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Nick Carter – Band 14 – Ein beraubter Dieb – Kapitel 3

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein beraubter Dieb
Ein Detektivroman

Ein überlisteter Gauner

Es mochte etwa eine Stunde vergangen sein, während der Spike Thomas ebenso wie Patsy geduldig an der Ecke gewartet hatte.

Da endlich bemerkte Spike auf seinem Posten, dass diejenigen, auf die er geharrt hatte, in Sicht kamen.

Zwei Männer eilten von der unteren Seite der 34th Street auf die Ecke zu, wo sich Spike aufgestellt hatte, und nickten ihm ohne Weiteres im Vorübergehen zu.

Spike sprach sie an, und sie blieben stehen.

Was zwischen den dreien gesprochen wurde, konnte Patsy von seinem Platz aus nicht verstehen. Aber zweifellos endete das Gespräch zwischen ihnen mit einer Einladung zu einem Glas Bier auf Kosten eines der beiden Fremden, der seinem Äußeren nach alles andere eher war als ein Spitzbube oder Gauner.

Als Patsy ihnen eben folgen wollte, wurde er im letzten Moment noch gewahr, dass eine andere Person vor ihm stehenblieb und die Gruppe jenseits der Straße mit großem Interesse ins Auge fasste. Patsy betrachtete denselben genau und erkannte in ihm einen bekannten Detektiv aus Chicago.

Patsy ging auf ihn zu und rief ihm beim Namen an.

»Was wissen Sie von den Leuten jenseits der Straße?«, forschte er.

»Sind Sie hinter einem von ihnen her?«, fragte der Mann aus Chicago.

»Hinter dem an der Ecke, mit welchem die übrigen sprechen«, antwortete er. »Es ist dies Spike Thomas, ein New Yorker Strolch, ein Mann von zweifelhaftem Ruf.«

»Der Gutgekleidete, der mit ihm spricht«, antwortete der Beamte von Chicago, »ist Bart Meyers, ein berühmter Spezialist im Aufbrechen von Geldschränken. Ich bin überrascht, ihn hier zusehen, da ich annahm, er müsse in St. Louis sein. Den ganzen verflossenen Winter befand er sich in Chicago. Wir hatten ihn verschiedener Fälle wegen in Verdacht, konnten ihm aber nichts nachweisen.«

Währenddessen waren die drei Männer in einen nahen Saloon eingekehrt, und Patsy sagte: »Ich würde gern noch länger mit Ihnen sprechen, aber ich muss diesen Leuten auf den Fersen bleiben.« Damit wandte er sich quer über die Straße.

Der Beamte aus Chicago ging seines Weges.

Als Patsy in das Lokal eintrat, sah er die drei Kerle an der Bar stehen. Da sich sonst niemand weiter in dem Saloon befand, trug Patsy Bedenken, näherzutreten, aus Furcht, dass man ihn bemerken könnte.

Doch sah er so viel, dass Spike Thomas auf einen der beiden dringend einsprach, und zwar auf den, den der Beamte von Chicago als Bart Meyers bezeichnet hatte.

Darauf hörte er Letzteren mit lauter Stimme sagen: »Darüber können wir hier nicht sprechen, wir wollen in ein anderes Lokal gehen.«

Patsy zog sich von der Tür zurück und stellte sich so auf, dass er den vorderen und hinteren Ausgang des Saloons im Auge behielt.

Nach wenigen Minuten erschienen die drei Männer im vorderen Ausgang und gingen die 34th Street in Richtung zum East River hinunter.

Es war nicht allzu schwierig, den Leuten zu folgen und sie im Blick zu behalten, obwohl sich Thomas und Meyers von Zeit zu Zeit umblickten. Patsy wusste, dass dies nur aus Gewohnheit geschah, nicht aus Furcht, verfolgt zu werden.

Ihr Weg führte sie bis zum letzten Häuserblock der Straße, und hier traten sie in ein Schanklokal, das gedrängt voll von Gästen war, sodass sie leicht und ohne Aufsehen zu erregen miteinander sprechen konnten. Im hinteren Teil des Lokals befand sich ein Tisch mit einigen Stühlen.

Hier nahmen Thomas, Bart Meyers und ihr Kumpane Platz und begannen sofort ein lebhaftes Gespräch. Am Anfang führte hauptsächlich Spike Thomas das Gespräch. Meyers antwortete zumeist mit verneinenden Gesten.

Nach und nach hatte sich Patsy bis in die Nähe des Tisches vorgeschoben, wo sie saßen, aber die Entfernung war noch zu groß, als dass er etwas von ihrem Gespräch hätte verstehen können. Da endlich begannen sie, etwas lauter zu reden, und zum Schluss sagte Spike Thomas scharf und sichtbar ärgerlich: »Was gebt ihr mir? Ich weiß, was darin ist. Ich habe ein Recht, dabei zu sein. Wenn ich meinen Anteil nicht bekomme, will ich euch schon hereinlegen.«

Bart Meyers lachte laut auf und bestellte eine neue Runde. Der Dritte war aber augenscheinlich geneigt, Spikes Worte ernst zu nehmen.

In leisem sprach er nun auf Meyers ein, fasste diesen dann beim Arm, zog ihn beiseite und unterhielt mit ihm alsdann ein lebhaftes Flüstergespräch. Es schien, als ob seine Worte Eindruck auf Meyers hervorriefen, denn dieser kehrte unvermittelt plötzlich zu seinem Kumpan am Tisch zurück.

»Höre, Spike«, begann er, laut genug, um von Patsy verstanden zu werden. »Ich denke, du überlegst es dir, uns in die Suppe zu spucken. Ich und Billy können mit dir nichts ausmachen, bis wir erst über dem Fluss gewesen sind. Binnen einer Stunde sind wir zurück, und dann wollen wir hier am Tisch weiter mit dir verhandeln. Kommen wir selbst auf unsere Rechnung, so sollst du einen fetten Brocken abbekommen – ich denke, so ist es recht!«

Damit tranken er und der von ihm als Billy Bezeichnete ihre Gläser leer und entfernten sich schnell aus dem Saloon, während Spike am Tisch sitzenblieb und sich sein Glas nachfüllen ließ.

Patsy verließ durch die andere Tür den Saloon gleichfalls, und ein pfiffiges Lächeln umspielte seine Lippen, als er nun mit Windeseile die Straße hinaufrannte.

Etwa eine halbe Stunde später machte ein salopp gekleideter junger Bursche, dem man den eingeborenen Strolch von der Ostseite schon von Weitem ansehen konnte, seine Aufwartung im Saloon. Mit Schlenderschritten durchmaß er den Raum, gab seinem Derby-Hut einen kühnen Schwung, der ihn auf dem Hinterkopf landen ließ, und trat dann mit den Händen in den Hosentaschen an den Tisch heran, wo Spike in Erwartung der kommenden Dinge nach wie vor ungeduldig saß.

»Hallo, Spike, nach dir bin ich gerade ausgewesen!«, begann der Neuangekommene.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete der Angeredete den ihm offenbar Bekannten, dessen Annäherung ihm indessen kein sonderliches Vergnügen zu bereiten schien.

»Wüsste nicht, was du von mir wollen könntest, Bally Morris«, meinte er schnippisch. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass nichts zu holen ist!«

»Unsinn, Spike, mach mir doch keine Flausen vor«, warf der junge Bursche ein, indem er sich rittlings auf einen Stuhl setzte und den anderen breit anlachte. »Du weißt ganz gut, dass ich so schlau bin wie du – ich habe auch so ’ne Ahnung, wer verwichener Nacht die Nase hineingesteckt hat, und von dem Zimmet will ich auch was besehen.«

»Du Narr, wer sagt dir denn, dass ich es nicht selbst war?«, knurrte Spike.

»Du warst um diese Zeit mit deinem Liebchen downtown auf dem Bummel, eh?«

»Hol der Teufel das Frauenzimmer«, brummte Spike, dabei giftig zur Seite speiend. »Ich glaube, Meyers hat sie dafür bezahlt, damit ich nicht meine Hand im Handel haben sollte.«

»Meyers, ganz recht«, rief Bally lachend. »Alter Freund, du musst deine Zunge besser hüten – wetten wir, dass Chicago-Meyers die Geschichte befummelt hat?«

»Hol dich der Teufel!«, knurrte Spike wütend und mit einer Gebärde, als ob er das Glas in seiner Hand dem anderen an den Kopf werfen wollte. »Wer hat dich scharfgemacht?«

»Spike, sei kein Esel – ich weiß so gut wie du, dass Nick Carter und seine Leute auf der Fährte sind – und wollen wir was von dem Zimmet abkriegen, so müssen wir uns beeilen. Ich denke, zwei Mann arbeiten besser als einer – oder nicht? Also sei nicht happig. Ich weiß, die Spürhunde sind hinter einem Kasten her, der ist hundertmal mehr wert als der ganze andere Kram.«

»Möchte nur wissen, woher du das alles hast«, äußerte Spike in hellem Erstaunen.

»Woher hast du es?«, gab Bally Morris spöttisch zurück. »Sei vernünftig, hinter dem Job steckt ein geheimer Auftraggeber, und meinst du, der hat Meyers umsonst hierherkommen lassen? Dir kann ich es ja sagen, ich habe Patsy heute ausgeholt – der hält sich für überschlau, aber sind wir nicht mit ihm groß geworden, du und ich? Er verriet es mir auch, dass du ihn heute Morgen schon hast aushorchen wollen – und von ihm habe ich es auch, dass der Kasten, der heute Nacht verschwunden ist, mehr Geld wert ist, als du und ich überhaupt zählen können.«

»Unsinn! Blödsinn! Blech!«, knurrte Spike, doch sein scheues Wesen verriet, dass die Worte des anderen Eindruck auf ihn gemacht hatten.

»Sei kein Narr, Spike«, fuhr Bally überredend fort. »Wir haben es mit Spürhunden zu tun – bist du happig, so kommst du zu gar nichts, denn Meyers und Billy sind dir gewachsen – sie ziehen dich so lange hin, bis sie selbst von Nick Carter beim Kragen genommen werden. Halten wir dagegen zusammen, so müssen sie bluten – und was hinterher passiert, das kümmert uns nicht!«

Spike schlug mit der flachen Hand derb auf den Tisch und fasste dann den anderen beim Arm.

»Ja, recht hast du – mich würgt ohnehin schon der Ärger über die gierigen Kerle halb zu Tode – also machen wir Kippe – das heißt«, setzte er einschränkend hinzu, »erst will ich noch einmal abwarten, ob die Burschen nicht mit sich reden lassen. Tun sie es nicht, dann habe ich schon einen Plan gefasst, bei welchem ich dich brauche, denn allein könnte ich ihn ohnehin nicht ausführen. Doch nun mache dich dünn, denn Meyers mag jeden Augenblick zurückkehren, und findet er uns zusammen, so wittert er Unrat – er ist ohnehin so’n misstrauischer Kerl!«

»Da hast du recht«, meinte Bally Morris leichthin.

Damit drückte er seinen Hut tief in die Stirn, gab ihm einen kühnen Schlag, der ihn in den Nacken brachte, und schlenderte dann pfeifend aus dem Saloon.

Hurtig verfolgte der Bursche die 34th Street bis zur 2nd Avenue. Doch als er in diese einbog, da prallte er beinahe mit einem anderen Burschen zusammen, und im selben Moment lachte er auch schon überlaut auf.

Zum Lachen hatte er auch guten Grund, denn der ihm so plötzlich in den Weg gelaufene halbflügge Geselle war sein getreues Ebenbild. Ja, man hätte die beiden Jünglinge beinahe für eineiige Zwillinge halten mögen, so genau glichen sie einander. Selbst die Hüte saßen mit dem gleichen Schwung tief hinten im Nacken.

Der Doppelgänger stand in starrem Erstaunen und mit weit offenem Mund, während seine Blicke den anderen wie entgeistert musterten.

»Hallo, was soll denn das heißen?«, rief er schließlich.

»O, es ist alles im Geleise, Bally Morris«, entgegnete der junge Bursche, der mit diesem Namen von Spike Thomas selbst angesprochen worden war.

Plötzlich beugte sich der andere vor, starrte seinem Doppelgänger scharf ins Gesicht und rief in äußerstem Erstaunen: »Nun schlag einer lang hin – der Kerl hat sich geschminkt – wahrhaftig, er hat sich so täuschend ähnlich zurechtgemacht, als wäre ich es selbst!«

Doch zur Antwort lachte sein Doppelgänger nur so herzlich, dass ihm die hellen Tränen in die Augen traten und er sich die Seiten halten musste.

»Ein heiliges Donnerwetter!«, begehrte nun der wirkliche Bally Morris auf. »Was ist denn das für eine Niedertracht! Willst du mir antworten, du Frechdachs?«

»Mein lieber Morris, ich bin dein Freund Patsy Murphy«, beschwichtigte nun der junge Detektiv, immer noch aus vollem Hals lachend. »Das ist ja der größte Witz – wie konnte ich auch wissen, dass du dich um diese Stunde von deiner vielgeliebten Bowery hierher verirren würdest. Doch komm nur mit. Ich zahle eine Runde, wasche mir die Farbe aus dem Gesicht und erkläre dir alles!«

Völlig bestürzt und unter andauerndem Kopfschütteln entsprach der wirkliche Bally Morris der Einladung seines Doppelgängers.

»Aber sage mir nur, Patsy, was soll der Mummenschanz bedeuten?«, erkundigte er sich unterwegs.

»Nichts, was dir Kopfschmerzen machen müsste, Pard«, beruhigte der Detektiv, ihn lachend von der Seite anblickend. »Doch wenn du hübsch auf meine Pläne eingehst, so dürften wohl einige Dollars für dich dabei herausspringen – was auch nicht zu verachten ist, eh?«

Damit zog er seinen Gefährten auch schon in den nächsten Saloon, suchte den Waschraum auf und säuberte sich dort schnell. Dann, als er wieder er selbst geworden war, zog er Bally Morris vertraulich zum Schankraum.

»Unbesorgt, alter Pard«, wisperte er dem Burschen zu. »Du brauchst dich keinem Kummer hinzugeben. Willst du tun, was ich dir sage und vor allen Dingen Spike nicht wissen lassen, dass ich ihn genarrt habe, so wird es dein Schaden nicht sein – die Sache ist ganz einfach«, setzte er dann vertraulich hinzu. »Ich weiß ganz gut, worauf ihr beide aus seid, du und Spike, und weder mein Meister noch ich wollen euch die Hände binden – der Mann von der 35th Street schert sich den Kuckuck darum, ob er den Zimmet wiederkriegt, die Juwelen und das Silber – ihm ist es nur um den Kasten mit den Papieren darin zu tun. Es handelt sich um eine Erfindung oder sonst einem Hokuspokus, der für unsere Gehirnbüchsen zu hoch ist – aber der Mann hat es sich schon viel kosten lassen und will wieder zu seinem Eigentum kommen. Wir Nick-Carter-Leute haben die Sache nur in die Hand genommen, um ihm dazu zu verhelfen. Meyers und sein Freund haben einen Hintermann, in dessen Auftrag sie handeln. Bekommt dieser den Kasten, so sind einmal die beiden Kumpane geprellt, und auch unser Boss hat das Nachsehen, während du und Spike Hungerpfoten saugen könnt, verstanden? Bei der Geschichte ist etwas zu machen, ohne dass man sich krumm zu laufen braucht – ich denke, du kennst mich. Kann ich einem meiner alten Freunde was zuwenden, so geschieht es sicherlich!«

Patsy war ein Menschenkenner, so jung er auch noch war, und mit sicherem Griff wusste er jedweden bei der verwundbaren Stelle zu packen. Auch Bally Morris war bald vollkommen einverstanden und versprach willig, allen Anweisungen des jungen Detektivs Folge zu leisten. Doch als Patsy ihn mit dem Bedeuten entließ, sich nun zum Saloon zu begeben, wo Spike sich aufhielt, und so zu tun, als ob er sich schon vorhin mit jenem besprochen habe, da schaute er hinter dem schnell Davonschießenden mit spöttischem Lächeln her.

»Alter Freund, du bist ein Gauner, und dir darf man nicht weiter trauen, als man dich sehen kann. Doch das schadet nichts. Ich weiß, dass ich dich und Spike nunmehr so scharf gemacht habe wie zwei Kettenhunde. Ihr seid nun wie ein Donnerwetter hinter Meyers und Genossen her, während ich mir die Freiheit nehmen werde, zwar nicht errötend, aber umso ausdauernder euren Spuren zu folgen!«