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Sagen der mittleren Werra 61

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Vom Floßberg

Vom weißen Stein aus zieht sich an der südlichen Gebirgswand hinauf zum Rennsteige ein Kamm, der dann mit diesem eine Strecke fast parallel läuft, hierauf sich wieder talwärts senkt und der Floßberg genannt wird, eine der wildesten Partien der Gegend. Schauerlich schön hat sich hier zwischen längst verlassenen, tiefen Schächten, dunklen Fichten und knorrigen Eichen aus dem verwitterten Granitgebirge ein mächtiger Flussspatgang erhoben, der einer abwechselnd 20 bis 40 Fuß hohen zerfallenen Mauerwand gleicht, in deren Nähe mächtige Felsblöcke bunt durcheinander lagern.

Die Sage bezeichnet den Floßberg als den Sitz des wilden Jägers, der den Forst durchbraust, vor dem alles sich auf das Gesicht werfen und ein Vaterunser beten muss. Dort werden Ohrfeigen von unsichtbarer Hand ausgeteilt, die bösartigsten Neckereien ausgeführt; und unheimliches Wimmern wird vernommen. Von dem Tiefsten der obenerwähnten Schächte aber wird noch folgende Sage erzählt:

In Herges lebte einstmals ein Wirt, der führte falsch Gemäß und falsch Gewicht und gab den Leuten statt eines Pfundes nur drei Viertel und statt einer Kanne nur drei Kartel. Und als er gestorben war, da ging er im Haus um, warf im Schlachthaus als auch im Keller alles durcheinander und rief dabei »Drei Viertel für e Pfoind! Drei Kartel für e Kann!«, sodass es die Leute nicht mehr aushalten konnten, einen Jesuiten bestellten, der den bösen Geist in einen ledernen Sack fing und ihn droben in das Floßloch bannte, wo er noch sitzt.

Nun lebte aber auch ein Müller auf der Grumbach bei Liebenstein, der metzte stets zu viel und trieb allerlei Betrügereien. Und da der nach seinem Tod ebenfalls spukte und lärmte, so ließen ihn die seinen gleichfalls durch einen Jesuiten einfangen und hinauf in das Floßloch bannen.

Aber auch ein Schweinaer hatte in seinem Leben viel Sünden getan, Grenzsteine versetzt und dergleichen mehr, ging nach seinem Tod als feuriger Mann umher und rückte als solcher die Leute. Dem geschah ein Gleiches; er musste ebenfalls hinauf in den Floßberg.

Dort droben sitzen nun die drei beisammen in der Tiefe, spielen Karten miteinander, suchen sich gegenseitig zu betrügen, prügeln sich und machen einen furchtbaren Lärm.

Zwischen dem argen Spektakel jedoch versteht man deutlich die Worte: »Trumpf uis! Drei Viertel für e Pfoind! Drei Kartel für e Kann!«

Und so müssen sie sitzen bis zum Jüngsten Tag!