Archiv

Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius … Teil 14

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius,
seinem Leben, seinen Taten und seinem Ende
Volksbücher Nr.46, Verlag Otto Wigand, Leipzig

Wie Virgilius in Rom eine eherne Schlange erschuf

Daraufhin erschuf Virgilius durch seine Zauberkunst in Rom eine Schlange aus Erz. Wer ihr die Hand in den Rachen legte, musste schwören, dass seine Sache gerecht und wahr sei. War die Sache falsch und lügenhaft, konnte man die Hand nicht wieder herausziehen. Im gegenteiligen Fall zog man sie ohne Mühe und Schaden heraus. Nun geschah es, dass ein Ritter aus der Lombardei seine Frau in Verdacht hatte, mit einem seiner Mannen zu fremdgehen, den sie sehr wertschätzte. Die Dame verteidigte sich jedoch sehr klug und edel und willigte ein, mit ihm nach Rom zu der Schlange zu ziehen und dort einen Eid zu schwören, dass sie unschuldig sei.

Der Ritter machte sich mit ihr und dem Dienstmann auf den Weg. Unterwegs sagte sie zu dem Dienstmann, er solle sich, wenn sie in Rom seien, als Narr verkleiden, sodass man ihn nicht erkenne. Er tat es und als der Tag gekommen war, an dem sie zur Schlange gingen, war der Dienstmann dabei. Virgilius sah jedoch durch seine Zauberkunst ihre Falschheit und sagte zu ihr: »Nimm deinen Eid zurück und schwöre nicht!«

Sie hörte jedoch nicht auf ihn, sondern steckte ihre Hand der Schlange in den Rachen. Nachdem sie dies getan hatte, schwor sie vor ihrem Gatten, sie habe mit dem Dienstmann nicht mehr zu tun gehabt als mit dem dort stehenden Narren. Weil sie die Wahrheit sagte, zog sie die Hand unverletzt und unverletzt aus dem Rachen der Schlange wieder heraus.

Daraufhin reiste der Ritter wieder mit ihr fort und schenkte ihr sein ganzes Vertrauen. Virgilius aber, den es sehr erzürnte und verdross, dass die falsche Frau durch ihre List so ungestraft davongekommen war, zerstörte aus Ärger die Schlange und sagte zu den Umstehenden: »Weiberlist geht über alle Zauberei.«

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert