht wusste, wie sie dorthin gelangt waren, zu bewachen, da er später ein Wörtchen mit ihnen zu sprechen hatte.
»Wir müssen aber noch den Handwerksburschen holen, der sich gestern an dem Ort nackt gebadet hat, wo Sie aus gewissen Ursachen das Baden verboten haben.«
»Ja, so. Nun, einer von euch kann ihn holen, der andere bewacht die beiden Fremden.«
»Und was bedeutet denn dies wieder?«, fragte Michel neugierig.
»Das will ich dir erklären. Etwas oberhalb der Stadt ist eine Stelle im durchströmenden gelben Fluss, die ein passender Ort zum Baden für die quatschenden Einwohner ist. Nun kann man aber aus den Fenstern des Hauses des Schumli Bansert, einem Schwager des verehrten Reisbimbasch, alles, was dort vergeht, recht bequem beobachten. Schumli Bansert hat auch einige Male seine werte Ehehälfte überrascht und erwischt, wie sie mit einem großen Operngucker die sich dort präsentierenden Ruditäten recht wohlgefällig in Augenschein nahm. Er ließ seinen Schwager, den Reisbimbasch, kommen und bat ihn, den Quatschern das Baden an dieser Stelle zu verbieten. Daraufhin erließ der Reisbimbasch einen polizeilichen Erlass, der das Baden an dieser Stelle verbot. Nun müssen die Quatscher eine Stunde weit in fremdes Gebiet laufen, um sich den Schmutz abzuwaschen, denn nicht jeder hat die Mittel, sich der Badehäuser zu bedienen.«
»Herr Reisbimbasch, man wird ihm eine Lektion erteilen, wenn er seine Autorität nicht besser handhabt«, rief Michel laut.
»Nur Geduld, man wird ihn sogleich mores lehren«, erwiderte der Reisbimbasch und wandte sich an den Bockschimer Fiaker.
»Und warum habt Ihr wieder einen Menschen mitgenommen? Ihr wisst doch, dass ich das strengstens und bei schwerer Strafe verboten habe.«
Der Kutscher wollte antworten, aber Michel drängte ihn mit den Worten zur Seite: »Ich werde für euch sprechen.« Dann sagte er zum Reisbimbasch: »Der Mann hat wahrscheinlich deshalb einen Menschen mitgenommen, weil Tiere in der Regel nicht zahlen, und der Mensch war ich. Geben Sie vernünftige Gebote, so wird man sie achten, aber über solche unsinnigen macht man sich lustig, statt ihnen zu gehorchen. Es ist kein Funken gesunde Vernunft darin, den fremden Kutschern zu verbieten, auf offener Heerstraße einen Menschen mitzunehmen. Wenn nun alle Länder, die Quitschi-Ouatschi umgeben, gegen die Ouatscher Kutscher ein gleiches Verbot erließen, wer wäre dann am meisten gestraft?«
»Was mischt er sich da hinein und was geht ihn das an?«, rief zornig der Reisbimbasch. »Nur einen Augenblick Geduld«, sagte er, wandte sich dem Kutscher zu und fügte hinzu: »Zahlen Sie fünfzehn Franken Strafe oder spazieren Sie ins Loch. Verstanden!«
»Aber du lieber Gott, Herr Reisbimbasch, wo soll ich denn zu so viel Geld kommen!«
»Das geht mich nichts an, könnt ihr nicht zahlen, geht ins Loch.«
»Ich stehe einstweilen gut für ihn«, sagte Michel und fügte hinzu: »Ich werde sicher bezahlen.«
»Er scheint mir auch der rechte Zahler zu sein. Sorge erst einmal für dich selbst.«
Nun brachte der Stadtdragoner den Handwerksburschen, der sich an der verbotenen Stelle gebadet hatte, und meldete ihn als solchen an.
»Also, er ist der unverschämte Kerl, der sich gegen mein Verbot unterstanden hat, am Knöpli1 zu baden?«
»Verzeihen Sie mir gütigst, Herr Reisbimbasch, ich bin ein Fremder und wusste nicht, dass man sich dort nicht baden darf.«
»Die Ausrede gilt nichts«, zürnte der Reisbimbasch. »Wenn er in unserem Staat lebt, muss er auch wissen, was verboten ist und was nicht. Und obendrein hat er sich auch noch ganz pudelnackt ausgezogen. Er zahlt zehn Taler Strafe oder spaziert zehn Tage ins Loch.«
»Ach lieber Herr Reisbimbasch, zehn Taler, ich weiß nicht, wie die aussehen.«
»Na, dann wirst du sehen, wie das Loch aussieht.«
»Ach, das weiß ich schon lange.«
»Geduld, ich bürge und zahle auch für diesen Mann«, sagte Michel.
»Er ist ja der Alleinweltsszahler, aber gut, jetzt will ich mit ihm sprechen. Wo sind seine Papiere, sein Pass, sein Heimatschein, sein Taufschein?«
»Hier, Herr Reisbimbasch.«
Michel überreicht ein Päckchen Papiere, die der Reisbimbasch entfaltet. Dann springt er zornentglüht und feuerrot hinter seinem Schreibtisch auf und schreit: »Was, er will die hochlöbliche Reisbimbascherei zum Besten haben und mich dazu? Das ist mein leibhaftiges Gegenstück, nur dass ich keine so langen Ohren und Hörner habe.«
»Um Vergebung, Herr Reisbimbasch, sie sind nur nicht sichtbar.«
»Gleich ins Loch mit dem Kerl! Stadtdragoner, und ins dunkelste Loch, das ich habe, wo keine Sonne und kein Mond hineinscheinen, damit sie auch scheinen können, und sein Kamerad auch, der sieht auch aus, als hätte er den Teufel im Leib. Und da steht auch noch mein Name darunter geschrieben.«
Die Dragoner wollten Michel und Asmodi packen, stehen aber plötzlich wie gelähmt vor beiden, die laut auflachen.
»Hören Sie, Herr Reisbimbasch, wenn Sie wegen schamloser Frauen und ihrer einfältigen Männer solche einfältigen und ungerechten Verbote erlassen, so verspreche ich Ihnen, dass Sie künftig, solange Sie leben, mit dem Schmuck einhergehen sollen, der hier Ihr Konterfei ziert. Einstweilen sollen Sie ihn aber als Warnzeichen in allen Bilderläden ausgestellt finden.«
Der Reisbimbasch wollte bersten, konnte aber vor Zorn kein Wort hervorbringen.
Plötzlich wurde die Tür der Reisbimbaschstube weit aufgerissen und herein stürzte ein Weib mit hochwallendem Busen. Mit geschwollener Gurgel und Hals, rot aufgedunsenem Gesicht und aufgelöstem Haar schrie sie: »Herr Reisbimbasch, Herr Reisbimbasch, um des Himmels willen, mein Mann, mein Mann!«
»Euer Mann, nun was ist’s mit dem?«
»Er ist in Villabella mit neunundzwanzig fetten Hammeln und zwölf gemästeten Schweinen, insgesamt zweiundvierzig Stück, mit meinem Mann, arretiert und eingesteckt worden.«
»Wer ist Ihr Mann?«
»Ein hiesiger Bürger und Fleischer, der Schawell Brüller, den werden Sie doch kennen.«
»Was, der Schawell Brüller? Verzeihen Sie, warum, von wem ist er eingesteckt?«
»Warum weiß ich selbst nicht. Der Landrat vom Großherzogtum Löwenheim hat ihn mit dem anderen Vieh einstecken lassen.«
»Was hat er dann gemacht?«
»Ja, des was Gott, des hat er mir nicht geschrieben, er habe wie gewöhnlich gar nichts gemacht. Aber ist es nicht abscheulich, einen Schawell, ein Stück von der Quatscher Obrigkeit und Souveränität einzustecken?«
»Das ist unverantwortlich, nur warten Sie mal, Frau Schawell, das wollen wir schon machen.«
Abermals geht die Tür der Reisbimbascherei auf und drei Frauen stürzen herein und schreien durcheinander.
»Herr Reisbimbasch, Herr Reisbimbasch, mein Mann, mein Sohn, mein Vater ist in Villabella ins Loch gesteckt worden!«
Die Tür öffnet sich wieder und zwei Männer treten ein. Einer von ihnen, ein Schneidergeselle, meldet, dass sein Herr und Meister, Schawell Nadel, in Villabella vom dortigen großherzoglichen Reisbimbasch eingesperrt worden sei, als er ein Paar Hosen, die er dort bestellt hatte, ablieferte. Seine Frau sei deshalb untröstlich. Der andere sagt, sein Vater und einige Freunde, die dorthin spazieren gegangen seien, seien festgehalten und in Verwahrsam gebracht worden.
»Aber mein Gott, was soll denn das heißen?«
In diesem Moment betrat ein Wachtmeister der Dragoner die Stube und meldete: »Herr Reisbimbasch, ich habe zu rapportieren, dass der Landrat von Villabella alles einstellen lässt, was aus Quitschi-Quatschi kommt. Der Herr Schumli Meiler steckt auch schon im Loch!«
»Was, ist dann der Landbimbasch von Villabella toll geworden!«
Der Wachtmeister zuckt die Achseln.
Jetzt wird die Tür abermals weit und stürmisch aufgerissen.
»Um Gottes willen!«, schreit ein hereinstürzender Bimbusdiener. »Herr Riebimbasch, seine einjährig wohlregierende Magnifizenz, der regierende Herr Bimbus Simpler, sitzt mit seiner Quatscher Bimbus-Equipage im Loch zu Villabella. Ich habe mich hastig entfernt, um es Ihnen zu berichten.«
»Die Villabeller müssen besessen sein. Man muss gleich die ganze hohe erste Kammer zusammenschmeißen, damit sie berät, was zu tun ist.«
Michel und der Teufel lachten fortwährend ins Fäustchen.
Plötzlich trat ein großherzoglich Löwenheimer Landdragoner in die Polizeiamtsstube und übergab dem Reisbimbasch ein Schreiben mit den Worten: Vom großherzoglichen Kreisrat in Friedenheim.
Der Reisbimbasch öffnete das Schreiben und las:
Da sich die Quitschi-Quatscher Behörden aller vorangegangenen Warnungen ungeachtet dennoch haben einfallen lassen, abermals einen großherzoglich Löwenheimer Untertan und Landmann, als er eine Fuhre Heu nach Quitschi-Quatschi brachte, ohne alle Befugnis und alles Recht in Quitschi-Quatschi unter dem Vorwand zu verhaften und einzusperren, dass dessen Sohn einem Quatscher Tischler aus der Lehre gelaufen sei, bei dem er halb verhungert und mehr Prügel als Brot bekommen habe; der Vater müsse ihn wieder herbeischaffen oder eine angemessene Entschädigung zahlen. So befand sich dieselbe zwei Tage lang in der peinlichsten Angst, nicht wissend, was aus ihrem Haupt geworden sei. Ich habe befohlen, dass bis auf weitere Order, das heißt, bis der Landmann wieder freigelassen wird, ihm für die bereits verbrachten 72 Stunden volle Entschädigung und Genugtuung gewährt wird. Jeder Quatscher männlichen Geschlechts, ohne Unterschied des Standes und des Alters, der das Territorium meines Kreises betritt, soll ebenfalls verhaftet, eingesperrt und so lange bei Gefangenenkost unter Riegel gehalten werden, bis die verlangte Genugtuung erfolgt ist.
So geschehen K.
P.S. Die Quitschi – Quatscher Behörden haben sich schon häufig solche Gewaltstreiche, unter dem Vorwand, dass dies ihre Gesetze gutheißen, sowohl gegen großherzogliche wie auch anderer Herrn Untertanen erlaubt; diesem Unfug muss ein für alle Mal gesteuert werden, was hiermit geschieht. Hat sich ein Quitschi-Quatscher zu beklagen oder Forderungen an diesseitige Bürger zu machen, so weiß er, wo er die Gerichte zu finden hat, die wenigstens zehnmal besser und geordneter sind als die Quitschi-Quatscher, welche bisher den größten Missbrauch mit ihrem unsinnigen Gesetz trieben, das einem jeden Quitschi-Quatscher gestattet, einen Fremden verhaften lassen zu können, sobald Ersterer behauptet, dass ihm dieser einige Taler schulde, was daher oft zu wahren Prellereien und Gaunereien benutzt wurde, wobei die Quatscher jedes Mal von ihren Behörden auf das Kräftigste unterstützt werden, da man in Quitschi-Quatsch den Grundsatz festgestellt hat, den Bürger in allen Fällen gegen den Fremden, den man allgemein als einen gut zu rupfenden Vogel, eine willkommene Beute ansieht, zu schützen2.
Bei Durchlesung dieses Schreibens stand dem Reisbimbasch das bisschen Verstand völlig still.
»Was ist da zu machen?, »stöhnte er endlich.
»Den gefangenen Bauer sogleich loszulassen«, meinte Michel.
»Das kann ich für mich nicht tun«, meinte der Reisbimbasch, »da muss die ganze erste Kammer entscheiden …«
»Aber bedenken Sie doch, Herr Reisbimbasch, dass hier periculum in mora ist«, fiel ihm einer der Beisitzer der Reisbimbascherei ins Wort, »ein einjährig wohlregierender Bimbus im Loch in Villabella, vielleicht gar zusammen mit den Hammeln, Schweinen und anderem lieben Vieh! … Ach Gott, ich kann mir so etwas gar nicht denken, und selbst die staatseigentümliche Equipage, nein das ist zu arg!«
»Freilich freilich, aber was ist zu machen? Der Verstand steht mir ja still, das ist ja ein verteufelter Streich!«
»Loslassen, loslassen, Herr Reisbimbasch«, wiederholte Michel, »alle loslassen, auch den Bocksheimer Fiaker und den ehrlichen Handwerksburschcn, der am Knöpli seinen Schmutz abwusch.«
»Ja, es werd nix anners übrig bleibe«, meinte ein Beisitzer, »denn die hohe erste Kammer kenne se ohnehin net zusamme komme lasse, wenn ä wohlregierender Bimbus, ein Schmuli und ä paar Schawelle im Villabeller Loch sitze.«
»Da habe Se freilich recht, Herr Assessor. Also loslasse!«, seufzte tief atmend der Reisbimbasch.
»Loslasse, alles loslasse«, wiederholte Michel.
Und der Reisbimbasch gab in seiner Bestürzung Befehl, alles loszulassen, was verhaftet sei, damit der wohlregierende Bimbus, Schmulis und Schawellen wieder ihre Freiheit erhielten. Dass auch der Bocksheimer Fiaker und der Handwerksbursche freigelassen wurden, bedarf wohl keiner Erwähnung; aber das untergeordnete Personal der Reisbimbascherei befolgte die erhaltenen Befehle so pünktlich, dass es sogar die polizeilich eingesteckten Diebe und Gauner frei ließ, die nun in großer Freude über eine so unerwartete Amnestie die hohe Obrigkeit von Quitschi-Quatschi recht hoch leben ließen und ihr zu Ehren sogleich ihr Handwerk mit möglichster Virtuosität von vorne anfingen.
Michel wollte sich nun nebst Asmodi dem Reisbimbasch gehorsamst empfehlen. Dieser sagte jedoch: So ist’s nicht gemeint, Ihr habt Euch an meiner geheiligten polizeirichterlichen Person vergangen, Euch halt ich fest.«
»Aber recht fest, Herr Reisbimbasch«, sagte Michel lachend.
»Stadtdragoner, packt die naseweisen Burschen!«
Die Stadtdragoner machten Miene, den Befehl zu vollziehen, aber der Hinkende berührte sie mit seiner Krücke sowie den Reisbimbasch und das ganze Amtspersonal, und Alle waren starr, steif und stumm.
»Damit sich die Herren auch besser konservieren«, sagte Michel zu seinem Freund Asmodi, »so räuchere sie gehörig ein.«
Asmodi stampfte auf den Boden, dem ein sehr übelriechender, gelbbrauner Dampf und Qualm entstieg und alsbald das ganze Amtspersonal in Nacht und Nebel einhüllte, woher denn die braungelbe Hautfarbe, die es besonders auszeichnet, rühren mag.
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