Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 54

Die Wahrzeichen Neu-Ruppins
Nicht bloß die alte Welt hatte 7 Weltwunder, auch Neu-Ruppin hat deren sieben aufzuweisen, nämlich: 1. einen Kanal ohne Wasser, 2. einen Weinberg ohne Wein, 3. einen Berg ohne Höhe (den Taschenberg, eine Straße), 4. einen Bienenkorb ohne Bienen (der Kirchturm der Pfarrkirche sieht wie ein Bienenkorb aus), 5. einen Rosenwinkel (eine Straße) ohne Rosen, 6. ein Kloster ohne Mönche (das alte Dominikaner Kloster), 7. eine Nonne ohne Kloster.
Mit dem Namen Nonne bezeichnet man nämlich einen steinernen, säulenartigen, kleinen Bau vor dem Bechliner Tor mit einem Kruzifix darinnen. Derselbe rührt noch aus katholischer Zeit her, und zwar hat ihn ein Herr von Wuthenow errichten lassen, nachdem er glücklich von einer Wallfahrt nach Jerusalem zurückgekehrt war. Diese Säule war vom alten Neu-Ruppinischen Rathaus so weit entfernt, wie die Schädelstätte zu Jerusalem von Pilati Richthaus.
Auch die Klosterkirche hat ihr besonderes Wahrzeichen. Wenn man nämlich vom Chor aus, wo die Orgel ist, zu dem Gewölbe des Hauptschiffs hinaufsieht, bemerkt man an der Decke ein eigentümliches Bild, eine Maus, die eine Ratte verfolgt. Das soll nämlich so zusammenhängen: In der Zeit, als die protestantische Lehre hier in die Mark eindrang, stritten sich einmal ein katholischer und ein protestantischer Geistlicher, indem der Letztere meinte, die Kirche würde auch noch protestantisch werden, der Erstere behauptete, das würde nie geschehen, so wenig als jemals eine Maus eine Ratte verfolge; und siehe da, kaum hatte er dies gesagt, da sahen sie an der Decke der Kirche das Wunder, dass eine Maus eine Ratte verfolgte. Und als die Kirche dann wirklich protestantisch wurde, heißt es, da hat man zum Gedächtnis das Bild dort oben angebracht.
Neben der Klosterkirche steht nach dem See zu an der Mauer eine alte Linde. Die einen behaupten, dass in dieselbe einmal die Pest gebannt sei, die anderen sagen, darunter hätten die Mönche bei ihrem Abzug ihre Schätze vergraben. Unter der Linde ist nämlich ein Fundament, und über demselben nur etwa 3 Fuß hohe Erde, in welcher die Linde steht1. Schon zweimal ist sie dem Eingehen nahe gewesen, aber immer wieder ausgeschlagen. Wenn sie zum dritten Mal ausschlägt, heißt es, können die Schätze gehoben werden.
Wie es aber kommt, dass das Ruppiner Wappen einen Adler mit einer Kappe auf dem Kopf zeigt, darüber berichtet eben derselbe Feldmann, nach einer handschriftlichen Chronik, die inzwischen verloren gegangen ist, Folgendes: »Des Grafen Bediente, so Edelleute waren, erstachen einen Bürger, als sie sich lustig machten. Der Magistrat nahm den Täter gefangen und verurteilte ihn im Winter zum Köpfen. Dies wurde draußen bekannt, die Edelleute versammelten sich dicht vorm Tor in 2 Reihen, um ihn wegzunehmen, wann er herausgeführt würde. Aber der Rat erfuhr es, hielt das äußerste Alt-Ruppinische Tor verschlossen, führte den Delinquenten ins Tor und ließ ihm da zwischen dem inneren und äußeren Tor, nahe
beim äußeren, damit sie es draußen hören konnten, den Kopf abschlagen. Darauf wurde das Tor geöffnet, da nahmen ihn die Edelleute an sich. Dieses geschah nach des Mönchen Historie und Bann; und dieses klagte auch der Graf nach Berlin an den Markgrafen. Da wurde dem Rat zur Strafe aufgelegt, keinen bloßen oder freien Adler mehr im Siegel zu führen, sondern über den Kopf eine Kappe zu ziehen.«
»An der einen Seitenmauer des Alt-Ruppinischen Tors gegen den Platz dieser Dekollation über«, setzt Feldmann hinzu, »wurde, wo jetzt die Wache steht, ein kleines eisernes Kreuz an der Mauer angebracht; dieses hatte Referent selbst noch gesehen, ehe Prinz Ferdinand dieses Tor hat erweitern lassen. Der Graf hatte damals mit der Stadt nichts zu tun.«
Die erwähnte Mönchshistorie und der Bann spielte aber schon im 14. Jahrhundert und verhielt sich nach einer anderen alten Aufzeichnung folgendermaßen. Es war, heißt es, zu Neuruppin eine Zeit her große Dieberei vorgegangen. Als nun Richter und Schöppen große Haussuchung tun ließen, fanden sie in einem Haus, in welchem ein Geistlicher, Jacob Schildiche, gewisse Kammern und Kisten innehatte, sehr viel goldene und silberne Sachen, welche sowohl aus der Kirche als auch aus gemeinen Häusern entwand waren. Weshalb man ihn als den Rechtschuldigen in seinem geistlichen Habit und geschorenen Haaren ins Gefängnis warf. Und nachdem gedachter Jacobus des folgenden Tages öffentlich bekannt hatte, dass er nicht allein gemeine Diebstähle, sondern auch vielfältigen Kirchenraub begangen habe, ist er auf Graf Ulrichs und seiner Räte, wie auch des Richters, Schöppen und der Bürgermeister Befehl, nachdem das Volk auf das Glockengeläute sich versammelt hatte, durch zwei Bürger derselben Stadt, Köppekin Konyngesberge und Hening Kelber, die dazu durch Würfellos erkoren waren, am Galgen aufgehängt worden. Da nun deshalb der Päpstliche Bann erfolgt ist, so haben Richter, Schöppen, Bürgermeister und die ganze Gemeine sich entschuldigt, dass sie gemeldeten Jacobum nicht aus Verachtung der Kirchenfreiheit, sondern wegen schwerer und gräulicher Verbrechen, die er begangen, hatte aufhängen lassen, anbei behauptet, dass das Vergreifen an einer geistlichen geweihten Person ihnen herzlich leid sei. Solcher Gestalt ist ihretwegen an den Papst demütig supplioiret worden, dass sowohl der Graf als auch die Einwohner der Stadt, hohe und niedrige, des Banns möchten entschlagen werden. Worauf denn Papst Bonifatius IX. anno 1398 den 1. September im 9. Jahre seines Pontifikats dem Bischof zu Havelberg anbefohlen, den Bann aufzuheben.
Übrigens erzählte man auch in Neu-Ruppin wie in Berlin von einem sogenannten Jungfernküssen, wenigstens sagt Feldmann: »Als 1756 der alte Turm auf dem hiesigen Alt-Ruppiner Tor abgebrochen wurde, so fanden sich noch die rudera von der in alten Zeiten bekannten Todesstrafe, die Jungfer küssen genannt. Es war nämlich oben in dem Turm ein rundes Loch in Größe einer halben Tonne, worüber vermutlich die Wippe gestanden hatte. Unter diesem Loch war ein leeres Gewölbe, worin sich noch verschiedene Menschenknochen fanden, dergleichen sich auch in einem alten Turm an der See, so anno 1740 abgebrochen wurde, aufhielten.
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