Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 30

Der gespenstige Wagen im Grunewald

Mit dem Geistersehen ist es eine eigene Sache. Es gibt angeblich viele Menschen, die Geister sehen, aber nicht alle in gleicher Weise. Der eine kann es bei Tag und Nacht, ein anderer nur bei Nacht und mancher auch wieder nicht so oft wie ein anderer. Hiervon ein Beispiel. Kühne, Grunow und Tübbecke, drei Fischer, waren einmal von Tiefwerder aufge­brochen, um im Grunewalder See zu fischen. Tübbecke schob die Karre, Grunnow zog sie und Kühne ging so ein Ende hinterher. Es war im Herbst, ganz früh und noch dunkel. Da sah Kühne auf einmal deutlich in der Dunkelheit einen Wagen, mit Pferden bespannt, vorbeifahren, und auf dem Wagen saßen zwei Männer. Aber der Wagen klapperte nicht, die Räder knarrten nicht, auch die Männer sprachen nicht, lautlos zog alles vorbei. Da merkte Kühne, dass es Geister wären, er traute sich aber nicht zu sprechen, weil es noch dunkel war. Als es aber heller wurde, fragte er die anderen, ob der Wagen bei ihnen auch so still vor­beigefahren wäre. Grunow und Tübbecke wussten aber von nichts; sie hatten gar keinen Wagen gesehen, obwohl sie auch sonst Geister sehen können.

 

Schloss Grunewald

Im Grunewald ist manche Stelle, wo es nicht recht richtig sein soll, vor allem aber spukt es im Grunewalder Schloss. Die obengenannten Fischer waren auch einmal zur Herbstzeit im Schloss und hatten sich, nachdem sie bis spät am Abend gefischt, müde in dem Seitengebäude in einem eine Treppe hoch gelegenen Zimmer zum Schlafen hingelegt. Sorgfältig hatten sie die zwei Türen, sowohl die unten an der Treppe als auch die andere, welche oben vom Treppenflur in das Zimmer führt, zugemacht. Auch die dritte Tür, welche nach der angrenzenden Kammer geht, war fest zu, wie sie ja auch keiner ohne die zugehörige Klinke überhaupt öffnen kann. Als sie nun im tiefen Schlaf lagen, kam es laut und vernehmlich trott, trott die hölzerne Treppe herauf, die Stubentür flog auf und sausend stürzte es durch die Stube. Die Kammertür öffnete sich, und heulend wie ein Sturmwind zog es in die Kammer hinein. Dann war es still im Zimmer. Mit einem Mal fuhr es aus dem Schlott und polterte den Ofen hinab. Wieder war dann alles ruhig. Die Männer aber waren gleich anfangs aufgewacht und zitterten und bebten vor Entsetzen, eiskalt fuhr es ihnen durch Mark und Bein, es wagte keiner aufzusehen, sondern alle zogen sich ihre Mäntel übers Gesicht, als es bei ihnen vorbeiging. Als aber das Tosen und Poltern im Ofen vorbei war, fuhren sie auf und im Nu, sie wussten selbst nicht wie, waren sie die Treppe hin­unter und stürzten über den Hof in die Kutscherstube, erst da wagten sie aufzuatmen.

Ein anderes Mal passierte Ähnliches, als sie in der Kutscherstube selbst schliefen. Da öffnete sich plötzlich die Pferdestalltür, und der Kutscher kam zitternd zu ihnen in die Stube, und hinter ihm raste es wie ein Wirbelwind, riss die Flurtür auf und fuhr durch den schmalen Flur zum Hof hinaus. Wie sie da ans Fenster eilten, sahen sie mit Schrecken, wie es im Mond­schein wild auf dem Hof und an den Wänden der Gemäuer herumjuchte und tobte wie die wilde Jagd und ganz deutlich eine weiße Gestalt herumstürmte.

Derartiges wollen die Leute, die dort verkehren, öfters erlebt haben. Nament­lich soll aber der alte Kellermeister, der auch auf dem Bild am Eingang abgebildet ist, des Nachts um 12 Uhr noch oft die große Wendeltreppe des Schlosses herabkommen und mit den Schlüsseln klappern. Auch fangen manchmal die alten großen Bratspieße unten in der gewölbten Küche sich von selbst an zu drehen. Das Leben, was hier früher zu der alten Kurfürsten Zeiten gewesen war, meinte dabei der Erzähler, ist noch nicht vollständig zur Ruhe gekommen, und damals ist auch manches passiert, was nun nicht mehr vorkommt. So soll in einem Zimmer des südlichen Flügels einmal jemand eingemauert worden sein. Einige meinen, es sei die schöne Gießerin Anna Sydow gewesen, welche Kurfürst Joachim liebgehabt hatte und deren Geist nun noch spuke. Andere behaupten, es sei eine Hofdame, welche er geliebt, und die seine Gemahlin während seiner Abwesenheit lebendig da hat einmauern lassen. Wunderlich sieht die Stelle allerdings aus, zumal eine kleine Wendeltreppe im oberen Stock sich gerade an sie anschließt und früher von dort auch nach unten geführt zu haben scheint. Wer weiß aber, ob da überhaupt etwas eingemauert, und die Treppe nicht einfach abgebrochen und die Stelle zugemauert wurde.