Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Leitartikel Monat September 2012

Ghostwriting – Etwas Verrufenes oder was?

Mal ehrlich! Durchforste ich einige Communities, welche sich mit Autoren, Literatur und Verlage beschäftigen, sträubt sich mein aufgrund des Alters lichter gewordenes Haupthaar. Klar, jeder kann seine Meinung äußern, doch sollte man diese nicht als das Nonplusultra mit aller Macht verkaufen. Es gibt Mitmenschen unter uns, die sich mehr oder weniger tiefgründiger mit Thematiken beschäftigt haben, über welche in den Communities so eifrig diskutiert wird; sei es während eines Studiums oder aufgrund von Interna. Betrachte ich mir die Postings genauer, so stelle ich oft fest, dass es darin zum größten Teil nur um das Erscheinungsbild des Diskussionsgegenstandes und nicht um Wesen, Inhalt und/oder Struktur geht. Die Postings dringen nicht zum Kern der Sache vor.

Ein Aufschrei der Empörung hallte durch die Literaturlandschaft, als ein kleiner Verlag das Thema Ghostwriting aufgriff und dies potenziellen Interessenten seit geraumer Zeit anbietet. Das ist unseriös! So etwas gehört sich nicht! Typisch DKZ!, so die Meinung vieler User, darunter auch Autoren. Was bitte schön soll daran unseriös sein, wenn dieser Verlag Ghostwriting als Dienstleistung anbietet? Ah, ich verstehe: Es ist eben eine Dienstleistung und dies ist typisch für DKZ-Verlage. Bin ich bei diesen Communitie-Plattformen im falschen Film oder habe ich etwas nicht richtig geschnallt? Ein Grund mehr, um mich etwas mit dem Thema Ghostwriting zu beschäftigen.

In Vergangenheit und Gegenwart der Menschheit finden wir viele Spuren von Ghostwriting. Es ist für mich durchaus nachvollziehbar, dass das Ghostwriting genauso alt wie die Schrift selbst ist. Sicherlich hat der eine oder andere unter uns das Bild vor seinem geistigen Auge, wie ein gut betuchter Kaufmann – mit Grips im Kopf, einer dicken Börse und dennoch des Schreibens unkundig – auf dem Basar des alten Samarkand einem Schreiber einen Brief diktierte. Für seine Dienste bekam der Schreiberling Bares auf die Hand und war froh, sein tristes Dasein damit etwas verschönern zu können.

In der Zeit der Aufklärung war es innerhalb der Aristokratie en vogue, sich mit akademischen Titeln zu schmücken. Man schloss sich mit echten, teils mittellosen Akademikern und Wissenschaftler zusammen, welche bei der Erlangung der Titel Schützenhilfe leisteten und dafür großzügig entlohnt wurden.

Seit dem alten Rom bis in unsere heutige Zeit hinein werden viele Reden für Politiker nicht durch diese selbst, sondern durch Ghostwriter geschrieben. Dies hat an sich nichts mit dem Können oder Nichtkönnen des jeweiligen Politikers zu tun, sondern wird lediglich aus Zeitgründen praktiziert. Eine gute Rede braucht eben ihre Zeit des Entstehens und muss dem jeweiligen Anlass entsprechen.

Nicht jeder, der ein Buch veröffentlichen und sich damit einen Lebenstraum erfüllen möchte, ist in der Lage, dieses Buch auch selbst zu schreiben. Er will unter allen Umständen, dass ein schickes Buch mit seinem Namen darauf Wandregal oder Schrankwand ziert, Verwandte und Bekannte mit diesem Buch bedacht werden. Der Autor reicht sein Manuskript beim Verlag seiner Wahl ein und wird mit den Tatsachen konfrontiert: »Sie sind der Kunst des Schreibens nicht mächtig.« Und an diesem Punkt setzt Ghostwriting ein, natürlich nur, wenn vom Autor ausdrücklich gewollt. Und der will ja mit aller Macht bekannt werden!

Auch im World Wide Web finde ich mittlerweile viele Spuren von Ghostwriting. Schaut man sich Blogs von Unternehmen und Institutionen an, so stellt sich die Frage, wer diese Blogs am Leben hält. Meist sind Ghostwriter am Werk, welche die Seiten up to date halten.

In diesem Zusammenhang kommt mir SEO in den Sinn – suchmaschinenoptimierte Texte. Es genügt nicht mehr, Schlüsselwörter einfach aneinanderzureihen. Speziell erstellte Texte mit entsprechender Anzahl von Schlüsselwörtern dienen dazu, um effektiver als bisher auf sich im Web aufmerksam zu machen. Online Ghostwriting ist angesagt!

Sicherlich wird es noch mehr Gesichtspunkte geben, um aufzuzeigen, wo überall Ghostwriting zu finden war, ist und sein wird. Vorbei sind jedenfalls die Zeiten, in denen während konspirativer Treffen Bares den Besitzer wechselte, nur um eine fertige Doktorarbeit in den Händen halten zu können. Vorbei sind die Zeiten, in denen Ghostwriting als verrufen, halbseiden oder nicht ganz legal galt. Ewig Gestrige wird es immer geben.

Wir gehen zum Steuerberater, wenn wir inpuncto Steuern nicht weiterkommen. Wir lassen uns durch einen Anwalt vor Gericht vertreten, da wir in Rechtsfragen nicht so sattelfest sind. Bei einem Wasserrohrbruch überlegt man auch nicht, ob ein Klempner angerufen werden soll oder nicht? Man tut es einfach. Worin liegt also das Problem, wenn ich einen Ghostwriter aufsuche, damit er in meinem Namen einen Text schreibt, der beim Leser ankommt und vielleicht zu einem Bestseller wird? Für diese Dienstleistung zahle ich gern.

Ich habe kein Problem damit, dass ein seriöser Kleinverlag Ghostwriting als Dienstleistung im Programm hat. Wer daraus schlussfolgert, es könnte sich dabei um einen DKZ-Verlag handeln, hat den Sinn dieser Zeilen nicht verstanden.

Lasst einfach die guten Geister des schreibenden Handwerks ihre Arbeit verrichten und urteilt später über deren Ergebnis! Rezensionen dazu nehme ich gern entgegen und veröffentliche diese hier auf dem Geisterspiegel.

Copyright © 2012 by Wolfgang Brandt

4 Antworten auf Leitartikel Monat September 2012