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Slatermans Westernkurier 11/2023

Auf ein Wort, Stranger, erinnerst du dich noch an die Slicker-Kriege?

Die frühen Justizbeamten der 1840er Jahre hatten in den weltabgeschiedenen Grenzregionen im Westen mit ihren Kollegen in den großen Städten des Ostens eigentlich nur den Amtstitel gemeinsam. Während dort Sheriffs, Marshals oder sonstige gewählte oder angestellte Polizeibeamte Straftäter verhafteten und sie anschließend vor ein ordentliches Gericht mit Richter, Staatsanwalt, und einer Geschworenenjury brachten, war an der Grenze, der sogenannten Frontier, die Strafverfolgung und Verurteilung etwas subtiler.

Dort galt nicht das geschriebene Gesetz, sondern die sogenannte Salbeibuschjustiz. Diese war eine Mischung aus Selbstjustiz, Faustrecht, gesundem Menschenverstand und Bibelthesen.

Das war zum einen dem Umstand geschuldet, dass dort nur in den seltensten Fällen Juristen zur Verfügung standen, zum anderen, dass ein ordentlicher und flexibler Strafvollzug zum größten Teil gar nicht möglich war. Das lag allein schon daran, dass Richter und Sheriffs dort bereits ernannt wurden, weil sie lesen, schreiben und rechnen konnten oder, aus welchem Grund auch immer, schon einmal vor einem ordentlichen Gericht gestanden hatten und sich an einige der dort herrschenden Regeln erinnerten, sowie der Tatsache, dass es in diesen Gegenden so gut wie keine Gefängnisse gab.

In Monroeville zum Beispiel, eine Ansammlung von Erdlöchern, aus denen sich später Colusa und danach das Städtchen Glenn herausmauserten, wurden Gesetzesbrecher in einen alten Bärenkäfig gesperrt, der im Schatten eines Regenbaumes stand. In Colorado musste der Sheriff des Gilpin Countys in Ermangelung eines Gefängnisses Straftäter bis zur Verhandlung unter seinem Ehebett, an Händen und Füßen an die Bettpfosten gefesselt, aufbewahren.

In anderen Grenzregionen wurden die Gefangenen an Wagenräder, Windmühlen, an die Fensterrahmen von Beamtenwohnungen oder an Stallkrippen gefesselt. Für einen kräftigen Mann war es oftmals ein Leichtes, sich zu befreien und so seiner Strafe zu entgehen.

Um dies zu umgehen, bildeten sich mancherorts Bürgerkomitees, die bei schweren Straftaten wie Mord zum Beispiel den Täter einfach aufknüpften oder bei leichteren Vergehen ihn teerten und federten oder ordentlich verprügelten. In den Staaten Arkansas, Louisiana und vor allem in Missouri wurden die Delinquenten vornehmlich mit Ruten aus Hickoryholz ausgepeitscht.

Diese Schläge wurden damals als Slickings bezeichnet und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen als Slicker-Kriege.

Einer der blutigsten davon spielte sich in den 1840er Jahren in Missouri in den Countys Benton und Polk ab.

 

 

Colonel Hiram Turk wanderte mit seiner Frau und seinen drei Söhnen um 1839 aus Tennessee aus und eröffnete am Butterfield Trail in Missouri südlich des Städtchens Warsaw ein Geschäft und einen Saloon. Obwohl die Familie allgemein als gebildet und höflich galt, wurde schnell bekannt, dass sie vor keinem Streit zurückschreckte.

In den 1830er Jahren zog auch Andy Jones mit seiner Familie von Kentucky aus nach Missouri und ließ sich mit seiner Frau und seinen vier Söhnen am Fluss Pomme de Terre im Benton County nieder. Schon bald war bekannt, dass sie ihren Lebensunterhalt mit Spiel- und Pferderennwetten bestritten, und nicht wenige Menschen im County munkelten, dass sie ihrem Glück dabei oftmals nachhalfen. Allerdings sprach diese Tatsache niemand so deutlich aus wie Hiram Turk und seine Familie und so wunderte es niemanden, dass es deshalb schon bald zum Eklat kam.

Am Wahltag des Jahres 1840 kam es dann schließlich zu jenem Konflikt, der als Slicker-Krieg von Benton County in die Geschichte des Staates Missouri einging.

Für die Wahl wurde Hiram Turks Laden als eines der örtlichen Wahllokale bestimmt. Als Andy Jones hereinkam, um seine Stimme abzugeben, bezweifelte Jim, der älteste Sohn der Turks, Jones Recht zu wählen aufgrund dessen Betrügereien. Es kam zum Streit, der in eine Schlägerei ausartete, in die Colonel Turk und sein Sohn Tom eingriffen und dabei ihre Messer zogen. Obwohl bei der Auseinandersetzung niemand ernsthaft verletzt wurde, klagte Jones die Turks wegen Körperverletzung und Verweigerung seines Wahlrechts vor dem Countygericht an. Bevor es jedoch zur Verhandlung kam, stellte Abraham Nowell, ein Nachbar der Jones und diesen wohlgesonnen, die Turks auf der Straße und sagte, dass er Zeuge des Vorfalls im Wahllokal war und sie deshalb mit einer Aussage vor Gericht belasten würde. Daraufhin drohte ihm Jim Turk, ihn mit seinem Revolver zu einer wahrheitsgemäßen Aussage zu zwingen, worauf Nowell blitzschnell seine Waffe zog, Jim erschoss und flüchtete.

Die Antwort der Turks ließ nicht lange auf sich warten.

James Morton, ein enger Verwandter der Jones, lebte ebenfalls in der Gegend. Er war, was niemand bis dato wusste, ein steckbrieflich gesuchter Verbrecher, der aus Alabama hierher geflohen war.

Ein Zufall wollte es, dass ein Kopfgeldjäger, der nach ihm suchte, in Turks Laden Zwischenstation machte. Als die Turks von der Sache erfuhren, machten sie mit ihm gemeinsame Sache, entführten Morton und übergaben ihn dann dem Kopfgeldjäger, damit dieser Morton nach Alabama zurückbringen konnte.

Morton wurde dort jedoch überraschenderweise freigesprochen, kehrte wieder nach Missouri zurück und sorgte dafür, dass Hiram Turk nun seinerseits wegen Entführung angeklagt wurde. Eine Anklage, die jedoch zum Ärger von Morton und den Jones rasch wieder fallen gelassen wurde.

Wütend schworen die Familie Jones, Morton und alle Freunde, die sie um sich geschart hatten, den Turks blutige Rache.

Am 17. Juli 1841, Colonel Hiram Turk kam gerade aus dem städtischen Postamt und wollte nach Hause zurück, trat ihm Andy Jones in den Weg, zog seinen Colt und erschoss ihn. Obwohl Jones des Mordes angeklagt wurde, sprach man ihn wenig später frei. Danach eskalierte die Auseinandersetzung endgültig.

 

 

Colonel Turks Söhne machten nach dem Freispruch von Jones öffentlich bekannt, dass sie und ihre Verbündeten fortan die zwielichtigen Elemente des Countys, darunter Diebe, Betrüger, Mörder und Fälscher, vertreiben würden, wozu sie auch die Familie Jones zählten.

Daraufhin begannen sich in der ganzen Region die Menschen mit einer der beiden Parteien zu verbünden, niemand blieb mehr neutral.

Die Truppe der Turks machte ihre Drohung schnell wahr und besuchte jeden, der mit der Jones-Familie verwandt oder verbündet war. Dabei gingen sie äußerst brutal zu Werke. Sie zerrten die Männer, die sie aufsuchten, aus ihren Häusern, banden sie an Bäume und peitschten sie mit Hickoryholzruten. Die Auspeitschungen waren derart grausam, dass einige der Zielpersonen innerhalb weniger Tage an den ihnen zugefügten Wunden starben.

Die Fraktion der Jones’ regierte mit noch gewalttätigeren Aktionen, wodurch sich der Konflikt in kürzester Zeit über weite Teile des Ozarks in Missouri ausbreitete und Dutzende Opfer fand.

Im April 1842 machte Abrahams den Fehler, ins Benton County zurückzukehren. Er war der Meinung, dass die Jones inzwischen so mächtig waren, dass man ihn nicht mehr für den Mord an Jim Turk bestrafen würde. Ein Trugschluss, denn die Bürgermiliz der Turks erschoss ihn noch im Oktober desselben Jahres. Danach eröffneten sie die Jagd auf Andy Jones, bei der sie beinahe einen unschuldigen Farmer namens Samuel Yates töteten.

In dieser Zeit, dem blutigen Höhepunkt dieses Slicker-Krieges, in der fast täglich Opfer zu beklagen waren, versuchte DeWitt Ballou, der Friedensrichter des Benton County, verzweifelt, den Frieden wieder in der Region herzustellen. Doch seine Bemühungen scheiterten und so schaltete sich der Gouverneur von Missouri in die Kampfhandlungen ein, indem er die Staatsmiliz mobilisierte, um dem Terror mit Gewalt Herr zu werden.

38 Verbündete der Turks wurden angeklagt, den unschuldigen Farmer Yates fast ermordet zu haben, und auch die Jones und deren Sympathisanten klagte man an. Doch es kam nie zu einer Gerichtsverhandlung. Tom Turk wurde später von einem Mitglied der eigenen Posse ermordet und Andy Jones floh nach Texas. Nathan Turk verfolgte ihn, und als Jones wegen Pferdediebstahl vor Gericht gestellt wurde, sagte Nathan gegen ihn aus, worauf man Jones aufhängte.

Colonel Turks Frau kehrte mit Nathan, ihrem einzigen überlebenden Sohn, wieder nach Tennessee zurück und auch die Jones-Familie verließ das Land. Die eigentliche Familienfehde war damit vorbei, allerdings bekriegten sich die Anhänger der beiden Parteien noch über ein Jahrzehnt.

Nachzutragen wäre noch, das im St. Charles County und im McDonald County in Missouri ebenfalls Slicker-Organisationen tätig waren, um sich vor den sich immer mehr ausbreitenden Plünderungen von Dieben, Mördern und Betrüger zu schützen.

In einigen Fällen jedoch infiltrierten die Gesetzeslosen diese Bürgerwehren und spannten die Männer für ihre Zwecken ein, was sogenannte Anti-Slickers-Organisationen auf den Plan rief, die wiederrum mit Gewalt gegen diese Bürgerwehren vorgingen. Es war eine einzige Gewaltspirale, bei der überall im Staat noch jahrelang in zahlreichen kleinen und großen Slicker-Kriegen Dutzende von Männern getötet oder verwundet wurden.

Quellenhinweis: