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Der tolle Koffer – 2. Teil

Der tolle Koffer

Eine fortlaufende Musterkollektion der besten Witze, Schnurren und Anekdoten von Reisenden und Kaufleuten
Offeriert von Felix Schloemp
München und Leipzig bei Georg Müller, 1910

SIGNALE DER ABFAHRT

Ängstliche Frage

Zehn Uhr Vormittag. Der Zug nach Nürnberg geht um zehn Uhr eins.

Frau Schneider, die sich verspätet hat, stürzt an die Kasse.

»Herr Kassier, haben Sie noch ein Billett zweiter Klasse nach Ingolstadt?«

Per Zuschlagbillett

Ein Schnorrer wird im Coupé ohne Billett angetroffen und auf der nächsten Station hinausgeworfen, nach­dem man ihn tüchtig verprügelt hat. Es gelingt ihm aber, bei der Abfahrt wieder in ein anderes Coupé zu schlüpfen, doch wird er wieder vom Schaffner erwischt und achdem man ihm sein Fell tüchtig gegerbt hat, an die Luft gesetzt. Jedoch abermals glückt es ihm, aufzuspringen und bis zur nächsten Station mitzufahren. Hier nimmt ihn aber der Bahnhofsinspektor in Emp­fang, und während er wieder tüchtig verhauen wird, fragt ihn der Inspektor: »Ja, Mensch, was soll denn das eigentlich heißen?! Wohin wollen Sie denn eigent­lich fahren?«

»Herr Inspektorleben«, antwortete er, »wenn’s mei Körperche aushält, bis Krakau!«

Der poetische Zugführer

Der Führer eines Güterzuges rapportierte in sei­nem Fahrbericht: »Eingeladen in den Wagen acht 2070 Kilo schwere Eisenfracht.«

Zugverspätung meldet er: »Versäumt ab München vor dem Sperrsignal wegen hoher Tonnen- und Achsenzahl.«

Ein schadhaftes Packwagendach besingt er: »Voll Flecken sind Papier und der Fahrbericht, weil das Wagendach nicht wasserdicht.«

Eine Fahrkontrolle meldet er mit folgenden Worten: »Es fuhr im Zug zur Kontrolle mit ein Direktionsassessor namens Schmitt.«

Von einem Leichentransport sagt er: »Es fährt der Zug zum Aschenreiche von Reichenhall nach Gotha eine Leiche.«

Beschädigung eines Coupés meldet er in dem Vier­zeiler:

»Offiziere von Talent und Wissen,

Glieder dieser Welt Nobless — Zerschnitten zweier Rücken Kissen, verübten Roheit mit Exzess!«

Die Dichtkunst sollte dem Zugführer nicht gut bekom­men. Die Direktion München verbot ihm, in Fahrberichten poetische Ergüsse zu liefern, und nahm ihn vor­läufig in 1 Mark Ordnungsstrafe. Armer Poet!

Die Sekundärbahn

Ein biederer Landmann, dem man es ansieht, dass er sich einen heftigen Schnupfen zugezogen hat, will mit der Kleinbahn fahren. Jedoch der Schaffner, ein um­sichtiger Beamter, verweigert ihm die Mitfahrt.

»Dös därf i nit dulde, dass Sie mit Ihra Schnuppen sich ’nei’setze!«

Natürlich will der Bauer auch den Grund wissen, weswegen er mit seinem Schnupfen nicht mitfahren darf.

»’s isch halt wegen der Sicherheit«, erklärt wichtig der Beamte. »Neulich hat jemand so stark geniest, dass’ Zügle entgleischt is!«

Schlagfertig

Als der Zug gerade abfahren wollte, kommt in hel­lem Schweiß ein Bäuerlein angelaufen, springt schnell in ein Abteil und lässt sich völlig erschöpft auf eine Bank nieder, mit den Worten: »So, nu lat den Zug to’n Düwel fahren!«

Fortwährend fluchend wischt er sich die zahlreichen Schweißtropfen von der Stirn. Ein ihm gegenüber sitzender geistlicher Herr hat die Worte mit Missfallen angehört.

»Mein Lieber«, redet er das Bäuerlein salbungsvoll an, »wenn wir zum Teufel fah­ren, so führt uns der Weg aber zur Hölle.«

»Dat is mir ganz egal«, erwidert der Angeredete, »ick hewwe jo’n Retourbillett!«

Falsche Adresse

Auf dem Bahnhof steht ein Zug zur Abfahrt bereit. Auf einmal stürzt ein Herr auf den Perron, läuft den ganzen Zug entlang und ruft immer: »Lehmann! Leh­mann!«

Herr Cohn macht das Fenster auf und will sehen, was los ist. Wie er den Kopf raussteckt, haut ihm der Fremde eine kräftige Ohrfeige runter.

Herr Cohn schnappt Luft und ruft den Schaffner: »Herr Schaffnerleben, hier hat einer Lehmann gerufen, ich mache das Fenster auf und da gibt mir der Kerl eine Ohrfeige!«

»Ja«, fragt der Schaffner, »heißen Sie denn Leh­mann?«

»Keine Ahnung, Cohn!«

»Na, dann geht Sie die Sache ja auch garnix an!«

Empfindlich

Wir lösten zwei Perronkarten und wollten auf den Bahnsteig hinaus – Herr von Kossow und ich. An der Schranke verlangte der Portier die Karten.

Da wurde Herr von Kossow aber wild.

»Jestatten Sie, Kammerherr von Kossow, Leutnant der Reserve. Vermuten Sie versuchten Betrug?«

 

 

 

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